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𝐗𝐗𝐗𝐕𝐈𝐈

Ganz vergessen, also jetzt erst... Stressiger Tag, Stressiges Leben.

☽ ⋆ 𝐋 ⋆ ☾

»Niall!« Ich brauchte jeden Funken Beherrschung in mir, um das Papier in meinen Fingern nicht unter dem Druck der Aufregung zu zerreißen. »Niall, komm mal!« Unsere Uhr tickte; Zayn konnte nicht mehr lange im Bad verschwunden sein. »Ni-all!« Lachen lief über meine Lippen wie eine volle Badewanne.

»Alles okay, Louis?« Er war längst hinter mir. Das Grinsen zerrte meine Wangen jetzt schon, als ich über die Schulter zu ihm aufsah. Aus meiner knienden Position und vor Zayns verwaschener Wohnheimwand sah er wie ein Hoffnungsträger aus.

»Ich habe etwas gefunden.«, erklärte ich triumphierend und beschloss, nicht mehr mit dem Lachen zu kämpfen. »Ich würde dir gerne etwas vorlesen.«

Er sah verwirrt aus, aber genauso zuckte sein Mundwinkel unter der geheimnisvollen Versuchung, in meine Euphorie einzustimmen. Geduldig wartete er. Noch hatte ich kein Spülen der Toilette vernommen.

»Ich weiß, du hast nicht so viel für Literatur und Lyrik übrig, aber glaub mir, du wirst nicht enttäuscht werden!« Hektisch blätterte ich auf eine beliebige Seite unter meinen Fingern. Ich konnte mein Glück nicht fassen.

»Keine Titel«, warnte ich, bevor ich mich pathetisch räusperte. Mein Blut kochte. Und dann las ich mit irrer Freude in Bauch und Stimme.

»Do you remember that time we kissed
underneath what must have been
a birch tree?
Messy branches and messy tongues.
There was a
what was it?
a trunk
covered in moss.
You liked the smell but hated the thought
of the dampness.
You didn't want to sit
so you kissed me instead.
I owe that kiss to the ants and fungi.
It's five past seven
and I'm losing the memory
of your face
fading like a polaroid paper's innocence
stained with the burden of life.
Life is what's burdening me, too.
Forcing me to create memories
simply to
replace the old ones.
There's no winning in losing you.
How would I want to keep going
if every new second spent
was a past one lost?
Do you remember that time we kissed?
I won't.
Unless you kiss me again.«

Nialls Stirn war gerunzelt. Ich hätte die Decke des Hauses anheben und fünf Straßen weiter werfen können. Im Bad lief Wasser. Eile!

»Zayn?«, fragte Niall, der längst über meine Schulter gebeugt war und die gekritzelten Buchstaben mitlesen konnte.

Ich hatte keine Zeit zum Antworten. Nächstes Werk.

»I slept in today
Toes warm on the cold tiles
You were covered in shaving cream
talking about
how you hated shaving
but the stubble more.
I don't really mind though-«

»Louis Tomlinson!«

Ich war vorbereitet. Ich nahm mir nicht die Zeit, in Zayns aufgebrachtes Gesicht zu sehen, und sprang auf die Füße. »Du hast ein großes Meisterwerk unterbrochen!«, protestierte ich. Mit ausgestrecktem Arm drückte ich mich an Zayn vorbei. Er war größer, aber ich war schneller. Mit glühendem Adrenalin in den Muskeln schlüpfte ich aus Zayns Zimmer und brachte den runden Küchentisch zwischen uns. Mein Sieg. Er konnte den Tisch nicht umrunden, bevor ich es nicht selbst getan hatte.

»Louis!«

Mein Zwerchfell hüpfte unter dem gierigen Lachen. »Entschuldigt die Unterbrechung. Das Werk wird fortgesetzt:
So I brushed my teeth
which I don't really mind either-«

»Ich warne dich, Louis!«

»You didn't dare to kiss me,
plastic stick in my mouth.
But maybe I wouldn't really mind though. Choking might be worth
the bittersweet taste of-«

»Ich war 15, Louis!«

»-you shaving and me brushing my teeth
mixing on the tips of our tongues.
I think I might break my alarm clock
like the crack in the mirror
you watch yourself in so carefully.
Would you mind?«

Das Lachen schüttelte mich und Zayn jagte mich mit verzweifelten Schritten.

»Du bist einer der größten Dichter unserer Zeit, Z!«, erkannte ich ihm an und blätterte schon nach dem nächsten der grauenhaften Gedichte. Ich hatte gewusst, dass Zayn seit seiner Kindheit Gedichte verfasste – ich hatte nur nie so viel Glück gehabt, dass mir eines seiner Hefte in die Hände fiel. »Warte, warte; wer ist Vincent?«

Seine Fingerspitzen schienen mehr mein Grinsen als die beschriebenen Seiten an sich reißen zu wollen.

»Niemand, Louis! Gib es her! Bitte!« Er wurde schon langsamer, er gab auf. Ich wusste, dass ich nicht sein Vertrauen brach. Er wusste so gut wie ich, dass die Gedichte schlecht waren, wie es die eines Fünfzehnjährigen zwangsweise sein mussten – es sei denn vielleicht, man hieß Arthur Rimbaud. Wären es aktuelle Entwürfe gewesen, hätte ich das Heft nach der ersten Sekunde wieder zugeschlagen. Das hier hatte ich mir verdient. Und Zayn würde es sehr gut verkraften können.

»Niall, hör zu, viele Imperative!«

»Niall, hilf mir!«, fiel Zayn ein. »Komm von der anderen Seite, dann kann er nicht weglaufen!«

Niall stand großäugig im Türrahmen. Aber ich sah, dass nur Millimeter unter der Oberfläche ein amüsiertes Lächeln schlummerte.

»Vincent, kiss my knuckles.«

»Louis, ich werde dich köpfen.«

»Vincent, touch my spine.«

»Wag es ja nicht!«

»Stroke what's left of my dignity«, Lachen ließ die Worte stolpern und Zayn redete jetzt pausenlos über mich hinweg, aber ich fuhr fort. Hoffentlich laut genug, dass Niall mich hörte.

»Vincent, would you?
There's none of this that isn't yours.
Obliterate who I haven't been.
Make me what you'll make me do.
Vincent, your breath on my knees, pretty please?
Stick to my skin cool and heavy like sweat, electric like fear.
It's your pulse I'm most afraid of.
Won't you bite my wrist?
These nerves were strung for you.
Warm my temple.
Bruise my lips.
Vincent, give me colours.
There's grace in being held by you.
Vincent, kiss my knuckles.«

Zayn war stehengeblieben, Arme vor der Brust verschränkt. »Du bist ein grausamer Mensch, Louis.«

»Das ist der beste Tag meines Lebens!«

»Deine Mum wäre enttäuscht.«

»Meine Mum liebt es, wenn ich Gedichte vortrage!« Ich drehte mich zu Niall. »Weißt du, ich habe früher Preise für mein wunderschönes Rezitieren gewonnen. Echte Urkunden. Du erlebst eine rare, hochbegehrte, künstlerische Darbietung eines renommierten Vortragenden mit den Werken eines-«

»Lou, bitte hör auf. Ich sterbe.« Zayn sah mich mitleiderregend an, Schultern ohne Spannung. »Ich war ein Baby.«

»Aber wer ist Vincent? Wir kannten niemanden... Als wir 15 waren..? Für wen steht Vincent? Sehr nobel natürlich, dass du deine frühesten Liebhaber anonym halten wolltest, aber wer..? Ellis?«

»Hör auf, Louis.«

»Ich kann nicht, Zayn. Tut mir leid. Eins noch, okay? Du kannst mir das nicht nehmen.«

»Bitte nicht.«

»Ein einziges, ein kurzes!«, bettelte ich mehr als er.

»Louis.« Er hielt mir auffordernd die Hand entgegen.

»Eine Zeile, eine Zeile! Ich suche eine Zeile, die ich wirklich gut finde, und das war's. Ja? Ein fairer Abschluss.« Ich blätterte schnell, gleich wäre der Schatz aus meinen Händen. »Hier! Lass es mich lesen, Zayn, bitte. Eine Zeile. Warte, nur eins, zwei...acht Wörter.«

»Lies und gib es mir zurück.«

Ich lächelte dankbar und strahlend. »Es ist eine letzte Zeile.«, berichtete ich an Niall gerichtet wie ein Vorwort. »Zu einem titellosen Gedicht. Du mochtest keine Titel, Zayn. Also«, wieder räusperte ich mich. »Die hier ist nicht schlecht, Zayn, die hier ist okay!«

Zayns Blick war unbeeindruckt. Ich spürte den plötzlichen, raschen Abfall meiner Euphorie. Wie eine Badewanne, deren Stöpsel gezogen wurde. Wie ein Kind, das sein Spiel zu lange getrieben hatte.

»May I kiss your cheeks and be swallowed whole?«, las ich, und gab mir zumindest ein bisschen Mühe.

Zayn stützte sich auf den Tisch und entriss mir das Heft. »Ich lasse dich nie wieder alleine in mein Zimmer.«

»Ich wollte wirklich das Buch suchen! Ich habe es nur nicht gefunden. Nicht vor diesem Schatz hier.« Ich hatte meine Ausgabe von ›Manfred‹ vergessen und sollte Zayns aus seinem Bücherregal holen. War immerhin nicht meine Schuld, dass er dort andere Schriften verbarg.

Zayn strich über die runden Ecken des Notizbuchs. »Ich verspreche, dass das die Schlechtesten sind, die ich je geschrieben habe. Ich war viel zu jung.«

»Der Anfang deiner Karriere.« Ich zog den Stuhl zurück und setzte mich wieder auf den Platz, an dem mein Laptop stand. »Ich hätte nicht gedacht, dass du...da ist so viel über Beziehungen und körperliche Anziehung dabei. Schreibst du immer noch so viel darüber?«

Er zuckte mit den Schultern. »Ein bisschen. Viel anderes. Ein bisschen.« Er sah zu Niall und ich konnte nicht anders, als seinem Blick zu folgen. »Es ist anders, heute. Ich schreibe nicht nur, um zu schreiben.«

Niall wirkte gelassen. Er wirkte meistens gelassen. Er lächelte. »Es waren neun Wörter. Die letzte Zeile.«

Zayn schaffte ein Grinsen. Er war längst verloren. »Genug davon. Zurück an die Arbeit.«

Es dauerte nicht mehr lange, eine Minute, zwei, dann saßen wir wirklich alle wieder in Stille und arbeiteten. Zayn und ich konstruierten unseren Romantikaufsatz zusammen – der ursprüngliche Grund, wieso wir uns zum Arbeiten getroffen hatten. Niall hatte sich eingeklinkt. Er hörte geduldig über Zayns und meine Diskussionsfragen hinweg, manchmal hatte er Musik laufen. Vielleicht tangierten sich die Literatur von 1776 bis 1832 und die Vektorenrechnungen der Planetenlaufbahnen aber auch so wenig, dass wir ihn gar nicht ablenken konnten.

Die Herausforderung für uns war sowieso hauptsächlich, dass wir trotz unserer Absprachen und Diskussionen nicht das Gleiche schrieben. Wir hatten ähnliche Themen gewählt und schrieben jetzt knapp aneinander vorbei. Aber Zayn würde hiervon profitieren, viel mehr noch als ich. Seine Zeit vor Weihnachten würde deutlich anstrengender werden als meine, er verdiente, sich so viel Arbeit wie möglich dank des Bades in meinen Gedanken zu sparen. Und wir kamen auch ganz gut voran. Wir würden nicht heute fertig werden, aber mit ein bisschen Glück – und Disziplin – innerhalb der nächsten Woche. Ganz egal, wie viel dann immer noch auf uns wartete; das war ein guter Anfang.

»Es ist Freitag.«, seufzte Zayn nach ein paar weiteren Diskussionen und Stille unter den Plastikmelodien unserer Tastaturen und Nialls Kugelschreiberausführungen. »Fällt mir jetzt erst ein. Es ist jetzt schon die Zeit gekommen, in der Wochenenden sich nicht mehr wie Wochenenden anfühlen.« Kraftlos sank er mit dem Kopf auf die Arme. Ich verstand ihn. Ich wollte auch Erlösung.

»Wir könnten trotzdem irgendwas Schönes machen heute Abend. Ein bisschen Freitagsstimmung.«, schlug ich mit vorsichtigem Blick vor, für den Fall, dass die beiden schon längst eine Datenacht zu zweit geplant hatten. Falls ja, sah ich es ihnen nicht an. »Kann auch etwas Ruhiges sein. Und ist sowieso nur ein Vorschlag.«

»Vorhin hast du noch davon geredet, wie sehr du dich darauf freust, dich endlich in dein Bett kuscheln zu können.«, bemerkte Zayn trocken.

Tja, ich hatte meine Meinung geändert. Oder eher; meine Zunge war schneller gewesen als meine Gedanken. Jetzt wusste ich gar nichts mehr. Nachdem Harry gestern Morgen verschwunden gewesen war, hatte er sich auch abends nicht mehr blicken lassen. Und aufgrund meines neugewonnenen Wissens war mir jetzt ja auch bewusst, dass ich in der Uni nicht nach ihm Ausschau halten musste.

Meine Hoffnungen darauf, Harry wiederzusehen, wenn ich später nach Hause kam, lösten sich mit jeder verstreichenden Minute weiter in Luft auf – und das war wahrscheinlich eine Lüge an mich selbst, weil ich nie auch nur den blassesten Schimmer Hoffnung gehabt hatte. Trotzdem graute es mir vor der Abwesenheit seines Anblickes. Wo er auf der Treppenstufe fehlte, wollte er die Innenseite meiner Augenlider nicht mehr verlassen. Die Innenseite meiner Augenlider und die lodernden Flammen meines Gewissens. Wer hatte jemals behauptet, es sei gesund, ein aktives Gewissen in sich zu tragen? Hatte mein dauerhaft schlechtes Gewissen um Harry herum mich davon abgehalten, ihn grauenhaft zu behandeln? Nein.

Ich hatte letzte Nacht zum ersten Mal seit Längerem einen meiner Albträume gehabt. Vielleicht war das der Weg meines Unterbewusstseins, mich für meine Ignoranz zu bestrafen. Wenn ja, dann Herzlichen Glückwunsch an mich selbst. Sieg auf voller Linie.

Ich hatte Zayn davon erzählen wollen. Und ich gewann Niall wirklich mit jeder Begegnung lieber – aber das ging noch ein bisschen zu weit. Ich würde warten müssen, bis ich Zayn das nächste Mal allein sah. Wie es sich anhörte, würde das nicht heute Abend sein. An diesem glorreichen Freitagabend.

»Mein Bett läuft nicht weg.«, erwiderte ich schließlich und hasste die Wahrheit. Es würde nicht weglaufen, barfuß, hilflos, hintergangen. War das wirklich Ich gewesen, der vor knapp einer Stunde so luftgierig gelacht hatte, dass etwas in meinem Oberbauch wehgetan hatte? Was war die letzte Zeile gewesen, die ich vorgelesen hatte? Ich hatte das Gefühl, das ganze ›Vincent, kiss my knuckles‹-Gedicht mehr als weniger wiedergeben zu können, aber der eine Vers, den ich vom untersten Ende einer linken Seite gepflückt hatte..?

»Filmabend.«, schlug Niall vor, ohne auch nur den Stift abzusetzen. Es war das erste Mal, dass mir auffiel, dass er Linkshänder war. Unsere Ellenbogen ruhten seltsam nah aneinander.

»Wir könnten etwas spielen.«, stieg Zayn ins Brainstorming ein.

»Karaokeabend.«, sagte ich kurzangebunden und behielt Zayns Gesicht im Auge.

»Ja, eine Freude fürs ganze Haus.«, erwiderte er so wenig ernst wie ich, legte die Finger wieder auf die Tastatur.

Niall grinste. »Kissenschlacht.«

Ich lachte für eine Sekunde mit dem Bild von uns dreien und den zwei Kissen, die Zayn besaß, vor dem inneren Auge. Bis das Lachen fiel, weil ich wusste, dass genau dort meine Erlösung läge.
Ich wollte bei Zayn übernachten. Nicht zu meiner eigenen Wohnung zurückkehren. Das Treppenhaus nicht leer vorfinden müssen.

Aber ich wusste nicht, ob Niall schon als Übernachtungsgast eingeplant war. Nicht, weil mir die Regeln des Wohnheims besonders wichtig waren, sondern weil ich keine Datenacht der beiden sprengen wollte. Niall war zu zuvorkommend und würde mich sofort einladen und sich selbst potentiell aus-, sollte ich fragen, und Zayn bräuchte nur einen Blick in mein Gesicht, um zu wissen, dass er mich nicht gehen lassen würde. Was eigentlich albern war. Es ging mir gut. Es sollte mir jedenfalls gut gehen. Diese ganze Harry-Sache war zwar unfair – für ihn – und ganz und gar nicht so gelaufen, wie sie hätte laufen sollen, aber das war jetzt abgewickelt.

Louis, kannst du dir den Ellenbogen vor die Augen halten und bis 72 zählen?

Es hätte keinen Unterschied gemacht. Es war, was Harry immer getan hatte; weglaufen, wenn ich gerade nicht hinsah.

»Lasst uns noch kurz arbeiten.«, bat Zayn, obwohl er sowieso nie richtig aufgehört hatte. »Ich kann mich gerade ganz gut konzentrieren. Wir können das später noch besprechen.«

Schweigen war seine erwünschte Antwort und folgte. Ich wollte ihm den Ellenbogen in die Seite stoßen und ihn darauf hinweisen, dass es er gewesen war, der mit dem Reden begonnen hatte. Niall und Zayn fuhren fort wie nie angehaltene Maschinen. Ich starrte auf meinen Bildschirm, las den abgebrochenen Satz viermal durch, bis er klickte. Es dauerte noch dreimal so lang, bis mir einfiel, wie ich ihn beenden wollte. Träge bemühte ich mich, mehr zu schreiben. Aber meine Konzentration war überfallen worden.

Als ich ›Harry‹ anstelle von ›Horace‹ (Walpole) schrieb, gab ich auf. Mein Blick verschwamm auf dem Display meines Laptops, bis es schwarz wurde. Schatten der starren, schwarzen Worte, oder eher der weißen Umrisse, zeichneten sich als Illusion auf meine Netzhaut und ich folgte ihnen, bis auch sie mich verließen. 15. November; ein Monat und zehn Tage bis Weihnachten. Wie sehr ich einschlafen wollte und für zwei Monate nicht aufwachen. Oder mich in der Zeit zurückträumen. Schlafsand in den Augen als Treibstoff meiner Zeitmaschine.

Eine Zeit vor Niall, eine Zeit in Doncaster. Zayn und ich in dem Rausch der Freiheit einer eigenen Wohnung, die uns mehr einengte als je zuvor. Unordnung und Bücher und Visionen und Aufregung bis an die Decke, Angst gut verstaut mit dem Staub unter meinem Bett.
Oder früher noch. Zayn und ich zwischen dünnen Membranen eines Zeltes, nur Meter entfernt von der schützenden Backsteinwand, die Zuhause war. Leichtsinn und Neugier und die Verwirrung aller Emotionen auf aufgeheizter Haut unterkühlter Körper. Regen sanft, sanft wie eine Wahrheit, die wir immer gekannt hatten, aber für einen Moment vergessen wollten; Wochen der schönsten, naivsten Fehler meines Lebens.
Noch früher? Zayn und ich, unsicher wie Verratene, in Sommersandalen auf brutalem Betonboden, der die unschuldigste Kindheit töten und den Geschmack des Lebens bringen würde. Blut und Tränen, Ekstase und Freundschaft. Familie, die einzige je bekannte Sicherheit, und auch die einzige, auf die wir zählten. Die einzige, die uns immer schützen würde.

Nie war ich tiefer hintergangen worden. Ich wollte zurück, weg von Niall, weg von Harry, zu Zayn, nur Zayn und ich, meine Mum, und irgendwann, vor langer Zeit sogar mein Dad. Zu all den Versionen eines Louis, der nicht besser wusste, was er niemals besser lernen sollte. War es nicht das Natürlichste auf der Welt, dass Eltern ihre Kinder klein halten wollten? Ich wollte mich selbst klein halten. Ich wollte die Zeit anhalten. Stopp und nie mehr weiter. Nie wieder. Keine einzige heuchlerische Zelle durfte sich je wieder teilen. Kein Blutfluss. Kein Atem. Das Leben als eigensinniges Spiel unverzeihlicher Regelbrüche- Halt. Aus. Ende.

Zeitmaschinen waren nie erfunden worden. Und rechtzeitig würde es niemand mehr schaffen. Rechtzeitig war jetzt. Rechtzeitig war heute, gestern, vor drei Jahren und 27 Tagen. Menschen; bewegt die Zeit und macht sie euer Untertan wie alles andere in dieser Sphäre der ewigen Unterdrückung. Zeitmanipulation würde vor dem ersten Weltfrieden eintreten, und es wäre trotzdem zu spät. Oh, die Betäubung durch Unfähigkeit.

»Darf ich mich auf dein Bett legen, Z?«, fragte ich so wenig aufrüttelnd wie möglich und schaffte es, dass Niall nicht mal aufsah.

Zayn runzelte die Stirn. Seine Augen waren so dunkel. »Klar. Wir können aber auch einfach-«

»Ist okay. Macht ruhig noch weiter. Ich kann gerade nicht denken.« Ich schaffte ein hoffentlich überzeugendes Lächeln und befreite mich aus der Enge von Tisch und Stuhl, klappte mein Laptop zu, ließ Bücher und Notizen aber liegen. Auf sanften Füßen tapste ich in Zayns kleines Zimmer, öffnete das schräge Dachfenster einen Spalt weit und ließ mich auf sein halbwegs ordentlich gemachtes Bett fallen. Es war nicht warm, aber mit Hilfe meiner Hacken und Zehen schälte ich trotzdem die Socken von den Füßen. Es war seltsam, wie Müdigkeit kam, wo die Gedanken aufhörten.

Obwohl es nicht verwundern sollte, dass ich müde war. Die letzte Nacht hatte ich mich von einer Seite auf die andere gewälzt und den Schlaf vergeblich gejagt wie einen Schatten. Es waren die unstillbaren Sorgen und Vorwürfe und Ängste. Aber es war ungewohnt für meinen Körper gewesen. Die Nächte davor hatte Wärme mich schnell und friedlich in den Schlaf gewiegt, als hätte Harry an meiner Seite gesungen. Einsamkeit hatte mich sofort verraten. Und der Verrat holte mich ein.

Ich rollte mich zu einer Kugel, auf dem Kissen, auf der Decke. Irgendwo war Zayns Tastaturtippen, irgendwo ferner die Geräusche vom Manchester eines Freitagabends. Ich lernte nicht mehr, Auto von Wohnheimlüftung zu unterscheiden, bevor kalter Schlafverlust mich eingeholt hatte.

»Louis?« Zayns Handfläche schob sich sanft auf meinen Oberarm. Etwas in mir zuckte, vielleicht sogar meine Muskeln, und ich blinzelte in das dunkle Licht. Zayns Gesicht glühte über meinem. Mit leisem Stöhnen schloss ich die Augen wieder. Ich war eingeschlafen.

»Dir ist kalt, Lou.«, fuhr Zayn leise fort und als ich seine Finger auf der Haut unter dem hochgeschobenen Ärmel meines Unterarms spürte, öffnete ich die Augen wieder. »Du hast eine Gänsehaut.«

Ich schielte skeptisch zu dem berührten Handgelenk hinunter und entdeckte die schockierte Haut. Mit weiterem wortlosen Protestgeräusch kugelte ich mich enger ein. Zayn hatte recht. Mir war kalt. Das Fenster klaffte immer noch verräterisch weit offen. Das ganze Zimmer fror.

»Ich wusste nicht mal, dass man beim Schlafen Gänsehaut bekommen kann.«, berichtete Zayn, er änderte seine Position auf der Kante des Bettes. »Du bist einfach eingeschlafen.«

Gut erkannt. Ich Idiot. Auch wenn es das letzte war, das ich tun wollte, stützte ich mich hoch auf meine Ellenbogen. Ich warf einen suchenden Blick auf Zayns Nachttisch, aber er besaß keinen Wecker.

»Es ist kurz nach 10.«, las er erfolgreich meine Bewegung.

Ich setzte mich gerader auf. »Niall?«, fragte ich mit gespitztem Gehör auf Geräusche aus der Küche, aber ich hörte nichts. Von irgendwo her dudelte gedämpfter Jazz, aber das musste eines der Zimmer von Zayns Mitbewohnern sein.

Sein Gesicht war warm, es zog mich zu sich wie eine echte Heizquelle. »Er ist vor ein paar Minuten los. Hast du Hunger, Louis?«

Ich schickte mein Gefühl in meinen Bauch und schüttelte den Kopf. »Wäre er sonst geblieben? Ich wollte ihn nicht verscheuchen.«

»Bist du sicher? Wir haben gekocht – nichts Aufregendes, nur ein bisschen Reis und Gemüse. Aber du kannst gerne noch was haben.«

»Zayn, hätte Niall hier übernachtet? Du kannst ihn noch anrufen, ich kann nach Hause gehen, er soll nicht wegen mir-«

»Alles gut, Louis.« Zayn hob beschwichtigend seine linke Hand um Millimeter. »Du kannst gerne bleiben, wir hatten einen schönen Abend. Niall hat dich schon eingetragen. Aber zieh dir was Dickeres an.«

Direkt umfloss mich das zurzeit zu vertraute schlechte Gewissen. Das heiße Bad darin schien kein Ende zu finden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich mich daran verschluckte. Gleichzeitig war ich erleichtert. Ich würde nicht nach Hause gehen müssen. Kein leeres Treppenhaus, keine fehlende gespenstische Silhouette im Dunkeln. Wie immer war Zayn Retter all meiner Welten. 

»Ich glaube, ich würde ganz gerne schlafen gehen.«, gestand ich und wusste, dass die Schlafzeiten mit Harry auf mich abgefärbt hatten.

Zayn nickte. »Klar. Du siehst müde aus.«

Gute Feststellung. Ich wollte es ihm sagen, irgendetwas Sarkastisches, aber mir fehlte die Kraft. »Bin ich.«, bestätigte ich stattdessen.

»Na dann komm.« Er streckte seine Hand aus, ich ergriff sie, und er zog uns beide auf die Füße. Mein Kopf war für anderthalb Sekunden ein Stück Stahlwolle, dann hatte das Blut aufgeholt. Ich atmete aus.

Etwas rann mir vertikal über den Rücken, fast schüttelte ich mich. »Du hättest das Fenster zumachen können.«

»Ich wollte dich nicht wecken.«

»Du hast mich geweckt.«

»Musste ich. Ich wusste nicht – oh, Reim! Cool. Ich wusste nicht, ob du vielleicht doch nach Hause willst. Oder noch was essen auf jeden Fall. Du wärst mir nicht dankbar gewesen, hätte ich dich in der Jeans die ganze Nacht da schlafen lassen.«

Er hatte recht, aber mein Kopf war am Reim hängen geblieben. Zayns rhythmische Worte und die plötzliche Erinnerung an das Heft mit seinen vergangenen Versen. Es war unumgänglich; er würde noch mein Ergebnis aus dem Bus sehen müssen.

»Ich gehe Zähne putzen.«, erklärte ich, um diesen Moment noch ein paar Minuten hinauszuschieben.

»Ich komme mit.«

Obwohl die Tür nur angelehnt gewesen war, schlug mir eine kleine Wolke aus Kreuzkümmelaroma entgegen. Der Tisch war leergeräumt, meine Unisachen lagen aufgestapelt auf der Sitzfläche des Stuhls, auf dem ich gesessen hatte. Das Bad war frei und ich hätte auch im Schlaf gewusst, wo Zayn meine Zahnbürste lagerte. Ich hasste Zayns seltsame Lavendelzahnpasta so sehr, dass ich manchmal von seinen Mitbewohnern stahl, die sich zum Glück an die gesellschaftlichen Standards von Kräutern und Menthol hielten. Heute opferte ich mich auf – für nichts. Die Zahnpasta, die mehr grau als lila war, sah tot und tötend aus. Aus Prinzip warf ich Zayn einen vorwurfsvollen Blick zu, als er sie auf beide unserer Zahnbürsten verteilte. Es war alles ein großes Verbrechen und ich war viel zu müde.

»Bist du gut vorangekommen?«, fragte ich sogar ehrlicher als obligatorisch.

Zayn zuckte mit den Schultern und wartete nur um der Worte willen mit schwebender Zahnbürste vor seinem Mund. »Wir haben gar nicht mehr so viel gemacht, nachdem du dich hingelegt hast. Aber das mit dem Durchsprechen hat mir heute echt geholfen.«

»Nervt es Niall nicht?«

»Ich weiß es nicht. Ich glaube, er kann sowas ganz gut rausfiltern.«

»Ausblenden.«

»Ja, ausblenden.«

»Beneidenswert.«

Er schob sich die Zahnbürste doch zwischen die Zähne. »Stimmt.«

»Ihr hattet einen schönen Abend? Was habt ihr gemacht?«, fragte ich weiter und hoffte, dass Zayns Antwort mich von dem bittersauren Geschmack in meinem Mund ablenken würde.

»Eigentlich nichts.«, schmatzte er durch Schaum hindurch. »Gekocht. Gequatscht. Gegessen.«

»Und nicht wenigstens ein bisschen rumgemacht?«

Zayn lachte trocken. »Wäre etwas eklig während des Essens, oder?«

»Ich habe nichts von Essen gesagt. Aber auch so würde ich niemanden verurteilen.«

Er verdrehte die Augen. Und putzte weiter. Sein Blick fixierte eine Kreuzung der Fliesenfugen.

»Aber wäre Niall hiergeblieben?«, konnte ich mir doch nicht verkneifen, nochmal zu fragen. »Habt ihr geplant, dass er übernachtet?« Oder auch: Habe ich das Date ruiniert?

»Wir hatten keine festen Pläne.«

»Also hätte er wahrscheinlich hier übernachtet.«

»Louis, sei kein Masochist.«

»Kein Masochist! Ich fühle mich nur schlecht dafür, dass ich euch an wohlverdienter Intimität gehindert habe.« Ein kleiner Tropfen Schaum lief mir übers Kinn und ich wischte ihn mit dem Handrücken weg.

