Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

𝐗𝐗𝐗𝐕

𝐇

Louis hatte dem Melatonin widerstanden. Ich hatte ihn einschlafen lassen wollen, Liam würde mich erwarten, und ich hatte erwartet, dass Louis einschlief. So funktionierte die Biologie seiner gehorsamen Zellen. Serotonin mit überraschender Wendung, aber Louis hatte sich geweigert. Dabei brauchte er es gerade heute Abend so dringend. Sein Blut war toxisch und wollte ihn wach halten, aber das änderte nichts daran, dass er dringend Schlaf benötigte. Schon letzte Nacht hatte das schrille Geräusch aus seinem Handy ihn geweckt, bevor er sich ausreichend ausgeruht hatte. Er sabotierte sich selbst.

Und die momentane Sabotage; Louis über mir, vor mir, als er auf die Knie sank. Die schwere Decke stürzte unter seinem Gewicht ein, die Matratze knisterte. Nur seine rechte Gesichtshälfte fing Licht der kleinen Lampe wie der Mond das der Sonne auf. Zunehmender Halbmond, zwei Krater als Augen, die einen abnehmenden Mond sehen mussten, wenn sie mich ansahen. Ob Louis den Mond in mir sah? Es wäre eine der seltenen Ironien des Universums. Louis hatte das Ebenbild des Himmelskörpers erschaffen, der Anfang und Ende all meines Bewusstseins war.

Seine Knie fielen seitlich auseinander, die Fußknöchel überkreuzten sich. So sah ich ihn nicht zum ersten Mal sitzen, aber zum ersten Mal bemühte ich mich, die Haltung zu imitieren. Es konnte nicht schaden. Louis stand unter dem Einfluss psychotroper Substanzen, hatte sich als stärker als mein hormoneller Schlafanstoß bewiesen und initiierte jetzt ein Gespräch, vor dem er mich nicht gewarnt hatte. Seine Spiegelneuronen ein bisschen zu befriedigen, war sicherlich keine schlechte Idee.

Ich sammelte, was Mut sein musste, und wagte es, zu sprechen. »Geht es dir gut, Louis?« Die Antwort war natürlich Nein, aber komplexer als das. Ethanol und seine Schatten schwammen durch Louis' Blut und er hatte Glück, dass er keine tödliche Konzentration erreicht hatte. Seine Leber arbeitete und hatte, was er als jahrelangen Alkoholkonsum eingestuft hatte, bisher gut genug überstanden. Aber es könnte nicht unbegreiflicher für mich sein; was bewegte Louis dazu, Gift zu schlucken?

Sein Herz hämmerte und auch, wenn ich das nicht gerne hörte, beruhigte es mich, dass er nervös war. So unfehlbar sein Brechen meines Hormonwillens und das ungefragte Platzieren direkt vor mir auf meiner menschlichen Schlafvorrichtung auch schienen, er hatte noch Zweifel. In seinem Zustand künstlicher Selbstüberschätzung war ich dankbar dafür.

»Ich, es... Ja. Darum... Ich wollte über etwas anderes reden, Harry.« Er zupfte den Stoff seiner gemusterten Hose zurecht. Bisher hatte er sie ohne Ausnahme jede Nacht getragen. »Ich weiß, es ist kein guter Moment, für dich, für mich, für keinen von uns, aber ich weiß nicht; gibt es gute Momente? Jemals?«

Gute Momente wofür? »Ich weiß es nicht.«, versuchte ich.

»Ich auch nicht. Und es ist nicht nur ein schlechter Moment, es ist auch...unfair. Ich wollte nicht...mit dir über solche Dinge reden. Noch nicht. Ich habe versprochen, keine Fragen zu stellen, weil ich...ja, weil du mir das nicht schuldest. Und es geht auch nicht um Schuld jetzt, oder... Ich weiß nicht, worum es geht oder ob es gerechtfertigt ist. Aber ich glaube, ich brauche das für mein Gewissen. Kommunikation. Ehrlichkeit. Ich will dich nicht... Bitte fühl dich nicht...bedrängt oder gezwungen oder.... Es geht mehr um mich. Ich muss das ansprechen. Ist es okay? Können wir reden, Harry?«

Was er für meinen Namen hielt am Ende einer Reihe von Worten, die so unklar waren, als wären sie in einer Sprache, die ich nicht gelernt hatte. Das war etwas, das Louis mir über Kommunikation beigebracht hatte. Je besser ein Mensch eine Sprache kannte – und Louis studierte seine eigene – desto unverständlicher konnte er sie nutzen. Er verstand die Regeln von dem Chaos, das mir unergründlich blieb.
Louis wollte mit mir reden.
Worüber?
Er sehnte sich nach Ehrlichkeit.

Ich konnte nur hoffen, dass es um ein Thema ging, bei dem ich seinen Wunsch erfüllen konnte.

Aber die Frage war wie so häufig eine Form sinnloser Rhetorik. Natürlich konnten wir reden. Zungen und Münder und Lungen und Sprachzentren. Beide von uns waren in hervorragender Lage zum Sprechen. »Ja.«, erinnerte ich also. Ein paar kontrollierte Atemzüge. Louis atmete kaum bis in seine Brust. Wieso war heute der Tag, an dem er aufbrach, was wir die vorherigen Abende harmonisch getan hatten?

»Danke. Danke, Harry.« Mit einem Seufzen strich er sich einige Haare aus der Stirn. Morgens und abends sahen seine Haare immer anders aus als tagsüber. Sie rochen anders. »Tut mir leid, dass ich...«, er strich mit einer Hand über die Decke unter sich. »Ist es okay, dass ich hier sitze?«

Okay, wieder. Ich hatte das Wort gründlich überprüft, nachdem Louis es mir beigebracht hatte. Es war nicht seiner Fantasie entsprungen. »Ja.«, sagte ich nochmal, weil es nicht viel anderes zu sagen gab. Ich mochte es, wenn Louis hier bei mir saß. Sein Körper war warm und alle Reize wurden stärker. Wenn er mir so nah war, konnte ich mich selbst über seine Wahrnehmung spüren. Ich wünschte mir das Gleiche für ihn. Er sollte schmecken, wie ich ihn sah. All seine sterblichen Zellen.

»Danke.« Wir sprachen in Schleifen, in Drehungen eines Tornados. »Gut, ich fange jetzt einfach an. Sonst wird es noch schlimmer.« Seine Finger hielten einander fest. Ich wusste nicht, in welcher Emotion ich seine Worte erwarten sollte, aber ich mochte die Haltung meiner, seiner Beine. Meine Knie fielen auseinander, Louis' Knie, und öffneten unsere Körper. Es gab meistens nicht viel in dem Hohlraum der Knochen und Haut zu spüren, aber jetzt sank eine Sicherheit in meinem Bauch nieder. Es war fast, als würde sie zwischen meinen geöffneten Beinen auslaufen, langsam auf die Decke unter uns sickern. Fühlte Louis sich genauso? Ich war ausbalanciert.

»Ich habe mich heute mit jemandem getroffen.«, begann Louis und ich war froh, dass ich noch folgen konnte. »Wir haben uns vor einer Weile schon mal getroffen, das war kurz nachdem wir uns kennengelernt haben und- warte. Das ist überhaupt nicht wichtig. Er ist ein Kunststudent, Harry. An der UoM. Er hat...ihr müsstet...er konnte... Ah, verdammt. Ich sage dir doch nichts, das du nicht weißt.« Es war nicht sehr hell, aber er versuchte nicht mal, mich anzusehen. »Du nicht, Harry. Du bist kein Kunststudent bei uns.«

Da waren die Worte. So klar und eindeutig, dass ich nicht auch nur hoffen konnte, sie falsch verstanden zu haben. Feuer – ich hatte es einmal gesehen, ein einziges Mal, Louis' runde Kerzen auf seinem Tisch. Wenn die Wohnung nachts in Flammen stünde, wüsste er es nicht, bevor es zu spät war. Naiv. Ich hätte wissen sollen, dass ich Louis keine nachhaltige Lüge einpflanzen konnte. Sie hingen an mir, all die Leben und Nicht-Leben, und ich hatte Louis einmal zu viel angelächelt, als ich es nicht durfte, und all seine Vermutungen mit einer unverzeihlichen Illusion bestätigt; Kunststudent? Ja.

