❥ 64.
Wortlos ließ ich den Brief sinken. Ich blickte zu meinem Bruder, dann wieder auf den Brief und wieder zurück zu meinem Bruder. So könnte das ewig weitergehen, denn ich war sprachlos. Sprachlos und Fassungslos war ich. Dieser Brief verursachte Gänsehaut und ein eiskalter Schauer der mir über den Rücken lief. Ich hätte mit vielem gerechnet, aber ganz sicher nicht damit. Ein Brief und die letzten Worte der Frau, die mich auf die Welt gebracht hatte. Worte einer Frau, die sie nie wieder würde sprechen oder schreiben können.
Ich schluckte schwer, konnte immer noch nicht realisieren was gerade geschehen war. Der Brief meiner Mutter, ihre Schuldgefühle, die Reue die sie empfand. Nach all der Zeit begann sie ihre Fehler einzusehen, schämte sich dafür als Mutter versagt zu haben. Aber dennoch, hatte sie ein Messer an die Kehle meiner Mum gedrückt. Das passte doch alles nicht zusammen. Mein Kopf pochte, tausend Gedanken schwirrten darin herum, es schmerzte.
Ich wusste nicht was ich von all dem halten sollte, zu überrumpelt war ich mit dieser Situation und musste erst einmal versuchen wieder klar zu kommen.
"Scarlett?", fragte mein Bruder, suchend nach meiner Aufmerksamkeit. Aber ich war noch nicht so weit um sie ihm zu geben. Ich brauchte noch einen Moment um zu verarbeiten, dass ich gerade eine schriftliche Entschuldigung meiner Mutter in den Händen halte in der sie schreibt, sie würde alles bereuen.
Außerdem die Tatsache, dass Jackson und ich eine kleine Schwester haben. Verdammt. Wie um Himmels Willen hätte ich damit rechnen sollen? Ich konnte es ja jetzt noch nicht einmal glauben. Wir haben eine Schwester. Jackson und ich. Sie ist gerade einmal ein halbes Jahr alt. Verdammt. Und sie ist alleine mit unserem Vater, der niemanden hat, der ihn bewahrt grausame Dinge zu tun. Verdammt. Das alles möchte nicht in meinen Kopf rein.
"Scarlett?", dieses mal versuchte er es mit einer wedelnden Hand vor meinem Gesicht und das mit Erfolg. Ich entkam meiner Schock starre und blickte direkt in seine blauen Augen.
"Wow", war das einzige was ich herausbringen konnte. Jackson setzte sich mir gegenüber, während ich mir die Haare raufte und meinen Kopf auf die Tischplatte legte.
Mein Kopf war schwer, drohte beinahe zu zerplatzen so voll war er mit Gedanken.
Gabrielle Avery. Elle, unsere kleine Schwester. Kaum dachte ich wenige Momente an sie, spürte ich ein warmes Gefühl in mir. Ich habe sie zwar noch nie gesehen und gerade erst von ihrer Existenz erfahren, allerdings spürte ich direkt einen Beschützerinstinkt.
"Wir müssen sie retten", sagte ich und blickte auf. Niemals würde ich zulassen, das mein Vater einem Menschen noch einmal Leid zu fügt. Niemals.
Jackson sah mich an, versuchte in meinem Gesicht die Antworten für die Fragen zu finden, die ich mir genauso stellte. Was nun?
Zeit verging in der wir uns eigentlich nur anstarrten und nicht wussten wie uns geschah, so überrascht waren wir von dem Ganzen. "Wir brauchen auf jeden Fall einen Plan", gab Jackson nach kurzer Zeit der Stille zu bedenken. Ich nickte, das brauchten wir tatsächlich. Auch wenn ich meinem Instinkt nach sofort aufbrechen wollte um sie zu retten, wusste ich, dass ein Plan das einzig richtige war. Schließlich sollte es auch funktionieren.
Sirius saß gerade mit den anderen Rumtreibern am Gryffindor-Tisch und unterhielten sich angeregt über Quidditch als ich die große Halle betrat.
Es musste so schnell wie möglich etwas passieren, damit Elle gerettet und in Sicherheit gebracht werden kann. Auch wenn jede Minute zählte, würde ich nichts ohne meinen Freund an der Seite machen. Wir hatten schon so viel gemeinsam durchgestanden, da brauchte ich ihn an meiner Seite.
James bemerkte mich als erstes, stieß mit seinem Ellenbogen in Sirius Seite, damit dieser aufblickte. Als sich unsere Blicke trafen, wurden seine Augen direkt größer, er wusste das etwas nicht stimmte. Er stand auf, wartete gar nicht erst bis ich am Platz angekommen war. Für ihn war ich ein offenes Buch, er wusste direkt, dass die Lage ernst war.
"Sirius, wir müssen reden", sagte ich ohne Umschweife als er bei mir angekommen war, nahm seine Hand und zog ihn aus der großen Halle.
"He, was ist denn los?", in seiner Stimme lag Verwirrung. Ich antwortete ihm nicht sondern lief einfach weiter. "Scarlett, kannst du mir mal sagen was los ist?", doch wieder antwortete ich ihm nicht. Nach ein paar Metern blieb er stehen und hielt mich fest "Du sagst mir jetzt was los ist!", und sah mich mit forschenden Augen an.
"Wir haben ein Problem Sirius. Ein großes Problem und wir müssen uns beeilen!"
Sirius ließ seine Hände von meinen Schultern sinken "Du machst mir so langsam Angst."
Ich seufzte "Deswegen folge mir einfach bitte!", sagte ich nur und ging weiter in Richtung Bibliothek, wo Jackson auf uns wartete.
Mehr konnte ich gerade nicht tun, ich wusste ja selber nicht einmal was hier gerade passierte.
Als wir wieder bei Jackson am Tisch waren gab ich meinem Freund direkt den Brief, damit er verstand was los war. "Aber setz dich besser", sagte ich drückte ihn behutsam auf einen Stuhl, während er schon angefangen hatte zu lesen. Zu erst wirkte sein Gesichtsausdruck verwundert, dann ging er über in Überraschung und schlussendlich in Besorgnis. "Krass", sagte er nur als er fertig mit lesen war, dann sprang er plötzlich auf.
"Wo willst du hin?", fragte ich.
"Dieses mal töte ich diesen Dreckskerl!", sagte er bestimmt und wollte sich auf den Weg machen, so impulsiv wie er manchmal eben war. Er war wütend. Wütend weil mir dieser Mensch so viel Leid zu gefügt hatte und ich konnte es ihm auch nicht verübeln, dass gerade der Hass aus ihm sprach.
Jackson und ich gingen ihm direkt hinterher um ihn aufzuhalten "Sirius warte!", rief ich.
Er drehte sich um "Warum denn? Wir müssen eure Schwester retten oder nicht? Wir dürfen keine Zeit verlieren!",
"Ja aber doch nicht so!", ich schaffte es ihn am Arm zu fassen, sodass er gezwungener Maßen stehen blieb.
"Wenn ihr nicht mitkommt, dann rette ich eure Schwester eben selber!", er musste unbedingt wieder zu Vernunft kommen.
"So wird das aber nicht funktionieren!", eine Diskussion mit ihm, war jetzt eigentlich das letzte was ich gebrauchen konnte. Schließlich ging es hier einzig und allein um meine Schwester.
"Wie denn dann?", in seinen Augen brodelte ein Feuer. Ein Feuer das selbst mir ein klein wenig Angst machte.
"Wie stellst du dir das denn vor? Einfach ins Haus platzen, die Kleine schnappen und wieder gehen?", ich klang verzweifelt. Verzweifelt weil es mir selbst schwer fiel zu wissen, was nun richtig und was falsch war.
"Und dabei noch diesen Mistkerl zur Rechenschaft ziehen, ja."
"Wir brauchen einen Plan Kumpel", mischte sich nun auch Jackson ein. Ich nickte zustimmend
"Wir müssen es richtig machen Sirius. Wenn wir sie retten wollen, darf uns kein Fehler passieren. Dieser Mensch ist zu allem fähig, wenn er ihr etwas antut..."
Sirius seufzte und schlussendlich stand nur noch die Besorgnis in seinem Gesicht geschrieben. Auch wenn seine Kampfbereitschaft für mich und meine Geschwister, mein Herz zum schmelzen brachte, mussten wir vernünftig sein. Nur ein kleiner Fehler und es könnte böse enden.
"Dann müssen wir zu Dumbledore, der wird wissen, was zu tun ist", meinte Sirius nachdem er sich beruhigt hatte.
Darüber waren wir uns alle einig. Wenn Dumbledore nicht wusste, was zu tun ist, wer sollte es dann?
"Ich verstehe deine Besorgnis Scarlett und es war richtig von euch damit zu mir zu kommen!", Dumbledore lief nun schon seit einigen Momenten im Büro auf und ab. "Jugendlicher Leichtsinn sollte dabei keine Rolle spielen. Ihr solltet das in keinem Fall im Alleingang machen", er schien zu überlegen.
"Wisst ihr denn wo sich euer Vater gerade aufhält?", fragte er an Jackson und mich gewandt. Wir blickten uns beide an, ich war dabei total überfragt.
"Ich vermute immer noch in unserem Haus, so war es seither auch", überlegte Jackson laut. "Zuhause erwartet man ihm am wenigsten, deswegen wird er sich sicher genau da aufhalten", er zuckte mit den Schultern. Allein bei dem Gedanken, dieses Haus noch einmal zu betreten, lief mir ein Schauer über den Rücken. Doch ich würde das schließlich für Elle tun.
"Glauben Sie oder sind Sie sich sicher?", fragte Dumbledore. "Denn es kann gut sein, dass das unsere einzige Chance ist"
"Ich bin mir so gut wie sicher, ja."
Ich legte meinen Kopf in Nacken, betend das Jackson nicht falsch lag.
Stille trat ein und wir drei blickten alle erwartungsvoll zu Dumbledore. "Ich werde Auroren zusammen trommeln und Ordensmitglieder. Sie werden euch dabei unterstützen, die kleine Gabrielle in Sicherheit zu bringen." Dann wand er sich ab und ich drehte mich zu den Jungs. Ich holte tief Luft, dann war es nun soweit, ich würde meinem Vater erneut gegenüber treten. Ich würde alles daran setzen die Kleine zu retten.
"Wir werden disapparieren", begann Dumbledore als es plötzlich an der Tür klopfte. Kaum ein paar Sekunden später standen James, Lily und Remus an der Tür. "Egal was auch ist, wir werden euch helfen!", sagte James "Wir stehen das gemeinsam durch", meinte Lily "Gemeinsam sind wir stärker", fügte Remus noch hinzu.
"Aber das wird gefährlich werden!", sagte ich, es reichte mir schon das Sirius und Jackson sich in Gefahr brachten.
"Keine Widerrede. Freunde sind füreinander da", sagte Remus und schlug Sirius leicht auf die Schulter. Sie wussten nicht einmal was los war und waren bereit zu helfen. Das ist es, was wahre Freundschaft auszeichnet.
Ich wusste ihre Hilfsbereitschaft zu schätzen und wenn es nicht um das Leben meiner Schwester ginge, wäre ich vermutlich vor Überwältigung umgefallen.
"Professor?", fragend sah ich Dumbledore an "Nun das Band der Freundschaft ist sehr mächtig und da sie alle volljährig sind, werde ich sie nicht aufhalten können!", sagter dieser nur und gab uns allen damit den Segen. Er wusste wir würden zusammenhalten und das schaffen.
Also begannen wir die drei aufzuklären, damit sie wussten um was es ging.
Danach ging alles ganz schnell, sodass man sich das alles gar nicht durch den Kopf gehen lassen konnte. Ich war froh meine Freunde an meiner Seite zu wissen, denn so schafften wir es bestimmt Elle zu retten.
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