e l f
| Regina |
Überrollt von all meinen Gefühlen und dem, was hier eben passiert ist, starre ich an die Decke. Mein Herz klopft so schnell und energisch, dass ich mir fast sicher bin, selbst Harry neben mir kann es hören.
Es klingt schrecklich klischeehaft, aber noch nie habe ich meinen Körper und all meine Emotionen so intensiv gespürt wie gerade eben mit Harry.
Dass ich ihn kaum mit Lukas, meiner Jugendliebe und ersten und einzigen langjährigen Freund, vergleichen kann, war mir von vornherein klar gewesen.
Aber was heute zwischen uns passiert ist, hat all meine Erwartungen übertroffen. Es war so perfekt, dass es unmöglich falsch sein kann.
Schweigend liege ich da und versuche sicherzugehen, dass ich auch gerade wirklich nicht träume. Es wäre nicht das erste Mal, dass meine Fantasie mir lebhaft ausmalt, wie es wohl wäre, Harry so nah zu sein. Aber dieses Mal ist es wohl die Realität.
Meine Stimme habe ich irgendwo im Delirium, in das mich Harry entsandt hat, verloren, aber Worte hätte ich im Moment ohnehin nicht finden können.
Die ganze Zeit über konnte ich schon keinen klaren Gedanken fassen, war nicht vorbereitet, dass das passieren würde.
Es kam überraschend – oder?
Andererseits haben Harry und ich uns in letzter Zeit intensiv kennengelernt. Wann immer heterosexuelle Menschen unterschiedlichen Geschlechts sich so verhalten, ist es am Ende doch absehbar, dass es auf diese Weise endet – oder nicht?
Aber Harry ist nicht irgendwer, bei ihm bin ich mir in Nichts sicher. Außer in der Tatsache, dass er wohl das Aufregendste ist, was mir je passiert ist.
Endlich finde ich meine Stimme wieder und lasse meinen Kopf zur Seite fallen, um Harry neben mir auf der Matratze anzusehen.
Die braunen, verschwitzten Locken kleben ihm auf der Stirn, als er schwer atmend an die Decke starrt.
Harry hat mich zuvor so überrumpelt, dass ich kaum Zeit hatte, über seine Worte und all seine Geständnisse nachzudenken. Dieses Ding mit seiner verrückten Skala, die ihn nicht glücklich werden lässt – ich frage mich, was ihn das zwischen uns gerade fühlen hat lassen.
Als hätte er meinen Blick gespürt, lenkt Harry seinen Blick nun auch auf mich.
Wieder steht in seinem Gesicht plötzlich dieses umwerfende, leicht schiefe Lächeln mit seinen tiefen Grübchen, die mich noch irgendwann in den Wahnsinn treiben.
„Alles gut?", kommt er mir zuvor und grinst mich an.
Müde lache ich auf. „Sehr."
Anscheinend bereut Harry nicht, was hier eben passiert ist – genauso wenig wie ich.
Ich weiß nicht, in was ich mich verwandelt habe, aber das Glück, dass Harry wohl doch mehr in mir sieht als eine Freundin, überschattet alles, worüber ich mir im Moment eigentlich Gedanken oder Sorgen machen sollte.
Ich fürchte, dass ich früher oder später noch in der Realität aufschlagen werde und mich ein böses Erwachen erwartet, doch im Moment ist es noch nicht so weit. Ich wünschte, Harry würde noch ewig hier neben mir liegen bleiben.
„Wenn auch etwas überrascht", räume ich dann ein und ziehe das weiße Bettlaken über meinen Körper. Langsam ebbt die Welle an Lust und Selbstsicherheit, die mich zuvor so reißend erfasst hat, wieder ab.
„Ich auch", stimmt Harry zu und lacht heiser, doch schon bald verklingt sein Lachen wieder.
Als ich meinen Blick auf ihn richte, guckt er ernst drein. Die leichten Falten auf seiner Stirn, die sich bilden, wenn er nachdenklich an seinen Ringen herumspielt, bereiten mir sofort Sorgen.