»Ich weiß, ich überrumpel dich und ich wollte dir nicht nachspionieren, Harry, versprochen, wirklich, es war mehr ein Versehen, dass... Du musst nicht direkt etwas sagen. Oder dich rechtfertigen oder so. Natürlich nicht. Das hier ist eine intensive Situation, für dich und für mich, für dich ohne Zweifel noch mehr, und ich möchte nichts verlangen, wirklich nicht, ich kann mir nicht mal vorstellen... Du musst nur verstehen, dass du hier bist, schläfst, in meiner Wohnung, ich weiß nicht mal so richtig, wie legal das alles ist- Darum geht es mir natürlich nicht! Ich habe nur das... Ich weiß nicht, was ich denken soll, wenn ich nicht weiß, was wahr ist, von den Dingen, die du sagst, über dich. Ich habe kein Recht auf...irgendwas von dir, Harry. Aber ich hoffe, du verstehst vielleicht, dass es schwierig ist für mich, wenn ich...nichts weiß. Nicht mal Nichts, vielleicht weiß ich das Gegenteil von Nichts. Die falschen Sachen.« Seine Finger wrangen einander aus. »Bestimmt sollte ich... Sollte ich dir mehr Raum lassen? Wahrscheinlich, vielleicht, keine Ahnung. Ich weiß es nicht, aber ich dachte, wir könnten es vielleicht...herausfinden, zusammen..? Reden? Miteinander? Nur so weit, wie du kannst und willst, aber ich bin auch Teil dieser ganzen Sache und ich glaube, ich brauche das jetzt.«

Dann traute er sich. Er hob den Blick und sah mich an. Seine Augen hatten Blau gegen Grau getauscht, es war das Licht der Lampe und das fehlende Gesicht der Sonne. Sogar den Mond hatten wir ausgeschlossen. Louis wusste, dass ich kein Kunststudent war.

Louis wusste, dass ich meine Zunge genutzt hatte, um eine Lüge auszusprechen.

Trotz aller Irrationalität hatte ich Angst, er könnte es lauter aussprechen, ein bisschen zu laut, und ich würde mich vor ihm in Luft auflösen. Ich war noch nie geflochten worden und Lügen verstießen gegen keine Regel. Aber jede Muskelfaser meiner Zunge bewies, was die Unwahrheiten wirklich bedeuteten. Lügen verätzten den unverätzbaren Körper von innen. Louis wusste, dass ich kein Kunststudent war. Wie hatte er es herausgefunden? Aber so viel wichtiger, für einen Planeten und den Splitter eines Universums; wie viel wusste Louis noch? Was hatte er mich noch nicht gefragt? Was konnte ich noch nicht aus seinen Worten lesen?
Und was sollte ich tun?

Eine weitere Lüge wäre Hochverrat an der Lektion, die Louis mir gerade erteilte. Er sah so ängstlich aus. Es war echte Angst, sie saß in seiner Haut, in seinem Zwerchfell. Wovor hatte er Angst? Vor mir?

»Ich bin kein Kunststudent.«, bestätigte ich, bevor ich es mir anders überlegen konnte und bevor seine letzte Hoffnung an meine Integrität in den Tiefen seiner Angst verloren gehen konnte. Schnell nickte er, erleichtert, wartend, auf mehr. Mehr konnte ich nicht bieten. Weiter hatte ich noch nicht gedacht. Ich war kein Kunststudent, natürlich nicht. Aber was war ich sonst? Am wenigsten durfte ich ein Engel sein. Was blieb übrig?

»Harry«, sagte Louis und ich wusste nicht, wie gut es war, dass er das Wort wieder ergriff. »Darf ich...noch etwas fragen?« Mit Fragen verstand Louis die Welt. Ich könnte sie niemals verwehren, bevor ich sie nicht gehört hatte.

»Ja.«, hoffentlich beschwichtigte es ihn wenigstens ein bisschen, dass ich ihm bisher alles bejaht hatte. Nur Zustimmung und Bestätigung. Kein Mensch war dagegen immun.

Seine Zehen gruben sich in die Decke. Hoffentlich konnten die Nerven seiner Füße nicht spüren, dass ich nicht auch nur eine einzige Nacht unter diesem Gewicht verbracht hatte. »Es geht... Vielleicht ist die Antwort schon offensichtlich. Aber ich will nicht noch mehr Missverständnisse. Ich bin- Ich bin sehr dankbar, dass du mit mir redest. Vielleicht können wir diese Chance nutzen. Ich möchte fragen... Du bist kein Kunststudent. Aber du bist auch kein anderer Student... Richtig?« Seine Stimme schwand, wurde sanfter und höher und ich wollte ihm seine volle Kraft wieder einhauchen. Wie voll seine Stimme war, wenn er lachte. Wie laut, wenn er meinen gelogenen Namen durch die Wohnung rief, wie heute Morgen.

Kein anderer Student. Dass ich ewig lernend war, zählte für ihn nicht, das wusste ich. Ich war kein anderer Student und ich war mir nicht sicher, was es für Louis bedeutete, ihm das zu bestätigen. Kein Student. Aber ich durfte nicht noch eine Lüge produzieren, solange ich nicht mal wusste, wie er die erste aufgedeckt hatte.

Vielleicht hätte ich mehr Zeit damit verbringen sollen, mich mit dem zu beschäftigen, was Louis Kunst nannte. Um darüber reden zu können, so wie er Emotionen in die Titel von Büchern steckte, als wären es Vertraute und Verstandene. Er hatte mich gefragt. Was bedeutete Kunst für mich. Hatte ich die falsche Antwort gegeben? Hatte er mich aus diesem Grund so schnell durchschaut?

»Louis«, sagte ich vorsichtig, um ihn nicht zu verschrecken. Ich war so sehr auf seine Antworten angewiesen wie er auf meine. Ich musste es versuchen. »Wahrheit gegen Wahrheit?«, fragte ich mit sanftem Drang eines Angebotes.

Louis' Augenbrauen hüpften unter Überraschung. Wieder setzte er sich ein bisschen anders hin. »Wahrheit gegen Wahrheit? Du beantwortest meine Frage und ich deine?«

Ich nickte und war froh, dass er mich verstanden hatte. Es funktionierte. Worte, Intentionen, Reise auf Wellen von meinem Herzen zu seinem. »Ja.«

»Okay.«, bestätigte er so schnell, dass seine Überraschung meine wurde. »Frag.«

»Ich antworte zuerst.«, erklärte ich. Irgendwo im Himmel war Liam. Würde er mir mit starker Vernunft und aller Ehrlichkeit seines Herzens hiervon abraten? Hinterging ich himmlische Strukturen; einen Mentor besitzend, aber ihn nicht ins Vertrauen ziehend? Vertrauen, jetzt war Louis höchste Priorität. »Ich bin kein Student.«, gestand ich kurz und wahr. Da war sie; eine Wahrheit im Licht. Die ganze Grundlage meines Alibis. Der einzige Grund, wieso es mir überhaupt möglich war, für Louis als Harry in seinem Leben zu existieren.

Kein Student. Was dann?

Louis' Zunge war schwer, verlor seinen Gaumen. In dieser Dunkelheit sah er warm aus, und sicher. Aber auch gedämpftes Licht konnte ihn nicht vor Worten schützen. Er war mir so nah. Nichts hiervon wäre jemals passiert, wenn ich nicht darauf bestanden hätte, ihn ohne Pause einiger Jahre wiederzusehen. Ich und alle anderen wären sicher. Louis wäre sicher. Aber ich hätte vielleicht niemals den Geruch von Louis' Wohnung gekannt. Süß und geduldig nach toten Hautschuppen, erdig, Schimmel irgendwo tief in den Wänden.

Dann schaffte Louis es doch, zu nicken. »Okay.«, sagte er und seine Stimme war etwas tiefer als gewohnt. »Danke, Harry.«

Dankbarkeit für die Selbstverständlichkeiten, die ich ihm schuldete. Irgendwo in mir schlief die tragische Erkenntnis, aber ich tat alles mir Mögliche, um sie nicht zu wecken. Louis' und meine Beziehung war von ihrem tiefsten Kern aus etwas, das nicht existieren sollte. Unsere Herzen waren verbunden, Zeit seines Lebens, golden und magisch und unabstreitbar. Aber es gab weder Rechtfertigung noch Grundlage für auch nur den simpelsten menschlichen Kontakt. Nicht mal verhüllte Überwachung war notwendig. Wir konnten uns nur falsch benehmen, ich konnte nur fehltreten, weil es kein Richtig gab.

Aber es war zu spät. Es gab keine plausible Umkehr der Situation, nicht für Louis' Weltverständnis und noch viel weniger für mein Verlangen danach, ihn weiterhin atmen und lachen und schlafen zu sehen. Was hier passierte, mein Spiel mit Lügen, um Louis zu unterhalten, war gefährlich. Aber wir hatten längst den Punkt überschritten, ab dem es so viel gefährlicher war, Louis jetzt aus meinem Leben zu schneiden. Welten würden beben, egal, wie sehr ich mich anstrengen würde. Das war auch der Grund, wieso Liam noch nicht eingeschritten war – obwohl er ganz genau wissen musste, was hier vor sich ging, auch wenn ich es ihm noch nicht gebeichtet hatte. Louis wusste nicht, dass er in der Lage war, die Bevölkerung eines gesamten Planeten in die Knie zu zwingen. Und was auch immer geschah; er würde es niemals herausfinden dürfen.

Ich wollte bleiben. Ich wollte sein Herz aufwachen hören. Ich wollte Zayn kennenlernen, wie Louis es angekündigt hatte. Ich wollte, dass Louis mir vorlas. Ich wollte herausfinden, wie das scheinbar magische Licht in Louis' Wohnung funktionierte. Ich wollte ihn schützen. Ich wollte ihn sogar berühren. Nach der Vitalität seiner Organe zu tasten, war eine Menge gewesen, Reize über meinen Körper hinaus mein Bewusstsein aufrüttelnd. Es war nicht vorgesehen. Ich wollte es wieder tun.

Aber erstmal hatte ich eine Frage zu stellen. »Ich habe dir geantwortet.«, erinnerte ich ihn sicherheitshalber.

Er nickte und seine Finger legten sich über einen seiner Fußknöchel. »Ja. Du bist dran.«

»Danke.« Es war die einzige Möglichkeit. Wenn ich mich nicht absicherte, wüsste ich nicht, was er sonst alles herausgefunden hatte. Oder was er noch herausfinden konnte. »Was ist die Quelle deines Wissens?« Meine Stimme war nicht so sicher, wie sie sein sollte. Es verstieß gegen die Regeln meines Körpers. Ich brauchte Großteile meiner Kraft, um meinen Blick nicht suchend gegen und durch die Zimmerdecke zu richten.

Louis' Blick richtete sich suchend auf. Wärme in seinen Wangen. »Die Quelle meines Wissens?«

Er wollte mich nicht quälen, aber Wille war manchmal unbeabsichtigter Träger der Machtlosigkeit. Nicht unbewusst. Louis wusste es, es quälte ihn im Umkehrschluss, aber mehr konnte er nicht tun. Ich musste erklären. »Woher weißt du, dass ich kein Kunststudent bin? Was ist der Indikator?«

Sehnen seiner Füße spannten; war die Frage zu weit gegangen? Ich konnte sie nicht zurückziehen. Ich würde sie wieder stellen. Es galt auch seiner eigenen Sicherheit, dass ich die Antwort erfuhr. Ich zwang ein leichtes Lächeln in meine Wangen, wandte ihm meine Handflächen zu. Das musste reichen.

»Ähm«, das Wort war zurück. Louis räusperte sich und tötete einen Teil seiner Stimme. »Ja. Du beantwortest meine Frage, ich beantworte deine. Es ist nicht so einfach, Harry, es ist... Es klingt nicht gut, das weiß ich. Es ist anders, als es sich anhört. Also, okay, ja, ähm, ich habe einen...«, er knetete seine Hände mit seinen Händen, als wollte er das ganze Blut zurückholen, das in seinen Kopf und Rumpf gewandert war, »Freund..? Der, den ich eben erwähnt habe. Kunststudent an der UoM. Ich kenne ihn schon länger. Und...erinnerst du dich, an die Zeit Anfang Oktober, nachdem wir uns die ersten Male gesehen haben? Ich...oh, fuck, es gibt wirklich keinen guten Weg, das zu erklären.« Meine Haut schien sich vom Rest des Körpergefängnisses lösen zu wollen, aber mehr als ein Zucken konnte ich mir gerade nicht leisten. »Harry, ich fasse es kurz. Für ein paar Tage – eine Woche, länger..? Für eine Weile haben wir uns nicht gesehen und weil du kein Handy hast und ich sonst nicht viel über dich weiß und ich dich wiedersehen wollte- Du wolltest so gerne Menschen kennenlernen! Ich wollte dich auch kennenlernen. Ich wollte einfach Kontakt zu dir aufnehmen. Und Danny, er-«

»Danny!« Danny hatte ich getroffen. Danny hatte ich sehen und hören können. Danny hatte ich sogar in den himmlischen Archiven gesucht. Danny hatte einen Engel gemalt.

Aber Louis teilte meine Freude darüber, dass ich endlich einem unserer Gespräche folgen konnte, nicht. Und mein Bewusstsein realisierte erst nach meiner Zunge, dass er damit richtig lag. Als ich Danny – der in Manchester mit diesem Namen unauffindbar war – mit Louis gesehen hatte, war ich für beide von ihnen unsichtbar gewesen.

