Kapitel 11
Falkenpfote trabte hinter seiner Mentorin Blütenblatt durch den Wald. Der köstliche Geruch des Kaninchens, das er eben gefangen hatte, stieg ihm in die Nase und ließ das Wasser in seinem Maul zusammenlaufen. Er freute sich schon darauf, es sich mit seinen Geschwistern zu teilen.
Beim Lager angekommen schlüpfte er hinter Blütenblatt durch den Dornentunnel und lief zum Schülerbau. Doch fast sofort blieb er stehen. Eulenpfote aß bereits, er teilte sich gerade mit Leuchtpfote eine Spitzmaus. Ein wenig Enttäuschung nagte an ihm. Sie teilten sich doch immer zu viert alles!
Doch noch ehe er etwas weiteres tun konnte, schallte ein vertrauter Ruf über die Lichtung: „Alle Katzen, die alt genug sind, ihre eigene Beute zu machen, fordere ich auf, sich hier unterhalb des Clanfelsens zu einem Clantreffen zu versammeln!"
Schnell legte Falkenpfote sein Kaninchen auf den Frischbeutehaufen, als er sah, wie das graue Fell von Flugpfote sich aus dem Heilerbau schob. Mit wenigen Sprüngen war er bei ihm. „Darfst du wieder dein Training aufnehmen?", fragte er ihn neugierig. Flugpfote nickte. Gemeinsam ließen sie sich nieder und richteten ihren Blick auf Wolfsstern.
Dieser suchte mit seinen bernsteinfarbenen Augen die Lichtung ab, bis sie in der Nähe vom Schülerbau hängen blieben. „Leuchtpfote, Schlangenpfote, tretet vor." Ein Raunen ging durch die Katzenmenge. Falkenpfote suchte die beiden Schüler, die jetzt gemeinsam vor den Clanfelsens traten. Er hatte völlig vergessen, wie alt sie jetzt schon waren! Und wie groß! Man konnte deutlich die Muskeln unter ihren Pelzen erkennen und das Leuchten in ihren Augen. Das war Falkenpfotes erste Kriegerzeremonie. Irgendwann werde ich dort stehen und meinen Kriegernamen erhalten.
Wolfssterns Blick streifte wieder über die Katzenmenge bevor er miaute: „Aschenwolke, bist du davon überzeugt, dass deine Schülerin dazu bereit ist eine Kriegerin zu werden?" Aschenwolkes Augen glühten vor Stolz. „Ja, sie ist bereit." Wolfsstern nickte. „Und Ahornblatt, bist auch du davon überzeugt, dass dein Schüler dazu bereit ist ein Krieger zu werden?" „Ja, er ist bereit", verkündete sie.
Dann richtete Wolfsstern seinen Blick zum Himmel. „Ich, Wolfsstern, Anführer des Funkenclans, rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diese beiden Schüler herabzublicken. Sie haben hart trainiert, um euren edlen Gesetzen
gehorchen zu können, und ich empfehle sie euch nun als Krieger."
Nun richtete er seinen Blick wieder nach unten. „Leuchtpfote und Schlangenpfote, versprecht ihr, dem Gesetz der Krieger zu folgen und euren Clan zu beschützen und zu verteidigen, selbst wenn es euer Leben kostet?"
„Ich verspreche es", kam es gleichzeitig aus ihren Mündern.
„Dann gebe ich euch mit der Kraft des SternenClans eure Kriegernamen. Leuchtpfote,
von diesem Augenblick an wirst du Leuchtherz heißen. Der Sternenclan ehrt deine Nachsicht und deine Fähigkeiten im Kampf und wir heißen dich als vollwertige Kriegerin des Funkenclans willkommen."
Leuchtherz Augen glühten, während Wolfsstern sich ihrem Bruder zuwandte. „Schlangenpfote, von diesem Augenblick an wirst du Schlangenschweif heißen. Der Sternenclan ehrt deine Tapferkeit und deinen Mut und wir heißen dich als vollwertiges Mitglied des Funkenclans willkommen."
Mit diesen Worten sprang er vom Clanfelsen und legte nacheinander seine Schnauze auf ihre Köpfe, während die neu ernannten Krieger ihm die Schulter leckten. Dann brach der Clan in Jubel aus. „Leuchtherz, Schlangenschweif! Leuchtherz, Schlangenschweif!" Die Katzen drängten sich um die zwei Geschwister und riefen sie bei ihren neuen Namen.
Falkenpfote rief ebenfalls die Krieger bei ihren vollen Namen und blickte hinauf zum Himmel. Die Sterne funkelten auf dem schwarzen Grund und er stellte sich vor, wie seine Kriegerahnen gerade jetzt auf Leuchtherz und Schlangenschweif hinabblickten. Eine eiserne Kralle schloss sich um sein Herz. Sternenclan, vergebt mir.
Gerade als die Versammlung sich langsam wieder auflöste, sprang Wolfsstern mit einem Sprung wieder auf den Clanfelsen und erhob erneut die Stimme: „Das war noch nicht alles." Die Katzen schauten verwundert zu ihrem Anführer empor, bevor sie sich wieder niederließen, um ihn sprechen zu lassen. Falkenpfote wendete seinen Blick von dem Sternenhimmel ab, noch in Gedanken versunken. Es dauerte ein wenig, bis die Worte zu ihm durchsickerten. Doch dann war er wieder auf Wolfsstern konzentriert. Was kam denn jetzt noch?
„Wolkenfell, trete vor." Falkenpfote sah zu, wie der Kater sich langsam seinen Weg durch die Katzen nach vorn bahnte und schließlich vor dem Clanfelsen zum Stehen kam. Würde er in den Ältestenbau ziehen? Falkenpfote schüttelte den Kopf. So alt war er doch noch gar nicht.
„Wolkenfell hat uns etwas zu berichten", verkündete Wolfsstern und nickte dem Kater zu. Dieser begann nach kurzem Zögern zu sprechen: „Ich habe vorhin eine Patrouille zur Grenze des Wasserclans geführt. Dort hat Eulenpfote den Geruch von Wasserclan auf unserer Seite der Grenze entdeckt."
Falkenpfote drehte den Kopf und beobachtete seinen Bruder. Lichtherz hatte sich wieder neben ihn gesetzt. Abermals durchfuhr ihn ein kleiner Stich, als Wolkenfell auch schon weitersprach: „Das ist aber noch nicht alles. Ich habe auf der letzten großen Versammlung die beiden Wasserclanschüler Eichelpfote und Ginsterpfote miteinander sprechen hören. Ich hörte, wie sie etwas von einem Angriff auf den Funkenclan erzählten."
Sofort brach Chaos auf der Lichtung aus und wildes Stimmengewirr. Falkenpfote drehte seinen Kopf und sah Flugpfotes entsetzten Blick. „Sie haben doch auf unserer Seite gejagt, nicht wir auf ihrer!" Falkenpfote verstand das auch nicht. Er wollte gerade zu einer Ergänzung ansetzen, als eine laute Stimme sich über das Chaos erhob. „Das kann gar nicht sein."
Sofort war der Clan wieder still. Falkenpfote versuchte die Katze auszumachen, die das gesagt hatte, als Hasensprung aufstand. „Es tut mir leid, Wolkenfell", miaute sie und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. Falkenpfote wusste, dass sie Geschwister waren. „Aber ich weiß, dass das nicht stimmen kann." Sie drehte ihren Kopf wieder zu Wolfsstern, der sie mit einem Gesichtsausdruck musterte, den Falkenpfote nicht deuten konnte. Er blickte zwischen den beiden Katzen hin und her. Wem würde Wolfsstern mehr glauben, Wolkenfell oder Hasensprung? Schließlich war Hasensprung seine Gefährtin.
„Wolkenfell und ich waren die ganze Versammlung über zusammen", erklärte sie ihrem Gefährten. „Und ich weiß, dass Eichelpfote und Ginsterpfote auf der anderen Seite der Senke saßen. Er kann sie gar nicht gehört haben. Ich möchte Wolkenfell nicht als Lügner darstellen, schließlich ist er auch mein Bruder und eine gute Katze, das wissen wir alle. Aber ich muss mein Wissen mit dem Clan teilen."
Auf diese Worte folgte eine unangenehme Stille. Alle Köpfe drehten sich zu Wolkenfell. Was würde jetzt geschehen? Wie würde Wolfsstern reagieren? Falkenpfote hoffte nur, dass kein Streit im Clan entstehen würde.
Wolfssterns Blick ruhte auf seiner Gefährtin. „Gibt es eine Katze, die Hasensprungs Schilderung bestätigen kann?" Sofort stand Aschenwolke auf. Wolfsstern neigte den Kopf als Zeichen, dass der Kater sprechen könne.
„Ich kann nicht Hasensprungs Schilderung bestätigen, ich kann mich daran nicht erinnern. Aber ich möchte Wolkenfell Recht geben. Ich habe die beiden Schüler das ebenfalls sagen hören." Falkenpfote spürte, wie sein Bruder neben ihm unruhig wurde und er selbst hoffte einfach, dass sich alles klären würde. Die letzte große Versammlung war vor circa einem halben Mond gewesen, doch Falkenpfote hatte weder die beiden Schüler dort wahrgenommen noch gesehen, wo Hasensprung und Wolkenfell sich aufgehalten hatten.
Wolfssterns Schwanzspitze zuckte hin und her, doch sein Gesicht zeigte völlige Ruhe. „Ich vertraue allen meinen Clangefährten", stellte er klar. „Aber es liegt auf der Hand, dass eine Sache nicht stimmen kann. Ich würde dieses Gespräch gern in meinem Bau weiterführen. Gibt es sonst noch Katzen, die etwas dazu beitragen könnten?" Er wartete einen Augenblick, doch keine Katze regte sich.
„Nun denn. Wolkenfell, Aschenwolke, Hasensprung, kommt mit", zählte er die Katzen auf, sprang vom Clanfelsen und bedeutete ihnen mit der Schwanzspitze, ihm in seinen Bau zu folgen.
Sobald die Katzen im Anführerbau verschwunden waren, brach wildes Getuschel auf der Lichtung aus. Gruppen bildeten sich und das Geschehene wurde diskutiert. Falkenpfote drehte sich voller Unbehagen Flugpfote zu. „Egal welcher von den Katzen die Wahrheit sagt, der Wasserclan war auf unserem Territorium", stellte er fest. Flugpfote nickte zustimmend, entgegnete dann jedoch: „Aber weißt du noch, was Brombeerblatt erzählt hatte, als sie vom Wasserclan zurückgekommen war? Dass sie uns beschuldigen, auf ihrem Territorium gewesen zu sein."
Falkenpfote wollte gerade etwas erwidern, als Wellenpfote zu ihnen gesprungen kam. „Denkt ihr, es wird einen Kampf geben?", fragte sie gleich drauflos. „Und könnt ihr euch vorstellen, dass einer von den Katzen lügt? Hasensprung ist ja im Moment eher in der Unterzahl." Flugpfote schüttelte den Kopf. „Hasensprung kann trotzdem die Wahrheit sagen. Aschenwolke hat nur gesagt, dass er die beiden Schüler auch gehört hat, nicht, dass er Wolkenfell in ihrer Nähe gesehen hat."
Falkenpfote legte nachdenklich den Kopf schief, als sein Blick über Wellenpfotes Kopf hinweg auf Eulenpfote traf. Sein Bruder saß gemeinsam mit den neuen Kriegern Lichtherz und Schlangenschweif und verabschiedete sich gerade von ihnen, da sie jetzt ihre Nachtwache halten mussten.
In wenigen Sprüngen war er bei ihnen und kam kurz vor Wellenpfote zum Stehen. „Was?", miaute er, als er Falkenpfotes Blick bemerkte. Dieser schüttelte den Kopf. „Alles gut." Er hatte nicht das Gefühl, dass er etwas dazu sagen durfte. Dazu fühlte er sich dem Sternenclan gegenüber viel zu schuldig. Aber es musste sein. Er konnte einfach nicht anders.
Stattdessen miaute Wellenpfote allerdings: „Ich denke, ich weiß, was Falkenpfote gerade durch den Kopf geht." Falkenpfote riss erschrocken den Kopf hoch. Weiß sie von meinem Geheimnis? „Es ist nur so...", fuhr sie mit einem entschuldigenden Blick auf Eulenpfote fort, „wir machen doch immer alles zusammen. Und jetzt auf einmal machst du lieber was mit Lichtherz und Schlangenschweif als mit uns."
Falkenpfotes Brust löste sich wieder und sein Atem wurde wieder ruhiger. Also kannte Wellenpfote sein Geheimnis doch nicht. Aber wie lange geht das noch gut?
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