{Teil 3 ~ Bonus}
Huuuch, was ist das denn? Hatte da jemand Sehnsucht nach der Waldgeflüster-Welt? Hat sich da jemand eventuell gefragt, was aus all den Süßis geworden ist? Hat sich dieser jemand dann fünf Stunden am Tag vor Prüfungsbeginn fürs 1. Staatsexamen hingesetzt und knappe 4,5k Wörter geschrieben? Who knows... ; D
Ich hoffe, euch gefällt es. Ich bin gespannt, was ihr zu den Entwicklungen so sagt.
Ob jemals ein weiterer Bonus kommt? Keine Ahnung. Lassen wir uns überraschen von meinem eigenwilligen Kopf.
Habt einen ganz schönen Abend!
***
„Sag mal, kann es sein, dass wir absichtlich einen Umweg gehen?", erkundige ich mich misstrauisch. „Nein, wie kommst du da drauf?", gibt Per fröhlich wieder und drückt meine Hand. „Lass mich mal kurz überlegen. Ach ja, vielleicht, weil es nach Hause links rum gegangen wäre, wir aber stattdessen nach rechts gegangen sind?", antworte ich in einem sarkastischen Ton. Im Augenwinkel sehe ich genau, wie mein Mann sich ein Grinsen verkneift. Darüber ärgerlich, dass er sich über meine schlechte Laune lustig macht, versuche ich, meine Hand aus seiner zu ziehen. Natürlich klappt das nicht. „Matti", seufzt Per und bleibt stehen, um mich anzublicken. Sanft streichelt er mit seiner freien Hand über meine Wange. „Immer noch Matt", berichtige ich ihn genervt. Per lächelt warm, ehe er sich vorbeugt, um mir einen zärtlichen Kuss zu geben.
Wie jedes Jahr bin ich nicht besonders gut gelaunt an meinem Geburtstag. Ich weiß einfach nicht, was es daran zu feiern gibt, dass meine Mutter mich auf die Welt gebracht hat. Wie jedes Jahr hat Per mir versichert, dass wir meine Existenz an sich feiern und nicht den Fakt, dass meine Eltern mich gezeugt haben, doch trotzdem legt sich an diesen Tagen eine kleine graue Wolke um mich. Deshalb habe ich es irgendwann nach dem Frühstück nicht mehr ausgehalten zwischen dem Kuchen, den Blumen und Geschenken und den strahlenden Gesichtern unserer drei jüngeren Kinder. Aus diesem Grund schlug Per vor, eine Runde spazieren zu gehen. Unglücklicherweise ist heute auch noch Samstag, weshalb alle genug Zeit haben, um mich immer wieder daran zu erinnern, wie wenig ich diesen Tag mag.
Genauso wenig hat sich allerdings geändert, dass Per mich bestens beruhigen kann. Durch seine bloße Anwesenheit, aber auch durch wunderbare Küsse wie diesen. Leider löst er seine Lippen nun wieder behutsam von meinen, weshalb ich ein unzufriedenes Schnaufen ausstoße. Er lacht leise, wobei er mir aus nächster Nähe in die Augen starrt. „Willst du jetzt zurück?", murmelt er. Ich seufze, dann nicke ich. „Wir sind jetzt definitiv genug durch die Gegend gerannt, das waren bestimmt zwei Stunden", begründe ich. Allerdings stiehlt sich dabei ein kleines Lächeln auf meine Lippen, denn wie immer, wenn Per mir so nahe ist, werde ich einfach von einem tiefen Glücksgefühl durchflutet.
Mit dem Daumen fährt er sanft über meinen Mundwinkel. „Ich liebe es, dich lächeln zu sehen", wispert er. Genau, wie er es wahrscheinlich geplant hat, vergrößert sich mein Lächeln noch. Verliebt schlinge ich einen Arm um seine Hüfte. „Und ich liebe dich", flüstere ich zurück, ehe ich ihm einen Kuss aufdrücke. „Ich dich auch, Sol", nuschelt er gegen meine Lippen. „Gehen wir nach Hause?", murmel ich ein paar unschuldige Küsse später. Per löst sich von mir, um auf sein Handy zu schauen. „Ja, okay", nickt er dann.
