❥ 57.
Ich hievte meinen Koffer auf mein Bett um schon einmal die ersten Sachen für die Sommerferien zu packen. Das Schuljahr würde in wenigen Tagen vorbei sein und damit auch das vorletzte Jahr in Hogwarts. Seufzend ließ ich mich neben ihm auf mein Bett sinken. Anstrengende Monate lagen hinter mir. Noch jetzt war meine Entführung nicht vollständig verarbeitet. Noch immer suchten mich immer mal wieder schreckliche Albträume heim und ich war mir fast sicher, dass das niemals ein Ende nehmen würde.
Der Anfang war schwer gewesen. Ich musste längere Zeit im Krankenflügel bleiben, damit mein Körper sich vollständig erholen konnte. Es war nervenaufreibend und frustrierend ans Bett gefesselt zu sein, während der Alltag meiner Freunde seinen üblichen Lauf nahm. Ich beneidete sie darum, aber mir war klar, dass meine Gesundheit nun an erster Stelle stehen musste. Sie statten mir nach jeder Unterrichtsstunde, sofern dies möglich war, einen Besuch ab um mich mit Unterrichtsmaterial zu versorgen. Das mochte verrückt klingen, aber nach all dem was mein Vater mir genommen hatte, wollte ich nicht auch noch den Anschluss verlieren. Ich bemühte mich und mein Ehrgeiz wurde größer, während Frustration mich immer weiter aufzufressen begann. Während ich im Krankenflügel lag und nichts tun konnte, verbreiten sich Informationen über meine Entführung wie ein Lauffeuer. So sehr meine Freunde auch versuchten, die Details so klein wie möglich zu halten, man war machtlos dagegen. Oft waren es jüngere Schüler, die ihren Mut fanden, sich in den Krankenflügel zu schleichen und mich auszufragen. Meist ignorierte ich sie bis irgendjemand kam und sie verjagte.
An manchen Momenten hatte ich es meinen Freunden nicht gerade einfach gemacht, in den Momenten wo mich die Entführung besonders mitnahm. Ich war so wütend gewesen, dass ich Sachen nach ihnen geworfen hatte und ich hasste mich dafür, denn sie trugen keine Schuld an dem ganzen. Es zerstörte mich innerlich, dass ich hier sein musste, während mein Vater mit allem davon kam. Wieder einmal.
Es waren die schlimmen Phasen, die mich am meisten mitnahmen. Phasen in denen Albträume mich wach hielten. Phasen in denen mein Kopf alles Revue passieren ließ.
Mit der Zeit wurden aber auch diese weniger.
Irgendwann nahm auch mein Alltag seinen üblichen Lauf, zwar fiel es mir schwer aber umso leichter war es, auf andere Gedanken zu kommen.
Ich lernte eine neue Seite an mir kennen, denn die Entführung hatte mich verändert. Ich wusste zwar nicht genau wie, aber es war eine Tatsache.
Mit mir selber ins Reine zu kommen, war eine Sache die ich lernte, aber auch wieder zu vertrauen.
Ein sachtes Klopfen am Türrahmen zog mich aus meinen Gedanken. Lily stand an der Türschwelle und lächelte mir entgegen. Ihre langen feuerroten Haare trug sie heute gewellt. Sie war geschminkt und trug ein dunkelblaues luftiges Kleid. Sie war einfach wunderschön. "Hey", sagte sie. Ich legte das Buch über Selbstfindung, das eben noch auf meinem Schoß lag zur Seite und grüßte zurück. "Was machst du da?", fragte sie mit schief gelegenen Kopf. Ich zuckte mit den Schultern und überflog den kleinen Haufen der sich angesammelte hatte und darauf wartete, in den Koffer gepackt zu werden. Lily ging gar nicht weiter drauf ein "James und ich möchten später runter zum See um den Sonnenuntergang anzuschauen. Du solltest mitkommen und dich nicht verstecken!"
Ich blickte ihr direkt in die Augen, ich versteckte mich nicht, sondern genoss einfach nur den Moment für mich. In ihren Augen musste ich aussehen wie ein Häufchen Elend. Meine blonden Haare hatte ich zu einem unordentlichen Dutt gebunden, trug eine kurze bequeme Hose und ein schlabbriges altes T-Shirt. Aber ich fühlte mich momentan wohl damit.
"Glaub mir, das wird dir gut tun und Sirius auch."
