Ein Gedanke
Schon als der erste Wolf aus dem Wald kam, wusste Terra, dass dieser Kampf anders sein würde. Dämmriger Himmel führte den Großteil des Rudels an und jaulte ihnen etwas zu, woraufhin mehrere der Bestien nach vorne stürmten. Ohne nachzudenken folgte Terra Hechtkralle, der mit einem lauten Schrei ebenfalls voraus preschte. Sie hatte das Gefühl, in einer Art Kaninchentunnel gefangen zu sein, aus dem es kein Entkommen gab. Links, rechts, und hinten waren die Fluchtwege von anderen Kriegern und Schülern versperrt. Jetzt gab es nur noch den Weg nach vorne.
Fauchend schlug Terra nach dem erstbesten Wolf, der ihr vor die Pfoten lief. »Der hier!«, rief sie wie abgesprochen, damit weitere Katzen kamen, um sie zu unterstützen. Sie duckte sich, als sie hinter sich ein Fauchen hörte und gleich darauf Kräuselsturm über sie hinweg auf den Wolf sprang. Der graue Kater krallte sich im dichten Pelz der Bestie fest, während Terra nach den schwarzen Augen schlug.
Wo bleiben die anderen?, fuhr es ihr durch den Kopf. Es sollen mindestens drei Katzen kommen, wenn ein Wolf für den Angriff ausgewählt wurde!
Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gebracht, als der Wolf auch schon mit den Zähnen nach Kräuselsturm schnappte. Der Kater schaffte es gerade noch, von ihm abzuspringen und landete sicher im Gras, wo er sich nochmal duckte, um dem Biss zu entkommen. Er warf Terra einen entschuldigenden Blick zu und rannte in Richtung eines anderen Kampfes davon.
Terra zog sich ebenfalls zurück, suchte mit den Augen nach jemandem, der ihre Hilfe brauchte. Sie sah, wie Blendfeuer gegen Kräuselpfote kämpfte, die Dunkelherz und Vogelschweif zuvor verletzt hatte und sie an die Verfolger hatte ausliefern wollen. Sie wusste immer noch nicht, ob die SchattenClan-Schülerin es wirklich ernst gemeint hatte oder nicht. Aber zum Glück traf im selben Moment der SchattenClan ein und Blendfeuer und Kräuselpfote wurden von Harzjäger getrennt. Der zweite Anführer zischte beiden etwas zu, woraufhin die Schülerin zurück zur Eiche rannte, unter der der SchattenClan sein Lager hatte. Blendfeuer hingegen peitschte nur unwillig mit dem Schweif und folgte Harzjäger in eine andere Richtung.
»Vorsicht!«
Der Schrei erklang schrill in ihren Ohren und sie konnte gerade noch der herunter sausenden Pranke eines Wolfes ausweichen, der sich von hinten an sie herangeschlichen hatte. Erschrocken sprang Terra zur Seite, stieß dabei mit einer anderen Katze zusammen und verlor den Halt.
Fuchsdung! So ein Fehler war ihr bisher noch nie passiert! Warum ausgerechnet heute! Sie spannte ihre Muskeln an, um aufzuspringen, doch da war der Wolf schon über ihr. Blitzende Zähne, funkelnde Augen. Sie fühlte sich wie eine Beute, die ihren Jäger bewegungslos vor Schock anstarrte.
Doch plötzlich zuckte der Wolf zurück und fuhr mit gefletschten Zähnen zu der Katze herum, die ihn in eines der Hinterbeine gebissen hatte.
Aqua.
Die Kätzin mit den breiten Streifen stand hinter der Bestie und legte die Ohren an, fauchte. Terra hatte ihre Freundin noch nie so kämpferisch gesehen. Sie war wie ausgewechselt. Eine vollkommen andere Katze. Aber... Was macht sie hier? Sie sollte doch im Lager bleiben!
»Nein!« Der Schrei verließ Terras Kehle schneller als sie es verhindern konnte. Rasch sprang sie auf die Pfoten und stürmte nach vorne, stieß Aqua zur Seite. Gleichzeitig spürte sie einen brennenden Schmerz im Hinterbein. Wie ein Blitz schoss er durch ihren Körper und verhinderte, dass sie sicher landete. Sie überschlug sich mehrere Male und prallte hart einige Schwanzlängen weiter auf dem Boden auf. Stöhnend hob sie den Kopf und sah auf ihr Hinterbein, das ununterbrochen blutete. Kurz wurde ihr Schwarz vor Augen.
Wo ist Aqua? Ihr Blick wanderte zurück, aber ihre Freundin war nicht mehr da. Stattdessen kämpften jetzt vier DonnerClan-Katzen gegen den Wolf.