Skeptisch hebe ich eine Augenbraue. Mein Ehemann versucht meinem Blick erst auszuweichen, doch dann seufzt er. Indessen wir uns Hand in Hand wieder los bewegen, räuspert er sich. „Ich weiß selbst nichts genaues", beginnt er sich zu verteidigen. „Nichts genaues worüber?", harke ich nach. Per seufzt erneut. „Die Kinder haben mich gebeten, dich ein bisschen zu entführen, weil sie was weiß ich was machen wollten", erzählt er dann. „Oh je, nicht, dass sie uns das Haus anzünden", befürchte ich. Er lacht auf. „Nein, sicher nicht. Isak passt sicher auf alle auf." Ich nicke widerwillig, denn es stimmt, dass unser Zweitältester meist eher vernünftig ist. Mit seinen mittlerweile neunzehn Jahren sollte er auch dazu in der Lage sein, die anderen von dummen Sachen abzuhalten. Obwohl, bei Wilma schaffen das manchmal nicht einmal Per und ich.
Kopfschüttelnd entscheide ich mich dazu, mir später weiter Gedanken über unsere deutlich pubertierende Tochter zu machen. Es ist nicht so, als wäre sie uns gegenüber ungerecht oder verletzend, doch ihre rebellische Art, alles in Frage zu stellen, ist doch etwas anstrengend. Und nicht gerade hilfreich in der Schule.
„Worüber denkst du nach?", will Per wissen. „Darüber, wann wir das nächste Mal von Wilmas Lehrern zum Gespräch gebeten werden", gebe ich zurück. Per lacht leise. „Stimmt, da waren wir länger nicht mehr. Letztes Mal, als sie dem Mensakoch Kartoffelpüree ins Gesicht geworfen hat, weil der den kleinen Jungen vor ihr rassistisch beleidigt hat, oder?" Ich muss nun doch lächeln, als ich mich erinnere. So richtig ist der Direktorin da auch nichts zu eingefallen. Glücklicherweise kennt sie uns noch von Jackys Aussetzern. „Ja, als sie Karikaturen von den Lehrer an die Tafel gezeichnet haben, haben wir nur einen Anruf bekommen", bestätige ich seine Frage. „Kreativ ist sie mit ihren Aktionen, das muss man ihr lassen", findet Per. „Lass sie das bloß nicht hören", mahne ich ihn. Noch immer haben die beiden eine recht enge Beziehung zueinander, während Jacky und Isak sich bei Problemen eher an mich wenden. Noah redet am liebsten mit uns beiden zusammen. Ich muss lächeln, als ich an unsere Kinder denke. Zusammen mit meiner Kunst, meinen Freunden und natürlich meinem traumhaften Mann sind sie das beste in meinem Leben.
Zehn Minuten später schließe ich die Haustür auf. Im Flur ziehen wir uns die Schuhe aus und mir fällt auf, wie seltsam ruhig es ist. Wo sind denn alle? „Hallo?", ruft Per fragend. Eine Hand legt sich auf meine Hüfte, dann schiebt er mich in Richtung Wohnzimmer. „Vielleicht sind die da?", murmelt er ebenso verwundert wie ich. Im gleichen Moment, in dem ich meine Hand auf die Klinke lege, wird die Tür von der anderen Seite aufgerissen. „Stop!", ruft Isak und ich zucke zurück.
„Was zum Teufel?!" Unser Sohn grinst entschuldigend. „Sorry, wir haben nicht schnell genug gehört, dass ihr wieder da seid. Sonst hätten wir euch schon im Flur abgefangen, aber egal. Papa, kannst du Vati die Augen zuhalten und führen? Ich zeig dir dann, wohin." Er lächelt uns lieb an. „Och ne, ihr wisst doch genau, wie wenig ich sowas mag", seufze ich verzweifelt, da ich weiß, dass ich aus dieser Situation nicht mehr rauskomme. Isak seufzt. „Ich weiß, aber bitte, Vati, versuch diesmal nicht so ablehnend zu sein, ja? Wir haben uns echt viel Mühe gegeben und nein, es hat nicht nur was mit deinem Geburtstag zu tun, sondern war einfach mal wieder an der Zeit, okay?" Ich seufze erneut, dann nicke ich. „Perfekt", freut sich Isak und streicht sich durch sein blondes Haar. „Dann mal los."
