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Am nächsten Morgen war die Küche erfüllt vom Klang klappernden Geschirrs und leiser Gespräche.
Es war ein typisches WG-Frühstück, bei dem jeder auf halbherziges Smalltalk setzte, während er versuchte, den Schlaf aus den Augen zu reiben. Bis Chan hereinstürmte.
„Okay, Leute, wir reden jetzt über den Pudding," verkündete er mit ernster Miene, die so fehl am Platz wirkte, dass Hyunjin fast seinen Kaffee verschüttete, weil er lachen musste.
„Du machst Witze, oder?" fragte ich, während ich eine Scheibe Toast in den Toaster schob.
„Nein, Minho, ich mache keine Witze. Jemand hier hat meinen Pudding geklaut und ich werde herausfinden, wer."
Jisung, der neben mir an der Küchentheke lehnte, warf mir einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder seinem Orangensaft widmete.
Er war auffällig still, was ihn nur verdächtiger machte.
„Vielleicht ist er dir entwischt, Sherlock," murmelte Changbin mit vollem Mund.
Chan ignorierte ihn und begann stattdessen, jeden von uns mit einem intensiven Blick zu durchbohren. „Felix, du bist immer der Erste, der Sachen aus dem Kühlschrank klaut. Warst du es?"
Felix hob unschuldig die Hände. „Warum sollte ich einen Pudding essen, wenn ich gestern Brownies gebacken habe?"
„Weil du ein Vielfraß bist," warf Seungmin trocken ein, während er sich mit einer eleganten Bewegung auf den Stuhl fallen ließ.
Chan kniff die Augen zusammen und machte sich mentale Notizen. Dann wandte er sich Jeongin zu. „Und du? Warst du es?"
Jeongin schaute erschrocken von seinem Teller auf, als hätte man ihn beim Morden erwischt. „Ich esse keine Puddings, das weißt du doch!"
„Vielleicht hat er ihn geopfert," murmelte Hyunjin und verdrehte dramatisch die Augen, als hätte er einen finsteren Kult entdeckt.
Ich lehnte mich gegen die Theke und verschränkte die Arme. „Chan, lass es gut sein. Dein Pudding wird nicht zurückkommen."
„Das ist nicht das Einzige, worüber ich reden wollte," sagte Chan plötzlich und richtete seinen Blick direkt auf mich und Jisung.
„Ich hab gestern Abend was gesehen."
Jisung versteifte sich neben mir, sein Glas in der Hand. Ich blieb äußerlich ruhig, aber innerlich konnte ich den Sturm schon aufziehen sehen.
„Euch zwei," fuhr Chan fort und deutete mit dem Kopf zwischen uns hin und her.
„Ihr wart ein bisschen... nah, findet ihr nicht?"
„Na und?" fragte ich gelassen, obwohl ich merkte, wie Jisungs Hand leicht zitterte.
Bevor jemand weiter nachbohren konnte, sagte Seungmin in seinem typischen, tödlich nüchternen Ton: „Ach, Minho und Jisung ficken doch schon seit Monaten."
Die Küche verstummte.
„SEUNGMIIIN!"
Hyunjin schrie, als hätte er eine Tragödie miterleb, und zog Jeongin schnell an sich, um ihm demonstrativ die Ohren zuzuhalten. „Wie kannst du sowas nur vor unserem Baby sagen?"
Jeongin, der plötzlich zwischen Hyunjins Armen eingeklemmt war, schielte über seine Schulter. „Ähm, ich bin kein Baby?"
„Doch, bist du," rief Hyunjin theatralisch. „Und unser Baby soll keine schlimmen Wörter hören!"
Jisung schnaubte leise neben mir, aber ich konnte sehen, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. „Seungmin, halt die Klappe."
„Was denn?" Seungmin zuckte unschuldig mit den Schultern.
„Es ist ja nicht so, als ob wir es nicht alle wüssten."
„Was genau wussten wir?" fragte Chan langsam, als würde er die Puzzleteile gerade erst zusammensetzen.
Changbin, der das ganze Chaos ignoriert hatte, hielt plötzlich seine leere Hand in die Luft.
„Babe, kannst du mir die Marmelade geben?"
Die Atmosphäre hielt für einen Moment inne, bevor Hyunjin sich abrupt von Felix löste und Changbin anstarrte.
„Hast du ihn gerade ‚Babe' genannt?!"
„Ja, und?" Changbin nahm die Marmelade aus Felix' Hand und begann, sein Toast zu bestreichen.
„Seit wann nennt ihr euch Babe?" fragte Chan mit hochgezogenen Augenbrauen.
Felix grinste leicht, seine Wangen gerötet. „Ähm, seit... keine Ahnung? Es hat sich einfach so ergeben."
„Das ist ja total süß," sagte Hyunjin, bevor er eine plötzliche Eingebung hatte und zu Jisung zeigte.
„Aber das hier ist nicht süß! Ihr zwei habt uns nichts gesagt!"
