Dienstag - 35.2 - Smile with me, cry with me
Don't forget - it's fiction!
Heute wirds noch mal heftig - Jeongguk wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Hat sich ja schon angekündigt ... Also: Herz fest in beide Hände nehmen und nicht die Autorin schlagen!
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Pünktlich um 10:00 steht Heike mit Mauri und heute auch Sousa vor der Tür. Sie konnte die Hündin nicht schon wieder alleine zu Hause lassen. Das wird also heute ein bisschen unruhiger als sonst, aber das kriegen wir auch noch hin. Jimin lässt sie wieder rein. Nach der allgemeinen Begrüßung, und nachdem sie Sousa in einem Körbchen unter dem Tisch installiert hat, informiere ich sie darüber, was gestern Abend noch mit Guk war, damit sie vorbereitet ist und überlegen kann, wie weit sie mit ihm gehen möchte.
„Ups. Das heißt, es könnte für ihn den Befreiungsschlag bedeuten. Oder ihn für den Rest der Tour aus seiner Umlaufbahn schießen. Das ist nicht so einfach zu schultern. Und das ohne Kwon."
Ich zucke mit den Schultern.
„Ja, der fehlt mir dabei auch ganz entsetzlich, aber da müssen wir nun durch. Namjoon macht heute den Übersetzer, das läuft richtig gut. Aber manchmal tut es mir für ihn weh, weil er immer emotional involviert ist."
Dann richtet Heike lächelnd das Wort an alle.
„Da bin ich nun. Aber wir haben gestern gar nicht gesagt, ob ich nur nochmal zum Verabschieden komme, oder ob ihr nochmal mit mir arbeiten wollt."
Spontan stehen die Jungs auf und betteln sie an.
"Singen. Einsingen und Singen!"
Ich beobachte Jeongguk, der äußerlich ganz ruhig ist.
„Gut. Dann singen wir nochmal. Wir sollten vielleicht einfach festigen, was ihr gestern zum ersten Mal gemacht habt. Nachdem ich euch kennengelernt habe, mache ich heute mal das Einsingen."
Gesagt, getan. Während sie die Jungs einsingt, geht sie genau auf die Bedürfnisse der einzelnen ein und lockt ihre schönen Stimmen hervor. Ich muss ein wenig grinsen, als ich sehe, wie es hinter Jimins Stirn rattert. Er will ja nichts verpassen! Dann arbeitet sich Heike wieder durch die Reihe, wiederholt im Grunde das Programm von gestern und festigt die Lernschritte bei jedem ganz individuell. Jimin saugt alles in sich auf. Auch er kriegt heute nochmal eine Einheit, was wiederum die anderen total fasziniert, weil die beiden ja schon sehr aufeinander eingespielt und viel weiter sind.
„So. Gibt es etwas, was ihr gerne zusammen singt?"
Jin äußert einen Wunsch.
„Wir haben von Tina drei deutsche Kanons gelernt. Einen vor dem Essen 'was wir brauchen, gibt uns Gott', einen für die Kirche 'Magnificat' und einen zum Einschlafen 'Ruhet von des Tages Müh'." Mit großen Augen schaut Heike mich an.
„Du hast was??? Das sind doch alles keine Christen! Bist du jetzt unter die Missionare gegangen, oder was!"
Wir müssen alle grinsen.
„Die wollten das so!"
Ich überlege kurz. Aber Hobi kommt mir zuvor.
„'Ruhet von des Tages Müh'! Wenn es etwas gibt, das wir wirklich für den Rest unseres Lebens im Schlaf rückwärts können wollen, dann ist es das! Es hat uns seitdem begleitet und uns so oft Beruhigung und Frieden geschenkt."
„Na gut?"
Noch etwas zögerlich schaut Heike die Gruppen an und überlegt dabei. Jimin erklärt ihr unsere übliche Einteilung.
"Tina hat immer mit mir zusammen eine Gruppe gebildet."
Es läuft also auf die bekannten Gruppen raus. Erst feilt Heike am einstimmigen Gesang und kann daran ganz viel Technik und Ausdruck vermitteln. Weil die Jungs das Lied so verinnerlicht haben, fällt ihnen das trotz der fremden Sprache gar nicht schwer. Sie baut einzelne Akkorde auf und schult das Gehör für saubere Intonation. Als wir schließlich im Kanon singen wollen, macht Jeongguk seine gute Kamera an und „filmt" uns dabei. Heike versteht und lässt den Kanon ganz lange laufen. Auch sie endet natürlich mit Jimin und mir auf dem ersten Satz, so dass Yoongi und Tae sich sonor mit dem vierten, tiefen Satz darunter legen. Yoongis Stimme ist dabei dermaßen volltönend und brummelig, dass es richtig im Bauchnabel kribbelt. Der Schlussakkord ist ein Traum aus Tönen. Einen Moment lang ist es ganz still im Raum.