Das letzte, was ich sehe, ist, wie er sich aufgeregt die Hände reibt, dann tasten sich Pers warme Finger von hinten nach vorn über mein Gesicht, bis seine Handflächen schließlich vor meinen Augen liegen. „Siehst du noch was?", murmelt er gegen meinen Nacken, ehe er mich dort küsst. „Nein", antworte ich leise und muss lächeln, da sich selbst nach all den Jahren eine Gänsehaut auf meinem Hals ausbildet.
Meiner Orientierung nach werde ich durchs Wohnzimmer geführt, von wo aus wir die Terrasse betreten. Ich spüre den Sommerwind und die Sonne auf meiner Haut. Das Gemurmel, welches ich noch aus dem Haus wahrgenommen hatte, verstummt mit einem Mal. „Kann ich ihn loslassen?", erklingt die Stimme meines Mannes hinter mir. Irgendjemand scheint zu nicken, denn Per lässt seine Hände sinken. Satt ihn gehen zu lassen, ziehe ich seine Arme um meinen Bauch, indessen ich die Augen öffne. Unsere gewohnte Pose hält mich allerdings nicht davon ab, ein überraschtes „Oh!" von mir zu geben.
Anders, als ich es erwartet habe, steht kein riesiger Kuchen mit einer 39 drauf in der Mitte. Es hängen keine „Happy Birthday"-Girlanden herum, es gibt keinen Tisch mit Geschenken. Stattdessen steht neben dem großen Tisch ein riesiges Buffet. Noch mehr freue ich mich aber, als ich in die vielen bekannten Gesichter blicke. Es ist lang her, dass all die Menschen, die uns wichtig sind, auf einmal versammelt waren, denn irgendwie kommt immer etwas dazwischen. Ab und zu war ich deshalb geknickt, denn diese Menschen sind meine Familie. Wenn jemand fehlte, fühlte es sich immer wie ein unvollständiges Familientreffen an. Jeder ist so besonders, dass das Loch nicht gefüllt werden kann.
Aber heute hat es scheinbar geklappt. Ich fange gerührt an zu lächeln. „Oh", mache ich noch einmal, diesmal etwas leiser. „Freust du dich?", murmelt Isak neben mir unsicher. Ich lasse Pers Arme los, um unseren Sohn an mich zu ziehen. „Ich freu mich riesig, wirklich. Danke!", murmel ich in seine Haare. Dann löse ich mich wieder von ihm und drehe mich zu den anderen um. „Ich freu mich so, dass ihr alle da seid! Wem hab ich das zu verdanken?" Mimi räuspert sich lächelnd. „Das meiste haben Jacky, Charlie und Isak organisiert. Fürs Buffet hat jeder was beigesteuert", erzählt sie fröhlich. Ich grinse die drei Jungs dankbar an. „Ihr seid alle so toll", seufze ich überglücklich.
„Na kommt, lasst uns anfangen zu essen. Matt kann ja nebenbei allen nacheinander um den Hals fallen", schlägt Per vor, drückt mir eine Kuss auf die Wange und sieht mich fragend an. Ich streiche einmal durch seine rotbraunen Haare, dann nicke ich. „Gute Idee. Dann nehmt euch eure Teller und stürzt euch in die Schlacht!"
Als erstes bewege ich mich zu Jacky und Charlie. Der Freund unseres Ältesten hat ein Poloshirt und eine kurze Stoffhose an, während der Dunkelblonde neben ihm eine Sporthose und ein Tanktop trägt, dazu ein paar Ketten und Ringe. Innerlich grinse ich. Das wird sich wohl nie ändern. Glücklich nehme ich Jacky in den Arm. „Hey, mein Großer", murmel ich, da ich ihn bestimmt zwei Wochen nicht gesehen habe. Seit er mit seinem Freund in eine eigene kleine Wohnung gezogen ist, vermisse ich ihn manchmal ein bisschen. Glücklicherweise sind die beiden in der Stadt geblieben, sodass wir uns noch recht häufig sehen.
„Hey, Vati", antwortet er ebenso leise, dann löst er sich wieder von mir. Grinsend streiche ich Charlie einmal durch die dunklen Haare, ehe ich ihn ebenfalls kurz drücke. „Ey, meine Frisur!", beschwert sich dieser im Spaß. Jacky lacht und beginnt, die Haare seines Freundes noch mehr zu verwuscheln. „Welche Frisur meinst du genau?", ärgert er ihn. „Die, die jetzt nicht mehr existiert", antwortet Charlie. Dann schleicht sich ein liebevolles Lächeln auf sein Gesicht und er drückt seinem Freund einen Kuss auf die Wange. Jacky blickt ebenso verliebt drein, wobei seine Hand in den Nacken seines Freundes rutscht, wo er ihn augenscheinlich beginnt, sanft zu kraulen.
„Wie gehts euch?", will ich wissen. Dass mein Großer so glücklich und ausgeglichen ist, erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit. Lange genug waren seine Wutanfälle ein großes Thema bei uns, bis Charlie plötzlich da war und langsam, aber sicher alles besser wurde. Im Gegenzug stand Jacky ihm während seiner Hormontherapie und der Brustoperation zur Seite. So sind die beiden zusammengewachsen und seitdem ein sich gegenseitig wundervoll unterstützendes Paar. Nur selten taucht Jacky bei uns allein auf, aber das stört uns nicht. Im Gegenteil, Charlie gehört nämlich zu uns dazu.
„Gut, gut", nickt der Dunkelblonde. „Charlie hat für seine eine Hausarbeit eine eins bekommen", gibt er dann an. „Wow! Diese wichtige bei dem komischen Pädagogik-Professor?", will ich wissen. Charlie nickt verlegen. „Ja, genau die." „Super, Glückwunsch!" Erneut zerzause ich seine Haare. „Und wie läufts im Studio?" Im Gegensatz zu seinem Freund, der Lehramt studiert, hat Jacky schon während seiner Schulzeit angefangen, auf Hochleistungssport-Niveau zu Boxen. Aus der anfänglichen Möglichkeit, darüber seine Wut abzubauen, ist so viel mehr geworden. Noch vor seinem Abitur hat er verschiedene Trainerscheine gemacht und wurde kurz danach von einem Boxstudio fest angestellt. Ich bin wahnsinnig stolz auf ihn und glücklich, dass sich alles so zum Guten gewendet hat.
„Super", lächelt Jacky. „Ich wurde angefragt, ob ich ab September auch einen Krafttraining-Kurs geben will", erzählt er. „Und?", frage ich gespannt nach. „Natürlich!", nickt er hektisch. „Allein schon, weil ich dann selbst noch mehr Krafttraining mache und Charlie meine Muskeln mag", fügt er grinsend hinzu. „Jacky!" Charlies Gesichtsausdruck schwankt zwischen Verlegenheit und Entrüstung, doch das sanfte Lächeln kann er nicht verstecken. Ich lache leise. „Ich kann das vollkommen nachvollziehen", erklingt Pers Stimme mit einem Mal hinter mir. Seine Arme schlingen sich um mich und seine Hände schlüpfen unter mein Shirt, wo er sanft über mein leichtes Sixpack fährt. Natürlich bin ich nicht mehr so trainiert wie mit Mitte Zwanzig, doch ich mache nach wie vor regelmäßig Sport.
„Siehst du", grinst Charlie, während er sich an seinen Freund lehnt. „Das freut mich auf jeden Fall", gebe ich zurück, ohne auf die Kommentare einzugehen. „Per, wir können später kuscheln, ich will mit den anderen reden." „Tse", macht der Angesprochene, lässt mich jedoch los. Ich ziehe ihn kurz am Kieferknochen zu mir, um ihn liebevoll zu küssen, dann bewege ich mich auf Lotta zu, da ich sie am längsten von allen nicht gesehen habe. Nachdem sie sich aus einer toxischen Beziehung befreit hatte, ist sie durch Südamerika gereist, um dort die Kunst und Kultur zu entdecken. Seit einer Woche ist sie wieder in Stockholm, doch wir haben es noch nicht geschafft, uns zu treffen.
Auch Lotta geht es glücklicherweise gut. Sie sieht richtig erholt und sehr viel lebendiger aus, als zu dem Zeitpunkt kurz vor ihrer Abreise, wo ich sie zuletzt gesehen habe. Nach einem kurzen Plausch mit Alex, Pers altem Kumpel, sowie Ole und Bosse, welche Arbeitskollegen von mir beziehungsweise Per sind, wende ich mich Kira und Torge zu. Meine Ersatz-kleine-Schwester hat sich über uns mit dem Zwilling von Lotta angefreundet und irgendwie ist mehr daraus geworden. Mittlerweile haben sie eine zweijährige Tochter, Elin. „Sie sieht jedes Mal, wenn ich sie sehe, größer aus", staune ich. Kira lächelt ihr Kind verträumt an. „Da hast du recht, sie wächst wirklich wahnsinnig schnell im Moment." Torge strahlt ebenfalls. „Sie läuft jetzt schon richtig schnell durch die Gegend", berichtet er mir stolz. Ich beobachte die Kleine, wie sie von dem Schoß ihrer Mutter hüpft. „Li!", ruft die und saust durch die Menge an Beinen hindurch zu Charlie. Dieser dreht sich mit einem breiten Grinsen zu ihr um, hebt sie hoch und wirbelt sie durch die Luft. Die beiden haben irgendwie einen Narren aneinander gefressen, obwohl Charlie eigentlich alle Kinder toll findet. Die Kombination aus seinem glücklichen Strahlen, Elins helles Kinderlachen und Jackys verliebten Blick auf seinen Freund lässt mich gerührt seufzen.
„Na, Matt?" Als nächstes geselle ich mich zu Mimi und Oscar. Die beiden umarmen mich ebenfalls. „Hey, Gad." Der jüngste Sohn der beiden steht, wie eigentlich immer, mit einem Buch in den Händen neben seinen Eltern. Nun hebt er doch den Kopf, um mich etwas schüchtern anzulächeln. „Hey", macht er nur leise. Ich nehme es ihm nicht übel, da ich genau weiß, dass er ziemlich introvertiert ist und sich zwischen vielen Menschen einfach an seine geliebten Bücher klammert.
Die beiden älteren Brüder, welche zwölf und dreizehn Jahre alt sind, tollen mit Noah auf dem Rasen herum. Unser jüngster Sohn ist mittlerweile ebenfalls zwölf und die drei sind ein untrennbares Gespann. Da wir nur eine Straße von Mimi und Oscar entfernt wohnen, trifft man eigentlich keinen der drei jemals ohne die anderen beiden. Auch in der Schule scheinen sie untrennbar zu sein, denn Abbe, der ältere, hat sogar ein Jahr wiederholt, sodass sie nun alle in einer Klasse sind. Ich bin mir nicht sicher, ob neben Faulheit und wirklichem Pech mit den Lehrern nicht auch ein kleines bisschen Berechnung dabei war, damit er während der Unterrichtsstunden nicht länger alleine ist.
„Abbe und Ibb begrüßen dich sicher später", grinst Oscar. „Ach, ist doch gar kein Problem", winke ich ab. Pers und meine Kinder sowie die drei Jungs unserer besten Freunde gehen in beiden Häusern ein und aus, wie es ihnen passt, sodass ich fast ebenfalls väterliche Gefühle für die drei habe.
„Vati", erklingt Wilmas Stimme hinter mir. Ich drehe mich um und will ihr über den Kopf streichen, doch sie weicht mir aus. Heute trägt sie Netzstrumpfhosen, einen kurzen Karo-Rock und ein schwarzes Top. Ihre schwarz gefärbten Haare hat sie zu zwei seitlichen Zöpfen gebunden, die neongrünen vorderen Strähnen baumeln neben ihrem Gesicht umher. „Ja, Süße?" „Ich hab dir nen ganz besonderen Kuchen gebacken und will, dass du ihn anguckst." Ich werfe Mimi und Oscar einen entschuldigenden Blick zu, doch die beiden nicken mir lächelnd zu.
„Wilma!", kichere ich, als wir vorm Buffet stehen. Meine Tochter deutet auf einen Penis-förmigen Kuchen. „Du magst doch Penisse", grinst sie unschuldig, doch ich erkenne den Schalk in ihren Augen ganz genau. „Ist übrigens ein Bananenkuchen." Ich kann nicht anders, als ein bisschen zu lachen, dabei zwicke ich ihr in die Seite. Sie quiekt, grinst mich jedoch glücklich an. „Du freust dich, oder?", vergewissert sie sich noch einmal. „Natürlich freue ich mich, meine Süße", lächle ich und lege ihr einen Arm um die Schulter. „Was ist, wollen wir ihn probieren?"
Mit zwei Stücken Penis-Kuchen auf meinem Teller lasse ich mich neben Per sinken, welcher sich gerade mit Isak unterhält. „Unsere Tochter hat mir einen Bananenkuchen gebacken. Ich hab dir ein Stück mitgebracht." Ich küsse Per auf die Wange. „Warum krieg ich keinen?", will unser Sohn wissen. „Weil er Penis-förmig ist und ich nicht weiß, was für ein Tag heute ist", antworte ich ihm sanft lächelnd. Der Blonde nickt mir dankbar zu. Er steht irgendwo im Spektrum zwischen asexuell und allosexuell. Wo genau er ist, ändert sich fast täglich. An manchen Tagen verabscheut er Körperkontakt und jegliches Gespräch über Geschlechtsteile oder Sex vollkommen, aber meist hat er kein Problem, darüber zu reden, will aber selbst nichts davon erleben. An wieder anderen Tagen sehe ich ihn mit seiner Freundin Jördis auf dem Sofa rummachen.
In diesem Augenblick taucht hinter ihm eben diese auf. „Hey, Matt", lächelt sie mich an. „Sorry, ich habs nicht früher geschafft", entschuldigt sie sich, doch ich mache eine wegwerfende Handbewegung. „Freut mich, dass du überhaupt kommen konntest", gebe ich zurück und beobachte, wie sie sich neben ihrem Freund auf die Bank gleiten lässt. „Hey, du. Skala?", murmelt sie. Ich weiß, dass das der Code für Isaks Mood ist, weshalb ich glücklich lächle. Ich bin so unfassbar froh, dass er eine Freundin hat, die derartig auf ihn Rücksicht nimmt und wirklich jedes Mal, wenn sie ihn begrüßt, nachfragt und ihn vorher auch nicht berührt. Dass meine beiden großen Jungs so wundervolle Partnerschaften haben, bedeutet mir riesig viel.
„Grey plus", murmelt Isak, wobei er sich ihr zuwendet. Mein Zweitältester hat mir die Skala einmal erklärt, weshalb ich weiß, dass er Berührungen heute wohl gut findet, solange sie nicht zu sexuell sind. Aus diesem Grund haucht Jördes ihrem Freund nur einen kurzen Kuss auf die Lippen, ehe sie seine Hand nimmt und sich zurücklehnt. „Voll die schöne Feier. Und es sind alle da", staunt sie. Ich nicke zustimmend. „Ja, da hast du recht. Sogar Lotta ist zurück!" Da die beiden schon zwei Jahre zusammen sind, kennt sie unsere Freunde schon recht gut. „Das ist schön! Gehts ihr besser?" Ich nicke und so beginnen wir ein gemütliches Gespräch.
Über den Nachmittag verteilt quatsche, lache und esse ich mit all den lieben Gästen. Glücklicherweise erwähnt niemand meinen Geburtstag und so fühlt sich das ganze wie eines unserer großen Familientreffen an, welche ich wirklich liebe, da ich nur von Menschen umgeben bin, die mir etwas bedeuten und mich glücklich machen. Trotzdem bin ich froh, dass die Jungs mir genau dieses Gefühl zum Geburtstag geschenkt haben und schätze den Aufwand sehr.
Irgendwann verabschieden sich Kira und Torge von uns, da Elin müde ist, und auch Alex, Ole und Bosse gehen nach Hause. Mimi und Oscar sammeln ihre Jungs und Noah ein, da dieser heute bei ihnen übernachten will. Wilma fragt mich, ob sie noch zu einer Freundin gehen und ebenfalls dort schlafen darf. Per will erst was sagen, da ich ja Geburtstag habe, doch ich weiß genau, dass sie mit dem Argument kommen würde, dass Noah auch nicht da ist. So nehme ich ihr nur das Versprechen ab, sich von Drogen fernzuhalten und auf sich aufzupassen.
So sitze ich, als die Sonne beginnt, rötliches Licht zu werfen, nur noch mit Per, meinen zwei ältesten Söhnen und deren Partnern zusammen. „Ich bin wirklich dankbar für heute", lächle ich die Jungs an. „Es fühlte sich nicht wie Geburtstag an, aber alle auf einmal wiederzusehen, war das beste Geschenk der Welt." Die drei lächeln mich warm an. „Perfekt, genau so sollte es sein", freut sich Jacky, der seine Arme um Charlie geschlungen hat, welcher irgendwie auf seinem Schoß gelandet ist. Ich seufze vollends glücklich auf, bevor ich Per einen Arm um die Schultern lege und ihn näher zu mir ziehe. Mein Mann haucht mir einen Kuss auf die Schläfe, weshalb ich verliebt lächel.
„Ich hoffe so, dass wir später auch noch so verliebt sind, wie deine Eltern", murmelt Charlie seinem Freund zu, doch wir hören es alle und lachen leise. „Ihr seid... wie viele Jahre zusammen? Fünf?" „Sechs", macht Jacky. „Also fast jedenfalls. Im Herbst sind es sechs Jahre." Er strahlt den braunhaarigen auf seinem Schoß verträumt an. „Gut, dann halt fast sechs Jahre. Und ihr seid immer noch so verliebt wie am Anfang", beendet Per seine Aussage. Der Dunkelblonde dreht Charlies Kopf am Kinn zu sich um und gibt ihm einen zärtlichen Kuss. „Aber jetzt kommt das verflixte siebte Jahr", scherzt Isak mit unheilvoller Stimme. „Oh je, da krieg ich aber Angst", blödelt Jacky zurück. Ich höre lächelnd dabei zu, wie die Jüngeren leidenschaftlich darüber diskutieren, wie viel an dem Aberglaube dran ist.
„In unserem siebten Jahr hatten wir schon all unsere vier süßen Kinder adoptiert. Wann fangt ihr so damit an?", neckt Per unseren Ältesten und seinen Freund. Die beiden tauschen einen Blick, ehe sie uns anlächeln. „Wer weiß", grinst Jacky, weshalb ich die Augen aufreiße. „Warte, was?" Charlie lacht leise. „Wir haben schon mal darüber geredet, aber noch ist es ein bisschen früh", erklärt er dann, wobei er sich enger an seinen Freund schmiegt. „Wow", macht auch Per leise. „Wann seid ihr so groß geworden? Wir sind noch nicht mal vierzig und reden über Enkelkinder", wispert er überwältigt. „Nicht, dass ich das doof finde, im Gegenteil. Dann hätten wir noch so viel von denen, das wäre wirklich toll", fügt er hinzu. „Naja, ich bin ja auch nur achtzehn Jahre jünger als ihr. Deshalb seid ihr noch vergleichsweise jung", überlegt Jacky, nachdem er Charlie ein paar Küsse in den Nacken gedrückt hat.
„Wo wir grad bei Enthüllungen sind, ich habe vorhin die Bestätigungsmail für meinen Ausbildungsplatz bekommen", klinkt sich Isak ins Gespräch. Nachdem er ein Jahr als Bundesfreiwilligendienst Krankenwagen gefahren ist, hat er sich dazu entschieden, Rettungssanitäter zu werden. „Was? Oha, wie toll ist das denn? Herzlichen Glückwunsch, Isak!", freut sich Per und auch ich gratuliere dem Blonden. „Du wohnst dann aber trotzdem noch bei uns, oder?", will ich wissen. „Ja, klar. Jördis macht ja jetzt auch erst mal ein FSJ und bei uns geht ja alles nicht so schnell", erzählt Isak offen. Auch das ist eine Sache, die mich glücklich macht: Dass keiner sich schämt, innerhalb der Familie über irgendwas zu reden. Das ist definitiv nicht selbstverständlich, weshalb ich froh bin, dass unsere Kinder sich weder vor uns noch vor ihren Geschwistern verschließen.
„Und Isak soll sich auch auf keinen Fall Stress machen", fügt Jördis hinzu und bedenkt ihren Freund mit einem liebevollen Blick. Daraufhin lächelt dieser ihr dankbar zu und küsst sanft ihre Wange. „Ich bin so froh, dass ihr beide, Jördis und Charlie, so toll seid. Ich könnte mir keine besseren Partner für meine Söhne vorstellen", strahle ich. „Da kann ich nur zustimmen", schließt sich Per mir an, wobei er sich näher gegen mich drückt. Glücklich lege ich eine Hand an seine Wange, bevor wir uns kurz, aber liebevoll küssen.
„Und ich könnte mir keine besseren Schwiegereltern in Spe vorstellen", lacht Charlie. „Warte, ihr seid nicht verlobt, oder?", vergewissert sich Per argwöhnisch. Jacky schüttelt lachend den Kopf. „Das hätten wir euch sofort erzählt", beruhigt er uns. „Gut. Wir haben das damals einfach irgendwie entschieden, ne, Matti?", erinnert sich Per. Ich lache leise. „Ja, irgendwann morgens, als wir in Boxers in der Küche Kaffe getrunken haben", erzähle ich. „Nach dem Morgensport", fügt mein Mann etwas leiser hinzu. Ich schüttel grinsend den Kopf, indessen die anderen lachen. Ich will, dass es für immer genau so bliebt. Dass sich alle gut verstehen, miteinander lachen können und sich wohlfühlen. Dass wir eine Familie und einen Zufluchtsort darstellen. Etwas, was ich früher gebraucht hätte. Aber die Zeiten sind vorbei und zusammen mit Per habe ich mir das beste Leben aufgebaut, was ich mir vorstellen könnte.
„Wir machen uns dann auch mal auf die Socken", reißt mich Isak aus meinen Gedanken. Ich bemerke den Blick, welchen er seinem Bruder zuwirft. Dieser küsst daraufhin seinen Freund auf die Wange, bevor er ihn von sich schiebt. „Warte, haut ihr alle ab?", will Per wissen. „Jup. Ich penne bei Jördis", nickt Isak. Jackys Grinsen macht mich misstrauisch. „Moment, das habt ihr auch geplant, oder? Deshalb sind Noah und Wilma auch nicht da, oder?" Unsere Söhne grinsen nun breit. „Gut erkannt, Vati. Das ist unser letztes Geschenk für euch. Die kommen alle erst morgen Nachmittag wieder. Ihr habt euch ein bisschen Zeit zu zweit verdient", erklärt der Dunkelblonde. Die vier lächeln uns warm an. „Danke", lächle ich ehrlich, als wir alle aufstehen. „Sehr gern. Genießt es", lächelt Isak.
Eine halbe Stunde später, in der wir noch zu sechst etwas aufgeräumt haben, schließe ich die Tür hinter unseren Söhnen und ihren Partnern. Langsam drehe ich mich zu Per um, welcher mich im Halbdunklen des Flurs liebevoll anlächelt. „Wir haben die besten Kinder der Welt", wispere ich glücklich. „Da hast du recht", nickt er, ehe er mich an den Hüften zu sich zieht. „Und ich habe den besten Mann der Welt", flüstert er und küsst mich. „Ich liebe dich so sehr, Per", murmel ich, dann küsse ich ihn zurück. „Und ich liebe dich wahnsinnig doll, mein Schatz." Ich lächle, denn über die Jahre habe ich angefangen, diesen besonderen Kosenamen zu mögen. Wie versprochen, sagt Per ihn nur ganz selten, aber jedes Mal erklingt seine süße Erklärung in meinem Kopf dazu. Von dem Tag, an dem er mich das erste Mal so genannt hat.
„Was machen wir jetzt mit der freien Zeit...?", lächle ich. Sanft küsse ich seine Nase. „Hm, ich glaube, ich wüsste da was", erwidert Per spitzbübisch grinsend, ehe er mein gesamtes Gesicht mit Küssen überseht. „Bezieht deine Idee mich und dich ohne Klamotten mit ein?", erkundige ich mich. Meine Hände wandern unter Pers Shirt und streichen sanft über seinen Rücken. Er küsst zärtlich meinen Hals und brummt „Das kommt dem ziemlich nahe" gegen meine Haut. „Schlafzimmer?" Per lässt von meinem Hals ab und nimmt mein Gesicht in seine Hände. „Ja. Aber vorher sage ich dir noch, wie stolz ich darauf bin, dass du den Tag so genossen hast. Und wie sehr ich die liebe." Ich strahle ihn überglücklich an. Meine Knie werden ein kleines bisschen weich, mein Herz hüpft fast aus meinem Brustkorb heraus und mein Gehirn ist nur mit ihm gefüllt.
Und als wir kurze Zeit auf unserem Bett liegen, ist da so viel fühlen, schmecken und riechen, so viel Sanftheit und Zärtlichkeit und noch viel mehr unendliche Liebe, dass ich es fast nicht glauben kann. Doch dieser Mann und all mein Glück, welches mit ihm zusammenhängt, ist wirklich wahr. Ich bin endlos glücklich und könnte mir kein besseres Leben vorstellen.
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