»Du hast niemanden an irgendwas gehindert.«, versicherte Zayn. »Außerdem kann, muss, man sich Intimität nicht verdienen.«

Jetzt war ich es, der die Schultern zuckte. »Du hättest ihn noch anrufen können.«

»Hör jetzt auf, Louis. Ich bin froh, dass du hier bist.«

Ich war froh, hier zu sein. Viel mehr, als ich Zayn gestehen könnte, also musste ich schweigen. Er war nicht in der Lage, die Gründe zu verstehen – weil ich ihn nicht in die Lage versetzte. Stumm putzten wir weiter die Zähne. Nachdem ich meinen Mund ausgespült hatte und Zayn gerade dabei war, überwand ich meine Muskeln dazu, sich über meinen müden Kopf hinwegzusetzen. Ich verließ das Bad und fand mein Handy an der Spitze des Stapels meiner Unisachen. Ohne wirklich klar zu sehen, öffnete ich die gefürchteten Worte. Zurück im Bad hielt ich Zayn das Display unaufgefordert unter das noch tropfende Gesicht.

»Das habe ich geschrieben.«, erklärte ich ohne Umschweife das Offensichtliche. Zayn sah erst mich an, dann die offenbarten Zeilen.

𝗮𝗻𝘆 𝘀𝗮𝗻𝗲 𝗳𝗼𝗼𝗹 𝗰𝗼𝘂𝗹𝗱 𝗵𝗮𝘃𝗲 𝘁𝗼𝗹𝗱 𝗺𝗲
𝗮𝗻𝘆 𝘀𝗮𝗻𝗲 𝗳𝗼𝗼𝗹 𝗰𝗼𝘂𝗹𝗱 𝗵𝗮𝘃𝗲 𝗺𝗮𝗱𝗲 𝗶𝘁 𝗸𝗻𝗼𝘄𝗻
𝗶𝘁 𝘄𝗮𝘀 𝗳𝗲𝗮𝗿 𝗶𝘁𝘀𝗲𝗹𝗳 𝘁𝗵𝗮𝘁 𝗯𝗹𝗶𝗻𝗱𝗲𝗱 𝗺𝗲 𝘁𝗼 𝗳𝗼𝗿𝗲𝘀𝗲𝗲
𝗼𝗻𝗹𝘆 𝗶𝗻 𝘁𝗵𝗲 𝗹𝘂𝗰𝗸𝗶𝗲𝘀𝘁 𝗼𝗳 𝗵𝗲𝗮𝗿𝘁𝘀 𝗶𝘁 𝗵𝗮𝘀 𝗻𝗲𝘃𝗲𝗿 𝗴𝗿𝗼𝘄𝗻
𝗮𝗻𝘆𝗼𝗻𝗲 𝗰𝗼𝘂𝗹𝗱 𝗵𝗮𝘃𝗲 𝗸𝗻𝗼𝘄𝗻 𝗺𝘆 𝗳𝗮𝘁𝗲
𝗳𝗼𝗿 𝗹𝗼𝘃𝗲 𝗶𝘀 𝗱𝗲𝗮𝘁𝗵'𝘀 𝘀𝗵𝗮𝗿𝗽𝗲𝘀𝘁 𝗯𝗹𝗮𝗱𝗲

Ich las die Worte nicht mit, anarchisches Metrum, unbeholfene Reime, Silben, die nur in dem gewitterbezwungenen Bus gestern hatten entstehen können. Zayns Blick klebte zu lange am Bildschirm, noch als er schon schwarz war, und sein Aufsehen in mein Gesicht sagte alles und mehr.

Das Gedicht war schlecht.

»Oh Louis.«, seufzte er mit brechender Stimme und hatte mich in eine Umarmung gezogen, die meine Knochen nicht schmelzen, sondern zertrümmern wollte. Mir fehlte jeder Bruchteil der Stärke, die es gebraucht hätte, die Umarmung zu erwidern. Sein Kinn war nass und so wurden es mein Kiefer und Hals. »Ich komme mit nächste Woche. Wann? Mittwoch? Donnerstag? Ich komme mit.« Seine Stimme war neben meinem Ohr und ich schälte mich gegen seinen Willen aus den fordernden Armen.

»Du musst arbeiten.«, erinnerte ich ihn.

»Ich werde mitkommen, Lou.«

Ich wollte widersprechen, aber seine Augen bestätigten die Persönlichkeit, die er immer gehabt hatte. Es war fast unfair. Wie in einem schlechten Buch war er lange genug stur gewesen, um perfekt zu bleiben. Er opferte, was ich nie verlangt hätte – und was tat ich? Ich log ihm ins Gesicht. Ich erzählte ihm nicht mal, wer in meiner Wohnung lebte. Oder nicht mehr lebte. Das schien vorüber zu sein. Umso mehr Grund, es Zayn jetzt zu erzählen..? Er würde es verstehen, und Harrys Position und Integrität um jeden Preis beschützen, das wusste ich. Aber ich konnte nicht. Auch ich hatte versprochen, Harry um jeden Preis zu beschützen.

»Ich muss ins Bett.«, verkündete ich mit hoffentlich autoritärer Endgültigkeit. Es gefiel Zayn nicht, aber es gab nichts, was er tun konnte. Ich verließ das Bad, trank in der Küche etwas Wasser, nahm all meine aufgestapelten Sachen mit und verschwand in Zayns Zimmer. Das Fenster war noch immer offen, aber wenn wir uns zudeckten, würde das nicht stören. Ich streifte die Hose von Beinen, Pullover über meinen Kopf. Aus Zayns glatt lackiertem Kleiderschrank zog ich ein T-Shirt mit kräuselnden Nähten. In vollständiger Schlafmontur schlüpfte ich unter die Decke und rollte mich bis an die Wand, damit Zayn genug Platz hatte.

Nachdem die Spülung ging, war er schnell bei mir. Auch er zog sich um, weniger provisorisch als ich, und die Matratze empfing sein vertrautes Gewicht. Es war dunkel bis auf den Streifen verwaschener Lichter, der verzerrt durch den Spalt des angekippten Fensters fiel. Wir schwiegen wie schlafend. Ich konnte die Musik aus dem angrenzenden Zimmer weiterhin hören, leise, aber da. Zayn lag nah genug, dass die geteilte Decke zwischen uns nicht auf die Matratze fiel. Zwei Kissen, eine Decke. Niall wäre über Nacht geblieben.

»Du musst mir sagen, dass das Gedicht schlecht ist. Ins Gesicht.«, murmelte ich schließlich doch.

Zayns Kopfkissen raschelte haargedämpft, aber ich wartete vergeblich.

»Es trifft auch keine der Kriterien. Es wäre Grund genug zum Durchfallen.«

»Du kannst nicht durchfallen in Kreatives Schreiben

»Nein, aber keine Punkte bekommen.«

»Wieso hast du Lyrik gewählt? Und nicht Fiktion? Prosa?«

Waren wir immer noch 17? Lebten unsere Familien so wenige Autominuten entfernt, dass wir sie an unseren Fingern abzählen konnten? Hatten wir die Betten mal wieder verschoben? War ich der Kurzgeschichten überdrüssig?

»Fiktion reimt sich auf-«

»Ich weiß, Louis. Wieso Lyrik?« Seine Stimme war wärmer in der Dunkelheit. Als hätte die Wärme der Sonne sich einen neuen Ort suchen müssen; Zayns Stimmbänder.

»Ich wollte beides. Aber es ging nur eins.« Ich rückte ein Stück näher an Zayn heran, probierte, wie es sich anfühlte, die Augen zu schließen, um meine Augäpfel in schwarzer Tinte zu ertränken.

»Ich weiß.«, sagte er wieder und seufzte. Es war still, aber ich wusste, dass er die Stille brechen würde. Er tat es. »Bist du dir sicher, dass du das durchziehen willst?«

»Kreatives Schreiben

»Das Semester. Die Essays, die Prüfungen?«

»Ja.« Bei nichts war ich mir sicherer. Die Struktur meines Unialltages war das einzige, was nicht unter meinen Füßen zusammenbrechen würde.

»Du könntest ein paar Kurse schieben.«

»Nein, Zayn. Ich schreibe alles mit.«

Er atmete unweit von meinem Ohr, er atmete und zerriss meinen Stursinn zwischen Phantomfingern. Aber er wusste so gut wie ich, dass ich meine Entscheidung nicht ändern würde. »Soll ich eine zweite Decke beziehen?«, fragte er schließlich, als ich mich schon fast damit abgefunden hatte, dass wir jetzt schlafen würden.

Kurz blinzelte ich. »Ist mir egal. Brauchst du nicht.«

Die Reibung zwischen Kissen und Wange verriet mir, dass er nickte. Dann schlossen sich seine Finger unter der Decke beeindruckend zielsicher um meine.

»Nicht küssen jetzt, Zayn.«, sagte ich, aber nur, um das Thema zu wechseln. Trotzdem hielt ich seine Hand.

»Du kannst wirklich immer meine Gedanken lesen, Louis.«, erwiderte er ironisch, aber sein Händedruck versicherte mir all die Dinge, die er mir schon hunderte von Malen gesagt hatte.

»Wenn deine Hand es wagen sollte, es sich unterhalb meines Bauchnabels gemütlich zu machen, rufe ich Niall. Ganz. laut.«

Das brachte ihn zum sanften Lachen und ich atmete erleichtert aus. »Vielleicht probiere ich das mal aus.«

»Ich will eine zweite Decke.«, verkündete ich.

Wieder lachte Zayn. Dieses Lachen eines in der Schwärze verborgenen Zayns hatte ich schon so oft gehört, dass es zu der Nacht gehörte wie ein Lieblingssternbild. Nicht immer sichtbar, aber die Dunkelheit erhellend wie ein Sonnenaufgang. »Tja. Die Chance hast du verpasst.« Er rollte sich auf die Seite und schloss mich so fest in seine Arme, dass ich nicht anders konnte, als jetzt auch zu lachen. Mit Händen und Füßen wehrte ich mich gegen all die Quadratzentimeter seiner Berührung, aber er hatte den Vorteil der Überraschung auf seiner Seite und schließlich erkannte ich, dass die beste Strategie Kapitulation war. Als meine Glieder erschlafften, hielt Zayn mich eine Weile triumphierend, pustete mir dann warm gegen die Wange und ließ mich los.

»Schlaf gut, Lou.«

»Gute Nacht, Z.«

Ich drehte mich auf die Seite, dachte an keine Wohnung außer Zayns und lauschte seinem Atem, bis ich seine Arme neben mir schlafend zucken spürte. Dann schlug ich so leise wie möglich die Decke zurück und tapste barfuß ins Bad, um nochmal auf Toilette zu gehen.

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