Eigentlich habe ich nicht mehr damit gerechnet, aber plötzlich gibt sich Jeongguk einen Ruck.
„Heike? Darf ich dich um etwas bitten?"
Blicke fliegen zwischen Jimin, Heike und mir hin und her.
„Ich ... ich habe auch einen Solo-Song, so wie Jimin das 'Lie'. Er bedeutet mir sehr viel. Ich weiß nicht, wie es mir damit gehen wird, wenn ich den so bearbeite, wie Jimin 'Lie'. Aber ich möchte es versuchen, weil ich glaube, dass es ein Schlüssel für mich wäre."
Dann blickt er die anderen an.
„Es sei denn, ihr meint, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist, in die Tiefe zu gehen ..."
Nach und nach taucht Verstehen in den Gesichtern der anderen auf. Hobi nimmt Jeongguk in die Arme, und Namjoon spricht aus, was offensichtlich alle denken.
"Guk, du hast wie wir alle das Recht, an dir zu wachsen. Du hast uns in den letzten Wochen ganz viel Stabilität im Chaos geschenkt. Wenn es dein Bedürfnis ist - und ich meine, das gestern Nachmittag rausgehört zu haben -, dann ist es jetzt an der Zeit, dass wir dir das zurückgeben. Gib deiner Sehnsucht Raum! Wir sind da, wenn du uns brauchst."
Jeongguk räuspert sich, schließt einen Moment die Augen - und zückt sein Smartphone. Er holt eine Liveaufnahme von 'Begin' hervor, die Untertitel hat, und hockt sich mit Heike aufs Sofa. Alle anderen hocken sich zum gewohnten Bangtan-Knäuel drumrum. Namjoon bettet den Song ganz kurz in die Soloserie ein und erzählt in wenigen Sätzen Guks Hintergrund als Jüngster in der Gruppe dazu. Dann schaut Heike sich den Song und Tanz an. Ihr Blick fliegt zu mir.
"Der arme Teufel! Text und Tanz könnten nicht weiter voneinander entfernt sein."
Und an Guk gewandt ist sie äußerlich wieder ganz neutral.
"Erzähl uns, was dir an dem Text so wichtig ist. Lass dir Zeit und horche in dich hinein!"
Es dauert eine Weile, bis Jeongguk sich freischwimmt und den nackten Worten auch Gefühle zuordnen kann. Zu lange hat er das unter dem Deckel gehalten. Nach und nach wird ihm klar, wie sehr ihn der frühe Abschied von zu Hause und die unsägliche Quälerei Tag und Nacht belastet haben. Er spürt dem Heimweh nach. Dem Gefühl von Unzulänglichkeit. Der Irritation, als ihm gesagt wurde, er müsse mehr Gefühl zeigen in Gesang und Tanz. Der Scham, weil er jahrelang eine egoistische kleine Plage für die anderen war.
Da hakt Jin plötzlich ein.
„Guk. Warte! Ich kapiere grade was. Wir haben oft mit dir geschimpft, weil du uns genervt hast. Weil du dich hast bedienen lassen. Ich habe jetzt zum ersten Mal rausgehört, dass das eigentlich dein Hilfeschrei nach Geborgenheit war. Bitte hör auf, dich dafür zu schämen! Wir haben dich damals erzogen und zurecht gestutzt. Das war auch nötig. Aber du warst nicht böse zu uns sondern einfach nur furchtbar hilflos."
Jeongguk schluckt schwer. Sein Blick brennt sich in Jins Augen, bis er schließlich zaghaft nickt. Er wendet sich wieder dem Text zu. Er liest wieder ein Stück leise, erzählt dann laut.
„Es ging uns eigentlich allen dauernd nicht gut. Wir alle haben gezweifelt. Haben uns gesorgt um unsere Zukunft. Wollten aussteigen. Ich hatte Heimweh. Ich hatte Angst vor Yoongi. Ich war chronisch übermüdet. Wir alle. Ich habe euch bewundert und geglaubt, dass ich euch nie einholen würde. Ich fand mich lächerlich, weil ich so kindlich war neben euch. Also habe ich dicht gemacht und die Zähne zusammengebissen. Von da an habe ich nur noch gefühlt, was ihr gefühlt habt."
Er schweigt betroffen, als seine eigenen Worte in ihm nachhallen. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Yoongi zusammen gezuckt ist bei diesen Worten.
Guk starrt den Text auf seinem Display an. Seine zaghaften Worte sind nur noch ein Flüstern.
"Wenn es einem von euch nicht gut ging, hat mir das unglaublich Angst gemacht. Weil ihr mein Halt wart. Ihr durftet nicht wackeln, weil ich dann mit umgefallen wäre. Ich hätte ALLES getan, um das zu verhindern. Und bei all dem habe ich verlernt, selbst zu fühlen."
In der Stille legen sich ihm sechs warme Hände auf den Rücken, auf den Arm, aufs Knie. Dann eine siebte. Und eine achte. Ich sehe erstaunt auf und stelle fest, dass PD still die Tränen laufen.
Heike schaut mich an. Und ihr Blick sagt alles.
"Was mache ich eigentlich hier? Bin ich einfach nur der Katalysator, damit Jeongguk etwas längst Überfälliges anstoßen kann?"
Ich nicke ihr zu.
„Ganz genau das, und alleine deine Gegenwart ist wichtig!"
Wir geben Jeongguks Trauer Raum und halten die Stille mit ihm aus.
Erst nach einer ganzen Weile regt er sich wieder. Seufzt ganz tief.
„Jetzt bin ich so weit gegangen, jetzt kann ich auch noch versuchen, wie weit ich mit dem Tanzen komme."
Das ist eine ziemlich seltsame Ansage. Aber er ahnt wohl, dass er heute nicht bis zum Ende durchhalten wird. Er wärmt sich auf, kramt eine alte Aufnahme aus den hintersten Ecken seines Smartphones und macht sich startklar.
Jeongguk steht mit dem Rücken zu uns, als die ersten Töne sirenenartig durch unser Wohnzimmer schweben. Langsam dreht er sich um und beginnt zu singen. Schon jetzt ist sein Gesicht voller Aufruhr.
When I was fifteen years old, I had nothing.
The world was so big and I was so small.
Now I can't even imagine it
I used to be scentless and completely empty.
I pray.
Mit den nächsten Zeilen beginnt er, sich zu bewegen, und uns bleibt der Atem stehen, wie sehr sein ganzer Körper ausdrückt, was er da grade singt. Und endlich auch fühlt.
Love you, my brother. Thanks to my brothers
I discovered emotions, I became me.
So I'm me.
Now I'm me.
Nun kommt richtig Leben in Jeongguk. Mit dem Refrain beginnt der schnelle Rhythmus. Und nichts erinnert nun an die emotionslose Maschine von vorher. Wir sehen und hören das Klammern an die Älteren, das hilflose Suchen nach Halt. Die Sehnsucht, noch eine Weile Kind bleiben zu dürfen. Am Ende ein gequältes Lächeln.
You make me begin
You make me begin
You make me begin
(Smile with me, smile with me)
Und dann bricht ein Damm. Seine Stimme nimmt uns mit in die Angst zu fallen, wenn die Großen anfangen, zu zweifeln und zu wackeln. Seine ganze Welt beginnt zu wanken.
I can't stand it anymore
when you are crying.
I want to cry instead.
Although I can't.
Hilfesuchend streckt er seine Arme aus nach oben, nach den anderen, die ihn bitte halten sollen. Und die doch so oft selbst kaum Halt haben.
You make me begin
You make me begin
You make me begin
(Cry with me, cry with me)
Bei allen laufen inzwischen die Tränen. Schon das Zusehen schmerzt unermesslich.
I feel like I'm going to die,
When my brother is sad,
When my brother is in pain.
It hurts more than when I'm in pain.
Und dann bricht Jeongguk einfach vor unseren Augen weinend zusammen. Die Musik spielt weiter, seine Stimme aus der Konserve weht traurig durch den Raum. Aber er ist keine Sekunde alleine, da auf unseren grauen Wohnzimmerkacheln. Sofort sind die anderen bei ihm, nehmen ihn in den Arm, geben ihm den Halt, nach dem sich der Dreizehnjährige damals so sehr gesehnt hat.
Brother let's cry, cry, let's just cry
I don't know much about sadness
But I'm just gonna cry
Because, because
Auch Heike und ich haben uns bei den Händen gefasst, auch uns laufen die Tränen übers Gesicht. PD hat die Hände vors Gesicht geschlagen. Sung-Deuk hat fassungslos auf den Tanzenden gestarrt. Mauri und Sousa laufen aufgeregt vor dem Menschenknäuel auf und ab. Mauri versucht, irgendwie an Jeongguk ranzukommen, und bohrt sich dafür mitten in das Menschenknäuel. Jimin lässt ihn durch.
You made me again
You made me again
You made me again
(Fly with me, fly with me)
Die letzten Zeilen verfliegen an der Zimmerdecke.
You made me begin.
You made me again.
Dann ist es still, bis auf das Schluchzen von Jeongguk und die sanfte, beruhigende Stimme von Jin. Der Gute, der leise zu singen beginnt:
So weird, I for sure loved you so much
Adapted to you with everything, I wanted to live my life for you.
But as I keep doing that I just can't bear the storm inside my heart.
The real myself inside the smiling mask, I reveal it entirely.
I'm the one I should love in this world.
Shining me, precious soul of mine.
I finally realized, so I love me.
Not so perfect but so beautiful
I'm the one I should love.
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20.2.2019 - 6.6.2019 - 1.11.2019
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1.1.2020 - 11.4.2020
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