»Du kennst Danny?«, fragte Louis und betonte alle drei Wörter. Ich wusste, dass die Frage nicht zu unserer Abmachung gehörte; Frage, Antwort, Frage, Antwort. Aber war es ein Trick? Eine Falle? Was war der beste Ausweg zu meiner vorschnellen Zunge? Danny zu kennen oder ihn nicht zu kennen? Was war die Alternative?

Louis nahm mir die Antwort ab. Er presste die Lippen aufeinander, öffnete sie dann. »Natürlich kennst du Danny. Alle kennen Danny. Verdammt, das hier ist ein Chaos. Naja, du wirst wissen, dass Danny Kunststudent ist. Lange Rede, kurzer Sinn- es ist eigentlich keine lange Rede; es soll nicht wirken, als wäre es eine große Sache gewesen. Kurze Rede, kurzer Sinn; ich habe Danny gefragt, ob er mir hilft, dich zu finden, bla bla- oh nein, ich dachte, ich hätte aufgehört, das zu sagen. Es wird immer schlimmer. Jedenfalls; Danny konnte über irgendwelche Listen die Studierenden einsehen und du stehst nicht drauf. Damit habe ich nicht gerechnet, versprochen! Ich wollte dir nicht nachspionieren! Es war...alles ein unglücklicher Zufall und- Nicht, dass ich es besser fand, als ich an eine Lüge geglaubt habe- Nicht, dass es schlimm wäre, dass du nicht studierst, aber... Aber ich wollte dir nicht nachspionieren, wirklich. Es tut mir leid, dass ich über deinen Kopf hinweg an diese Information gekommen bin und dass ich eine andere Person involviert habe. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass du...das mit deiner Wohnsituation. Es tut mir leid, Harry. Es tut mir wirklich leid. Ich weiß, das ist unfair zu sagen, aber ich würde es  nicht nochmal tun. Ich werde es nicht nochmal tun. Es tut mir leid.«

Listen. Die Menschen hatten Listen. Listen, die sie führten, auf denen ich nicht draufstand, auf keiner einzigen irdischen Liste stand mein Name. Weder mein richtiger, noch die Version, die Louis mir gegeben hatte; Harry. Nicht mal durch Zufall würde sich ein anderer Mensch als meine Deckung mit dem Namen finden – Louis hatte ihn sich als Vierjähriger ausgedacht. Und selbst wenn; Identitätendiebstahl war auch für mich verboten.

Gegen menschliche Listen kam ich nicht an. Wofür gab es noch Listen? Menschen, die sich in Manchester aufhielten? Menschen, die aktuell 22 Jahre alt waren – denn das war das Alter, das ich Louis für mich angegeben hatte. Gab es eine Liste, mit allen Menschen auf der Erde?
Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis Louis sich auch auf eine dieser Listen Zugriff verschaffte. Wann würde er herausfinden, dass ich auf allen Listen dieses Planeten fehlte? Der Moment, in dem er herausfand, dass ich nicht zu seiner Spezies gehörte, würde kommen. Aber wie nah war er? Wie konnte ich ihn verhindern? Louis konnte lesen. Er las viel, wenn das keine Lügen gewesen waren. Schnell. Listen. Louis war nur ein paar Buchstaben von einem der am strengsten vorgesehenen Geheimnisse des aktuellen Universums entfernt. Kein Kunststudent? Kein Student? Kein Engländer? Kein Europäer? Kein Erdenbewohner? Kein Mensch?

Die verbleibenden Möglichkeiten waren nicht viele. Ein Engel. Harry, Hara, Schutzengel, Prinz, Balance, Sonne, Louis, nimm mich mit in die Abgründe, die ich nie hätte betreten dürfen.

Ich blinzelte, weil ich es natürlich zu lange vergessen hatte. Louis bräuchte die Listen nicht mal, wenn er nur für ein paar Minuten wirklich mein Gesicht ansehen würde. Ich musste meine dissoziierten Muskeln kontrollieren. »Ist Danny immer noch auf der Suche nach mir?«, fragte ich vorsichtig und suchte nach dem Gefühl von Liams Nähe in meinen Erinnerungen. Liam wäre rational. Liam würde die Situation so weit wie möglich absichern. War ein Punkt erreicht, an dem nicht mehr meine idealisierte Vorstellung von ihm, sondern nur noch Liam selbst helfen konnte? Musste ich ihn einweihen?

»Nein!«, antwortete Louis, aber es war eine andere Frage. »Keine Angst, ich habe ihn nicht als Kopfgeldjäger auf dich angesetzt. Jetzt weiß ich es ja auch besser. Es war wirklich alles nur...unglücklich. Aber Harry. Ich sage es nochmal, und ich hoffe, du weißt, wie ich es meine. Nicht respektlos. Ich bin froh, dass ich jetzt die Wahrheit weiß. Und ich bin mir sicher, so einfach ist das nicht, aber wenn du mehr zu sagen hast, dann bitte tu das. Du machst Dinge auch für mich leichter dadurch. Ich werde nicht urteilen. Ich möchte immer noch helfen.«

Louis konnte nicht helfen, so wenig er auch urteilte. Wie würde er urteilen, wenn er alles wüsste? Mit mehr Angst? Die Erde hatte sich in den letzten 100.000 Jahren geändert. Nicht mal Anne hatte die Zeiten vor dem Großem Fall erlebt. Wie wäre alles passiert, wenn Louis und ich vor tausenden von Jahren geboren worden wären?

Er hätte mich gesehen, wie ich war. Der Körper wäre keine Bürde, sondern eine Wahl. Ich hätte ihn berühren können, als wären nicht nur unsere Herzen verbunden.

Ermahnend kniff ich meine Augen zusammen – nicht zum vergessenen Blinzeln, sondern Ermahnung der Dunkelheit. Die Vergangenheit war keine Grundlage für hypothetische Fantasien, und das wusste ich.

Welche Wahrheiten schuldete ich Louis, um die größte Wahrheit zu schützen? Ich spielte mit mehr als nur einem menschlichen Leben. Aber Louis' Leben allein reichte aus, um mich alle meine Macht aufwenden lassen zu wollen, bevor das alles hier so unaufhaltbar wurde, dass es nur noch in universellem Chaos enden konnte. Allerdings konnte ich nicht einfach stoppen und Louis in der Sicherheit der Menschheit zurücklassen. Wie Liam gesagt hatte; ich war so sehr auf ihn angewiesen, wie er auf mich. Eine wackelige Waage fand keine Balance dadurch, dass eine der Seiten abgetrennt wurde. Ich musste richten, was ich verursacht hatte. Louis musste beschwichtigt werden.

Zwei Kämpfe, die ich zu kämpfen hatte; Louis' Zweifel zähmen, bevor die menschlichen Listen mich verrieten, und ihn genug stabilisieren, dass nicht auch nur der winzigste Teil der Himmelsatmosphäre durch meine Unruhe ins Schwanken geriet.

Aber nichts von beidem konnte mir jetzt spontan gelingen. Ich brauchte Überdenkzeit. Schon hier, Louis wenige Zentimeter von mir entfernt, brauchte ich zu lange, um auf seine berechtigten Fragen zu antworten. So war es nicht gedacht, aber er musste die Hilflosigkeit in meinem Gesicht sehen können – so dunkel es auch war. Jede Abfuhr, die ich ihm erteilte, war ein neues Risiko. Aber ich durfte nicht weiter unüberlegt improvisieren; wie fatal das enden konnte, hatte sich bewiesen. Ich brauchte den Himmel. Ich brauchte die himmlischen Archive. Ich brauchte eine Lektion zu Engeln, die sich sichtbar machten und blieben. Und ich brauchte Informationen zu allen, die vor mir gewesen waren. Meine Engelslinie. Ich brauchte Aufklärung.

»Danke Louis.«, sagte ich, zu spät. »Es tut mir leid, aber jetzt gerade kann ich nicht... Du wirst dich gedulden müssen. Aber ich schätze deine Unterstützung. Du bist«, – Stellungnahme von Ganz Oben? Gefährliche Worte? – »ein guter Mensch.«

Sein Herz schlug. Die weichen Wangen wollten und wollten nicht lächeln, schwere Lippen, vorsichtiges Heben seiner Mundwinkel. »Danke Harry.« Meine Augen brannten, aber es waren seine. Doch sie waren nicht zu trocken. Wenn überhaupt, waren sie zu feucht. Ich musste ihn anstarren. Es war zu dunkel für erleuchtende Bilder, aber ich wollte meine Augen nicht auf bessere Weise nutzen. Ich wollte Louis sehen, wie er mich sah.

»Harry?«, fragte er sanft und endlich schien es ihm wieder leichter zu fallen, mich direkt anzusehen. Es war befreiend, Zentrum seines Blickes. »Sag bitte, wenn du das nicht möchtest, aber...darf ich dich vielleicht...umarmen?«

Umarmen. Umarmung. Meine Augen waren zu groß und ich realisierte zu spät, dass mein Mund offen stand, ohne, dass ich ihn zum Atmen benutzte. Louis wollte mich umarmen. Arme um meinen Körper. Haut-Haut. Eine Umarmung, weil es für Louis' Hormone Sinn machte. Fast alle Menschen brauchten Nähe, wie ihre Zellen sich nach Vitaminen zehrten. Ein Mangel konnte lange unbemerkt bleiben, bis es fast zu spät war. Louis wollte mich umarmen. Es gab nur eine richtige Antwort. Aber ich wollte.

