6 | The beginning
Taehyung war nicht im Kindergarten gewesen und hatte aufgrund dessen bis zu seinem sechsten Lebensjahr die kleine Siedlung nicht ein einziges Mal verlassen. Abgesehen von den kleinen Ausflügen mit dem Pick Up seines Vaters in die Stadt zum Großmarkt, um frische Ware für ihr Geschäft zu kaufen. (Er hatte sie wahnsinnig faszinierend gefunden. Menschenmassen, die Geräuschkulisse des Verkehrs und hohe Häuser waren für ihn, wie eine Pinguinfamilie für Eisbären.)
Bis er eingeschult worden war, waren seine einzigen Verbündeten seine Geschwister und die Kinder aus der Nachbarschaft gewesen. Jeongguk allen voran, da ihr Altersunterschied am geringsten war, dicht gefolgt von Min Yoonji, Taehyungs dritte, große Liebe und gleichzeitige Nichte von Min Yoongi, dem Besitzer einer kleinen Kneipe und des Hotels. Sie war zwar zwei Jahre älter als Taehyung und Jeongguk, doch auch zeitgleich die beste Freundin von Kim Bomi, Taehyungs älterer Schwester, die mit ihren zehn Jahren die neue Generation der Jugend im Dorf angeführt hatte. Und trotz dem Gefühlschaos, dass sich in ihren kleinen Köpfen damals abgespielt hatte, waren sie zu einem unzertrennlichen Vierergespann geworden, dass über die Jahre immer mehr Zuwachs bekommen hatte, allerdings nie über die Kreise der Siedlung mit den acht Häusern hinausging.
Doch auch sie waren irgendwann älter geworden, sind auf eine Schule gegangen, haben außerhalb Freunde gefunden, und heute wohnte Yoonji mit ihrem Vater in der Hauptstadt, bereit ihr Jurastudium zu beginnen, während Bomi Tag ein Tag aus ins nächste Dorf fuhr, um dort zu studieren und sich kaum noch sehen ließ, vermutlich ganz verschwinden würde, wenn sie endlich eine eigene Wohnung gefunden hätte. Und mit ihnen war vermutlich auch die Freundschaft von Jeongguk und Taehyung zerbrochen.
Bis zur achten Klasse waren die beiden unzertrennlich gewesen, hatten sich nie ernsthaft gestritten und mit ihren doch sehr verschiedenen Gemütern die unterschiedlichsten Abenteuer erlebt.
Von der Entdeckung ihres Badesees angefangen, über gemeinsame, geplante und ziemlich unbegründete Versuche von Zuhause fortzulaufen bei denen es mehr auf die Planung an sich angekommen war, als die tatsächlich Durchsetzung (sie hatten nach zwei Stunden Hunger bekommen und das war dann das Ende dieser Episode), bis hin zu stundenlangen Streifzügen durch die angrenzenden Wälder. Ihre grenzenlose Kreativität für Spielideen konnte sie bis zum Sonnenuntergang auf den Beinen halten, aber selbst wenn kannten sie ihr gemeinsames Königreich gut genug, um blind nach Hause zu finden.
Sie waren aufgewachsen wie Brüder, was zwischen ihnen ein Band geschaffen, das selbst ihre Eltern bewundernswert gefunden hatten.
Und selbst die Grundschule hatte sie nicht auseinander bringen können. Es sah beinahe so aus, als würden sie sich eher gemeinsam gegen die anderen Kinder verschwören, als sich neue beste Freunde zu suchen.
Und dann waren sie älter geworden.
Taehyung wusste bis heute nicht so genau was passiert war. Er hatte die Tatsache, dass er Christ war und zur Kirche ging nie hinterfragt, geschweige denn hinterfragt, was damit kam, dass er glaubte.
Es war mit seiner Erziehung einhergekommen und er fühlte sich wohl damit an Gott und Jesus zu glauben und ihnen regelmäßig dafür zu danken, dass die Dinge so waren wie sie waren.
Nur irgendwann - am letzten Sonntag der Sommerferien zur neunten Klasse - war Jeongguk nicht zur Kirche gekommen, obwohl Taehyung ihn unbedingt fragen wollte, wie sein Urlaub in Tokyo gewesen war. Doch als er Jeon Jiwoo, seine Mutter, gefragt hatte, ob er möglicherweise krank war, hatte sie nur verärgert mit den Schultern gezuckt und ihm gesagt, er solle ihn doch selbst fragen.
Und das hatte Taehyung getan.
Er hatte sich auf sein Fahrrad gesetzt und war zu seinem besten Freund gefahren, der erst nach dem dritten Klingeln die Haustür öffnete und ihn reinließ.
Taehyung erinnerte sich noch gut an das Gespräch, was sie geführt hatten. Aus irgendeinem Grund hatte es sich in seinen Kopf eingebrannt.
Angefangen mit der Tatsache, dass Jeongguk in den letzten drei Wochen einen mächtigen Wachstumsschub gehabt hatte und Taehyung schon in der Tür um einen Kopf überragte, bis hin zu dem verächtlichen Blick, den Jeongguk ihm geschenkt hatte, wohl wissend warum sein Freund gekommen war.
Trotz dessen hatte er ihn reingelassen und Taehyung hatte verwundert feststellen müssen, dass Jeongguk zwar aussah, als wäre er gerade aus dem Bett gefallen, allerdings keinerlei Anzeichen davon zeigte, dass es ihm irgendwie schlecht ging.
Das Gespräch, was folgte, war für Taehyung wie zwei Schläge ins Gesicht, nachdem man seinen Kopf in Eiswasser getaucht hatte.
Grundsätzlich war der Auslöser der gewesen, dass Jeongguk im Versuch sich ein wenig von Taehyung zu lösen und neue Kontakte zu knüpfen, statt drei Wochen Tokyo, eine Woche Tokyo und zwei Wochen Sommercamp hinter sich hatte.
Zwei Wochen Sommercamp in denen er eine andere Liga von Gleichaltrigen kennengelernt hatte. Die, die in der Stadt groß geworden waren und unter 'Abenteuer erleben' nicht verstanden auf Bäume zu klettern und das Wrack eines Fischerbootes zu entdecken, sondern im Skaterpark zu sitzen, laut Musik zu hören und sich vorsichtig an alles Verbotene heranzutasten, das es gab.
Es war ein langer und ausführlicher Bericht von Jeongguk gewesen, dem Taehyung nur verstört und ohne ein Wort zu sagen gelauscht hatte. Verstört, weil er partout nicht verstand, was an schmutzigen Straßen besser sein sollte, als an ihrem Wald, und ohne ein Wort zu sagen, da Jeongguks Augen während des gesamten Berichtes leuchteten, als hätte sich ihm eine ganz neue Welt in den letzten zwei Wochen geöffnet.
Aber lange Rede, kurzer Sinn und vermutlich das, was Taehyung letztendlich am prägnantesten in Erinnerung geblieben war, war die Tatsache, dass das Konzept von Kirche von den Kids aus der Stadt als veraltet, konservativ und krank bezeichnet worden war, als Jeongguk beiläufig erwähnt hatte, dass er Christ war.
Und da die Begeisterung für Neues vor allem in seinem Alter alles überwiegen konnte, was einen ein Leben lang begleitet hat, hatte Jeongguk (laut ihm) genauer darüber nachgedacht, was dieses Leben ihm tatsächlich vorschreibt und war zu dem Entschluss gekommen, dass es tatsächlich nichts war mit dem er sich identifizieren wollte.
Das war das Eiswasser gewesen.
Der erste Schlag ins Gesicht folgte mit seinem Versuch Taehyung von seiner neusten Erkenntnis zu überzeugen und ihn davor zu retten so uncool zu werden, wie er es in der Stadt war, wenn er den ganzen Mist weiter mitmachen würde.
Der zweite Schlag kam damit, dass Taehyung sich, komplett entgeistert, dagegen aussprach und Jeongguk seine Taktik wechselte und anfing ihm aus dem Weg zu gehen.
Und so hatte es angefangen.
Die neunte Klasse war der blanke Horror für Taehyung gewesen. Zwar hatte er seinen kleinen Freundeskreis voller Nerds gehabt, doch dass Jeongguk ihn in der Schule wie Luft behandelte und tatsächlich anfing sich einen neuen Freundeskreis zusammenzukratzen mit Leuten, die er als würdig genug empfand, tat auf einer Ebene weh, die er so noch nicht kannte.
Und dummerweise konnte Jeongguk sich diese Aktion auch noch erlauben.
Sie beide waren schon immer Menschen gewesen, die andere Menschen anzogen. Charismatisch und leicht in ein Gespräch zu verwickeln.
Ein paar Mal hatte Taehyung versucht in der Schule mit Jeongguk darüber zu reden, doch immer hatte er zu viel Angst davor gehabt Jeongguks Freunde würden ihn dann genauso sehen, wie Jeongguk ihn sah; erbärmlich und zurückgeblieben.
Es dauerte also eine Weile bis Taehyung es tatsächlich schaffte sich nach neuen, besten Freunden umzusehen und er konnte wirklich von purem Glück reden, dass er fündig geworden war.
Zum Teil, weil er nicht jede Pause vom Neuen darauf hoffen musste, einen Platz in der Cafeteria zu finden. (Er hatte immer einen gefunden, aber richtig wohl hatte er sich nie gefühlt.)
Zum Teil, weil es bewies, dass er nicht auf mehr auf Jeongguk angewiesen war und durchaus ein Leben ohne ihn führen konnte. Ganz so wie sein ehemaliger bester Freund es wohl geplant hatte.
Fühlt sich nach wie vor weird an über Kirche zu schreiben xD
PS.: Dynamite hat die Macht Menschen unbegründet lächeln zu lassen...
♡
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