Ein Warten
Sprenkelpfote wusste nicht, um wen sie sich mehr Sorgen machen sollte. Um Fliegenschatten, der anscheinend immer noch nicht geheilt worden war, um Schattenstern, die weiterhin verschwunden blieb, oder um Dunkelherz, der gerade ein paar letzte Worte mit Vogelschweif austauschte und dann zwischen den Halmen verschwand.
Der WindClan und der DonnerClan hielten sich im hohen, gelben Gras versteckt. Weit genug auseinander, damit ihr Geruch sie nicht verriet. Zusätzlich gab es eine Gruppe von DonnerClan-Katzen unter der Führung von Wolfstern, die vor hatte, seitlich in den Wald einzudringen und dort anzugreifen, sobald Düsterer Mond sein Rudel weg schickte, um Dunkelherz zu holen. Der SchattenClan war bei seiner Eiche geblieben. Es wäre zu auffällig gewesen, wenn er irgendwo hin verschwunden wäre. Allerdings war ihr Lager von hier aus so weit entfernt, dass sie Dunkelherz und Vogelschweif nicht würden sehen können.
»Alles wird gut«, flüsterte Nebelpfote ihr von rechts zu und von links machte Kräuselsturm ihr Mut, indem er als Erinnerung auf seine Vorderpfoten deutete.
Richtig, wenn ich springe, muss ich das Gleichgewicht besser halten, sobald ich aufkomme. Die Krallen an den Vorderpfoten ausfahren, um besseren Halt zu bekommen. Sie atmete tief durch und versuchte, ihr Herzklopfen zu beruhigen. Ich habe so viel trainiert. Dieses Mal wird es nicht so sein wie beim letzten Kampf!
Weiter vorne zuckte Hechtkralle mit den Ohren. Anscheinend hatte das Schauspiel zwischen Dunkelherz und Vogelschweif schon begonnen. Sprenkelpfotes Fell stellte sich auf. Sie konnte nichts hören. Absolut gar nichts. Als Schülerin stand sie weiter hinten, während die Krieger die vordersten Reihen einnahmen. Trotzdem wusste sie ganz genau, was dort auf der Lichtung vor dem Wald gerade passierte. Sie hatte es schon gefühlt hundert Mal im Lager gehört.
»Vogelschweif«, würde Dunkelherz besorgt miauen. »Ist es wirklich eine gute Idee, ausgerechnet jetzt den WindClan zu verlassen?«
»Warum nicht?«, würde die Kätzin antworten. »Wir sind sowieso Verräter. Wir werden uns nie wieder beweisen können! Verstehst du nicht? Es ist besser, wenn wir einfach als Streuner weiter leben.«
»Aber was ist mit deinen Jungen? Was ist mit Blendfeuer? Und ich habe doch auch Familie im WindClan. Sie werden bestimmt nach uns suchen. Und was dann?«
»Sie werden nicht nach uns suchen! Wir sind ihnen doch überhaupt nichts wert!« An dieser Stelle würde Vogelschweif so laut werden, dass die Wölfe ihren Streit auf jeden Fall mitbekommen müssten. Sprenkelpfote meinte, tatsächlich ein paar Wortfetzen zu hören, die vom Wind zu ihr rüber getragen wurden. »Möchtest du etwa zurück zu ihnen? Ich erlaube es nicht!«
»Habe ich nach deiner Erlaubnis gefragt?«, knurrte Dunkelherz. »Denkst du, du kannst mich aufhalten? Vielleicht wird man mir ja wieder vertrauen, wenn ich Schattenstern sage, dass du den WindClan verlassen willst!«
»Du willst mich verraten? Hast du nur deswegen zugestimmt, mit mir zu kommen?«
»Und was, wenn es so ist?«
»Du hast keine Ahnung, welche Mittel ich benutzen kann, um dich dazu zu zwingen, das Maul zu halten!«
»Und das soll ich dir glauben?«
Im selben Moment ertönte ein herzzerreißender Schrei. Sprenkelpfote zuckte zusammen. Vor ihrem inneren Auge konnte sie beinahe sehen, wie Dunkelherz sich selbst mit den Krallen durch das Fell fuhr und dabei schmerzhafte Wunden hinterließ. Blut tropfte auf das Gras.
»Hat es geklappt?«, fragte Dachspfote, der ein Stück entfernt von ihnen saß. Es würde der erste Kampf sein, an dem der weiße Kater teilnahm. Auch er hatte viel mit Hechtkralle trainiert. In seinen Augen leuchtete ein Eifer, der seine Furcht vollkommen überdeckte.
Sprenkelpfote schaute unruhig zu Hechtkralle, der vorsichtig einen Schritt nach vorne trat und zwischen den Halmen hindurch nach draußen schielte. Er ließ sich nicht anmerken, was er sah, aber gleich darauf ertönte ein weiterer von Dunkelherz' Schreien. Offenbar waren noch keine Wölfe auf der Lichtung erschienen.
»Warum kommen sie nicht?«, hörte sie einen DonnerClan-Krieger mit schwarzen Pfoten fragen.
Allmählich wurden die Katzen nervös. Dunkelherz konnte nicht ewig durchhalten. Wenn die Wölfe kamen, musste er auch noch fliehen können und je schwerer seine Verletzung war, desto langsamer würde er sein.
Plötzlich hörte Sprenkelpfote eine weitere Stimme. Die Stimme einer jungen Kätzin. Sie klang gehetzt und fast schon verzweifelt. Als würde sie vor etwas davonlaufen.
»Hirschbein!«, kreischte sie. »Weidenstern! Kommt schnell, bevor sie fliehen kann! Sie ist eine Katze der Macht! Ihr müsst sie gefangen nehmen!«
Ein Schrei, als Vogelschweif scheinbar von der Kätzin zu Fall gebracht und am Boden festgehalten wurde. Die Katzen, die vorher noch die Ruhe bewahrt hatten, sträubten ihr Fell und drängten nach vorne. Sprenkelpfote war vollkommen verwirrt. Das war nicht geplant! Was passiert da?
»Bleibt ruhig!«, zischte Hechtkralle leise und versuchte, die Krieger unter Kontrolle zu halten. »Es ist die SchattenClan-Kätzin, die damals Sternenpfote an die Verfolger ausgeliefert hat. Sie kämpft gegen Vogelschweif.«
»Das sieht mir viel zu echt aus!«, fauchte Blendfeuer. »Weiß diese Kräuselpfote von dem Plan oder denkt sie wirklich, dass Vogelschweif eine Katze der Macht ist und möchte sie ausliefern?«
Mehrere Krieger peitschten wütend mit den Schwänzen. »Verräter bleiben Verräter«, knurrte jemand. »Sie sind unbelehrbar! Ich wette, Kräuselpfote meint es ernst!«
Blendfeuer trat von einer Pfote auf die andere, unruhig. Schließlich fuhr er die Krallen aus und schoss ohne Vorwarnung hinaus auf die Lichtung. Hechtkralle hatte nicht mal genug Zeit, um ihn aufzuhalten. »Mäusedreck!«, hörte Sprenkelpfote ihn fluchen.
Der Wind trug wildes Kampfgeschrei zu ihnen rüber. Das Entsetzen in ihr wuchs bis ins Unerträgliche. Warum kommen die Wölfe immer noch nicht? Düsterer Mond müsste sein Rudel doch schon lange losgeschickt haben! Als die Sorge in ihr übermächtig wurde, spannte sie die Muskeln an. Kurz davor, Blendfeuer zu folgen und Dunkelherz dort weg zu holen. Doch im selben Moment teilten die Halme sich und ihr Bruder stolperte auf die plattgetrampelte, freie Fläche.
Er sah schrecklich aus. Tiefe Wunden zogen sich über seine Seiten und Blut färbte sein schwarzes Fell noch dunkler, falls das überhaupt möglich war. Er hielt sich kaum auf den Beinen, keuchte und brach dann zusammen.
»Dunkel...!« Der Schrei blieb in ihrer Kehle stecken.
Plötzlich war es unheimlich still. Sie merkte, dass Hechtkralle und ein paar andere Krieger, die zwischen den Halmen hindurch auf die Lichtung blickten, erstarrten.
»Sie sind da«, hörte Sprenkelpfote den DonnerClan-Kater mit den schwarzen Pfoten flüstern.
Ihr gesamtes Fell sträubte sich, als sie das Heulen hörte. Es klang wie eine Ankündigung des Todes. Ein Schauer nach dem anderen fuhr ihr über den Rücken.
»Haltet euch bereit«, miaute Hechtkralle mit angespannter, aber fester Stimme. »Denkt daran. Sobald die Wölfe nah genug sind, greifen wir an. Achtet darauf, dass keiner von ihnen zurück in den Wald flieht. Wir müssen dafür sorgen, dass Wolfstern und ihre Gruppe auf so wenig Feinde wie möglich trifft, wenn sie das Lager des Rudels betritt, um Düsterer Mond zu töten.«
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