Kapitel 5
Der Regen hatte nicht nachgelassen. Wie aus Eimern schüttete es und James bis dato schon nasse Kleidung wurde noch nasser, wenn das überhaupt möglich war. Er hatte weder daran gedacht eine Einkaufstüte mitzunehmen, noch sich eine im Laden zu kaufen und die ganzen Sachen nach Hause zu schleppen, kam definitiv nicht für den Blondschopf in Frage.
Mit dem Einkaufswagen voran, machte er sich auf dem selben Wege nach Hause wie er gekommen war, mit nur einem Unterschied. Die Gedanken in seinem Kopf kreisten unaufhörlich um die Geschehnisse im Laden und dann wieder zurück zu Lisa, zu seiner Wohnung, seinem Leben, seiner Vergangenheit und seiner Zukunft.
Ein Hupen riss ihn aus diesen Gedankenfetzen und noch ein Hupen lies ihn nach rechts schauen. Mittlerweile war James auch stehengeblieben und sah in die Frontscheibe des vor ihm stehenden Autos. Die Scheibe des Wagens war regenüberströmt und der Mann hinterm Steuer schien aufgebracht zu sein, was möglicherweise daran liegen könnte, dass er einfach über die Straße gelaufen war, ohne vorher zu schauen ob ein Auto kam.
Ein Schritt nach dem anderen. Ein Atemzug nach Atemzug und ein Regentropfen nach dem nächsten.
Nichts hatte sich geändert, was sollte sich auch geändert haben? Hatte sein Leben überhaupt noch einen Sinn? Wofür lohnte es sich denn noch zu leben? Hatte das Auto angehalten, damit er leben sollte, oder war die ganze Situation überhaupt erst passiert, damit er merkte wie Sinnlos sein Leben zu sein vermochte und wie schnell es zu Ende sein konnte?
Er starrte seine Haustür an. Der Regen prasselte unaufhörlich weiter auf ihn ein und die Einkäufe wurde allmählich durchgeweicht, so sehr, dass sich das Papier von der Suppendose zu wölben begann und sich ablöste. Er hatte nicht abgeschlossen. James hatte nicht abgeschlossen und den Schlüssel auch nicht eingesteckt. Natürlich hatte er dann nicht abgeschlossen, wie denn ohne Schlüssel?
Den Einkaufswagen lies er nicht vor der Tür, sonst hätte er ja seine ganzen Sachen rein schleppen müssen, nein er schob ihn mit samt dem Dreck hinein ins Haus und schloss hinter sich die Tür. Wieder schloss er nicht ab.
Den Wagen lies der durchnässte James ins Wohnzimmer rollen und setzte sich auf die Couch.
Mit einer Hand in der Chipstüte und sich unaufhörlich Chips in den Mund steckend, sah er nach draußen. Alles war gleich geblieben. Es regnete, stürmte, blitzte und donnerte. Der Himmel war noch genauso dunkel wie vorher und auch seine Stimmung war wie vorher. Nichts hatte sich geändert.
Wozu lebte er noch? Nur um anderen einen gefallen zu tun? Nur um seinen Eltern nicht weh zu tun, nur um seiner Familie, seinen Freunden nicht weh zu tun? Nur dafür sollte er dieses sinnlose Leben leben und mit dem Verlust leben?
Sie würden schon über ihn hinweg kommen, so wie es jeder normale Mensch tat, das dachte James und er war wirklich überzeugt von dem was er dachte. Er glaubte es wirklich.
Was hielt ihn denn noch hier?
Das gleichmäßige tropfende Geräusch, welches die Regentropfen machten als sie an die Glasscheiben, die Fenster und an die Fassade des Hauses prasselten, war fast schon synchron. Synchron mit dem Stechen in seinem Herzen, dem Druck, dem Schmerz der sekündlich schlimmer zu werden schien. Atmen wurde schwerer. Denken wurde schwerer. Leben wurde schwerer.
Es klopfte. Sollte er die Tür öffnen? Wozu denn? Andererseits wieso sollte er sie nicht öffnen? Kurzerhand stand er auf, auf dem Weg in den Flur zur Haustür. James blickte durch den Spion in der Tür und öffnete sie dann.
,,Mike?"
Vor ihm stand ein braunhaariger Typ, der pitschnass auf seiner Fußmatte stand. Einen Regenschirm hatte er nicht und eine Kapuze schien er auch nicht an der Jacke zu haben.
