s i e b e n
| Regina |
Harry hat sein Versprechen wahr gemacht und sich überraschend schnell bei mir gemeldet. Allerdings haben wir uns durch gemeinsame Freunde kennengelernt und diese beiden klinken sich auch bei jeder Gelegenheit ein.
Nachdem Diego immer noch daran arbeitet, sich mit Harry gutzustellen und Grimmy neuerdings die Rolle des Aufpassers übernommen hat, finden wir uns immer wieder zu viert in Grimmys oder Diegos Appartement wieder, anstatt dass ich Zeit mit Harry alleine verbringen könnte.
Es beschränkt sich auf gemütliche Nachmittage, die wir gemeinsam mit Filmen, gutem Essen und oft auch Musik verbringen. Die Abende und Nächte hingegen gehen wir getrennte Wege.
Grimmy trifft sich immer öfter mit diesem Mesh, den ich bisher nur einmal gesehen habe, Diego hat diverse Dates und Shootings, und Harry zieht regelmäßig um die Häuser.
Wohin genau er geht, fragt niemand von uns nach, dafür spüre ich aber stets Grimmys prüfenden Blick auf mir, sobald Harry verschwindet.
Und ich, ich genieße nach Nachmittagen mit den Jungs jedes Mal einen ruhigen Abend, telefoniere mit meinen Eltern oder Freunden von Zuhause und versuche das aufkeimende Heimweh zu verdrängen.
Wie sich mein Privatleben in London bislang entwickelt hat, habe ich den Leuten aus meiner Heimat gegenüber immernoch etwas unter Verschluss gehalten. Ich habe von drei neuen Freunden berichtet, aber dass einer davon Harry Styles ist, habe ich für mich behalten. Noch dazu weiß ich immernoch nicht, ob wir auch tatsächlich Freunde sind.
Nach meinen zahlreichen Abendterminen am Donnerstag, habe ich mir diese Woche ein verlängertes Wochenende verdient und der Freitag wird auch dieses Mal genutzt, um in Grimmys Appartement auf dem Sofa zu lümmeln.
Über den Bildschirm flackert der Filmklassiker Titanic, den entgegen aller Geschlechterklischees nicht ich, sondern Harry und Grimmy sehen wollten und auf dem Tisch vor uns stapeln sich fünf Pizzakartons.
Den Sechsten hat Harry auf seinem Brustkorb platziert und fischt soeben das letzte Stück der fetttriefenden Pizza heraus. Ausgestreckt auf dem kurzen Ende des Sofas seufzt Harry leidend.
„Wow, ist das ekelhaft, was ich hier veranstalte", kommentiert er trocken und schiebt sich das Stück trotzdem zur Hälfte in den Mund. „Und ich dachte schon, ich hätte mich auf Tour schlecht ernährt."
„Ruhe!", zischt Grimmy gereizt, den Blick gefesselt auf den Bildschirm gerichtet. „Ich will das sehen. Und das wolltest du auch, falls du dich erinnerst."
„Ach komm schon, wir alle wissen, wie der Film endet", schaltet sich Diego augenrollend ein. „Das Karren geht unter."
„Und der Kerl stirbt", ergänze ich der Vollständigkeit halber grinsend, was mir denselben scharfen Blick einbringt, den Grimmy eben noch Diego zugeworfen hat.
„Also ich wollte den Film dieses Mal eigentlich vorwiegend wegen der Musik sehen", zuckt Harry mit den Schultern und zwängt sich das letzte Stück Pizza in den Mund.
Er hat bereits anderthalb Pizzen verdrückt, entsprechend beeindruckt beobachte ich ihn auch.
„Es gibt nur wenig Filme, die so untrennbar von ihrem Soundtrack sind wie Titanic. Das ist ein richtiges Meisterwerk."
„Kreisen deine Gedanken zurzeit eigentlich noch um irgendwas anderes, als um Musik?", fragt Diego an Harry gewandt.
Dieser seufzt tief und wirft resigniert den nun leeren Pizzakarton zurück zu den anderen auf den Tisch vor uns.
„Oh ja, um alles Mögliche. Das ist auch das Problem. Ich hab 'ne richtig Blockade."
Dass Harry im Moment in der Schreibphase seines zweiten Soloalbums steckt, wurde mir inzwischen mehrfach berichtet, aber tatsächlich bemerkt habe ich davon bislang nichts. Harry verbringt eine Menge Zeit mit seinen Freunden und macht nie den Eindruck, derzeit zu arbeiten.
„Also lasst uns bitte nicht davon sprechen", winkt Harry entmutigt ab.
„Sehr gutes Stichwort, sprecht einfach nicht!"
Strafend guckt Grimmy einmal mehr in die Runde, ehe er seinen Blick wieder auf den Fernseher lenkt.
Grinsend gehorchen Diego, Harry und ich dieses Mal und tun es ihm gleich.
Rose und Jack verlieben sich, die Titanic sinkt, Jack stirbt und Rose wirft den Klunker ins Wasser – nichts, was wir alle nicht schon einmal gesehen hätten, aber bewegend ist dieser Film allemal wieder.
„So, Leute, ich muss auch direkt los", ist Diego der Erste, der sich noch vor dem Abspann verabschiedet und sich seine Jacke überwirft.
„Ich bin zum Sport verabredet. Wir können solche Orgien hier echt nicht zur Gewohnheit werden lassen, sonst werde ich nie wieder vor der Kamera stehen können."
„Du wolltest doch eh hinter der Kamera bleiben", grinse ich hämisch und wende meinen Kopf zu Diego der gerade neben meinem Sessel steht.
Strafend wuschelt er mir durch meine blonden Locken.
„Ja, und bald hab' ich auch gar keine Wahl mehr. Also dann, wir sehen uns, Leute."
„Bis dann."
„Adios", hebt Harry zum Abschied die Hand und liegt immer noch, alle Viere von sich gestreckt, auf dem Sofa, als die Wohnungstüre hinter Diego ins Schloss fällt. „Ich sollte echt auch zum Sport."
„Ich nicht, aber ich sollte bald zu Mesh", stellt Grimmy nach einem prüfenden Blick auf die Uhr fest.
Wissend tauschen Harry und ich einen Blick aus. Es ist noch nicht ganz 18 Uhr und Grimmy wird uns in Kürze aus der Wohnung werfen, um sich auf sein Date vorzubereiten.
Es ist die Gelegenheit, einmal nachzuhaken.
Harry und Grimmy kennen sich länger, also überlasse ich ihm die Frage.
„Ihr trefft euch in letzter Zeit echt oft. Was Ernstes?", spricht Harry genau das aus, was auch mir unter den Nägeln brennt.
Unschlüssig zuckt Grimmy mit den Schultern und schwingt sich auf die Beine, um die leeren Pizzakartons zu entsorgen.
„Ich weiß nicht, ich hab' ihn gern. Alles andere wird sich schon zeigen. Im Moment ist es gut, so wie es ist."
Es ist keine besonders präzise Antwort, aber immerhin eine erste Einschätzung. Wenn Grimmy selbst mehr weiß, wie es um sein Liebesleben steht, wird er bestimmt selbst darauf zu sprechen kommen.
Das scheint auch Harry so zu sehen, denn nun hievt sich auch der auf die Beine.
„Na, damit das auch weiterhin vorangehen kann, lassen wir dich dann mal alleine", grinst er gönnerhaft und sieht mich auffordernd an.
Es ist Zeit zu gehen und auch ich greife nach meinem Handy, ehe ich aufstehe und Harry zur Wohnungstüre folge.
„Viel Spaß heut Abend, Grimmy", rufe ich noch zu meinem Kollegen, der in der Küche hantiert.
Grimmy winkt aus der Ferne zum Abschied und quetscht gekonnt die Pizzakartons in sein Altpapier. „Danke. Bis bald!"
Erst als ich mit Harry aus der Wohnung ins Treppenhaus trete und seinen Blick auf mir bemerke, wird mir bewusst, dass wir alleine sind. Zwar verbringen wir inzwischen viel Zeit miteinander, allerdings immer gemeinsam mit Diego und Grimmy, oder zumindest einem der beiden.
Harry scheint das Ganze weniger befremdlich wahrzunehmen.
„Soll ich dich heimfahren?", bietet er mir lächelnd an.
Es ist kaum zu glauben, dass der Mensch, der hier oft so gerne auf diversen Sofas rumlungert und gemütliche Nachmittage mit Freunden verbringt, wirklich derselbe Kerl ist, mit dem ich damals auf der Feuertreppe in diesem Club gesprochen habe.
Dass Harry zwei Gesichter hat, habe ich irgendwo in meinem Hinterkopf, doch inzwischen habe ich mich so sehr an dieses Freundliche hier gewöhnt, dass ich das Andere gut und gerne verdränge.
„Ähm", überlege ich zögerlich und folge Harry auf der Treppe nach unten. „Du musst jetzt nicht extra wegen mir bis Calpham South fahren."
„Achwas, ich bin eh unterwegs. Da macht das keine Umstände", versichert er mir lächelnd und wendet sich zu mir um. „Ich steh' direkt vor der Türe."
Ich weiß nicht, wo Harry und ich stehen und ob wir inzwischen Freunde sind. Aber wenn Harry so unmittelbar neben mir steht und seine volle Aufmerksamkeit mir gilt, verliere ich mich wieder voll und ganz in seinen Augen. Ich bezweifle, dass sich das je ändern wird.
„Danke, das ist lieb."
Die Stille zwischen uns ist nicht unangenehm oder schwer, als wir im Treppenhaus nach unten laufen. Meine Gedanken hingegen schweifen immer wieder völlig ab.
Wie kann es sein, dass mir Harry in der Gruppe so vertraut ist und nun, kaum dass ich mit ihm allein bin, werde ich wieder schrecklich nervös und unsicher? Kann man überhaupt ungezwungen mit jemandem umgehen, der einen so in seinen Bann ziehen kann? Und wie zur Hölle schafft er es nur, zwei solch konträre Seiten in sich zu vereinen?
„Das ist er schon", reißt mich Harry plötzlich wieder aus meinen Gedanken.
Wir stehen bereits auf dem Bürgersteig vor Grimmys Wohnhaus und Harry läuft um den großen, schwarzen Range Rover, der direkt davor geparkt ist, herum. Der Winter ist inzwischen in vollem Gange und das Tageslicht bereits am späten Nachmittag längst vergangen.
„Spring rein, ist schon offen."
Ohne etwas zu erwidern, folge ich Harrys Anweisungen und klettere in das überraschend hohe Auto.
Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie lange die Fahrt bis zu mir dauern wird, nachdem ich bisher immer auf die öffentlichen Verkehrsmittel gesetzt habe. Vielleicht hätte ich Harrys Angebot doch ausschlagen sollen.
Harrys Nähe allein ausgesetzt zu sein, setzt mir doch mehr zu, als ich erwartet hätte.
Bestimmt ist es nur liebgemeint, dass er mich anlächelt, als er sich am Fahrersitz niederlässt und den Wagen startet, aber mich lässt dieses Lächeln innerlich endgültig zusammensacken.
„Gib einfach deine Adresse ein", sagt er und tippt auf den Touchscreen des eingebauten Navigationsgeräts.
Verstehend nicke ich und tu genau das.
Als Harry plötzlich weiter mit mir spricht, komme ich kurz ins Schleudern. Da ist mir doch glatt meine eigene Hausnummer entfallen.
„Wir waren ewig nicht unter uns, oder?", stellt Harry offen fest und sieht mich aufmerksam an.
Offensichtlich war ihm derselbe Gedanke gekommen wie mir, nur spricht er diesen auch offen aus.
Ich nicke, als wäre es mir selbst gerade erst jetzt aufgefallen und bestätige nebenbei per Touchscreen meine Adresse, damit uns endlich der Weg zu meinem Appartement angezeigt wird.
„Stimmt, ist ein Weilchen her."
„Schade eigentlich", sagt Harry dann und zaubert mir damit unwillkürlich ein Lächeln ins Gesicht.
Sofort kommt mir wieder unser Gespräch im Konferenzraum des Radiosenders in den Sinn, als Harry mir gesagt hat, er würde mich mögen und ihm wäre nicht egal, was aus mir wird. Um ehrlich zu sein, denke ich öfter daran, als ich mir eingestehen will.
„Naja, Grimmy ist doch einer deiner besten Freunde", lenke ich ein und suche nach einer passenden Reaktion, während Harry seinen Wagen gekonnt aus der Parklücke lenkt. „Und Diego –"
„Diego will mich wirklich dringend fotografieren", beendet Harry grinsend meinen Satz.
Überrascht sehe ich ihn an.
„Was?"
„Ich bitte dich, es ist nicht besonders schwer zu erkennen, dass mir Diego in den Hintern kriecht. Und er ist Fotograf. Man muss nur eins und eins zusammenzählen", erklärt Harry beiläufig und ordnet sich in den Verkehr ein.
Dass Harry Diegos Intention längst aufgefallen war, spricht bloß wieder für seine enorme Menschenkenntnis und Aufmerksamkeit. Und es zeigt, wie genau er die Menschen um sich herum unter die Lupe nimmt. In seiner Position muss es wohl ständig vorkommen, dass Menschen ihre Vorteile in seiner Freundschaft sehen.
Ob Harry wohl auch längst mitbekommen hat, wie sehr er mir gefällt und wie angetan ich von ihm bin?
„Aber es ist nicht nur das, er mag dich aus", versuche ich instinktiv, Diegos Namen zu retten.
Sanft lächelt Harry mich an.
„Ich weiß, er ist auch schwer in Ordnung. Er passt gut zu uns."
Es herrscht wieder Schweigen im Auto.
Einzig das rhythmisches Tippen von Harrys Ringen gegen das Lenkrad ist zu hören. Den rechten Ellenbogen hat er lässig auf der Fahrertür abgelegt und stützt den Kopf gegen seine Faust.
Der Verkehr läuft schleppend, was mir und Harry die ideale Gelegenheit bietet, die Zeit unter vier Augen zu nutzen. Und mich beschleicht das Gefühl, dass ich an der Reihe bin, die Stille zu brechen.
„Wie lange bleibst du eigentlich in England?", stelle ich die erste Frage, die mir in den Sinn kommt.
Harry wirkt tatsächlich erleichtert über meinen Konversationsantrieb.
„Das weiß ich nicht, ich hab' mir kein Limit gesetzt. Im Moment habe ich absolut keine Verpflichtungen – also, außer denen, die ich mir selbst auferlege. Und im Moment fühl' ich mich hier in London sehr wohl. Vielleicht findet mich hier ja doch noch die Inspiration für neue Songs."
Verstehend nicke ich.
„Ist London also dein Lebensmittelpunkt?"
„Quasi. Ich bin auch wirklich gerne in LA, New York und Japan, aber London ist immer ein Stück weit nach Hause kommen. So wird es dir mit München auch immer gehen, egal wo du letztendlich lebst."
„Das ist gut möglich", muss ich lächeln, als ich an mein verschlafenes Dorf denke.
So gerne ich jetzt auch hier in London bin, freue ich mich trotzdem schon auf all die alten Gesichter und Emotionen, die mich dort erwarten, sobald ich die einzige Hauptstraße des Orts wieder betreten werde.
„Jedes Mal, wenn ich nach Holmes Chapel fahre, fühlt es sich an, wie eine kleine Zeitreise. Selbst wenn sich die Stadt verändert, werden meine Erinnerungen immer dort sein. Ich liebe das."
„Holmes Chapel?", hake ich stirnrunzelnd nach.
„Meine Heimatstadt. Eine kleine Stadt bei Cheshire."
Ohne darüber nachzudenken, lache ich sofort laut auf. „Wirklich? Du bist also ursprünglich auch ein Dorfkind?"
Beschämt grinst Harry in sich hinein und lässt seinen Blick dann schulterzuckend zu mir schweifen. „Es fühlt sich an, wie ein anderes Leben, aber ja."
Harry erzählt mir mehr über Holmes Chapel und all die Jahre, die er dort mit seiner großen Schwester, seinem Vater und schließlich seinem Stiefvater verbracht hat. Als wir schließlich unsere beiden Heimatdörfer miteinander vergleichen und feststellen, dass Holmes Chapel doch noch urbaner ist, als mein bayrisches Kaff, fällt mir gleichzeitig auf, wie ähnlich Harry und ich uns auf gewisse Weise sind – oder zumindest waren.
Wären wir uns im Alter von dreizehn Jahren begegnet, hätten wir bestimmt ein ganz ähnliches Leben gelebt und dieselben Wert- und Zukunftsvorstellungen gehabt. Nur hat Harrys Leben eines Tages diese verrückte Wendung genommen und er ist in einer völlig neuen Welt gelandet.
Es kann so schnell passieren, vielleicht bin ich durch meinen Umzug nach London auch auf einen völlig neuen Weg geraten - wer weiß.
„Würdest du nochmal tauschen wollen?", frage ich Harry neugierig.
Wir haben uns plötzlich so gut und angeregt unterhalten, dass ich gar nicht mehr darauf geachtet habe, wo wir eigentlich langfahren. Anscheinend hat Harry irgendwann unauffällig das Navigationsgerät ausgeschalten. Sollten wir nicht längst in meiner Gegend sein? Die Umgebung hier kommt mir zumindest bekannt vor.
„Du meinst, ob ich mein altes Leben wiederhaben wollen würde?"
„Ja", nicke ich und beobachte Harry, wie er nachdenklich mit seinem Kiefer knirscht und den Blick auf die Straße gerichtet hat.
„Ich hätte gerne ein paar mehr normale Erfahrungen gemacht. Du weißt schon - meinen Schulabschluss, vielleicht studieren, solche Dinge eben. Aber ansonsten.. Nein."
Harry klingt nun doch fest entschlossen und schüttelt vehement den Kopf.
„Ich hab' den Job, den ich immer wollte und kann von der Musik leben. Es ist besser, als ich es mir je vorgestellt habe und ich würde das für nichts in der Welt eintauschen."
„Das freut mich für dich."
Ehrlich lächle ich ihn an, als er mir einen kurzen Blick zuwirft. Harry muss ein furchtbar aufregendes Leben führen und, obwohl er nur ein paar Jahre älter ist als ich, schon so viel mehr erlebt haben.
Da kommt mir wieder in den Sinn, was Harry damals in der Bar über mein Leben gesagt hat.
„Genieß dein langweiliges Leben wie es ist, Wallflower", hat er mir dort geraten und mich völlig vor den Kopf gestoßen.
Im Moment unterhalten wir uns so ungezwungen, dass ich keine Scheu habe, selbst diese Frage zu stellen.
„Hältst du mein Leben wirklich für so langweilig?", frage ich direkt heraus.
Beschämt seufzt Harry und sieht mich entschuldigend an.
„Was bedeutet schon langweilig", versucht er sich hektisch zu erklären, verneint meine Frage aber auch nicht. „Langweilig ist ja nicht schlecht. Im Grunde sind die Nachmittage, in denen wir alle miteinander rumhängen ja auch langweilig, immerhin passiert dort nichts außergewöhnliches. Und trotzdem sind sie schön."
Was Harry hier gerade so nett und charmant formuliert, ist ein klares „Ja" auf meine Frage. An meinem Gesichtsausdruck muss Harry wohl erkennen, wie wenig begeistert mich diese Antwort stimmt. Ich weiß, was er sagen will, aber trotzdem ist es kein schönes Gefühl, dass Harry so über mein Leben denkt.
„Das ist überhaupt nicht Böse gemeint!", versucht er sich daher weiter zu erklären. „Erinnere dich doch auch mal daran, was ich dir bei unserem ersten Treffen bei Grimmy gesagt habe."
Dieses Mal muss ich etwas länger nachdenken.
Es stimmt wohl, dass man sich intensiver an die negativen Dinge, die einem passiert sind, erinnert, als an die positiven.
Aber dann fällt mir doch wieder ein, was Harry damals gesagt hat, nachdem er seine Einschätzung meiner Person abgegeben hat und mir versichert hat, ich solle mich nicht dafür schämen.
„Ein bodenständiges Leben ist viel öfter auch ein glückliches Leben, als wenn man ständig auf der Jagd nach Abenteuern und rastlos ist", hat er gesagt und damals wie heute fällt es mir schwer, das zu glauben.
Was mich allerdings im Moment viel mehr beschäftigt, ist die Tatsache, dass sich Harry so genau an all die Dinge, die er zu mir gesagt hat, erinnern kann. Anscheinend ist es kein belangloses Gerede und er macht sich tatsächlich Gedanken über unsere Gespräche.
„Naja, am Ende muss wohl jeder selbst entscheiden, welchen Weg er geht", seufze ich unschlüssig.
Womöglich hat er recht, aber seitdem Harry in mein Leben getreten ist, fühlt es sich keineswegs mehr langweilig an. Und ich würde das Gefühl, das er mir gibt, keinesfalls mehr missen wollen.
„So ist es", nickt Harry zustimmend und lächelt, bevor er seufzend den Blinker setzt. „Und bevor ich jetzt noch drei Mal um den Block fahre, bloß um dich nicht aussteigen lassen zu müssen, sollte ich dich jetzt doch mal rauslassen."
Mein Herz droht zu explodieren, so erfüllt ist es von Freude und Aufregung. Hat Harry gerade angemerkt, dass er gerne mit mir alleine ist? Ich wusste doch, dass wir längst vor meinem Appartement hätten ankommen sollen. Aber gerne hätte ich auch noch drei Runden um den Block gedreht, um bei ihm sein zu können.
Verlegen erwidere ich Harrys charmantes Lächeln, sehe dabei aber bestimmt nicht annähernd so attraktiv aus wie er.
„Danke fürs Heimfahren, Harry."
„Jederzeit."
Gerade als ich die Beifahrertür öffnen will, hält Harry mich nochmal auf.
„Warte."
Sofort gehorche ich und lasse mich nochmal in den Beifahrersitz fallen. „Hm?"
„Auf die Gefahr hin, dass das gleich völlig falsch rüberkommt", erhebt Harry seine Stimme nochmal zögerlich. „Aber möchtest du morgen vielleicht zum Sport mitkommen? Also, nicht dass du es nötig hättest, aber -"
„Klar, gern!"
Harry hätte mir vermutlich vorschlagen können, was immer er wollte, ich hätte zugesagt. Ich wollte Zeit mit ihm verbringen und ihn endlich, auch abseits der Gruppe, kennenlernen.
Ich wollte öfters „Ja" sagen und Harry macht mir das unglaublich einfach. Ich hätte zu allem „Ja" gesagt, einfach zu dem gesamten Menschen.
Allein auf dieser überraschend ausgiebigen Autofahrt hat er mir das Gefühl gegeben, dass die Distanz, die ich oft zwischen uns zu herrschen glaube, definitiv überbrückbar ist und er unglaublich lieb sein kann. Er gibt mir ein gutes Gefühl, ich bin gerne bei ihm.
„Okay, schön", scheint sich Harry zu freuen. „Ich hol' dich dann genau hier wieder ab. Aber ich melde mich nochmal. Bis morgen dann."
„Bis morgen."
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Endlich lernen sich Harry und Regina auch mal unter normalen Umständen und unter vier Augen kennen!
Ich stecke zur Zeit heftig in dieser Geschichte und es macht mega Spaß, sie zu schreiben!
Entsprechend freut mich auch jeder Read, jeder Kommentar und jedes Sternchen total!
Vielen Dank dafür! ❤️
Einige Kapitel hab' ich auch noch auf Vorrat, also vermutlich bis ganz bald ;)
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