Als sie seinen Namen erwähnte, hörte ich mein Herz ein kleines bisschen höher schlagen.
Die Entführung und alles was dazu gehörte war eine Belastung für unsere Beziehung gewesen. Die ohnehin schon davor unter keinem guten Stern stand. Für viele Paare hätte solch eine Belastung das Ende bedeutet, nicht aber für uns. Nein. Uns hatte es aus welchem Grund auch immer, noch mehr zusammen geschweißt. Wir hatten gekämpft und er stand mit mir alle Phasen durch, die ich durchleben musste. Er verstand mich auf eine Art und Weise, wie mich niemand anderes verstand. Er liebte mich, wie mich kein anderer liebte und andersherum genauso. Er war mein bester Freund und mein Seelenverwandter, was mir durch die letzten Monate immer mehr bewusst wurde. Es klang so fürchterlich kitschig, aber verdammt, ich war so dankbar ihn als Freund zu haben.
Ich hatte beispielsweise niemals damit gerechnet, das er mich für mein Geheimnis bewundern könnte. Doch er tat es und wollte alles über meine paranormale Kraft wissen.
"Na also!", sagte Lily als sie mein Lächeln sah und ich hatte ihr damit unbewusst recht gegeben. "Komm, steh auf, zieh dir was an und dann treffen wir uns unten!" Ich runzelte spielerisch die Stirn und sagte: "Also eigentlich wollte ich genauso bleiben", ich deutete mit dem Finger auf mich.
Lily grinste "Mit dem Schokoladenfleck auf deiner Brust? Wohl kaum" und drehte sich um, während mein Blick automatisch auf meine Brust flog. Den Fleck hatte ich tatsächlich noch nicht entdeckt.
"Beeil dich", sagte sie noch bevor sie den Schlafsaal wieder verließ.
Lily war seitdem sie mit James zusammen war, kaum wieder zu erkennen. Ich erinnerte mich noch wie gestern, als sie zu mir in den Krankenflügel kam. Schlechtes Gewissen plagte sie. James war für Lily da gewesen, als ich entführt wurde. Sie hatte angefangen in ihm das zu erkennen, was James sich schon jahrelang gewünscht hatte. Je wichtiger er ihr wurde, desto schlimmer fühlte sie sich wegen mir. Sie war vollkommen aufgelöst "Du musst mich für einen schrecklichen Menschen halten", hatte sie gesagt und konnte mir kaum in die Augen sehen. Aber sie irrte sich gewaltig, den genau das Gegenteil war der Fall. Ich freute mich unglaublich, denn insgeheim wusste ich schon lange das sie beiden zu einander gehörten. Außerdem tat es gut zu wissen, dass sie nicht allein war und sich jemand um sie gekümmert hatte.
Die beiden waren unglaublich süß zusammen. James wurde durch Lily ein bisschen ruhiger und war nicht mehr so aufgedreht und Lily dagegen traute sich endlich mehr aus ihrer Haut herauszukommen. Es war schön sie so glücklich zu sehen.
Auch Alice und Frank waren immer noch zusammen und gemeinsam verbrachte man öfters Abende im Gemeinschaftsraum.
Nur Marlene war gerade voll auf glücklich damit alleine zu sein.
Endlich schaffte ich es mich aufzuraffen und sprang als erstes unter die Dusche um mich ein wenig frischer zu fühlen. Während das Wasser über meinen Körper prasselte ging ich schon mal in Gedanken durch, was ich anziehen könnte.
Fertig geschminkt und die Haare geglättet, entschied ich mich für ein lässiges T-Shirt Kleid, auf dem der Name von Sirius' Lieblingsband aufgedruckt war. Er hatte letzten Sommer darauf bestanden es mir zu kaufen, als er es im Schaufenster entdeckt hatte.
Sirius strahlte als er mich am Fuß der Treppe entdeckte. "Du siehst umwerfend aus", sagte er und küsste mich zur Begrüßung. Das sagte gerade er, dessen wilde Locken immer perfekt so aussahen wie sie waren und allein mit Jeans und Shirt unverschämt gut aussah.
Er legte seinen Arm um meine Taille und erzählte vom Quidditch Spiel mit den Jungs, während wir zum See liefen.
"Scarlett warte", hörte ich eine Stimme rufen und wir blieben beide stehen. Mein Bruder Jackson kam mit schnellen Schritten auf uns zu und hielt einen Brief in seinen Händen.