„Weil es nichts zu sagen gibt," sagte ich ruhig, obwohl ich spürte, wie Jisungs Blick sich in meinen bohrte.
„Nichts zu sagen?" wiederholte Hyunjin und warf dramatisch die Arme in die Luft.
„Seungmin sagt, ihr vögelt und ihr wollt mir weismachen, dass da nichts ist?"
Ich atmete tief durch. „Können wir bitte einfach frühstücken?"
„Oh, ich genieße mein Frühstück bestens," sagte Seungmin mit einem unschuldigen Lächeln, während er seinen Smoothie nippte.
„Ich hasse euch alle," murmelte Jisung und rieb sich die Schläfen, während die Diskussion weiterging.
„Also, Minho," begann Seungmin mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen, „wenn ihr schon so diskret seid, dann kannst du uns ja ein bisschen mehr erzählen. Wie ist es so mit Jisung?"
„Ja, genau!" Hyunjin lehnte sich mit einem breiten Grinsen über den Tisch. „Wie läuft's im Schlafzimmer? Details, bitte!"
Ich hob eine Augenbraue, während Jisung neben mir erstarrte. Er war knallrot, von den Wangen bis zum Hals.
„Seid ihr sicher, dass ihr das wissen wollt?" fragte ich trocken und nahm einen Bissen von meinem Toast.
„Absolut," sagte Hyunjin und nickte eifrig.
„Okay." Ich setzte mein bestes Pokerface auf und legte die Gabel beiseite. „Er ist eng-"
„STOPP!" Jisung sprang auf und hielt mir abrupt die Hand vor den Mund, seine Augen weit aufgerissen.
„Kein Wort mehr!"
„Doch! Wir wollen das wissen!" protestierte Hyunjin und streckte die Arme aus, als wollte er mich aus Jisungs Griff befreien.
„Ich will das nicht wissen!", rief Jeongin panisch, während Felix ihm erneut die Ohren zuhielt. „Warum reden wir überhaupt über sowas beim Frühstück?!"
Ich schob Jisungs Hand langsam weg, lehnte mich zurück und grinste.
„Ihr habt gefragt."
„Ich hasse dich," murmelte Jisung, während er sich wieder setzte und die Hände über sein glühendes Gesicht legte.
„Oh, komm schon, Minho," sagte Seungmin, der seine Tasse Kaffee abstellte und mir mit einem süffisanten Lächeln zuzwinkerte. „Wir sind alle neugierig. Gib uns wenigstens einen kleinen Einblick."
Ich tat, als würde ich überlegen, legte den Kopf schief und ließ meine Stimme absichtlich ein wenig tiefer klingen. „Naja, es gibt da diesen Moment, wenn Jisung mich anschaut, bevor er-"
„MINHO!" Jisung sprang wieder auf und hielt mir beide Hände vor den Mund, diesmal mit mehr Nachdruck. „Nicht. Ein. Wort. Mehr!"
Die Küche brach in schallendes Gelächter aus. Hyunjin warf sich dramatisch zurück, Seungmin klatschte in die Hände und selbst Chan schüttelte amüsiert den Kopf.
Felix beugte sich zu Jeongin und flüsterte, „Okay, du kannst die Ohren jetzt wieder aufmachen."
„Sind sie fertig?" fragte Jeongin unsicher und warf vorsichtige Blicke über den Tisch.
„Noch lange nicht," murmelte Seungmin, der vor Lachen kaum Luft bekam.
Nachdem die Stimmung sich wieder beruhigt hatte und der Frühstückstisch leerer wurde, blieb ich allein mit Jisung in der Küche zurück. Die anderen hatten sich in ihre Zimmer verzogen oder waren mit ihren Aktivitäten beschäftigt.
Jisung lehnte sich gegen die Arbeitsplatte, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah mich mit einem Ausdruck an, der irgendwo zwischen Frustration und Verlegenheit lag. „Musste das sein?"
„Du weißt doch, wie sie sind," antwortete ich gelassen und begann, die Teller zusammenzuräumen.
„Ja, aber du musstest es noch schlimmer machen."
Ich zuckte die Schultern, drehte mich zu ihm um und lehnte mich mit einem verschmitzten Lächeln an die Spüle. „Gib's zu, ein Teil von dir fand's lustig."
„Ein winziger Teil," murmelte er, aber ich konnte sehen, wie die Ecken seines Mundes zuckten.
„Du bist süß, wenn du wütend bist."
„Ich bin nicht süß."
„Doch, bist du." Ich trat näher, bis wir nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren.
„Und übrigens... wenn ich's wirklich erzählen würde, könnten sie nicht damit umgehen."
Jisung starrte mich an, bevor er schließlich den Kopf schüttelte und leise lachte. „Du bist unmöglich, weißt du das?"
„Weiß ich."
Er griff nach einem Küchentuch, warf es mir ins Gesicht und ging mit einem gespielt genervten Seufzen aus der Küche. Ich blieb zurück, grinste in mich hinein und machte mich wieder daran, die Teller zu spülen.
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