»Terra?« Die tiefe Stimme von Aqua erklang auf ihrer anderen Seite. Die gestreifte Kätzin stupste sie leicht mit der Schnauze an. »Du musst aufstehen. Ich bringe dich zu Sprungflügel.«
»Was beim SternenClan machst du hier?«, fauchte Terra gereizt. »Warum bist du nicht im Lager!«
»Du hast mir ein paar Sachen gesagt, über die ich nachdenken musste«, miaute Aqua und half ihr auf die Beine. »Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Vergangenheit etwas ist, was ich nicht mehr ändern kann. Wenn meine Clan-Gefährten in Gefahr sind, werde ich nicht zögern, um zu helfen.«
»Das bedeutet nicht, dass du dich für mich opfern musst!«
»Dasselbe könnte ich dir auch sagen«, konterte Aqua.
Terra seufzte. »Wo ist Hechtkralle?«
»Er ist mit Windstern, Blendfeuer und Harzjäger auf dem Weg zu Dämmriger Himmel.« Ihre Ohren zuckten. »Aber sie wird gut bewacht. Ihr Rudel sorgt dafür, dass sie sich ihre Gegner selbst aussuchen kann.«
Terra warf einen Blick zu der hellgrauen Wölfin, während sie mit Aquas Hilfe zum hohen Gras humpelte, wo die Heiler sich versteckt hielten. Dämmriger Himmel wurde tatsächlich von zwei Wölfen bewacht, die nach allen Katzen schnappten, die zu ihr wollten. Einen einzelnen Krieger hätten sie vielleicht durchgelassen, aber das würde dann sein sicherer Tod sein.
»Warum braucht Wolfstern so lange?«, presste Terra unter Schmerzen hervor. Sie schrie kurz auf, als Aqua sie zu Boden stieß, um einem Angriff auszuweichen. Zum Glück wurde der Wolf jedoch sofort von Rosendorn und Hasensturm zurückgedrängt, sodass sie sicher den Rand der Lichtung erreichten.
»Ich glaube, dass irgendwas falsch gelaufen ist«, sagte Aqua mit bitterer Stimme, bevor sie Terra durch die Halme schob.
Gleichzeitig ertönte jedoch ein lautes Jaulen, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krachen. Es hörte sich an, als würden zwei Bäume in einem Gewitter gegeneinander schlagen und dann umkippen. Beide Kätzinnen fuhren herum.
Beim SternenClan! Terra konnte ihren Augen nicht glauben. Zwei Wölfe waren aus dem Wald herausgebrochen. Einer von ihnen war ohne Zweifel Düsterer Mond und der andere... Ist das wirklich Leises Lied? Ihr Herz machte einen Sprung.
»Das ist Leises Lied!«, schrie sie, in der Hoffnung, dass ihre Clan-Gefährten und auch die DonnerClan- und SchattenClan-Katzen sie hörten. »Er kämpft gegen Düsterer Mond! Helft ihm!«
»Er ist also wirklich auf unserer Seite?«
Terra zuckte zusammen, als Sprungflügels Stimme auf einmal direkt hinter ihr erklang. Die Heilerin schaute ungläubig zu den zwei kämpfenden Wölfen hinüber. Doch wo Terra zuvor noch Hoffnung geschöpft hatte, kam bald die schwere Enttäuschung. Es war offensichtlich, dass Leises Lied dem viel größeren und stärkeren Wolf unterlegen war. Er blutete bereits aus mehreren Wunden und jetzt kam Dämmriger Himmel ihrem Gefährten auch noch zur Hilfe.
»Wir müssen etwas tun!«
»Du wirst erstmal nichts tun«, bestimmte Sprungflügel mit einem Blick auf ihr Bein und stellte sich ihr in den Weg.
»Aber...«
Terra schaffte es nicht mal, zu widersprechen, weil die Heilerin sie zurück drängte. Doch mit ihrem letzten Blick sah sie, wie Dämmriger Himmel Leises Lied am Nackenfell packte und von Düsterer Mond weg schleuderte, wo er zu Boden stürzte und liegen blieb.
»Was ist mit Wolfstern und ihren Kriegern passiert?«, murmelte Terra voller Sorge, streckte aber gehorsam das verletzte Bein aus, damit Sprungflügel es behandeln konnte. Aqua war irgendwo hin verschwunden.
»Das weiß jetzt nur der SternenClan«, antwortete die Heilerin und Terra war sich nicht sicher, ob sie es wörtlich oder im übertragenden Sinn meinte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro