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𝐗𝐗

𝐋 ⋆

»›What is better than wisdom? Woman. And what is better than a good woman? Nothing.‹« Kopfüber traf mein Kugelschreiber die Tischplatte; Mine raus.

Zayn sah auf. »Das ist dein Zitat?«

»Ja. Was ist deins?«

»Ich hab mir noch keins ausgesucht. Aber deines hätte ich nicht gewählt.« Er schlug die Seite eines bekritzelten Blocks um. Eine leere erschien.

»Wieso?«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich wäre mir nicht sicher, ob er es unglaublich sexistisch oder feministisch meint – für die Zeit.«

Ich nickte, klickte meinen Kugelschreiber ein weiteres Mal. »Ganz genau. Deswegen ist es interessant. Der schmale Grad. Es ist meine Ausrede dafür, in einer langweiligen Zitatdiskussion auch seine anderen Werke hinzuzuziehen.«

Dafür erntete ich einen anerkennenden Blick. »Das ist wirklich eine gute Idee. Ich habe keine große Lust auf kontemporäre Bezüge. Nicht mit Chaucer.«

»Chaucer musste ich auch lesen.« Niall riss sich von seinen endlosen Zahlen los. »In der Schule.«

Ich nickte. »Man kann ihm nicht entfliehen.«

Der Blick der blauen Augen sprang zwischen Zayn und mir hin und her. »Ich dachte, ihr hättet den Kurs freiwillig gewählt..?«

Schuldbewusst konnte ich mein Grinsen nicht unterdrücken. Ich musste Zayn nicht ansehen, um zu wissen, dass es ihm ähnlich ging. »Grund zur Sorge, Niall. Chaucer wählen alle nur wegen der Dozentin.«

»Professorin«, berichtigte Zayn. »Professor Adderley. Sie ist die beste.«

»Sie hat blonde Haare, Niall.« Ich ließ den Kugelschreiber vor seinen Unterarmen auf den wirren Rechnungen klicken. »Nicht natürlich; gefärbt. Ich würde vorsichtig sein, an deiner Stelle. Zayn hat sich damals einen Wecker gestellt, damit er auch ja in ihren Kurs reinkommt.«

»Du auch, Louis.« Er wandte sich zu Niall, um ihm eine bessere Erklärung zu bieten. »Sie bewertet gut. Und macht sehr coole Projekte. Bis auf die gelegentliche obligatorische Zitatanalyse. Man merkt einfach, dass sie eins der wenigen nicht-weißen, -alten, -männlichen Fakultätsmitglieder ist.«

»Hört sich gut an.«, bewertete Niall lächelnd.

Er schien nicht auf meine Kommentare eingehen zu wollen. Schade. Zayn wäre dabei gewesen. »Aber apropos Schullektüre«, lenkte ich das Thema also um, »ich wollte dich fragen, ob ihr in der Schule Patrick McGabe gelesen habt? Yeats? Oscar Wilde und James Joyce sind ja klar.  Bram Stoker. Aber habt ihr separat von den Standardklassikern mehr irisch-zentriert gelesen? Swift? Beckett?«

»Ich bin nicht gut mit Namen.« Niall presste entschuldigend die Lippen aufeinander. »Aber ›Breakfast on Pluto‹ haben wir in der Schule gelesen, ja. Im Unterricht ging es vor allem viel um Irland in Bezug auf den Krieg.« Am meisten waren es seine wandernden Augen, die sein nur mäßiges Interesse für das Thema verrieten. Vielleicht war das ein wichtiger Ausgleich.

Ich beschloss, das Thema zu wechseln – für Niall, und weil mir bei dem Gedanken an Jungen in Kleidern in dieser Sekunde nur Ungutes einfiel. Ich hatte Harry seit über einer Woche nicht gesehen. Nicht, dass ich die Tage zählte.

»Genug zu Zayn und mir und langweiliger Literatur. Unbeabsichtigte Alliteration. Was musst du da machen, Niall? Könnte ich verstehen, was all die verschiedenen Zahlen bedeuten?«

Niall sah mit großen Augen auf sein Blatt herab, als hätte er ganz vergessen, was dort in seiner kleinen Schrift stand. »Ich weiß nicht, Louis. Wenn man es einmal verstanden hat, ist es eigentlich ganz einfach.«

»Zweifellos.«

Meine Ironie konnte Niall nicht beeindrucken. »Wir sollen das Olberssche Paradoxon beweisen, und widerlegen. Hast du davon gehört, Louis?«

Es konnte nicht schwer sein, mir anzusehen, dass ich nicht davon gehört hatte. Zayn lehnte sich mit friedlichem Lächeln zurück. Er hasste Zahlen. Niall war offenbar auf effektivster Route in sein Herz marschiert.

»Das Universum ist unendlich, richtig? Das heißt, es gibt unendlich viele Sterne.« Bestätigung suchend sah Niall zu mir herüber. Er schien mich wirklich in die Astrophysik einführen zu wollen. Also gab ich mir Mühe, aufmerksam auszusehen. »Unendlich viele Sterne, die homogen im Universum verteilt sind. Das bedeutet, dass jede Verlängerung des Erdradius irgendwann auf einen Stern trifft, der eine Leuchtkraft besitzt. Folgerung: der gesamte Nachthimmel müsste hell erleuchtet sein. Eine Sphäre aus Licht. Das Paradoxon: der Nachthimmel ist schwarz, mit vereinzelten Sternen lückenhaft verteilt. Das war auch in den Fünfzigern schon so. Deswegen war es eine Theorie, die Sinn zu machen schien, aber eindeutig widerlegt werden musste.«

Ich wollte ihm sagen, dass ich wusste, was ein Paradoxon war, aber Zayn hob einen schlanken Finger. Ich sollte Niall nicht unterbrechen.

Mit konzentriertem Blick drehte dieser das Blatt auf die noch dichter beschriebene Rückseite. »Warum es nicht stimmen kann, was aber damals noch nicht vollständig bekannt war; das Universum ist zwar unendlich, das sichtbare Universum allerdings sowohl zeitlich, als auch räumlich begrenzt. Sterne sind außerdem sterblich. Und, natürlich; die Relativitätstheorie. Dass die Steady-State-Theorie nicht stimmt, weißt du sicher – Einsteins Fehltritt. Aber selbst unter ihrer Annahme darfst du nicht vergessen, dass die Rotverschiebung ebenfalls eine große Rolle spielt; das Universum dehnt sich aus. Ganz grob also: das Olberssche Paradoxon erklärt und widerlegt.«

Eine entladene Stille breitete sich zwischen den vier Wänden, Decke, Boden aus. Zayn hatte die Augen geschlossen, das Lächeln immer noch nicht ganz vergessen auf seinen Lippen. Niall ließ sein Blatt nicht aus den Augen, als könnte sonst eine neue Naturkonstante die Rechnungen zerstören. Ich wusste nicht, ob ich das Gesicht in meinen Händen vergraben oder grinsen sollte.

»Ich denke, du hast deine Aufgaben erledigt, Niall.«, verkündete ich schließlich. Und was für ein Stipendiat er war. »Möchtest du mir vielleicht mit meinem Zitat helfen?«

Entschuldigend neigte er den Kopf. Sein Zeigefinger ruhte auf einem Tintenabzweig, den er nicht verlieren wollte. »Da wäre ich dir kaum eine große Hilfe, Louis.« Er musterte die vergilbte Ausgabe der ›Canterbury Tales‹ vor mir. Plötzlich wurde ich mir des Tickens der Uhr in meinem Rücken bewusst. Mit einem Arm auf der Stuhllehne drehte ich mich um. »Es ist 16:47 Uhr, Zayn.«

Die mit langen, schwarzen Wimpern besetzten Augenlider sprangen hoch wie Gummi. »Fuck! Wirklich?« Seine Nachfrage schien leer, denn er warf keinen eigenen Blick auf die Uhr, sondern sprang mit wackelndem Stuhl auf. »Fuck, fuck, fuck, fuck. Okay. Ich muss hoch.« Unsanft schob er sich an Nialls Rückenlehne vorbei, dann auf den offenen Flur. »Louis, bitte, Chaucer!«, rief er von einem Ort aus, der sich schon wie das Treppenhaus anhörte.

Jetzt konnte ich ein Grinsen nicht mehr unterdrücken. »Es ist ein Wunder, dass er noch nicht gefeuert wurde.«, bemerkte ich amüsiert und begann gemächlich, sowohl Zayns als auch meine Sachen auf dem milchig-weißen Tisch des Wohnheim-Gruppenraums einzusammeln. Niall schloss sich mir an, nur dass sein Block, Taschenrechner, Tafelwerk, Kugelschreiber und Sammlung an Bleistiften nicht wie bei mir in einem hohen Chaos-Turm in seinen Armen endete, sondern direkt in dem blauen Rucksack über seiner Stuhllehne.

Er machte sich vor mir auf den Weg nach oben, aber ich rannte mit all meiner Unsportlichkeit direkt hinterher. Auf der sechsten Treppenstufe holte ich ihn ein. Ganz hervorragend, dass wir noch bis unters Dach mussten.

»Wir müssen uns beeilen, wenn wir ihn noch erwischen wollen.«, verkündete ich und hoffte, dass alle Gegenstände bei mir bleiben würden.

Niall warf mir einen besorgten Blick zu, aber er konnte wohl so gut wie ich erkennen, dass er mir nichts abnehmen konnte, ohne alles zu Fall zu bringen. »Er braucht nicht viel, oder? Braucht er überhaupt etwas?«

Ich ging kurz all die Male durch, an denen Zayn schon überstürzt zur Arbeit aufgebrochen war. »Nicht wirklich. Er muss sich umziehen.«

»Ja.«, bestätigte Niall. Wir ließen ein weiteres Stockwerk hinter uns. »Und seine Haare.«

Natürlich seine Haare. Licht ungeputzter Fenster blendete meine Sicht kurz aus. Orangene Girlanden aus angeschmolzenem Plastik spannten sich von Fensterrahmen zu Fensterrahmen. Schon jetzt roch es leicht nach Bier. Es war Mittwoch.

»Wann bist du morgen da, Louis?«, fragte Niall bemüht beiläufig, aber ich wusste dass er die Antwort hören wollte, obwohl er Zayn hatte. Manchmal schien er noch Angst zu haben, durch kleine Handlungen irgendwie auf die Zehenspitzen englischer Kultur zu treten.

Leider hatte ich keine zufriedenstellende Antwort für ihn parat. »Ich weiß es noch nicht. Zayn und ich haben Freitag Romantik, aber da gehen wir nicht hin. Das Problem ist Kreatives Schreiben. Erstens ist es ein Seminar mit Anwesenheitspflicht und zweitens muss ich bis übermorgen auch den ersten Konzepzentwurf fertig kriegen. Ich hab noch nicht angefangen. Ich habe gleich ein paar Stunden, bis Zayn zurückkommt, aber da werde ich nichts schaffen, so wie ich mich kenne. Also alles morgen, wenn ich wieder zurück bin. Oder vielleicht gehe ich in die Bibliothek, da bin ich produktiver, keine Ahnung. Und ob mein Kostüm ausreichend ist, weiß ich auch noch nicht so recht.«

Niall keuchte leicht im Takt meines eigenen Keuchens. Mal sehen, wer von uns in dem Tempo als erstes stolpern und sich einige Rippen brechen würde. »Aber das mit dem Kostüm ist doch nicht so ernst, oder?«

»Nein. Aber Pflicht.« Wir bogen um den letzten Geländerpfeiler, von den abschließenden Stufen nahm ich nur jede zweite. »Geschafft.«

»Seid ihr heute hier oder bei dir?«, erkundigte Niall sich mit flachem Atem.

»Bei mir.« Für eine Sekunde fragte ich mich, ob er mit der Frage versuchte, sich auch eine Einladung zu erspielen, aber sofort war ich mir sicher, dass das nicht der Fall war. Ich kannte Niall weder gut noch lange – auch nicht, wenn ich Zayns Erzählungen miteinbezog – aber ich hatte das Gefühl, dass er ganz und gar nicht die Art von Mensch war, die sich ungefragt zu Unternehmungen anderer einlud. Auch wenn er schon bei einem unserer Mittwochsessen dabei gewesen war. Also beließ ich es bei der Antwort.

Zayns Tür stand offen und wir schlüpften unaufgefordert in die geteilte Wohnung. Auch die Badtür lehnte nur lose in ihrer Angel, Wasser rauschte in den gurgelnden Abfluss eines versteckten Waschbeckens. Krachend und stolpernd landete mein Geröll an Gegenständen auf dem runden Tisch der fensterlosen Küche. Niall half mir mit den Stiften, die über den Boden rollten. Der Wasserhahn verstummte, Zayn stolperte mit gehetztem Blick und zwei Stirn-verlorenen Strähnen aus dem Bad. Sein Oberkörper steckte in einem schwarzen Polo-Hemd mit flammenrotem Logo auf der Brust.

»Uhrzeit?«, fragte er ungerichtet und steuerte an Niall und mir vorbei das nächste Waschbecken an. Sprudelnd füllte er ein Wasserglas und verteilte ebenbürtig Flüssigkeit über die Haut seiner Finger.

»50«, berichtete Niall mit Blick auf sein Handy. Dass Zayn irreversibel spät dran war, musste niemand aussprechen.

Das Wasserglas war in einem Schluck geleert. »Danke fürs Hochtragen.« Zayn verschwand für ein paar Sekunden in seinem Zimmer, tauchte mit einer dünnen Regenjacke im gleichen Design wie sein Polo wieder auf. »Lou, ich beeile mich danach. Soll ich noch was mitbringen?«

Ich beobachtete grinsend seine hektischen Insektenbewegungen. »Nein. Danke.«

»Okay. Ah, fuck«, Seine Zehen verfehlten die Öffnung eines Schuhs unter den schlüpfrigen Fingern. »Niall, wir sehen uns am Wochenende? Ach nein, morgen Abend. Wir sehen uns morgen Abend.«

»Gegen neun?«, fragte Niall, seicht gegen Zayns Eile.

Zayn schnürte auch den zweiten seiner Turnschuhe. Das einzige Paar Turnschuhe, das er besaß; schwarz, weiße Sohle, nur für die Arbeit. »Ja. Keine Ahnung, ich schreib dir. Kommt.« Mit Schlüssel in einer Hand winkte er uns nach draußen. Ich lief schnell zurück zum Tisch und pickte meine Sachen zwischen Zayns hervor. »Louis, komm!«

Eine halbe Minute nach ihnen schlüpfte auch ich aus der Tür, zog sie zu. Zayn sah mich böse an, aber auch dafür blieb ihm nicht die Zeit.

»16:52 Uhr.«, verkündete ich, von Nialls Display abgelesen, bevor er die Worte aussprechen konnte.

»Ich hasse diesen Job. Fuck. Bis später, Louis. Niall?« Die braunen Augen tranken Nialls Haut, sein leichtes Lächeln. »Tschüss, Niall.« Die Hektik verdrehte Zayn den Kopf, er küsste Nialls Mundwinkel. »Fuck. Außentreppe. Bis dann!«

Und schon rannte er davon. Niall rief ihm ›Viel Spaß‹ hinterher, aber klang ein wenig gelähmt vom halböffentlichen Kuss. Ich ließ ihm ein paar Sekunden, dann entschied ich für uns beide, dass wir nicht die Außentreppe, sondern wie eben das reguläre Treppenhaus benutzen würden. Willentlich, oder perplex stumm, folgte Niall mir.

Erst als wir draußen vor den rotbraunen Wänden von Whitworth Park standen, dem Ort, an dem wir uns unweigerlich voneinander trennen mussten, lockerte sich seine Zunge wieder. »Na dann, Louis. Viel Spaß heute Abend und viel Glück mit dem Zitat und dem Entwurf. Ich mochte, was du vorhin vorgelesen hast. ›Women are the wisest‹..? Das kriegst du bestimmt gut hin.«

»Danke, Niall.« Das mit der Intention, über das ich vor drei Wochen nachgedacht hatte, bevor ich Niall das erste Mal begegnet war, traf zu. Niall gab mir ein gutes Bauchgefühl. Mit Zayn – für Zayn. Nicht, dass sich diese Dinge nicht schnell ändern konnten, aber gerade konnte ich nicht viel mehr als glücklich über die Wahl der beiden sein. »Wir sehen uns morgen?«

»Ja, morgen. Bis dann, Louis. Komm gut nach Hause.« Er ging vorsichtig ein paar Schritte in meine entgegengesetzte Richtung.

Ich lächelte bestätigend und winkte schwach. »Bis dann.« Auch ich drehte mich weg. Aus der Himmelsrichtung, die Westen sein musste, verdeckten hochtürmende Wolken die bald untergehende Sonne in einem tiefen Anthrazit. Ich musste noch einkaufen, für heute Abend und weil ich generell ziemlich mager ausgestattet gewesen war in den letzten Tagen. Beim Abschließen meines Fahrrads sortierte ich die eilig in die Tasche geworfenen Sachen grob um, machte Platz für den Einkauf. Als ich mich auf mein Fahrrad schwang, blieb nur noch übrig, für eine trockene Heimfahrt zu beten.

Einkauf: check
trockene Heimfahrt: check
Bad putzen: check
Gemüse schneiden: check
Hackfleisch anbraten: check
Saucen köcheln lassen: check
Lasagne schichten: check
Lasagne im Ofen: check
Konzeptentwurf während der Backzeit schreiben: hm. Das war das Ding mit kreativem Schreiben. Alles gut und schön, wenn man Ideen hatte, und Motivation. Am Anfang des Semesters war ich frustriert gewesen, dass man maximal einen Kurs Kreatives Schreiben wählen konnte und ich mich so zwischen Fiktion und Lyrik auf letzteres hatte beschränken müssen. Es machte Spaß, wir hatten häufig thematische Aufgaben, kleine Spielereien, aber am Ende des Semesters sollten wir ein fertiges Lyrikprojekt einreichen. Es gab eine Menge Freiheiten, so ziemlich alle eigentlich, außer die verstreuten Deadlines. In allen anderen Kursen lernten wir, wie die Erschaffer der erfolgreichsten literarischen Werke der Menschhheitsgeschichte gearbeitet hatten, wie die wenigsten mit von außen auferlegten Zwängen brilliert hatten, und doch mussten wir uns jetzt genau davon einschränken lassen. Und ich hatte nicht auch nur den blassesten Schimmer, in welche Richtung ich überhaupt wollte. Übermorgen Abgabe Konzeptentwurf. Großartig.

So viel zu meiner halbwegs zufriedenstellenden To-do-List. Über der Lehne meines Schreibtischstuhls hing ein beiges Anzugjackett. Ein ungewohnter Anblick in meinen vier Wänden. Ich ermahnte mich und fixierte wieder das geöffnete Dokument auf dem Laptop auf meinen Oberschenkeln. Lyrik, Poesie. Was hatte ich zu sagen? Hatte ich etwas zu sagen?

Seufzend schob ich den Laptop von meinen Beinen und lehnte mich über die Bettkante. Kopfüber überflog ich die senkrechten Buchtitel auf den Buchrücken, von denen einige fast das Lattenrost streiften. Ich pflückte Frank O'Hara und Walt Whitman heraus. Für einen Moment schwebten meine Finger vor Bukowski, aber dann rollte ich mich vollständig zurück auf die Matratze. Bukowski mochte ein Genie seiner Art sein, aber wenn ich mich bemühen wollte, Lyriker zu werden, dann garantiert nicht Charles Bukowski.
Ganz abgesehen davon, dass dieser Kurs keine langfristigen Auswirkungen haben würde. Ich wollte unterrichten, keine Pulitzerpreise gewinnen.