,,James, kann ich reinkommen? Hier draußen ist es kalt."
Er überlegte einen Augenblick und machte dann Platz.
,,Wenn du dich kurz hälst."
Die Stimme noch immer brüchig und seine geröteten Augen verrieten ihn genauso. Aber wen wunderte es?
,,Ich wollte fragen, wie es dir geht.. Ich habe ein paar Mal angerufen, aber du bist nie ran gegangen.."
Mike schien verzweifelt. In ihrer langen Freundschaft, hatte er James noch nie so erlebt. Es jagte ihm einen Schauer über den Rücken.
Mittlerweile waren sie in den Flur getreten und sie blieben dort. James wollte um jeden Preis verhindern, dass Mike länger blieb als nötig. Er hätte die Tür nicht öffnen sollen, egal wer es gewesen wäre, es hätte doch nichts geändert.
,,Wie denkst du denn, dass es mir geht? Ich wollte gerade.. Duschen gehen.."
,,Oh.. Ja okay, ich verstehe. Aber du weißt ich habe sie auch mal geliebt.. Auch ich habe jemanden verloren.. Sie lag mir sehr am Herzen, wenn auch nicht mehr auf die selbe Weise wie damals."
Mike dreht sich zur Tür, sah aber nochmal zurück zu James.
,,Wenn du reden willst, wenn du schweigen willst oder dich volllaufen lassen willst.. Du weißt du kannst mich immer anrufen und dich immer melden, ja?"
Mit den Worten trat er wieder raus ins kalte Nass, ohne auf eine Antwort von James zu warten.
Das hatte er sich deutlich anders vorgestellt, aber was sollte man machen? Er würde sicherlich noch eine Chance bekommen, mit ihm zu reden und für ihn da zu sein.
Nachdem James tatsächlich geduscht hatte und sich im Spiegel ansah, merkte er wie tot er eigentlich aussah, wie abgemagert, bleich. Kurzum wie eine wandelnde Leiche. Das heiße Wasser hatte nichts genützt. Das furchtbare Gefühl das ihn seit Tagen nicht los lies, haftete extrem an ihm. Mit Wasser war es nicht abzuspülen gewesen, also würde auch nichts anderes helfen. Dachte er zumindest.
Schnurstracks ging er zurück ins Wohnzimmer. Sein Blick fiel auf das konstante Blinken des Anrufbeantworters. Er hatte ihn seit der Ermordung Lisas nicht abgehört. Zu groß war die Angst gewesen ihre Stimme zu hören, zu groß die Angst noch weiter in das Loch zu fallen in dem er sich bereits befand und zu groß waren die Befürchtungen, dass ihm alles realer erscheinen würde.
Er hatte sich nicht getäuscht. Die erste Nachricht spielte ab, nachdem er den Knopf am Gerät gedrückt hatte.
,,James.." , es war Mike, das hörte er sofort an seiner tiefen Tonlage heraus, ,,...bitte ruf mich zurück.. Ich mach mir große sorgen genau wie Serena.. Ich hab schon öfter angerufen, aber nie eine Nachricht hinterlassen, weil ich dachte, dass du schon zurück rufen wirst wenn du meine Nummer siehst. Aber das hast du nicht.. Bitte wir machen uns große sorgen.. Wir wollen dich nicht verlieren, besonders ich nicht.."
,,Ende der Nachricht." Ein schrilles piepen war zu hören.
,,Hallo, hier ist die Arztpraxis Simmers. Wir bitten um Rückruf."
,,Ende der Nachricht." Das selbe Piepen war zu hören.
,,Hi James, ich wollte nur bescheid sagen, falls du früher von der Arbeit nach Hause kommst und dich wunderst, ich bin eben noch bei Maddy. Liebe dich und das Essen steht im Ofen bereit, für den Fall, dass ich zu spät komme." Lisa. Mehr ging ihm nicht durch den Kopf.
,,Ende der Nachricht." Erneut das Piepen.
,,Hier ist Detective Mitchellson. Ich rufe an um Ihnen mitzuteilen, dass bei der Obduktion noch etwas rausgekommen ist. Anscheinend war Ms. Flowerson knapp im dritten Monat schwanger. Ich bitte um Rückruf."
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Wörter 1184
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