
Freitag - 52.2 - Chaos
Don't forget - it's fiction!
... and drama today!!!
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Wie immer in einer neuen Halle machen sich alle erstmal mit den Räumlichkeiten und Wegen vertraut. Und was sie da heute vorfinden, macht sie sprachlos. Sowas haben sie noch nicht erlebt. Selbst in den ganz kleinen Hallen am Anfang ihrer Karriere haben nicht solche Zustände geherrscht! Die Umkleide ist zu klein, voller Gerümpel und hat kein fließend Wasser, die Toiletten sind ewig weit weg, hinter der Bühne ist zu wenig Platz. Alles hier ist "ein wenig" veraltet. Der Screen hat nicht die vereinbarten Maße und eine viel zu schlechte Auflösung, die Bühnenlifte sind nicht an den vereinbarten Stellen, das Stromnetz ist nicht stark genug. Die Steckdosen sind an den seltsamsten Stellen, nur nicht da, wo man sie braucht. Die Kameraschienen passen nicht an die Bühnenelemente. Die Scheinwerfer lassen sich zum Teil nur von Hand ausrichten, überall klettern also Leute auf Leitern rum, es hängen Kabel von der hohen Saaldecke. Die Techniker fluchen leise vor sich hin. Laute Kommandos und leise Flüche hallen durch den Saal. Seit gestern Mittag sind sie nun mit allem hier und versuchen, sich in der Halle einzurichten. Aber nichts klappt!
Sung-Deuk geht mit gerunzelter Stirn die Bühne ab und findet mehrere Stellen, wo die Bühnenelemente nicht ordentlich gefügt und plan sind. Es ist noch überhaupt nicht möglich, mit den Proben zu beginnen. Ja, die Techniker können noch nicht mal eine Prognose abgegeben, wann das denn sein wird. Was für eine Katastrophe!
Auf der Suche nach einem Ort, der groß genug ist, um die Choreos zu üben, landen sie schließlich im Foyer. Um den bereits für morgen draußen wartenden, neugierigen Fans die Sicht zunehmen, schieben sie die altertümlichen Garderobenwagen vor die Frontscheiben und hängen alle möglichen Tücher und Jacken darüber. Blickdicht ist aber was anderes, und so stehen sie eigentlich völlig auf dem Präsentierteller, als sie endlich anfangen können, sich warm zu machen und den Durchlauf zu proben. Ohne Soundcheck natürlich - wie nützlich ... Und London und das Comeback können sie unter diesen Umständen gar nicht proben, denn das darf ja alles noch niemand wissen oder sehen.
Sung-Deuk konzentriert sich ganz auf die Jungs und versucht, Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht auszustrahlen, während PD, mit einem Dolmetscher an seiner Seite, stinkwütend durchs Gebäude fegt auf der Suche nach Verantwortlichen, die seeeeeeehr schnell für Abhilfe in diesem heillosen Chaos sorgen können. Das ist ja noch schlimmer als in Moskau! Als er den Hallenmanager findet, wird er ungewöhnlich laut für seine Verhältnisse und fordert energisch, dass all diese Missstände schleunigst behoben werden, damit sie endlich anfangen können zu arbeiten. Es passiert auch das ein oder andere, irgendwann, irgendwie ... aber alles geht furchtbar schleppend und schwierig. Irgendwann tauchen ein paar Männer mit Stellwänden im Foyer auf, die für mehr Sichtschutz sorgen. Einige hauseigene Techniker helfen beim Einrichten der Scheinwerfer. Bühnenelemente werden auseinander genommen und anders wieder zusammengesetzt, Kanten werden korrigiert. Aber im Wesentlichen besteht der komplette Vormittag und Mittag aus Warten, Chaos, Pannen, Fehlinformationen und Kurzschlüssen. Pausen zum Essen und für Jimin gibt es auf diese Weise reichlich - allerdings sind die nicht grade von der entspannenden Art.
Als die Jungs um 16:00 endlich auf die richtige Bühne können, um sich an Abstände und Wege zu gewöhnen und für London zu proben, ist mitnichten konzentrierte Arbeitsatmosphäre möglich. Denn die Bühne ist frei, aber die Aufzüge funktionieren noch nicht, und der Rest vom Saal summt immernoch wie ein Bienenstock. Klappernde Leitern, laute Gespräche und flackernde Lichter stören die Jungs doch erheblich. Um 19:00, als eigentlich alle schon völlig mürbe von diesem vergeudeten Tag sind, lichtet sich allmählich das Chaos im Saal, und zum ersten Mal ist ein Soundcheck in Sicht.
Sung-Deuk bricht die Probe ab, als alle nur noch Fehler machen, und scheucht die Jungs nochmal zum Essen hinter die Bühne. Dort hocken sie sich im Kreis auf den Boden.
„So, Jungs. Heute haben wir gesehen, wie es nicht gehen sollte. Das ganze Chaos hat euch unglaublich viel Kraft gekostet, das tut mir sehr leid. Ihr habt echt tapfer durchgehalten und euch bewundernswert konzentriert. Ich möchte jetzt, dass wir uns einen Moment auf uns besinnen und innerlich zur Ruhe kommen, bevor wir einen gestrafften Soundcheck machen. Den sollten wir nicht auf morgen verschieben, damit wir früh sofort lostrainieren können. Wir haben echt viel Zeit verloren. Aber dann seid ihr für heute erlöst."
Erschöpft nicken die Jungs und überlegen, was ihnen jetzt helfen würde.
Jimin ist total müde und will eigentlich nur noch ins Bett. Aber Weglaufen gilt nicht. Was hat er heute morgen gesagt? Mehr singen würde helfen. Zaghaft macht er einen Vorschlag.
„Mir ist grade nach Singen zu Mute. Könnt ihr euch vorstellen, dass wir einfach eine Gesangseinheit einschieben, bis die hier zu Potte gekommen sind? Das ist von der Technik unabhängig, braucht nicht viel Platz, führt uns zu uns selbst und bringt wahrscheinlich wenigstens ein schönes Ergebnis für heute."
Dankbar schauen ihn alle an.
„Au ja! Lasst uns schauen, ob wir einen Raum dafür finden. Ich muss echt raus aus dieser Halle!"
Schon flitzt Jin los und stellt fest, dass zumindest die Backstage-Mädels das Chaos soweit besiegt haben, dass die Umkleide total ordentlich und einigermaßen sinnvoll eingeteilt ist. Sie haben die Zwischentür zur nächsten Umkleide geöffnet bekommen, haben einiges an Gerümpel aus beiden kleinen Räumen geschafft, kurzerhand die Spiegel aus den Toiletten abmontiert und hier aufgebaut, Stühle zusammen getragen und so jedem der Jungs einen Sitzplatz eingerichtet. Die Ständer mit der Kleidung sind im Nebenraum, von dort werden sie die jeweils aktuellen Sachen nach und nach rüber holen, dann steht hier nichts im Weg. Und es ist ein bisschen einladender als am Morgen. Schnell räumen die Jungs ihre eigenen Jacken und Taschen auf, die sie ja auch nur irgendwo hingeknallt hatten. Nun ist für jeden ein Platz zum Stehen da, und das reicht ja, damit sie sich konzentriert aufs Singen einlassen können.
Als erstes singt Jimin sich und die anderen sorgfältig ein. Die Stimmen werden klarer, die Atmung wird ruhiger, die ganze Körperhaltung wird aufrechter und entspannter. Jimin macht ein paar Übungen, um den sauberen Gesamtklang zu fördern und korrigiert immer wieder Atmung und Intonation. Nach und nach können sie den einfach nur furchtbaren Tag ausblenden und sich ganz auf Körper und Stimme konzentrieren. Sie verwurzeln sich im Boden, öffnen sich nach oben und können spüren, wie die durchs Singen freigesetzte Energie sie durchströmt. Es tut einfach nur gut! Jimin erinnert sich, wie Heike mit den einzelnen Sängern gearbeitet hat und baut diese Erinnerungen ein.
Dann möchte er irgendwas Mehrstimmiges singen, und ihm fällt auf, dass sie dafür überhaupt kein Repertoir haben. Also scannt er sein Gedächtnis ab nach einem koreanischen Volkslied und macht einen Vorschlag.
"Wir machen ein Experiment. Wir singen was Einstimmiges. Jeder, der mag, darf einfach eine Stimme dazu improvisieren. Und ich bin gespannt, ob wir es schaffen, sowohl gut zum Lied zu passen als auch so gut aufeinander zu achten, dass die Improvisierenden sich nicht gegenseitig ins Gehege kommen sondern sängerisch harmonieren. Also achtet gut aufeinander, auf den Gesamtklang, auf die Signale der anderen. Wenn es Spaß macht und gut läuft, fangen wir einfach von vorne an."
Er stimmt „Arirang" an, dessen Text wirklich jeder kennt. Die erste Strophe singen sie schlicht gemeinsam. Beim Kehrvers improvisiert Jeongguk eine Oberstimme dazu. In der zweiten Strophe legt Yoongi eine sehr rhythmische Basslinie darunter. Beim folgenden Kehrvers singen Jin und Tae mit einer Terzverschiebung, und obendrein rappt Hoseok einzelne Stichworte des Textes als Akzent dazwischen. In der nächsten Strophe tropft Jimin hohe Töne ein, und als das Ende absteigend erklingt, singt er dagegen einen Lauf nach oben. Ihnen war gar nicht bewusst, wie viele Strophen dieses Lied hat. Aber sie genießen es und treiben das Spiel immer weiter. Namjoon traut sich noch nicht so recht zu singen, aber mit nur einem kurzen Blickkontakt finden sich die Rapper zum nächsten Kehrvers – Yoongi legt wieder eine Basslinie, Hoseok macht ein bisschen Beatboxing und Namjoon rappt den Text dazu. Und so geht es immer weiter. Die Jungs sind bald total aufeinander eingeschwungen und spüren genau, was als nächstes möglich ist. Mal singen Jimin und Tae mit Genuss und ineinander verhakten Augen und spielen mit ihren verschiedenen Lagen, dann wieder singen Jin und Namjoon einfach oktaviert, und Namjoon strahlt, weil er spürt, was in ihm steckt. Yoongis Experimente mit seiner tiefen Bassstimme durchdringen alles, Jimins und Jeongguks hohe Töne geben der Musik eine ganz vielschichtige Wirkung, die Kombination von dichten Linien mit rhythmischem Rap lädt zum Spielen ein. Sie schaffen es sogar, gemeinsam eine Strophe in Moll zu übertragen und dann beim Kehrvers wieder zu Dur zu wechseln. Alles klappt ohne Absprachen, nur mit Blickkontakt und genauem Hinhören aufeinander. Und irgendwann sind sie unglaublich zufrieden und entspannt und konzentriert und strahlen sich nur noch an, während sie den letzten Kehrvers in einem sauberen, vielstimmigen Akkord ausklingen lassen.
Es ist ganz still im Raum. Sie haben ihre Umgebung völlig ausgeblendet - das Chaos in der Halle. Die Anspannung und Sorgen vom Morgen. Die Leute vom Staff, die sich leise um sie sammeln und die ungewohnten Klänge genießen. Den Tourstress, einfach alles. Sie haben nicht mal gemerkt, dass sie sich irgendwann bei den Händen gefasst haben.
Auch Sung-Deuk ist in den Raum gekommen und hat schon ein paar Minuten schweigend daneben gestanden. Er wartet noch einen Moment ab, bevor er leise in die zufriedene Stille spricht.
"Jungs, die Halle ist dann soweit fertig. Der Screen funktioniert, die Scheinwerfer leuchten, die Mikros sind angeschlossen, die Leitern sind weg. Lasst uns noch den Soundcheck machen. Dann seid ihr entlassen."
Die Jungs gehen, noch ganz erfüllt von dieser tollen Improvisation, rüber in den Saal, bekommen ihre Headsets und Handsender und steigen auf die Bühne. Sung-Deuk stellt sich unten mitten in die Halle zwischen die Stuhlreihen, weil er von dort besser die Gesamtwirkung erfassen und Stellungsfehler sehen kann. Zügig werden alle Auf- und Abgänge angedeutet, alle Songs angespielt, alle Mikros geregelt. Song für Song arbeiten sie sich durch das Programm. Die Choreos lassen sie weg, bewegen sich nur an ihre Plätze. Bei DNA winkt Sung-Deuk die Jungs ab und geht auf den Steg zu, um eine Anregung zu geben. Er hat einfach keine Lust, durch die halbe Halle zu brüllen, und selbst hat er heute kein Mikro bekommen.
Plötzlich gibt es einen lauten Knall unter der Saaldecke, ein reißendes Geräusch, die Blicke aller Anwesenden fliegen in diese Richtung.
Das explosive Klirren von zerschellendem Glas, herumfliegende Stühle, eine Staubwolke, ein Aufschrei. Und dann fällt der Strom aus, sie stehen im Dunkeln.
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8.4.2019 - 11.6.2019 - 5.11.2019
30.4.2020
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