Ehe ich nachhaken kann, spricht Harry bereits weiter.
„Ich bin ein impulsiver Mensch, Regina", stellt er plötzlich klar. „Ich hab das hier gerade selbst nicht kommen sehen. Manchmal treffe ich Entscheidungen, obwohl ich ganz genau weiß, wie falsch sie sind und dass sie nur ins Verderben führen werden."
Seufzend setzt sich Harry auf und streift sich seine enge Boxershorts über.
Selbst jetzt kann ich mich bei seinem Anblick kaum konzentrieren. Sein Körper, seine Tattoos - und der zweifelnde Blick, mit dem er mich mustert, als er nun vor dem Bett steht.
Letzteres verpasst mir einen harten Schlag in die Magengrube.
„Ins Verderben? Sprichst du von mir?", hake ich irritiert nach und richte mich nun auch auf, das Laken stets dicht an meinem Körper.
Sofort schüttelt Harry beschwichtigend den Kopf.
„Nein, nein, versteh mich nicht falsch", lenkt er hektisch ein. „Ich habs dir schon mal gesagt, ich hab' dich wirklich gern und das hier war gerade unglaublich. Aber ich habe ursprünglich eben aus gutem Grund versucht, dass wir nur Freunde sind."
Beinahe wäre mir der Mund aufgeklappt, als ich Harrys Worte höre. Versucht er gerade, mich freundlich abzusägen und die „Lass uns lieber Freunde bleiben"-Nummer charmant zu verpacken?
Langsam spüre ich den Ärger in mir hochkriechen. Natürlich muss ich selbst erstmal zur Ruhe kommen und mir durch den Kopf gehen lassen, wie es zwischen uns nun weitergehen kann, doch solche unüberlegten Aussagen zu treffen, wie Harry es gerade tut, trifft mich im Moment verdammt hart.
„Und das heißt jetzt in Klartext?", fordere ich endlich eine direkte Ansage von Harry.
Diesem steht der Zwiespalt deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Ich weiß es doch selbst nicht, Regina", seufzt er müde und lässt sich nun doch wieder auf die Matratze meines Bettes sinken.
Dort sitzt er nun und sieht mich durch seine verflucht ehrlichen Augen an.
„Ich hab dich jetzt schon in mehr hineingezogen, als ich je wollte. Mir war es wichtig, dass du mich verstehen kannst, aber eigentlich will ich ja gar nicht, dass du mich verstehst. Macht das Sinn?"
„Ein bisschen, glaube ich", zucke ich leise mit den Schultern.
Ich glaube Harry sehr gut zu verstehen, auch wenn er das bestimmt anders sieht.
„Weißt du, ich hab mich für mein Leben entschieden und das ist auch gut so. Vielleicht bin ich eigen, aber das ist okay, denn ich bin nur für mich verantwortlich. Ich will niemanden wie dich plötzlich in irgendetwas mit reinziehen und mich verantwortlich fühlen."
„Bitte?"
Verärgert funkle ich Harry an. Schon wieder schlägt die Stimmung an diesem Tag unerwartet um. Dieses Mal jedoch in die andere Richtung.
„Jemanden wie mich? Verantwortlich? Ich bin erwachsen, Harry, und ich bin für mich selbst verantwortlich. Ich kann schon sehr gut darüber entscheiden, was ich mache und was ich nicht tu'."
Ich fürchte, wie ein bockiges kleines Kind zu klingen, obwohl ich Harry gerade das Gegenteil klarmachen will.
„Ich weiß", seufzt Harry schon wieder beruhigend und sieht mich immernoch an, als wäre er die Ruhe selbst. „Aber du weißt nicht, wie ich sein kann. Wenn du mich wirklich besser kennenlernen willst - und damit meine ich alles von mir - werde ich irgendwann so überzeugend sein und dir jeden Rausch so schönreden, dass du am Ende mit mir in irgendwelchen Clubs sitzt und dich mit sämtlichen Sachen zudröhnst."
Es ist erschreckend, wie klar, nüchtern und direkt Harry diese Einschätzung ausspricht.
