11
Die Sonne war kaum aufgegangen, als ich in die Küche trat, die nach frisch gebrühtem Kaffee und Toast duftete. Die anderen saßen bereits am Tisch. Hyunjin hatte sein Gesicht halb in seinen Armen vergraben, während Felix neben ihm mit einem Becher Tee saß und leise summte.
Chan blätterte in einer Zeitung, die er wahrscheinlich aus purer Nostalgie gekauft hatte, und Seungmin schmierte in aller Ruhe Erdnussbutter auf seinen Toast.
Ich setzte mich schweigend auf einen der freien Stühle und griff nach einer Schale Cornflakes, als Jisung hereinkam. Sein Haar war noch unordentlicher als sonst, seine Augen halb geschlossen, aber sein Grinsen eindeutig. Er warf mir einen kurzen Blick zu, voller unausgesprochener Worte, und setzte sich neben mich.
Die Stimmung am Tisch war seltsam ruhig – zu ruhig. Es fühlte sich an, als warteten alle auf etwas, und als ich gerade den ersten Löffel in meine Schüssel tauchen wollte, brach Hyunjin die Stille.
„Also.“ Er hob den Kopf, sein Gesicht plötzlich viel zu wachsam für diese Uhrzeit.
„Habt ihr eigentlich irgendeine Ahnung, wie laut ihr gestern Abend wart?“
Ich hielt inne, mein Blick glitt langsam zu Jisung, der schlagartig rot wurde. „Was?“ brachte er heraus, seine Stimme einen Hauch höher als sonst.
„Laut“, wiederholte Chan trocken, die Zeitung zur Seite legend.
„So wie: Ich musste mir ein Kissen auf den Kopf pressen, um überhaupt an Schlaf zu denken.“
„Und ich bin nicht besonders empfindlich, was Geräusche angeht“, fügte Seungmin hinzu, wobei sein Tonfall verriet, dass genau das Gegenteil der Fall war.
„Ich dachte, jemand wird ermordet“, murmelte Hyunjin und schlürfte an seinem Kaffee, als wolle er die Dramatik seiner Aussage untermalen. „Oder dass du, Jisung, einfach… keine Ahnung, explodierst.“
Jisungs Hände schossen vors Gesicht, und ich konnte sehen, wie seine Ohren langsam eine tiefrote Farbe annahmen. „Oh mein Gott“, flüsterte er durch seine Finger hindurch.
„Ich finde, wir sollten Regeln aufstellen“, schlug Seungmin mit seinem typischen Sarkasmus vor, während er seinen Toast kaute.
„Wie zum Beispiel: Keine ohrenbetäubenden Geräusche nach Mitternacht.“
„Oder überhaupt“, fügte Felix hinzu und grinste, obwohl er offensichtlich Spaß daran hatte.
Ich schüttelte nur den Kopf, während ich versuchte, einen Rest meiner Würde zu bewahren.
„Ihr übertreibt“, sagte ich und nahm einen Löffel von meinen Cornflakes, als ob das die Diskussion beenden könnte.
„Übertreiben?“ Hyunjin stellte seine Tasse ab und starrte mich mit aufgerissenen Augen an.
„Minho, ich habe fast geweint. Meine Ohren bluten immer noch.“
„Ihr seid einfach nur neidisch“, murmelte Jisung, wobei er sich langsam von seinen Händen löste und versuchte, sich zu verteidigen.
„Neidisch?“, wiederholte Chan und hob eine Augenbraue.
„Ich glaube, wir sind einfach traumatisiert.“
Es folgte ein Moment der Stille, bis Jeongin, der bis dahin nichts gesagt hatte, die Worte fand, die alle aussprechen wollten. „Jisung, du hast geschrien.“
Das Gelächter brach sofort los. Hyunjin prustete seinen Kaffee über den Tisch, Felix schlug sich vor Lachen die Hände vors Gesicht, und selbst Seungmin, der normalerweise die Ruhe selbst war, musste seinen Toast weglegen, weil er so sehr lachte.
Jisung versteckte erneut sein Gesicht, während ich versuchte, meine eigene Verlegenheit hinter einem Stirnrunzeln zu verbergen.
„Ihr seid unmöglich“, murmelte ich, konnte aber das kleine Lächeln nicht ganz unterdrücken.
„Oh, Minho“, sagte Felix zwischen zwei Lachanfällen, „wenn ihr das nächste Mal laut sein wollt, bitte, bitte schickt uns vorher alle aus der Wohnung.“
„Oder besorgt euch eine schalldichte Tür“, fügte Seungmin trocken hinzu.
„Oder macht beides“, sagte Chan, während er sein Glas hob, als wolle er darauf anstoßen.
Trotz der Peinlichkeit fühlte es sich seltsam leicht an, wie immer bei uns. Jisung schaffte es schließlich, seine Verlegenheit abzuschütteln, und als sich die Gruppe beruhigte, grinste er mich an.
„Immerhin war’s ein denkwürdiger Abend“, flüsterte er leise, sodass nur ich es hören konnte.
Ich schnaubte leise, schüttelte den Kopf und wusste, dass das Frühstück noch lange in Erinnerung bleiben würde.
Nachdem das Frühstückschaos endlich abgeklungen war und alle sich wieder beruhigt hatten, saßen wir noch eine Weile träge am Tisch. Die Stimmung war entspannt, doch es lag eine seltsame Energie in der Luft, als ob alle etwas wollten, ohne zu wissen, was.
„Leute“, begann Hyunjin schließlich und stützte seinen Kopf auf die Hand, „wir sollten mal wieder etwas Verrücktes machen.“
„Wie verrückt reden wir hier?“ fragte Seungmin skeptisch, der gerade versuchte, die letzten Krümel von seinem Toast aufzuwischen.
„Ich rede von rausgehen, irgendwas erleben. Irgendwas, das wir später erzählen können.“
Felix kicherte und lehnte sich vor. „Was genau hast du im Kopf? Ein Roadtrip? Ein Konzert crashen? Oder willst du wieder versuchen, nachts in den Zoo zu schleichen?“
„Das war ein guter Plan!“, verteidigte sich Hyunjin.
„Nur… schlecht ausgeführt.“
„Wie wär's mit was anderem?“ warf Chan ein, wobei er sich nachdenklich an den Kinn kratzte.
„Etwas Spontanes. Was ist, wenn wir einfach jetzt sofort ins Auto steigen und irgendwo hinfahren? Keine Pläne, keine Ziele, einfach drauf los.“
Die Idee schlug sofort ein. Hyunjin sprang fast vom Stuhl, Felix klatschte begeistert in die Hände und selbst Seungmin zeigte ein kleines, anerkennendes Nicken.
Jeongin und Changbin waren nur am Essen, nickten jedoch.
„Okay, ich bin dabei“, sagte Jisung und sah mich an, ein Funkeln in seinen Augen.
„Was meinst du, Minho?“
Ich zuckte mit den Schultern und grinste. „Solange ich nicht fahren muss.“
Und so fanden wir uns keine Stunde später in Chans klapprigem Van wieder, den Kofferraum voller Snacks und einem schwammigen Plan: einfach irgendwo hin, wo es schön ist. Hyunjin hatte sich für den Beifahrersitz qualifiziert, weil er die Playlist übernommen hatte und das Auto vibrierte bald zu irgendeinem energischen Song, während wir auf die Autobahn fuhren.
Die Stimmung war ausgelassen.
Felix erzählte eine absurde Geschichte aus seiner Kindheit, die Jeongin vor Lachen fast in Tränen ausbrechen ließ, und Jisung ließ es sich nicht nehmen, mich immer wieder mit Chips zu füttern, während er sich halb über meinen Sitz lehnte.
Irgendwann, nach etwa zwei Stunden Fahrt, fanden wir uns an einem abgelegenen See wieder, umgeben von einem kleinen Wald.
Das Wasser glitzerte unter der Sonne, und die Luft war klar und frisch.
„Das ist perfekt“, sagte Hyunjin, als wir ausstiegen, und streckte die Arme in die Luft.
„Also, was machen wir jetzt?“ fragte Felix, während er seine Schuhe auszog und vorsichtig mit den Zehen das Wasser testete.
„Baden!“ rief Jisung begeistert und begann sofort, sein Shirt auszuziehen.
„Du bist verrückt“, lachte Seungmin. „Das Wasser ist eiskalt!“
„Ich bin dabei“, sagte ich, und bevor irgendjemand widersprechen konnte, waren Jisung und ich die ersten, die ins Wasser sprangen.
Es war kalt, so kalt, dass es mir fast den Atem raubte, aber Jisungs Lachen machte es unmöglich, sich zu ärgern. Er spritzte Wasser in meine Richtung, und bald waren auch die anderen im Wasser – widerwillig, aber am Ende lachend und kreischend.
Die Zeit verging wie im Flug.
Wir redeten, lachten, sprangen immer wieder vom kleinen Steg ins Wasser und schwelgten einfach in der Freiheit des Augenblicks. Es war einer dieser Tage, die man nie vergisst – voller Leichtigkeit, Freundschaft und dem Gefühl, dass alles möglich war.
Am Ende, als die Sonne unterging und die letzten Strahlen das Wasser in Gold tauchten, saßen wir alle am Ufer, eingewickelt in Handtücher, und teilten die Snacks, die wir mitgebracht hatten.
„Das hier“, sagte Chan leise, während er auf den glitzernden See blickte, „ist das Leben, oder?“
Ich nickte, während mein Blick auf Jisung fiel, der müde, aber glücklich an meiner Schulter lehnte. Ja, das war das Leben. Und in diesem Moment hätte ich mir nichts anderes gewünscht.
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