Kapitel 1
Er war auf dem weg nach Hause. Die Sicht war ein wenig verschwommen, durch den dichten Schnee der schon seit dem späten Nachmittag vom Himmel fiel. James hatte heute wieder Überstunden machen müssen, denn sein Chef drohte ihm schon oft genug mit der Kündigung und das konnten sie sich nicht leisten.
Nach der letzten Ampel, an der er halten musste, bog er rechts ab und parkte vor ihrem Haus. Die Miete konnten sie kaum bezahlen und doch würden sie nicht umziehen. Es war schon immer ihr Traum gewesen in einem Haus zu wohnen, auch wenn sie so kaum noch Geld zum Leben hatten.
Er steckte seinen Schlüssel in das Schlüsselloch, aber es passierte nichts. Er versuchte den Schlüssel nach rechts zu drehen, doch es ging einfach nicht. Erst nach weiteren zwei Minuten des Versuchens, begriff er, dass die Tür bereits offen war, doch das konnte nicht sein.
Egal ob jemand zu Hause war oder nicht, sie schlossen immer ab. Immer. Langsam drückte James die Tür auf, seine Sinne waren geschärft und er versuchte irgendein Geräusch wahrzunehmen.
Und ja, da war tatsächlich etwas. Es waren Stimmen zu hören, aber keine davon war von Lisa.
,,Lisa?"
Nichts. Gähnende leere. Nachdem er sich die Schuhe und die dicke Winterjacke ausgezogen und noch einmal nach seiner Verlobten gerufen hatte, machte er sich wirklich sorgen.
Er ging in das Zimmer links von ihm und sah sich um. Niemand saß auf der Couch und der Fernseher lief noch, genauso wie er wegen den Stimmen schon vermutet hatte.
Er durchquerte das Wohnzimmer um zur Küchentür zu gelangen, drückte sie auf und sah hinein. Auch hier war sie nicht, aber hätte er genau hingesehen, dann hätte er bemerkt, dass etwas fehlte.
Er verließ die Küche und ging nach oben. Es war eine merkwürdige Situation für ihn, so etwas war noch nie passiert. Normalerweise, wartete Lisa immer im Wohnzimmer auf ihn, damit sie nach der Arbeit zusammen etwas zu Abend essen konnten. Manchmal war sie auch in der Küche, aber das passierte eher selten. Das Essen war meistens schon warmgestellt im Ofen und wartete nur darauf herausgeholt und gegessen zu werden.
Er ging die Treppe weiter nach oben, aber von dort war nicht einmal ein Mucks zu hören. Dass sie also unter der Dusche stand und ihn deswegen nicht hörte, konnte er ausschließen.
,,Liebling..?"
Seine Stimme glich mehr einem leisen Flüstern, als einem Rufen. Wenn sie James eben schon nicht gehört hatte, hatte sie ihn jetzt garantiert auch nicht gehört.
Im Schlafzimmer fand er niemanden und auch im Arbeitszimmer war sie nicht zu finden. Als der Blondhaarige wieder in den Flur trat, kam er an einem Bild vorbei. Es hing an der Wand und zeigte eine Frau mittleren Alters mit braunen lockigen Haaren und ebenfalls braunen Augen.
Sie lächelte und er erinnerte sich daran, wann er es aufgenommen hatte. Es war kurz nach ihrer Verlobung vor ungefähr einem halben Jahr gewesen. James war mit Lisa an einen kleinen See gefahren, indem sich die Sonnenstrahlen glitzernd spiegelten und wo im umliegenden Park die Vögel zwitscherten. Trotzdessen, dass er sich sicher war, dass sie 'ja' sagen würde, war er nervös gewesen und das nicht zu knapp. Beinahe hätte er einen Rückzieher gemacht, doch dann hatte er in ihr strahlendes Gesicht geblickt und gemerkt, dass er es nicht konnte. Den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen, war sein größter Wunsch und er wusste, mit ihr an seiner Seite, würde er alles überstehen können und er musste schon einiges durchleben.
Und wie schon von ihm angenommen, hatte sie ja gesagt. Aber erst, nachdem sie in Tränen ausgebrochen war und immer und immer wieder gefragt hatte, ob das alles Wirklichkeit war.
Er ging an dem Bild vorbei, ohne es auch nur eines Blickes zu würdigen. Seine Angst staute sich und ließ ihn schwitzen und zittern, aber das bemerkte er kaum. Immer wieder ging ihm durch den Kopf, dass das noch nie passiert war und dass er nur etwas vergessen hatte was sie ihm gesagt hatte. Dass sie bei Freunden war, oder, dass sie ihre Mutter besuchte. Aber nein, das konnte nicht sein. Sie ging nie um diese Zeit aus und er hätte es auch nicht vergessen, dessen war er sich ganz sicher.
Er fischte sein Handy aus der alten Jeans und versuchte es zu entsperren, was sich als schwerer herausstellte, als gedacht. Erst beim dritten Versuch hatte er es geschafft und wählte die Nummer von Lisa.
Ungeduldig wartete er, bis es klingelte. James hörte ihren Klingelton aus dem Badezimmer kommen, er seufzte erleichtert auf und legte wieder auf.
Sie war zuhause und hatte ihn nur nicht gehört. Alles war okay, alles war gut. Seine ganze Haltung entspannte sich mit einem Mal und erst da merkte er, wie angespannt er gewesen war.
Er trat an die Badezimmertür und klopfte kurz bevor er eintrat, doch das hätte er lieber nicht getan.
Augenblicklich verkrampfte er sich und blieb stehen. Ihm drehte sich der Magen um und der Geschmack von Galle breitete sich in seinem Mund aus. Das was er sah, konnte nicht real sein. Fast sofort verließ ihn seine ganze Kraft, er sackte auf dem Fußboden zusammen und wimmerte vor sich hin.
Das konnte nicht Lisa sein, nein das konnte nicht sein. Nicht seine Lisa.
Durch den bitteren Geschmack in seinem Mund, hatte er das Gefühl sich erbrechen zu müssen und zwang sich daher die aufgekommene Magensäure herunter zu schlucken. Er zitterte am ganzen Leib, Tränen liefen ihm ununterbrochen die Wangen hinunter und er schluchzte so viel, dass er kaum Luft zu bekommen schien. Ihm war klar, dass er die Polizei rufen musste, dass er irgendetwas tun musste, aber er konnte nicht.
Nach gut fünfundvierzig Minuten, hatte er sich soweit beruhigt, dass wieder normal atmen konnte und kaum mehr zitterte. Er hatte die ganze Zeit starr auf die gegenüberliegende Wand geschaut, um sich der Versuchung zu entziehen zu seiner Verlobten zu sehen und außerdem war es die einzige Wand in diesem Badezimmer, die von dem vielen Blut verschont geblieben war.
Er wagte es nicht nach rechts zu blicken, zu groß war die Angst noch einmal zusammen zu brechen und es nochmal sehen zu müssen, auch wenn sich das Bild auf die Innenseite seiner Augenlider gebrannt hatte und er es immer sah, wenn er die Augen schloss. Niemals würde er dieses Bild aus seinem Gedächtnis bekommen, das wusste er.
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Wörter 1054
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