Jackson und ich hatten einiges nachzuholen. Zwar schaffte ich es wieder vertrauen aufzubauen, aber es hatte seine Zeit gebraucht. Schließlich war zu viel zwischen uns beiden passiert, als das man das hätte einfach vergessen können. Auch wenn mir das am liebsten gewesen wäre, einfach vergessen und nie wieder daran denken, aber so funktionierte das nun mal nicht. Wir trafen uns immer wieder und redeten stundenlang oder genossen das gemeinsame Schweigen. Es war nicht einfach, schließlich gab es kein Handbuch das vorschrieb wie man eine zerrüttete Geschwisterbeziehung wieder aufbauen konnte. Denn zerrüttet war sie auf jeden Fall. Ich lernte zu verstehen, dass Jackson mehr oder weniger genauso ein Opfer unserer Eltern war wie ich. Er war ein guter Mensch, wenn auch auf eine verkorkste Art und Weise. Das Verhältnis zwischen uns wurde immer besser, denn es war uns beiden wichtig, wieder Teil des anderen zu sein.
Als er vor uns stehen blieb, schien er ganz aufgewühlt und ich war mir sicher, dass das mit dem Brief in seiner Hand zusammenhing.
Mein Bruder hatte sich für seine Schwester und gegen unsere Familie entschieden. Damit stand er vollkommen allein da ohne jegliche Unterstützung. Da wir beide diesen Sommer volljährig wurden, würde kein Heim ihn aufnehmen. Aber das war es ihm wert gewesen. Er hatte sich entschieden auf welcher Seite er stand und nahm dafür in Kauf auf der Straße zu leben.
"Deine Eltern... sie-", er war so aufgeregt, dass ihm das sprechen schwerfiel. "Ließ selbst", er hielt mir das gelbe Pergament unter die Nase.
Lieber Jackson,
deine Schwester hat uns viel von dir erzählt. Wir wissen was du für sie getan hast und das du es auch nie leicht hattest, genauso wie sie. Wir haben dich zwar erst einmal gesehen, kurz nachdem Scarlett befreit wurde, aber wir hatten direkt das Gefühl, dass du zu uns gehörst. Du bist fast noch ein Kind und kein Mensch auf dieser Welt, sollte in so einem Alter auf diese Art und Weise auf sich allein gestellt sein. Wenn du das möchtest, Jackson, dann würden wir dich sehr gerne bei uns auf nehmen.
Wir freuen uns schon euch wiederzusehen und dich richtig kennenzulernen.
Liebe Grüße,
Ellis und Richard Cale
Ich blickte wieder auf und lächelte verhalten. Ich hatte nichts anderes erwartet, als ich ihnen geschrieben hatte. Natürlich würde ich meinen Bruder nicht einfach so allein lassen, das taten Geschwister nicht. Meine Eltern sind die wohl herzlichsten Menschen die ich kenne, es ist ihnen eine Freude meinem Bruder auch noch ein Zuhause zu bieten. Kurz nachdem ich befreit wurde, waren meine Eltern angereist um mich zu sehen. Dort hatten sie Jackson kennengelernt und obwohl er mir das Leben nicht immer einfach gemacht hatte, spürten sie sofort eine Verbindung. Denn sie wussten, dass Jackson wieder Teil meines Lebens sein wollte.
"Hast du sie gefragt, ob sie mich aufnehmen können?", ich konnte seine Emotionen noch nicht hunderprozentig einschätzen. "Ja das habe ich", sagte ich und zuckte unschuldig mit den Schultern. Er wollte das zwar allein in die Hände nehmen, aber meine Lösung des Problems, war definitiv die bessere.
"Und willst du?-", weiter kam ich nicht, da Jackson mich hochhob und ganz fest an sich drückte. Er zerquetschte mich beinahe "Das deute ich mal als ein Ja", presste ich hervor und bekam kaum noch Luft.
Jackson bedankte sich gefühlte einhundert mal und konnte gar nicht mehr aufhören zu grinsen, so sehr freute er sich.
Unten am See, war es nicht nur schön den Sonnenuntergang mit meinen Freunden anzusehen. Nein. Als mein Blick auf das Wasser gerichtet war, in dem sich die Sonne spiegelte, spürte ich etwas das ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Ein Gefühl von Freiheit.
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