Und so nickte ich, bevor der Schall an fremde Ohren gelangen konnte. Louis entknotete seine Beine, Nervosität war eine wachsende Wellenfront in meinem Inneren und ich wünschte mir ein Herz, das schlagen konnte wie Louis', um jetzt bis in meine Fingerspitzen zu dröhnen. Louis fiel auf seine Knie, kroch nur ein paar Zentimeter auf mich zu, bis er mich mit vorsichtiger Wärme umarmte.

Meine Haut wollte in Flammen aufgehen. Louis' Wange, Schläfe, Ohr drückten sich gespiegelt gegen meine. Langsam hob ich meine Arme an, um die Haltung seiner zu imitieren. Wieder spürte ich seine Rippen, die verborgene Spannung seines Zwerchfells. Es war nicht wie mit der Leber vorhin. Es war nicht nur eine handflächengroße Berührung. Ich war nicht auf ängstlicher Suche. Empfindung fand mich unabwendbar wie ein Starkregen die Hitze. Louis' Knie berührten meine noch immer überschlagenen Schienbeine. Die Grenze meines Körpers war Louis' Anfang. Ich berührte Mensch, Mensch, Mensch und alles, was ich je gelernt hatte, zu meiden.

Die Reize schlugen tief in alles ein, was alles von mir bot. Ich wollte um Hilfe rufen und Louis nie mehr loslassen. Ich wollte in seine Haut schlüpfen und wirklich spüren, was er spürte, nicht nur das gespiegelte Echo, nicht die Elektrizität der Strafen vergangener Engel. Empfindungen eines Menschen, zweier Menschen, die sich umarmten, Kraft von Louis' Muskeln, er drückte mich an sich, sich an mich, mein Bewusstsein bebte, und dann ließ er los.

Als wäre es nicht geschehen, krabbelte er wieder zu einem größeren Abstand zurück, aber er war näher als zuvor. Nichts an seinem Gesicht zeigte das rote Glühen, das meinen Körper entgegen aller Naturwissenschaften in Brand gesetzt hatte. Louis war warm, Blut und Blick, aber nicht heiß, wie ich von innen, von außen, vielleicht, ganz vielleicht, bis in Louis' Herz. Ich konnte nur hoffen, dass der Himmel nicht versengte. Der Erde schien es gut zu gehen. Zumindest hier, in Louis' Wohnung.

»Wir sollten wahrscheinlich schlafen gehen.«, verkündete Louis, Stimme wie Moos, und er meinte es ernst. Mit steifen Sprunggelenken drückte er sich in die Hocke, ins Stehen. Vornübergebeugt strich er mit der Hand die Stelle der Decke glatt, auf der er gesessen hatte. So schnell wie er gekommen war, steckte er auch wieder in seinem eigenen Bett unter seiner eignen Decke. Überforderung waberte durch meine Wahrnehmung, aber ich verstand, dass ich mich wie er hinlegen musste.

»Danke, Harry.«, sagte Louis wieder, er war auf seinen Ellenbogen gestützt und sah zu mir hinunter. »Und es tut mir leid. Vielleicht können wir über das alles nochmal im Hellen reden. Wenn du bereit bist. Aber jetzt sollten wir wirklich ein bisschen Schlaf kriegen.«

Das sollte er. »Gute Nacht, Louis.«

Das Licht ging aus auf Befehl von Louis' Fingerspitzen. »Gute Nacht.«

Er sank in sein Kissen. Ich musste unbedingt in den Himmel, es war höchste Zeit. Und ich musste Louis aus meinem Körper kriegen, so gut es ging aus meinem Bewusstsein. Dieses Mal ließ ich der Melatoninsynthese keine Gnade. Langsam waren ein paar Erdenstunden kein Problem mehr für mich. Aber ich war mir trotzdem sicher, dass meine zölestische Rückkehr noch nie so dringend gewesen war. Auch wenn ich nicht wusste, was mich dort erwarten würde. Ich würde es unweigerlich herausfinden. Louis schlief schnell. Ich schlug die Decke zurück.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro