z w e i
| Regina |
„Na dann mal los", sagt Grimmy und legt seine flache Hand an meinen Rücken, um mich vor sich her zum Tisch zu schieben.
„Leute, das hier ist meine neue Arbeitskollegin Regina. Sie kommt aus Deutschland, also vielleicht kriegt ihr heute mal euren Akzent in den Griff und sprecht vernünftig, damit sie euch auch versteht", lacht er in die Runde.
Gelächter geht durch den Raum und die meisten Augenpaare sind auf mich gerichtet. Wow, wie unangenehm.
„Hi", winke ich etwas unbeholfen all diesen fremden Menschen zu, während nun auch mir aufmerksam zugeprostet wird.
„So, Liebes", holt Grimmy dann zu einer kleinen Vorstellungsrunde aus. Schon bevor er überhaupt angefangen hat, weiß ich schon, dass mein Namensgedächtnis heute herausgefordert und bestimmt auch überfordert sein würde.
Einzeln zeigt Grimmy mit dem Finger auf seine Freunde und nennt ihre Namen. „Hier haben wir Helen, Ricky, Mesh, Emily, Guy, Aaron –"
Ich habe schon jetzt den ersten dieser Namen wieder vergessen, aber ihre Gesichter brennen sich dafür umso mehr ein. Sie alle sehen verdammt exklusiv aus und ich weiß nicht, wer besser gestylt ist – die Männer, oder die Frauen.
Und sie alle sehen außergewöhnlich, irgendwie einzigartig, aus. In meinem Heimatort hätte man sich bestimmt monatelang das Maul darüber zerrissen, wenn man nur einmal so unkonventionell gekleidet auf die Straße gegangen wäre.
Irritiert gucke ich Grimmy an, nachdem er so abrupt seinen Vorstell-Marathon abgebrochen hat. Sein Blick ist unverkennbar auf den Kerl, der ihn so erwartungsvoll und breit angrinst, gerichtet. Als Grimmy ihn ansieht, erhebt er sich sogar und kommt strahlend auf uns zu.
„Na, glaub ich's denn!", staunt Grimmy und schüttelt begeistert den Kopf, als er laut anfängt zu lachen. Überrascht klatscht er einmal in die Hände, bevor er dann mit offenen Armen den anderen braunhaarigen jungen Mann in Empfang nimmt und ihn fest umarmt.
„Grimmy!", freut der sich ebenso.
Es dauert eine Weile und auch einige Blicke auf die beiden Freunde, die sich dort so glücklich in den Armen liegen und einander immer wieder brüderlich auf den Rücken klopfen, bis ich mir sicher bin.
Dieses Gesicht und vor allem diese Stimme kenne ich.
„Wie war die Tour? Wir haben uns gefühlt ewig nicht gesehen! Ich wusste gar nicht, dass du in der Stadt bist!", höre ich Grimmy mit freudiger Stimme. Ich stehe immer noch verloren ein paar Schritte neben den beiden.
„Mega! Erzähl' ich dir gleich. Komm, schnapp dir erstmal 'nen Drink!"
„Moment", hält Grimmy ihn auf, ehe er wieder zurück zu seinem Platz laufen kann und lenkt die Aufmerksamkeit auf mich. Anscheinend ist ihm doch wieder eingefallen, dass er mir eigentlich die Menschen hier vorstellen wollte.
„Regina, das ist Harry."
Styles, fügt eine Stimme in meinem Kopf sofort hinzu. Harry Styles, ich kenne ihn – oder zumindest sein Gesicht.
Höflich streckt er mir seine rechte Hand entgegen. Mit der Anzahl an Ringen, wie Harry sie trägt, wäre er in meiner Heimat, insbesondere als Mann, sofort als schrill und irre abgestempelt worden. Auch seine etwas zu weite, braune Bundfaltenhose und das tief ausgeschnittene weiße Hemd lassen ihn nicht unbedingt wie den durchschnittlichen Bürger, wie ich ihn kenne, wirken.
Die braunen Locken hat er nach hinten gegelt, aber ganz gebändigt wirken sie trotzdem nicht. Sein charmantes Lächeln hingegen hätte vermutlich selbst meine Mutter davon überzeugt, dass er doch der perfekte Schwiegersohn sein könnte.
„Hi, freut mich. Ich bin Harry", wiederholt er seinen Namen.
Sofort ergänzt die Stimme in meinem Kopf das Styles wieder ganz automatisch.
„Willkommen in London", sagt er beiläufig, als ich seine Hand nehme.
So schnell kommt man also zu einem ungezwungenen Handschlag mit Harry Styles.
Letztes Jahr habe ich ihn noch auf dem Bildschirm im Film Dunkirk gesehen und fluche noch heute jedes Mal, wenn dieses Sign of the Times im Radio läuft – es wurde von den Sendern so konsequent totgespielt, dass ich es wirklich nicht mehr hören kann. Ich war nie ein wirklicher Fan von ihm, aber man kennt ihn eben.
„Hi", bringe ich gerade noch über die Lippen, als Harry sich schon wieder an Grimmy wendet.
Ich will ihm nicht unterstellen, er wäre unhöflich oder gar dreist. Er freut sich eben offensichtlich gerade, einen alten Freund wiederzusehen und zieht ihn dem Smalltalk mit einer Unbekannten wie mir vor.
Ich kann es ihm auch gar nicht verübeln.
„Komm", winkt mich Grimmy mit sich und Harry, als der sich auf einem von drei freien Stühlen um den großen Tisch niederlässt.
Hier sitzen wir also - Harry, ich und zwischen uns Grimmy.
In den letzten Wochen sind eine ganze Menge neuer Eindrücke auf mich eingeprasselt und ich hatte oft das Gefühl darunter begraben zu werden, aber so erschlagen wie heute war ich bislang noch nie gewesen.
Für jemanden, der noch nie auf einer Party war, ohne dort mindestens die Hälfte der Leute zu kennen, ist es eine große Herausforderung, nun hier in diesem Séparée mit Menschen, die bestimmt nicht das Geringste mit mir gemeinsam haben, zu sitzen – Harry Styles allen voran. Wenn ich das meinen Freunden Zuhause erzähle.
Andererseits sollte ich mich wohl an eine solche Gesellschaft gewöhnen. Immerhin gehen im Sender ebenfalls berühmte Menschen ein und aus und wenn ich je auch nur ansatzweise so erfolgreich werden will wie Grimmy, muss ich unbedingt offener werden.
Das Gute an meinem Job ist auch, dass diese berühmten Leute inzwischen an Eindruck verloren haben. In den Redaktionssitzungen fallen sie so oft ganz beiläufig, dass diese großen Namen nach und nach zu normalen Menschen und Interviewpartnern geworden sind. Nun mit einem von ihnen am Tisch zu sitzen, ist trotzdem ein ungewohntes Gefühl.
Grimmy und Harry sind so in ihr Gespräch vertieft, dass Grimmy seinen Körper immer mehr von mir ab und hin zu Harry wendet. Ich nehme es ihm nicht übel, er soll sich auch gar nicht um mich kümmern müssen. Bestimmt erwartet er, dass ich selbst auf die Leute hier zugehe.
Aber ich hingegen klammere mich zunehmend an meiner Bierflasche fest und versuche nicht allzu sehr zu lauschen, während ich an dem Etikett der Flasche herumpule.
Harry scheint auf Tour gewesen zu sein und berichtet gerade von diversen Erfahrungen in sämtlichen Städten und Ländern. Bisher dachte ich ja, ich hätte mich dank Grimmy und meinen Kollegen an den britischen Akzent gewöhnt, doch Harrys Dialekt klingt anders. Vielleicht liegt es daran, dass er so viel unterwegs ist.
„Regina war dein Name, oder?"
Erschrocken zucke ich zusammen und reiße meinen Blick von der Flasche in meiner Hand los, um in zwei braune, freundliche Augen zu blicken.
Der Kerl links von mir sieht mich aufmerksam an und scheint im Moment genauso alleine zu sein wie ich. In schwarzer Lederjacke, schwarzen engen Jeans und perfekt nach hinten geföhnten schwarzen Haaren passt er aber wenigstens optisch besser ins Bild als ich im Moment.
„Ja, Regina. Oder auch Reggi", nicke ich. Diesen Spitznamen hat Grimmy schon am zweiten Tag eingeführt, aber ganz durchgesetzt hat er sich bisher bei niemandem, nicht einmal bei Grimmy selbst.
„Ich bin Diego", stellt sich der Kerl ungefragt vor, da ich offenbar verpasst habe, höflich nach seinem Namen zu fragen. Harry war Grimmy vorhin dazwischengekommen, bevor er mir Diego zumindest namentlich vorstellen konnte. „Du kennst hier auch niemanden?"
Erleichtert darüber, dass Diego wohl mein Schicksal teilt, atme ich auf.
„Doch, Grimmy", antworte ich und nicke auf meine rechte Seite. „Aber das wars dann auch schon."
„Soll ich dich also mal aufklären?", bietet er mir amüsiert lachend an, als er meinen verzweifelten Blick einfängt.
Gerade will ich zögerlich nicken, aber Diego knüpft ohnehin bereits da an, wo Grimmy vorhin aufgehört hat. Bereitwillig erklärt er mir, in welcher Gesellschaft ich mich hier gerade befinde.
„Der direkt gegenüber ist Henry, ein recht vielversprechender Modedesigner aus London. Und der daneben heißt Tomo, der ist ein ziemlich heftiger Künstler. Er malt hauptsächlich abstrakt, ich persönlich kann wenig damit anfangen. Und die links von ihm ist Emily, sie arbeitet als Art Director. Dann kommt George. Der ist Schlagzeuger in irgendeiner Band, die mir gerade entfallen ist. Und Model ist er auch, glaube ich. Und die, mit der er da spricht ist Josie. Die ist wohl auf Instagram verdammt groß."
So arbeitet sich Diego einmal rings um den Tisch und ich weiß schon gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich höre erstaunlich oft die Worte „Model", „Influencer" und „Künstler". Der Großteil dieser Mensch muss sicherlich den begehrten blauen Haken auf ihren Social Media-Kanälen haben – und das obwohl sie bestimmt nicht viel älter sind als ich.
Anscheinend bin ich wirklich die Einzige in diesem Raum, die in ihrem Leben überhaupt nichts gerissen hat. Mit jedem Menschen, über den mir Diego etwas verrät, sinkt mein Selbstwert und im Gegenzug schießen die Selbstzweifel in die Höhe.
„Und dann natürlich Harry Styles, über den ich dir ja wohl nicht viel erzählen muss. One Direction, Solokarriere, Hollywoodstreifen und jetzt feilt er schon an seinem zweiten Soloalbum. Und Grimmy, aber den kennst du ja", kommt Diego schließlich zu einem Ende und grinst mich breit an.
Ich sehe wohl noch erschlagener aus als zuvor, doch zumindest scheint mein wohlinformierter Sitznachbar gewillt zu sein, sich die Zeit mit mir zu vertreiben. Und der macht auch einen ganz vernünftigen Eindruck.
„Wow", nicke ich beeindruckt und nehme direkt einen kräftigen Schluck von meinem Bier. Langsam bin ich mir nicht mehr sicher, ob Grimmy wirklich wollte, dass ich hier Freunde finde, oder ob ich mir hier ein berufliches Netzwerk aufbauen sollte.
„Und was ist mit dir?", frage ich Diego und befürchte im gleichen Augenblick, dass er mir direkt den nächsten Grund geben wird, mich hier fehl am Platz zu fühlen. „Was führt dich hierher?"
Stolz grinst er mich an und befreit sich gerade aus seiner schwarzen Lederjacke. Durch seine Bewegungen sehe ich die bunten, tätowierten Blumen auf seinem trainierten Oberarm unter dem weißen Ärmel hervorblitzen.
„Ich fotografiere und hatte einige der Menschen hier schon vor der Linse. Vorher hab' ich selbst gemodelt, aber dann hab ich hinter die Kamera gewechselt. Mein Model-Dasein läuft quasi nur noch nebenher."
Ich hatte es geahnt. Ihn umgibt auch dieses gewisse Etwas, das die restlichen Menschen in diesem Raum haben. Und mit diesen Wangenknochen ist Diego prädestiniert, um im Modelgeschäft zu sein. Nur wirkt er im Gegensatz zu so manchem Model auch wirklich sympathisch, wenn er lächelt.
„Also kennst du hier ja doch alle", stelle ich irritiert fest, ohne weiter auf seinen Beruf einzugehen.
„Naja, man kennt sich halt", zuckt er mit den Schultern und rückt näher an mich heran, damit die anderen uns nicht hören können. „Aber befreundet bin ich nur mit Henry und Grimmy. Und ehrlich gesagt würde ich gerade am Liebsten einfach nur Harry eine Bewerbung als Fotograf für seine nächste Tour überreichen und dann direkt ins Bett verschwinden."
Nun muss ich doch laut auflachen. „Du bist also hier, um deine Karriere anzukurbeln?"
Weiterhin grinsend winkt Diego ab.
„Achwas, ein Scherz", erklärt er kopfschüttelnd. „Allerdings hört man in dieser Branche doch irgendwie nie auf zu arbeiten, oder?"
Bisher habe ich mich eigentlich jeden Tag, sobald ich das BBC Radio 1-Gebäude verlassen habe, im Feierabend gewähnt, aber vielleicht sind all diese Leute hier auch deshalb um Einiges erfolgreicher als ich.
„Das wird sich noch zeigen", seufzte ich ahnungslos, aber ehrlich, und gucke in Diegos braune Augen.
Ich bin wirklich dankbar, dass er hier sitzt und so lieb zu mir ist. Ohne ihn würde ich hier wohl immer noch völlig verloren sein.
„Du bist also erst neu hierhergekommen und bei Radio 1 gelandet?", will er wissen und gibt unserem Gespräch neuen Antrieb, welchen ich nur zu gerne annehme.
Es entwickelt sich ein herrlich entspanntes Gespräch. Immer wieder stellt Diego Fragen, die ich an ihn zurückgeben und damit wird er tatsächlich die erste Person, die ich hier in London, außerhalb der Arbeit, kennenlerne. Er ist eine gute Wahl – offen, witzig, höflich, lieb.
Ich erzähle ihm von meiner Herkunft, meinen ersten Eindrücken in England, der Arbeit und Diego spricht mir bei jeder Gelegenheit Mut zu, oder auch seinen Respekt aus, weil ich diesen Schritt gewagt habe.
Die Zeit vergeht rasend schnell und obwohl ich unheimlich langsam trinke, neigt sich inzwischen schon das zweite Bier dem Ende zu.
„So, Regina", sagt Diego schließlich, als er nach seiner Lederjacke tastet und sie sich etwas ungeschickt überwirft. „Ich muss morgen früh raus und sollte langsam wirklich nach Hause gehen. Es hat mich gefreut, man sieht sich bestimmt bald mal wieder."
Mit ehrlichem Lächeln breitet er seine Arme aus und ehe ich darüber nachdenken kann, umarmt er mich zum Abschied.
Im Laufe des Abends war mir zeitweise der Gedanke gekommen, dass sich Diego bloß aus Mitleid die ganze Zeit über mit mir unterhalten hat, aber in diesem Moment verwerfe ich den Gedanken wieder. Wir verstehen uns, es war ein wirklich schöner Abend bisher.
„Mich auch", erwidere ich etwas überrumpelt, nachdem Diego bereits aufgestanden ist. „Und ja, hoffentlich."
„Gute Nacht", grinst er mich noch einmal über seine Schulter hinweg an.
Auf dem Weg nach Draußen legt er noch den ein oder anderen Zwischenstopp am Tisch ein, um sich von den restlichen Leuten zu verabschieden, aber ich bin, kaum dass er aufgestanden ist, wieder allein hier.
Gerade will ich mich wieder auf meine rechte Seite drehen, um Grimmy zu sagen, dass ich mich ebenfalls langsam auf den Heimweg machen werde, als ich überrascht feststelle, dass dieser überhaupt nicht mehr auf dem Platz neben mir sitzt. Anscheinend war ich doch mehr in das Gespräch mit Diego vertieft, als ich gedacht habe.
Anstatt neben mir sitzt Grimmy inzwischen neben, um nicht zu sagen fast schon auf Mesh, den mir Diego zuvor als Tänzer und Model beschrieben hat. Sofort steht mir ein breites Grinsen im Gesicht, als ich ihn dort so begeistert mit dem etwas dunkelhäutigeren, hübschen jungen Kerl herumturteln sehe.
Diese Seite von Grimmy hatte bislang noch nicht gekannt.
„Wir sind dann wohl abgeschrieben", höre ich plötzlich Harry Styles' unverkennbare raue und doch so klare, tiefe Stimme neben mir. Er hat seinen Arm auf der Rückenlehne des leeren Stuhles zwischen uns abgelegt und guckt ebenfalls in Grimmys Richtung.
Er wirkt so unantastbar, kühl und distanziert, wie er dort sitzt und mich noch nicht einmal ansieht. Für einen Augenblick bezweifle ich sogar, dass seine Worte überhaupt für mich bestimmt waren. Und wenn doch? Ist es dann nicht schrecklich unhöflich, einfach nicht darauf zu reagieren? Andererseits hat er auch keine Frage gestellt. Am besten sage ich also nichts – nicken und lächeln.
Anscheinend denkt Harry, ich hätte ihn wegen des Geräuschpegels in diesem Raum, nicht gehört. Schnell rückt er einen Stuhl auf und sitzt plötzlich neben mir, wo zuvor Grimmy gesessen hat.
„Wie war nochmal dein Name?", fragt er zu mir herübergebeugt, wobei eine seiner ungezähmten Locken meine Schläfe streift.
Beinahe wäre ich instinktiv zurückgeschreckt. Damit, Harry Styles heute so nah bei mir zu haben, habe ich nicht gerechnet.
„Regina."
„Achja, richtig", nickt Harry. Der Alkohol in seinem Atem mischt sich mit seinem Parfum.
Ich frage mich, wieviel er auf diese ganze Zeit wohl schon getrunken hat. Im Moment hält er ein Glas Whiskey auf Eis in der Hand und schwenkt die klare Plörre hin und her.
„Und du kommst aus Deutschland?"
Es scheint auf dasselbe Gespräch hinauszulaufen, wie ich es eben mit Diego geführt habe, aber so läuft das wohl, wenn man neue Leute kennenlernt.
Allerdings wirkt Harry anders als Diego.
Obwohl auch er gerade von sich aus auf mich zugekommen ist, strahlt er nicht dieses Freundliche und Offene aus, das mir die Konversation mit Diego so leicht gemacht hat. Stattdessen kommt mir Harry verschlossener und eigenartiger vor. Er wirkt irgendwie unentspannt, unruhig.
Aber vielleicht liegt es auch an mir und der Stimme in meinem Kopf, die immer wieder seinen vollen Namen vor sich hin flüstert.
„Ja, bei München", antworte ich wahrheitsgemäß und ernte ein interessiertes Nicken von Harry.
„Ah, München. Schöne Stadt, sogar schöner als Berlin."
Bevor ich die dumme Frage stellen kann, ob und weshalb er dort war, fällt es mir wieder ein – Musiker, Tour. Natürlich war er vermutlich schon überall.
„Also, nicht direkt aus München", stelle ich stattdessen klar.
Amüsiert guckt mich Harry an und gibt ein spöttisches Schnauben von sich. „Ah, ich dachts mir schon, so verkrampft und unschuldig wie du hier sitzt. Dorfkind?"
Die Art, wie Harry dieses Wort ausspricht, gefällt mir keineswegs und ich spüre, wie Wut in mir hochkocht. Ja, ich bin kein Großstadtmensch, aber weshalb das ständig so belächelt werden muss, werde ich nie verstehen. Und was soll das überhaupt heißen, dass ich verkrampft und unschuldig hier sitzen würde?
Trotzdem schlucke ich meine Wut gekonnt runter. Grimmy hat mich hierher mitgenommen, da will ich nicht bockig oder zickig auf seine Freunde reagieren. Auch wenn ich mir Harry Styles als eine weitaus angenehmere Gesellschaft vorgestellt hätte.
„Ja", nicke ich also nur knapp und hoffe, dass er zumindest nicht weiter darauf herumreitet. „Und du warst gerade auf Tour?"
„Naja, die Tour war im Sommer schon vorbei, aber ich war auch anschließend noch viel unterwegs. Jetzt bin ich wieder zurück in der Schreib-Phase", erzählt Harry und nippt an seinem Whiskey. „In London bin ich –"
Bevor er weitersprechen kann, wird seine Aufmerksamkeit abgelenkt und er guckt offensichtlich auf etwas hinter mich.
„Na, ihr!", unterbricht uns Grimmy sehr überschwänglich und stellt sich hinter unsere Stühle, auf deren Rückenlehnen er sich stemmt.
„Ach, erinnerst du dich wieder an uns?", grinst Harry ihn an und lässt seinen Blick zu Mesh schweifen. „Du kannst schon dort drüben bleiben, wir kommen klar."
Lachend winkt Grimmy ab. „Als hätte ich euch vergessen. Ich gehöre ganz euch."
„Nettes Angebot, aber ich würde langsam eh weiterziehen", erwidert Harry und ext seinen Whiskey. „Kommt ihr mit?"
Fragend sieht er Grimmy und dann auch mich an.
Ich weiß weder, wo Harry hinwill, noch was er noch geplant hat. Spontan hätte ich auf einen Club getippt – den nötigen Pegel muss er inzwischen ja haben.
Die Entscheidung überlasse ich Grimmy und richte meinen Blick auf ihn.
„Nee, ich bin müde, Harry", schüttelt der den Kopf.
Dann liegt Harrys Aufmerksamkeit bei mir. Seine grünen Augen durchbohren mich förmlich und für eine Sekunde vergesse ich sogar, was er überhaupt gefragt hat und weshalb er mich ansieht.
„Regina auch", antwortet Grimmy an meiner Stelle und schlägt einen scharfen Ton an, den ich vom sonst stets so gut gelaunten Nicholas Grimshaw nicht gewöhnt bin.
Irritiert schnellt mein Blick zu ihm. Sein Gesichtsausdruck sagt genau das aus, was ich auch in seiner Stimme erkannt habe.
Etwas Ermahnendes liegt darin und ich glaube sogar zu erkennen, wie er leicht den Kopf schüttelt, um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen.
„Wir gehen gleich heim."
Noch immer habe ich zu diesem Thema kein Wort gesagt, aber nach den Bänden, die die Blicke der beiden Männer sprechen, wage ich das auch gar nicht. Etwas Seltsames liegt in der Luft, aber ich weiß es nicht einzuordnen.
„Wie du meinst", zuckt Harry schließlich mit den Schultern und schnappt sich seinen dunkelgrünen Mantel. „Wir sehen uns."
Schneller als ich es begreifen kann, springt Harry von Stuhl, klopft Grimmy zum Abschied auf die Schulter und winkt in die Runde, ehe er davonrauscht.
Es ist das erste Mal, dass mir Harry Styles begegnet ist und es fühlt sich an, als wüsste ich nach unserem Kennenlernen noch weniger über ihn als zuvor.
Was für eine seltsame Situation. Und was für ein seltsamer Kerl.
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