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s e c h s u n d d r e i ß i g

| Harry |

„Also so ganz euphorisch wirkst du ja nicht", lautet das gnadenlose Urteil meiner Mutter. Wir sehen uns so selten, dass man glauben könnte, sie würde mir inzwischen nicht mehr auf einen Blick ansehen können, wenn mir etwas auf der Seele liegt, aber Mütter haben wohl diese Gabe.

Prüfend mustert sie mich. Mir war klar, dass sie mich noch bevor Gemma und ihr Freund hier aufschlagen, darauf ansprechen würde.
Wir sind unter uns und unter vier Augen spricht es sich immernoch am ehrlichsten - insbesondere dann, wenn es der sorgenvolle Blick meiner Mutter ist.

Abwartend sitzt sie mir auf der Terrasse ihres Hauses gegenüber und sieht mich an.
„Ach, halb so wild, Mum", beruhige ich sie lächelnd. Der Versuch, ihr zu verkaufen, alles wäre bestens, wäre aussichtlos. „Ich hab' auf dem Weg hierher nur erfahren, dass eine Freundin ihren Job verloren hat."

Dass es sich dabei nicht um irgendeine Freundin, sondern um Regina, die es nach Ewigkeiten geschafft hat, mich halbwegs aus meinem emotionalen Schutzbunker zu ziehen, oder mich zumindest darauf aufmerksam gemacht hat, spare ich lieber aus.

„Oh nein, das arme Ding. War sie denn bei dir angestellt?", fragt Mum mitfühlend nach.
Lächelnd schüttle ich den Kopf.
„Nein, ansonsten hätte sie ihren Job nicht verloren. Aber es tut mir eben leid für sie."

Es ist die sehr abgekürzte Version dessen, was wirklich passiert ist. Grimmys hinterhältige Aktion und das Detail, dass ich auf Umwegen der Grund bin, weshalb Regina überhaupt erst so unkonzentriert bei der Arbeit war und dass Grimmy meinetwegen das Gefühl hatte, sie aus dem Land schaffen zu müssen, behalte ich tunlichst für mich.

„Ach, das hattest du als Kind schon", lächelt mich meine Mutter stolz an. „Während die anderen Kinder unserer Siedlung langsam ihre Schadenfreude und Missgunst entdeckt haben, warst du immer so bemerkenswert mitfühlend und sensibel. Beinahe hätte ich mir Sorgen gemacht, bis ich verstanden habe, dass dich eben genau das ausmacht und du einfach so ein großes Herz hast."

Wieder weiß meine Mutter gar nicht, wie falsch sie in diesem Fall liegt. Meine Reaktion vor wenigen Stunden im Auto, als mir Regina am Telefon erzählt hat, was passiert ist, war alles andere als großherzig und sensibel.
Ich war ein unglaublicher Trampel, wie ich es ihr gegenüber viel zu oft bin.

Hätte ich mich von meinen wahren Gefühlen leiten lassen, hätte ich wohl postwendend vor Grimmys Türe gestanden und ihn mir vorgeknöpft, ehe ich dann zu Regina gefahren wäre, um sie tröstend in den Arm zu nehmen und alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit sie in London bleiben kann. Aber dazu bin ich längst nicht in der Lage.

Stattdessen sitze ich verbittert hier in Holmes Chapel. Es läuft eben, wie es immer läuft, wenn man jemanden an sich heranlässt und es wagt, sich auch nur ein Stückchen zu öffnen. Es läuft schief und man kassiert die Rechnung dafür, dass man sich angreifbar gemacht hat.

Dass es dieses Mal sogar einer meiner besten Freunde ist, der Regina und mir die Zukunft verbaut, zeigt mir nur einmal mehr, wie verkorkst ich tatsächlich bin. Grimmy hat uns diese Steine vielleicht in den Weg gelegt, aber ich selbst habe sie ihm zuvor in die Hand gedrückt. Er hat sich dieses Trauerspiel lange genug angesehen und bestimmt, wie immer, die richtige Entscheidung getroffen, wenn ich es nicht kann.
Sicherlich ist es die beste Lösung und Regina verschwindet aus meinem Leben. Ich selbst war nie in der Lage, die Reißleine zu ziehen und habe sie nur noch weiter in den Abgrund gezogen - also hat Grimmy diesen Schritt unternommen und zwingt sie zur Vernunft, wenn ich es nicht kann.

Ich bin eine Null und genau dort befinde ich mich im Moment auch auf meiner Skala.

Im Selbstmitleid versinkend greife ich nach der gläsernen Karaffe Eistee mit Zitronen, die vor mir auf dem Tisch steht.
„Hast du Rum oder Brandy oder sowas?", frage ich meine Mutter, als ich mich bereits mit meinem halbvollen Glas erhebe.

Erstaunt sieht sie mich an.
Willst du oder musst du, Harry?"
Sie klingt ernster als es mir lieb ist. Mich meiner Mutter gegenüber so zu verhalten, ist mir mehr als zuwider, aber wenn ich heute nüchtern bleibe, werde ich noch den Verstand verlieren.

Immer wieder fliegen meine Gedanken zu Regina, deren Zukunftshoffnungen völlig zerschellt sind. Sie hatte so unheimlich verzweifelt und traurig geklungen, dass es mir fast das Herz gebrochen hätte und doch bin ich nicht fähig, wie ein normaler Mensch zu reagieren, für sie da zu sein oder ihr zumindest gut zuzureden.

Es ist eben einfacher mir einzureden, dass ich nichts damit zu tun habe und es ein zu großer Schritt gewesen wäre, ihr Hilfe anzubieten. Es ist einfacher, aber im nüchternen Zustand unmöglich.

„Ich will", kann ich meine Mutter nur schweren Herzens anlügen. Andererseits ist es aber vielleicht auch gar keine Lüge.
Niemand zwingt mich, ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Anscheinend will ich Regina schlecht behandeln, ich will mich emotional abschotten - und ich will mich heute wieder halbwegs betäuben, um mich nicht weiter selbst dafür zu verurteilen, dass ich es bin, der sich selbst zu alledem zwingt.

Nachdenklich legt Mum die Stirn in Falten. Sie scheint nicht gänzlich überzeugt, nickt dann aber zögerlich.
„Im Schrank im Wohnzimmer. Bring doch auch gleich Gläser für Gemma und Michal mit."

Verstehend nicke ich und verschwinde nach drinnen.

Natürlich habe ich nicht auf Gemma und ihren Freund gewartet, um mehr Spirituosen als Eistee in mich hineinzukippen. Es ist längst nicht genug, um mich in einen Vollrausch zu stürzen, aber ausreichend, um meine Gedanken zu vernebeln.

Nachdem meine Schwester und Michal zu uns gestoßen sind, ist die Stimmung sogar überraschend ausgelassen. Ein Wiedersehen mit der Familie ist nicht selten feuchtfröhlich, ich bin also in bester Gesellschaft, um nicht länger an Regina denken zu müssen.
Es ist ein verzweifelter Versuch, auf meiner Skala mit Ach und Krach eine Drei zu erreichen.

 

Die Kopfschmerzen am nächsten Morgen lassen letztendlich doch vermuten, dass mehr Alkohol durch meinen Körper geflossen ist als ich gestern noch gedacht hatte. Es dauert länger als gewöhnlich, bis ich mich orientiere und mein altes Kinderzimmer wiedererkenne.

In Holmes Chapel aufzuwachen, war bislang immer eines der schönsten Gefühle. Es ist das Gefühl von Heimat und Familie. An der Schwelle dieses Hauses lasse ich all den Druck, den ich mir selbst mache und die Falschheit der Welt dort draußen liegen. In diesen vier Wänden kann ich Jedem vertrauen und ausnahmslos ehrlich sein. Das könnte ich zumindest.

Gestern ist mir klargeworden, wie sehr Regina inzwischen in meinem Herzen ist. Während ich mir immer noch eingeredet habe, mich dagegen wehren zu können, Gefühle für sie zu entwickeln oder zumindest deren Intensität in Zaum halten zu können, war es längst zu spät. Ich habe sie in mir mit nach Holmes Chapel getragen, sie konnte ich nicht an der Haustüre ablegen und aussperren.
Und obwohl ich gestern versucht habe, sie mit Rum und Brandy aus meinem Kopf zu spülen, ist sie mein erster Gedanke am Morgen.

Sie wird vermutlich ähnlich gerädert aufwachen und langsam anfangen, ihre Rückkehr nach Deutschland zu planen – alleine, weil ich sie noch nicht einmal freundschaftlich unterstützen kann, obwohl ich nichts anderes will, als sie in London zu halten.

„Guten Morgen, Bruderherz!", stürmt Gemma plötzlich unangemeldet in mein Zimmer und reißt motiviert die Gardinen meines Fensters zur Seite.
„Gemma", raune ich leidend vor mich hin und drücke mein Gesicht in die schützende Dunkelheit des Kopfkissens. „Bitte."

„Komm schon, es ist bald Mittag", bleibt Gemma stur und lässt es sich als ältere Schwester natürlich nicht nehmen, mich belustigt zu beobachten.

Schon als ich damals mit fünfzehn zum ersten Mal betrunken nach Hause gekommen war und einen Tag später die Quittung bekommen hatte, hatte Gemma den größten Spaß daran gehabt. Sich am Leid des anderen zu erfreuen, ist wohl etwas, was man als Geschwister nie ablegt.
Genauso legt man es aber auch nicht ab, den anderen lesen zu können wie ein Buch und zu spüren, wenn es doch ernst wird.

Seufzend kommt Gemma auf mein Bett zu und setzt sich ungefragt auf dessen Kante. Skeptisch rapple ich mich auf und stütze mich auf meine Unterarme, um sie anzusehen.
Ihre braunen Haare fallen ihr wie ein Vorhang auf beiden Seiten ins Gesicht, ehe sie sie hinter ihr Ohr streicht. Diese Geste ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass mit mir sprechen will.

„Was ist los mit dir, Harry?", fragt sie direkt heraus.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis mir in diesem Haus intensiv auf den Zahn gefühlt werden würde und anscheinend passiert es früher als erwartet.
„Wieso?", stelle ich trotzdem sofort die Gegenfrage.

„Weil du dich gestern zugeschüttet, permanent auf dein Handy gestarrt und mir zwei Stunden lang erzählt hast, wie sehr du dich auf Japan freust, damit du Abstand bekommst. Normalerweise denkst du, sobald du Zuhause bist, keine Sekunde daran, möglichst schnell das Land zu verlassen."
Auffordernd sieht mich Gemma an.

Jedem anderen hätte ich, würde er mich so in die Enge treiben, ein emotionsloses Schulterzucken gezeigt und betreuert, von nichts zu wissen, um dieses Gespräch schnell zu beenden. Aber nicht bei meiner Schwester, nicht in meinem alten Zimmer. Wenn ich mich jemandem gegenüber öffnen kann, ohne etwas zu befürchten, dann ist es meine Familie.

„Guter Punkt", räume ich müde seufzend ein, während Gemma mich immer noch ungeduldig ansieht.
„Also?"

„Ach, ich kann es selbst nicht genau einordnen", gebe ich kurz, aber leider nicht schmerzlos, zu. „Ich fürchte, ich bin in den letzten Jahren ein schrecklicher Gefühlskrüppel geworden."

Erstaunt zieht Gemma die Augenbrauen nach oben. „Du?"

Natürlich liegt das Bild, das meine Schwester von mir hat, fern meiner Einschätzung. Ihr gegenüber war ich immer nur der Bruder, der sich mit dem Erfolg zwar verändert und oft geschwankt hat, aber eben stets offen von den unglaublichen Höhen und niederschmetternden Tiefen berichtet hat.
Vermutlich geht sie davon aus, dass ich mit der Zeit gelernt habe, mit diesem Wechselbad an Emotionen umzugehen. Sie ahnt nicht, dass ich stattdessen bloß eine Mauer um mich errichtet habe, um weder die Höhen, noch die Tiefen spüren zu müssen.

„Also hast du doch eine Schreibblockade?", mutmaßt Gemma etwas verloren.
Verneinend schüttle ich den Kopf.
„Ganz im Gegenteil. Das Schreiben hat sie mir immerhin verdammt leicht gemacht."

„Sie!", wiederholt Gemma aufgeregt und horcht begeistert auf. „Da haben wir's! Also hast du tatsächlich mal jemandem erlaubt, ein wenig dein Herz zu berühren?"

Dieses Mal bin ich es, der erstaunt dreinguckt. Offenbar lag ich falsch und meine Schwester hat doch bemerkt, dass ich mich in dieser Hinsicht etwas verschlossen habe.

„Jetzt guck nicht so", sagt sie und rollt mit den Augen, als sie meinen Blick bemerkt. „Als wäre mir dein Frauenverschleiß nicht längst aufgefallen. Auf so mancher Aftershowparty war ich nun auch schon mal mit dir. Und mit Mitch hab' ich mich auch schon das ein oder andere Mal unterhalten. Ich kenn' dich besser als dir lieb ist."

Grinsend beobachtet sie meinen entgeisterten Gesichtsausdruck, bis sie lachend die Hand ausstreckt und neckisch durch meine Haare wuschelt. „Du bist eben noch jung, kleiner Bruder. Du hast dich ordentlich ausgelebt, das ist doch auch völlig in Ordnung. Also, wer lässt dich plötzlich an deinem Lebensstil zweifeln?"

„Regina", antworte ich zunächst nur matt und lasse mich rücklings zurück auf die Matratze meines Bettes fallen.

„Ich wusste doch, dass ich letztens im Hintergrund eine Frauenstimme gehört habe, als wir morgens telefoniert haben!", freut sich Gemma immernoch darüber, dass dich langsam die Puzzleteile zusammenfügen. Ich hingegen erinnere mich auch an dieses Telefonat - es war am Morgen nach Sarahs Release-Party.

„Das war nicht Regina", gestehe ich ertappt. „Womit wir auch schon beim Thema wären. Ich bin einfach nicht gemacht für diese Gefühlsduseleien - zumindest nicht, wenn sie nicht vertont sind. Und für Monogamie auch nicht, fürchte ich."

Nachdenklich und mitleidig zugleich sieht Gemma auf mich herab. „So siehst du aber im Moment nicht aus. Würdest du bloß mal genauso viel Kraft dafür aufwenden, dir zu erlauben, dich binden zu wollen, wie du sie dafür aufbringst, deine Gefühle zu verdrängen, würdest du heute um einiges fitter hier liegen."

Gemma trifft genau ins Schwarze, obwohl sie noch nicht einmal die Hintergründe dieser Geschichte kennt. Sie ist eine empathischer, vernünftige, sensible, aber auch starke junge Frau. Wäre sie nicht meine Schwester, hätte ich ihr niemals erzählt, was in den letzten Monaten zwischen Regina und mir passiert war. Was ich mir geleistet habe, ist mir schrecklich unangenehm zuzugeben und bei jedem anderen hätte ich mich davor gefürchtet, was man von mir denken könnte.
Aber wir sind nun mal eine Familie und Gemma wird mich nicht hassen oder verurteilen, egal wie grausam ich mich Frauen gegenüber verhalten habe. Auf ihre ehrlich Meinung kann ich trotzdem zählen.

Widerwillig, aber dennoch erleichtert, erzähle ich ihr also von Regina und allem, was passiert war - von meiner Skala, von Malibu, von den anderen Frauen. All diese Dinge auszusprechen und zu versuchen mich Gemma gegenüber zu erklären, ist die reinste Folter. Wie sich Regina dann erst gefühlt haben muss, will ich mir nicht ausmalen.

Als ich mit meinen Erzählungen am heutigen Tage angelangt bin, sieht mich Gemma erschlagen an.
„Also, ich habe ja geahnt, dass du dich schwer tun würdest, Menschen ernsthaft zu vertrauen oder dich auf eine Beziehung einzulassen", seufzt sie ratlos. „Aber dass du so um dich schlägst ist.. erschreckend. Ich würde es gerne anders nennen. aber du erschreckst mich tatsächlich gerade."

Ob nun mein abscheuliches Verhalten Regina gegenüber, oder doch meine Ausschweifungen, was Rauschmittel betrifft, Schrecken auslöst, sei dahingestellt. Fest steht, dass mich meine eigene Schwester nicht verstehen kann und ich kann es ihr nicht verübeln.

Schweigend halte ich ihrem Blick stand.
„Ganz ehrlich, Harry. Wenn sie jetzt wirklich wieder nach Deutschland geht, ist es vielleicht besser so. Anscheinend bist du gerade keiner Frau zuzumuten - was ich unheimlich schade finde, weil ich eben weiß, was für ein Jackpot du sein könntest! Aber jetzt weißt du wenigsten, dass du einige Defizite aufzuarbeiten hast, also bring das doch lieber erstmal wieder auf die Reihe ."

Es ist befremdlicher als ich dachte, mit Gemma über meine Bindungsängste und Gefühle zu sprechen. Aber sie hat Recht. So, wie ich im Moment bin, bin ich nicht gut für Regina.

„Und wenn du das dann mal auf die Reihe bekommen hast, kommt bestimmt die nächste - und dieses Mal stimmt dann auch das Timing und das ist dann die Richtige."

Dieses Mal kann ich Gemma nur einen zweifelnden Blick schenken, obwohl ihre Worte Sinn ergeben. Ich muss zuerst wieder lernen, mich nüchtern zu ertragen oder mir keinen Grund mehr zu geben, dies nicht zu tun. Ich muss meine Mauern abbauen und das ohne Reginas Hilfe. Ihr hab ich schon genug angetan.

„Sag Mum nichts davon, ja?", bitte ich Gemma und fühle mich direkt zurückversetzt in meine Kindheit.
Schwach lächelt mich Gemma an.
„Wenn du mir versprichst, etwas zu ändern", fordert sie im Gegenzug. „Ich will nicht irgendwann in einer Doku über dich von diesem Gespräch hier berichten und mir vorwerfen, dass sich dein Absturz schon angekündigt hat."

„Versprochen", nicke ich meiner Schwester zu, ehe ich endlich ihrer ursprünglichen Forderung Folge leiste und mich seufzend aus dem Bett schäle.

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