18. Kapitel
„Warte auf mich!", rief Regenpfote leise. Vorsichtig folgte er seinem Bruder. Die Dornen strichen an seinem Fell entlang, als er sich durch die enge Lücke zwängte.
Die Lichtung hatte sich inzwischen komplett geleert. Alles war still, nur vereinzelt drangen noch leise Stimmen aus den Bauen. Ab und zu hörte man ein Husten aus dem Heilerbau und Weißdorns beruhigende Stimme.
Regenpfote entdeckte seinen Bruder im Schatten der Felswand und schlich auf leisen Sohlen zu ihm. „Wie wollen wir an Maulwurfkralle vorbeikommen?", fragte Regenpfote seinen Bruder flüsternd. Man konnte den pechschwarzen Kater zwar nicht sehen, doch gelegentlich hörte man ein Rascheln, wenn er die äußere Dornenbarriere streifte.
„Wir werden nicht durch den Dornentunnel hinausgehen, auch nicht durch den Schmutzplatztunnel." Als Regenpfote ihn fragend ansah, miaute er: „Folge mir einfach leise!"
Regenpfote hätte seinem Bruder gerne noch etwas gefragt, doch er nickte nur und schlich hinter Sturmpfote her. Sie hielten sich im tiefsten Schatten eng an die Felswand gepresst. Falls doch irgendjemand auf die Lichtung kommen sollte, würden sie nicht entdeckt werden.
Sturmpfote hielt direkt auf den Ältestenbau zu, worüber sich Regenpfote wunderte. Wie sollen wir unbemerkt aus dem Lager kommen? Hat Sturmpfote einen Geheimweg gefunden?, fragte sich Regenpfote.
Plötzlich verschwand Sturmpfote hinter dem Ältestenbau. Wo ist er hin? Regenpfote spähte zögernd hinter den Baumstamm. Da tauchte Sturmpfotes Kopf vor ihm auf. „Worauf wartest du noch? Kommst du endlich?", flüsterte er ungeduldig.
Regenpfote schlüpfte durch die Lücke zwischen Fels und Holz.
Nur zwei Schritte weiter begann der Dornenwall. An dieser Stelle wurde der Abstand zum Ältestenbau ein wenig größer.
Regenpfote entdeckte eine Lücke im Dornengestrüpp, durch die sich Sturmpfote gerade zwängte. Er schlich seinem Bruder nach und erwartete eine Sackgasse. An dieser Stelle war die Felswand noch zu steil, um sie erklettern zu können, so glaubte er jedenfalls.
Der Dornenwall beschrieb eine leichte Rundung, während die Felswand noch ein Stück gerade weiter verlief, somit blieb genug Platz, um sich einmal um Kreis zu drehen. Regenpfote schaute nach oben und studierte die Felswand genau.
Eigentlich war sie gar nicht so steil, wie es den Anschein gemacht hatte. Zusätzlich wuchsen einige kleine Büsche, die sich hartnäckig an den Stein festklammerten. Von unten aus glaubte er auch zwei oder drei Felsvorsprünge sehen zu können, war sich jedoch nicht ganz sicher.
Sturmpfote war schon dabei die Felswand hochzuklettern und Regenpfote folgte ihm eilig.
Ich muss ihn unbedingt fragen, wie er diesen Weg gefunden hat und wann!
Zügig kletterten sie aufwärts und nur einmal lösten sich einige kleine Steinchen, die den Abhang hinab kullerten. Angespannt verharrten die beiden Brüder und warteten, ob jemand etwas gehört hatte. Als sich nach einer Weile immer noch nichts rührte, atmeten sie hörbar auf und kletterten weiter. Auch wenn sie mit ihren dunklen Pelzen nicht gut zu erkennen waren, wollten sie doch lieber vorsichtig sein.
Schnaufend sprang Regenpfote über die Kante und fand sich mitten im Wald wieder.
„Alles in Ordnung?", fragte ihn Sturmpfote, der kein bisschen erschöpft wirkte. „Ja, geht schon!", antwortete Regenpfote und schüttelte den Kopf.
„Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wenn wir vor Sonnenaufgang nicht zurück sind, werden wir bestimmt gesucht!", miaute Sturmpfote. Regenpfote stimmte ihm zu und gemeinsam liefen sie durch den nächtlichen Wald Richtung Zweibeinerort. Richtung Katzenminze.
Sturmpfote blieb am Rande des Zweibeinerorts stehen. „Hat Weißdorn sonst noch irgendetwas darüber erzählt, wo die Katzenminze herkommt?", fragte er.
„Doch, etwas hat sie schon noch gesagt. Sie hat gesagt, dass in einigen Zweibeinergärten ein paar Büschel wachsen. Die meiste Katzenminze findet man aber neben einem verlassenen Zweibeinernest, doch um da hin zu kommen, muss man einen Donnerweg überqueren!", antwortete Regenpfote, der sich erinnert hatte.
„Na dann! Suchen wir alles, was hinter den Zäunen wächst, ab und wenn wir da nichts finden, müssen wir eben weiter!" Sturmpfote versuchte optimistisch zu denken, obwohl er doch langsam Angst bekam. Das würde er seinem Bruder natürlich niemals sagen, es war schließlich seine Idee gewesen, hierher zu kommen.
Kurz zögerte er, doch dann sprang er kurzerhand auf den Zaun, der sich vor ihm in die Länge zog. „Komm schon, Regenpfote! Es ist ganz leicht!"
Sturmpfote wartete, bis sein Bruder neben ihm auf dem Zaun stand, dann sprang er auf das Gras auf der anderen Seite hinunter.
Alles hier war ganz anders, als im Wald. Das Gras war kurz und stachlig, von Frost ganz steif. Auf der anderen Seite des Zauns stand ein grauer, eckiger Bau. Ein Pfad aus ebenso grauen flachen Steinen führte darauf zu. Links und rechts davon befanden sich braune Erdflecken, in denen ein paar verkümmerte Pflanzen wuchsen.
Regenpfote, der hinter seinem Bruder gelandet war, schlich auf diese Pflanzen zu. „Sei vorsichtig!", rief ihm Sturmpfote nach.
Sturmpfote sprang wieder auf den Zaun, um von dort oben Ausschau zu halten. Falls ein Zweibeiner sich näherte, würde er seinen Bruder sofort warnen.
Er beobachtete seinen Bruder hoffnungsvoll, der an den Pflanzen schnupperte. Da er schon öfter im Heilerbau gewesen war, würde er den Geruch schneller erkennen. Vielleicht haben wir ja Glück und wir finden beim ersten Versuch die Katzenminze!
Seine Hoffnung wurde zunichte gemacht, als Regenpfote den Kopf schüttelte. Mit hängendem Schwanz kam er zurück und sprang neben seinen Bruder.
„Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben! Im nächsten Garten wächst sie bestimmt!", versuchte Sturmpfote ihnen Mut zu machen.
Als sie dort ebenfalls nichts fanden, was ihnen weiterhelfen könnte, murmelte er mit weniger Zuversicht: „Oder im Übernächsten! Und wenn da nicht, dann im Überübernächsten!"
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