Allerdings bin ich der festen Überzeugung, mit ihm umgehen zu können.
Andere trinken gerne und schlagen am Wochenende mit Alkohol über die Stränge, während Harry eben etwas anderes braucht, um sich gut zu fühlen. Solange er auch noch die Seite hat, die ich bislang kennenlernen durfte, kann ich darüber hinwegsehen und ihn machen lassen.
„Wieso gehst du dann immer wieder all diese Schritte auf mich zu, wenn du dann wieder behauptest, wir wären aus zu unterschiedlichen Welten?", fordere ich von Harry die nächste Erklärung, wenn er schon mal wieder seine Ehrlichkeit an den Tag legt.
„Weil ich dich verdammt gern bei mir hab und du so wunderbar anders bist als all die Verrückten in meiner Welt. Und das würde ich auch ungern aufs Spiel setzen, aber.. Du reizt mich so sehr, dass ich offensichtlich nicht widerstehen kann."
Selbst jetzt steht in Harrys Gesicht ein solch schelmisches Grinsen, als er seinen Blick über meinen Körper wandern lässt, dass ich beinahe verlegen gekichert hätte.
Ich weiß nicht, ob Harrys Worte tatsächlich ein Kompliment sein sollten, aber was ich daraus entnehme ist, dass er etwas für mich empfindet. Und das ist Grund genug dafür, mein Herz schon wieder aufgeregt trommeln zu lassen.
„Was bedeutet das dann jetzt?", versuche ich neutral nachzufragen und nicht dämlich vernarrt vor mir hinzuglotzen. Harry fasziniert mich, das kann ich nicht bestreiten.
„Das sollten wir uns vielleicht beide mal durch den Kopf gehen lassen", antwortete Harry und sieht mich auffordernd an.
Es ist einerseits beruhigend, dass er auch mir die Chance gibt, mir Gedanken über die Zukunft zu machen, doch dass Harry ebenfalls darüber nachdenken muss, macht mich nervös.
Was, wenn er doch zum Entschluss kommt, wir wären zu unterschiedlich?
„Ich will dich noch besser kennenlernen, Harry. Das kann ich dir auch jetzt schon sagen", platzte es ohne zu überlegen aus mir heraus.
Sanft lächelt er mich an.
„Überleg' dir das genau, Wallflower."
Dann hievt er sich ein zweites Mal vom Bett und rappelt sich auf die Beine.
„Nimm's mir nicht übel, aber ich muss jetzt los."
„Du willst jetzt einfach so gehen und das hier offen so stehen lassen?"
Mit großen Augen sehe ich ihn vorwurfsvoll an.
Ich weiß selbst nicht, was ich von ihm hören will, aber das, was er bisher gesagt hat, war es es nicht.
Harry fährt erst am Montag nach Holmes Chapel, das hat er zuvor bei Grimmy selbst erzählt. Gerade wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass er heute Abend hierbleibt.
Ich will ihn bei mir haben.
Aber er will sich anscheinend lieber in Londons Clubs aus dem Leben schießen.
Mahnend beiße ich mir auf die Unterlippe und verpasse mir innerlich eine Ohrfeige. Ich habe weder das Recht, noch will ich Harry irgendwelche Vorwürfe machen oder Erwartungen an ihn stellen.
„Regina, ich bin eh schon zu spät", seufzt Harry wieder und ist inzwischen vollkommen angezogen. „Alles, was ich dir gerade sagen kann, ist, dass das hier nicht geplant war, ich es aber auch nicht bereuen kann. Du hast heute viel erfahren, lass dir das erstmal durch den Kopf gehen."
Ich kann nichts sagen, als Harry sich plötzlich wieder nach unten beugt und sich zu mir über die Matratze lehnt. Dieses faszinierende Lächeln, von dem ich nie weiß, ob es niedlich, spöttisch oder dreckig ist, bringt mich schon wieder um den Verstand.
„Wir werden schon sehen, wohin uns das Ganze führt", versichert er mir grinsend.
Ich glaube, Harry weiß ganz genau, welche Anziehungskraft er auf mich hat. Spätestens nach heute hat er den Beweis.
Er ist bei Weitem erfahrener und taffer als ich - er beherrscht dieses Spiel um Einiges besser und das weiß er auch.
„Frohe Weihnachten, Liebes", flüstert mir Harry ins Ohr, die Arme auf die Matratze gestemmt, und küsst mich auf die Wange.
„Frohe Weihnachten, Harry."
Verdammt, wieso kann nicht zumindest meine Stimme selbstsicher und stark klingen?
„Und der gute Grimmy sollte hiervon wohl besser nichts erfahren, um uns beiden Einiges zu ersparen", merkt Harry dann noch an und grinst mir weiter ins Gesicht, bevor er sich wieder aufrichtet.
Zustimmend nicke ich.
Im Moment bin ich so erschlagen von der gesamten Wendung dieses Tages, dass ich mit meinen Reaktionen kaum mehr hinterher komme.
Ohne ein weiteres Wort, aber mit einem weiteren Lächeln über seine Schulter und einem wandernden Blick über meinen verhüllten Körper, verlässt Harry schließlich das Schlafzimmer.
Alleine bleibe ich zurück und höre wenig später die Wohnungstüre ins Schloss fallen.
So muss sich Harry fühlen, sobald er die Bühne verlassen hat und der Jubel verklingt. Der Rausch lässt nach und das Leben erscheint einem plötzlich erschreckend farblos.
Im Gegensatz zu dem, was ich in Harrys Nähe eben gespürt habe, fühle ich mich gerade sofort wieder schrecklich leer.
Erschöpft sacke ich in mich zusammen und drücke seufzend das Kopfkissen neben mir auf mein Gesicht, um meine ganzen Emotionen dort hinein zu brüllen. Dass das Kissen jedoch Harrys herben Duft angenommen hat, ist wenig von Vorteil.
Brummend lasse ich es wieder neben mich auf das Bett sinken und starre stattdessen weiter resigniert an die Decke.
Dass jemand wie ich tatsächlich in diese Situation geraten und plötzlich mit einem Weltstar im Bett landen würde, hat sicherlich niemand kommen sehen - nicht meine Freunde zuhause und am wenigsten ich selbst.
Allerdings ist sein Status als Promi, was bestimmt selbst schon einige Fragen und Probleme aufwerfen sollte, im
Moment völlig irrelevant. In meinem
Kopf spielt sich immer wieder ab, was mir Harry über sein Leben erzählt hat und womit er zu kämpfen hat, während ich immer wieder das Gefühl habe, seine Berührungen immer noch auf meiner Haut brennen zu spüren.
Bin ich bereit, mich auf einen exzentrischen Künstler mit nahezu depressiven Zügen, was sein alltägliches Leben angeht, einzulassen? Ich weiß es nicht.
Bin ich einem Menschen wie Harry mit dem Leben, in das er sich gestürzt hat, gewachsen?
Ich weiß es nicht.
Werde ich zu all dem trotzdem „Ja" sagen, um Harry besser kennenzulernen und ihn bei mir zu haben? Ja.
Nach einem Tag wie diesem ist es reichlich spät geworden, bis ich es schließlich doch noch geschafft habe, Skype anzuwerfen und mit einer meiner besten Freundinnen von Zuhause zu sprechen.
Lotte ist glücklicherweise ein Mensch, der direkt anfängt zu erzählen und als Gegenleistung nur hin und wieder ein Nicken oder ein interessiertes „Mhm" verlangt.
Genau diese Reaktionen biete ich ihr auch und beobachte, wie sie in ihrem blauen Bademantel und mit nassen, frischgewaschenen braunen Haaren in ihrem Zimmer sitzt und mir das Neuste aus der Heimat berichtet.
Geistig abwesend sitze ich als vor der Kamera meines Tablets, halte meinen wärmenden Tee mit beiden Händen und schweife gedanklich permanent zu Harry. In meinem Kopf führe ich eine Diskussion nach der anderen mit mir selbst.
Er ist Harry Styles, wie gefährlich kann er schon sein? Er tut, als wäre er das fleischgewordene Risiko, aber bisher war er die meiste Zeit über schrecklich lieb. Und selbst das Ding mit dieser Skala tut mir irgendwie mehr leid für ihn, als dass es mich abschrecken würde. Vielleicht kann ich ihm ja sogar helfen, seinen Alltag wieder genießen zu können. Vielleicht braucht er nur den richtigen Menschen.
„Ich muss dir noch was sagen", reißt mich Lottes veränderte, ernste Stimmlage plötzlich aus meinen Gedanken und schlagartig liegt meine Aufmerksamkeit doch bei ihr.
„Was denn?"
„Wegen Lukas", seufzt sie zögerlich und ich bemerke, wie ihr Blick vorsichtiger wird. „Ich glaube.. Naja, wir alle glauben, dass er.. er hat wohl wieder 'ne Freundin."
Als hätte sie eine hochexplosive Bombe platzen lassen, sieht mich Lotte abwartend an.
Dass meine Jugendliebe wieder eine Freundin hat, nachdem wir uns vor über einem halben Jahr im Guten getrennt haben, bringt meine Welt, nach allem, was heute passiert ist, jedoch kaum ins Wanken.
„Das ist doch schön für ihn", reagiere ich nur knapp auf Lottes Neuigkeiten.
Mir fehlen im Moment wirklich die Nerven, mich damit auseinanderzusetzen - zudem mich Lukas wirklich kaum mehr tangiert.
„Willst du nicht mal wissen, wer sie ist?", fragt Lotte und zieht skeptisch eine Augenbraue nach oben.
„Wer ist sie denn?", frage ich widerwillig nach.
Natürlich interessiert mich Lukas, immerhin haben wir jahrelang intensiv unser Leben geteilt, aber heute bin ich nur wenig aufnahmefähig.
„Hannah Klein!", berichtet Lotte sensationslustig. „Die hat mit uns Abi gemacht, du kennst sie. Und der Name ist Programm, die ist echt mini. Sieht bestimmt komisch aus, immerhin ist Lukas total groß."
„Ich glaube ich weiß, wen du meinst", nicke ich beiläufig, ohne auf Lottes Sticheleien einzugehen. „Ist doch egal. Wenn es zwischen den beiden passt, ist das doch schön."
Offensichtlich zeige ich nicht die Reaktion, die sich Lotte erhofft hat.
„Stört dich das so gar nicht?"
„Wieso sollte es denn? Zwischen Lukas und mir hat es nicht funktioniert, aber er ist ein klasse Kerl. Ich hoffe wirklich, dass er glücklich wird und die Frau, die ihn bekommt, kann echt froh sein", erkläre ich ehrlich.
Lukas ist all das, was sich jede Frau wünscht - treu, witzig, fürsorglich, liebevoll und meine Eltern haben ihn geliebt.
Er wäre genau der Mann gewesen, mit dem ich mir gut hätte vorstellen können, in unserem Heimatdorf ein Haus zu bauen und eine Familie zu gründen.
Nur war unsere Beziehung irgendwann schrecklich eintönig geworden, genau wie mein ganzes Leben zuhause.
Und nun sitze ich hier in London und zerbreche mir den Kopf über Harry Styles, der das komplette Gegenteil von Lukas zu sein scheint.
Wieder mustert mich Lotte skeptisch über den Bildschirm.
Mit gerunzelter Stirn sieht sie mich an, ehe sich plötzlich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht zeigt.
„Du hast auch jemand Neuen, stimmt's?", ruft sie plötzlich laut und funkelt neugierig in die Kamera. „So gönnerhaft spricht man doch nur, wenn man selbst schon längst wieder ein Eisen im Feuer hat!"
Lotte hat mich so überrumpelt, dass ich mit offenem Mund vor meinen Tablet sitze.
Ich weiß noch nicht einmal, ob ihre Unterstellung überhaupt wirklich wahr ist, schließlich habe ich keine Ahnung, ob ich mit Harry tatsächlich ein Eisen im Feuer habe.
Fakt ist, dass wir vor einigen Stunden miteinander geschlafen haben und bei jedem anderen Kerl hätte ich Lotte längst davon erzählt, aber es ist Harry Styles.
„Was?", bringe ich endlich überrumpelt hervor und nippe hektisch an meinem Tee, um mir nichts anmerken zu lassen.
Es ist seltsam, meinen Freunden eine solch große Sache, die mich so intensiv beschäftigt, zu verheimlichen.
Wissend grinst Lotte vor sich hin.
„Na los, gib's zu! Bestimmt einer deiner ominösen neuer Freunde, über die du sowieso so wenig erzählst! Ich wusste doch, dass es zwischen Mann und Frau keine Freundschaft gibt! Also los, welcher ist es? Meintest du nicht mal, einer davon modelt?"
Aufgekratzt richtet sich Lotte auf und erwartet gespannt meine Antworten, während ich versuche, meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu behalten.
Plötzlich habe ich das Gefühl, mir steht auf die Stirn geschrieben, was heute in diesem Bett, auf dem ich nun mit meinem Tee liege, mit Harry passiert ist.
„Ach Quatsch", schüttle ich endlich vehement den Kopf. „Was du direkt wieder denkst. Ich hänge eben nicht mehr an Lukas. Da kann man aufrichtig gönnen."
Zumindest das stimmt und ich muss meine Freundin nicht völlig belügen.
Lotte scheint nicht ganz überzeugt und runzelt die Stirn.
„Soll ich dir das glauben?"
„Das ist mir ziemlich egal, es stimmt jedenfalls", bluffe ich überraschend gekonnt. „Als hätte ich Zeit für sowas. Die Arbeit kostet mich schon genug Nerven."
„Hm", runzelt Lotte weiter die Stirn. „Als ob du den Briten auf Dauer widerstehen könntest. Mal sehen, ob du bei deiner Version bleibst, wenn du bald hier bist und mir dabei direkt in die Augen sehen musst."
Gespielt lache ich spöttisch auf, obwohl mir längst ertappt die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Nicht die Briten, sondern ein einziger Brite bringt mich noch um den Verstand.
Ich würde Lotte so gerne erzählen, was mich beinahe in den Wahnsinn treibt, aber ich weiß, wie unvernünftig das wäre.
Sie würde mich mit Fragen löchern, ich würde Harrys intimsten Infos weitergeben müssen, um ihr mein Dilemma klarzumachen und am Ende könnte mir ohnehin niemand weiterhelfen. Egal, ob Lotte aufgrund Harrys Prominenz begeistert wäre oder mir raten würde, aufgrund seines Lebensstils von ihm abzulassen - ich will beides nicht hören.
„Jaja, das mache ich dann, wenn es so weit ist", lache ich beiläufig. „Aber jetzt bin ich erstmal müde und muss schlafen. Wir hören uns, Lotte."
„Na schön, dann gute Nacht. Du fehlst uns hier."
„Ihr alle fehlt mir auch. Gute Nacht."
Lächelnd winke ich ihr zum Abschied, ehe ich die App schließe und mein Tablet auf das Bett werfe.
Es ist Mitternacht und ich bin wirklich schrecklich müde. Trotzdem blitzt in mir plötzlich die Frage auf, was Harry wohl im Moment tut und wo er sich aufhält.
Vermutlich verschwendet er keinen Gedanken an mich und jagt längst wieder seiner Zehn hinterher. Dabei wird er bestimmt nicht an ein Mauerblümchen wie mich denken, während ich Trottel an nichts anderes als ihn denken kann.
Wenn ich präsenter in seinem Leben sein will, muss ich mich vermutlich mehr auf sein Leben einlasse - „Ja" sagen, wie Grimmy es mir geraten hat.
Aber zuerst muss ich eine Nacht darüber schlafen und sichergehen, dass ich diesen gesamten Tag heute auch wirklich nicht geträumt habe.
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