Kapitel 4
Der Sturm hatte sich kaum merklich verzogen. Er war lediglich etwas abgeschwächt und es regnete noch immer bindfäden. Blätter flogen durch die Luft und klatschten an bereits nasse Fenster und leise fluchende Leute, die welche ins Gesicht bekamen.
Nachdem die zwei gestern gegangen waren, hatte sich James vor sein Fenster gesetzt und hatte nach draußen gestarrt. Seit nun schon zwei Tagen, hatte sein Bauch nichts zu Essen mehr gesehen und die Übelkeit machte sich bemerkbar. Dehydriert war er sicherlich auch und als er dann den Kühlschrank öffnete, musste er feststellen, dass dort nichts haltbares mehr zu finden war. In seinem Vorratsschrank waren nur Sachen auf die er keine Lust hatte und so blieb ihm nichts anderes übrig.
Er ging die Straße entlang, auf der er in gut einer halben Stunde das Einkaufszentrum erreichen würde. Das Auto hatte er nicht nehmen wollen, er brauchte frische Luft.
In seinem kleinen Haus war die Luft verbraucht und stickig, geradezu miefig, was sicher auch daran lag, dass das Badezimmer noch immer geschmückt mit dem Blut von Lisa war. Er würde eine Putzfrau dafür engagieren, das hatte er letzte Nacht beschlossen. Nichts und niemand würde ihn vorher in dieses Bad bekommen.
Er trat mitten in eine Pfütze, aber es könnte ihn nicht weniger stören. Auch der Regen, der von oben auf ihn nieder prasselte und seine Kleidung vollkommen zu durchnässen schien, machte ihm nichts aus. Ihm war alles egal und so sah er meistens nur auf den Boden und wenn einmal nicht, dann nur um nach vorn zu schauen und abschätzen zu können wie lange er noch gehen musste. So sah er auch die Fahndungsfotos nicht, die überall an Laternen und Zäunen hangen.
Seine Haare und sein Gesicht war bereits so durchnässt, dass die Tropfen an ihm hinunter liefen, geradewegs in seinen Kragen hinein. Er bekam nicht mal einen Schauer auf dem Rücken.
Es war nicht mehr weit bis zum Center, er musste nur noch eine Straße überqueren und ein paar Schritte gehen, dann wäre er da. Ohne zu schauen ob ein Auto von rechts oder links kam, ging er einfach rüber.
Gute zwei Minuten stand er vor dem kleinen Häuschen, indem die Einkaufswagen standen. Viele Leute schauten ihn schräg an und manche riefen ihm sogar die Worte 'Spinner' und 'idiot' zu, wenn sie an James vorbei gingen. Er hörte sie. Er hörte sie alle und so sehr er sich auch anstrengte... Er konnte nicht verhindern, dass sie ihn verletzten.
Für ihn waren es kleine eiskalte Nägel die sich in sein Herz bohrten, wann immer er es hörte. Es war nicht das erste Mal in seinem Leben gewesen und es jetzt, hier und jetzt erneut zu hören, riss alte Wunden auf.
Er holte eine Münze aus seiner Hosentasche und steckte sie in den Einkaufswagen. Denn wenn es nachher doch mehr Zeug werden würde was er kaufte, dann sollte er sich nicht unnötig totschleppen und versuchen, dass ihm nichts hinunter fiel.
Im Geschäft war nicht viel los und einen Augenblick wunderte er sich darüber. Gerade bei so einem Wetter, gingen doch die meisten einkaufen, da sie nicht wussten was sie sonst tun sollten. Schnell verschwand dieses Gefühl und machte der Leere platz, die für diese paar Sekunden verschwunden war.
Er schob den Wagen durch den ersten Gang. Er war voller Süßigkeiten und Knabberzeugs, von Salzstangen und Chips bis zu Gummizeug und saure Dinge. Aus fast jedem Regal nahm er sich das, was ihn am meisten ansprach und scherte sich einen Dreck um das Geld. An einem Sonderposten in der Mitte des Ganges lagen Produkte die im Angebot waren.
Als James die Rasierklingen sah, erinnerte er sich daran, dass er zuhause nur noch welche im Badezimmer oben hatte und das würde er auch wegen Rasierklingen nicht betreten. Sollte sein Bart doch wachsen, andererseits konnte er sie hier auch gleich neue kaufen.
Die Klingen fanden Platz neben den Chips die auch im Wagen lagen, doch bevor er um die nächste Ecke hatte fahren können, wurde er auf das Getuschel aufmerksam. Es waren zwar nicht viele in diesem Laden, aber die paar Leute die da waren, unterhielten sich im Flüsterton und mit vorgehaltener Hand.
Wieder eiskalte Nägel die sich in sein Herz bohrten. Er konnte das nicht mehr ertragen. Seine Schritte verschnellerten sich und nur noch ein einziges Mal hielt James in einem Gang an, bevor er sich auf den Weg zur Kasse machte. Bei den Suppendosen. Eigentlich mochte kaum einer diese Suppen, auch James mochte sie nicht sonderlich und doch nahm er sie. Wieso? Weil es das Schnellste und Unaufwendigste war, was er kochen konnte.
Seine Umgebung ausblendend, ging er geradewegs auf die Kasse zu, die zu seinem Glück relativ leer war. Nachdem der gesamte Inhalt des Einkaufswagens auf dem Fließband lag, hob er seinen Blick und sah sich um. Durch die Fensterscheiben konnte er den Sturm sehen, der die Bäume durchwirbelte und sogar Laternen zum Wackeln brachte.
,,Ich habe das von Lisa gehört. Wie gehen Sie damit um? Sie müssen doch jetzt so schrecklich einsam sein. Haben Sie schon die Beerdigung organisiert?"
Er wollte das nicht hören, von keinem und niemals wieder, sie sollten aufhören alle aufhören, er wollte es nicht hören.
Er sah auf, der Kassiererin geradewegs in die Augen. Er kannte sie und sie hatte auch Lisa gekannt. Sie arbeitete hier schon seit mindestens 10 Jahren und hier gingen sie immer einkaufen. Sie hatte Lisa gekannt.
Er überging ihre Bemerkungen, ignorierte sie und packte so schnell er konnte seine Waren wieder in seinen Wagen, nachdem die Frau hinter der Kasse sie gescannt hatte.
,,Kommen Sie James.. Alles in sich hinein zu fressen ist nicht gut. Sie können ruhig mit mir darüber reden."
Sie legte ihre Hand auf seine, als er die Chipstüte gerade in den Wagen werfen wollte. Er zog seine Hand weg, er konnte das alles nicht mehr.
In seinem Portmonee waren mehrere Scheine zu sehen und nach einem Blick auf den Monitor an der Kasse, zog er einen 20er Schein heraus und legte ihn aufs Band. Das restliche Geld was er zurück bekommen hätte, war ihm egal.
Er ging einfach.
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Wörter 1009
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