Verträumt, und prokrastinierend, saugte ich die reichen Worte auf bis in mein Blut. Liebe? Natur? Wissen? Billie Holiday? Sah ich die Welt wie ein Poet?

Es klingelte, Rettung, und ich war so verpeilt, dass ich nicht realisierte, dass das Klingeln zu lang anhielt. Ich angelte nach dem weißen Hörer an der Wand. »Hallo?«, fragte ich obligatorisch, aber nur ein verwaschenes Rauschen von fernem Regen und schlechter Technik antworteten mir. In der Sekunde wurde mir bewusst, was den Alarm wirklich auslöste. Ich schaffte es nicht, den Humor zu sehen, als ich den Hörer wieder aufhängte und mich in die Küche schob, um das Piepen des Backofens mit einem einzigen Knopfdruck zu stoppen. Die Lasagne sah okay aus, noch nicht ausreichend golden an der Oberfläche, aber ich drehte die Hitze trotzdem ab. Bis Zayn kam.

Zayn kam, eine untätige Dreiviertelstunde später. Als er mit regenbenetzten Wimpern vor mir stand, löste sich zumindest ein kleiner Anspannungsknoten in mir.

»Darf ich duschen, Louis?« Waren die ersten Worte, die mir mit der offenen Tür entgegenfielen. Mit angewiderter Miene schälte Zayn sich aus der triefenden Jacke.

»Du solltest nichts mitbringen.«, erklärte ich mit Blick auf die Regentropfenperlen-übersäte Weinflasche in seiner Hand. Er drückte sie mir in die Arme, ich wählte sofort einen trockenen Sicherheitsabstand.

»Heute wurde Trinkgeld ausgezahlt.«, berichtete Zayn, beschäftigt damit, seine nassen Schnürsenkel auseinander zu zerren. Es fühlte sich an, als wäre ich auf der Rewind-Taste ausgerutscht. »Zur Feier des Tages also; der billigste Rosé, den Sainsbury's zu bieten hat.«

Rosé und Lasagne? Mal sehen. »Ich habe Bier gekauft.«, versuchte ich es trotzdem.

Den Schuhen folgten klitschnasse Socken. »Bitte nicht. Bier trinken wir morgen noch genug.«

Stumm gab ich mich geschlagen und schälte die Jacke von meinem Linoleum. Zayn schlüpfte jetzt auch aus dem Polo, das bis zum Bauchnabel einen schwärzeren als schwarzen, wassergetränkten Ausschnitt vorzuweisen hatte. Haare in den Augen, er tapste ins Bad und hinterließ schwammige Fußabdrücke. »Hast du vielleicht auch einen trockenen Pulli für mich?«, erkundigte er sich mit Fliesenhall.

»Du kannst gerne meine Wasserrechnug zahlen, Zayn.« Ich klemmte seine Schuhe und Jacke zwischen Fensterbank und Heizung. »Nur, weil du in deinem Mäuseloch Wasser und Strom nicht selbst bezahlen musst.«

»Stimmt nicht!«, rief er, bevor die Tür sich mit doppeltem Klicken verschloss. Das wusste ich auch. Mit einem frischen, weichen Wollpullover in den Händen stapfte ich in die Küche, um den Ofen wieder anzustellen.

Mit verkreuzten Beinen und müden Köpfen fanden wir uns auf dem Boden wieder, beide einen Teller mit Lasagne vor uns. Zayns Finger waren verquollen von Regen und Dusche, unsere Weingläser fast leer, Mägen voll. Beinahe eine Stunde lang hatte Zayn von den Mühen seiner Schicht erzählt; der ekelhaften Nässe, undankbarer Kundschaft und Fehlern der Küche. Bei jedem einzelnen Wort, wie jedes Mal, war ich dankbar, dass ich ohne festen Nebenjob auskam.

Als er mit einem geschwungenen Schluck Wein zum Abschluss kam, seufzten wir gleichzeitig. Lächelten dann. Wenigstens waren wir nicht alleine in dieser Stadt, in diesem Studium, in diesem Leben.

»Was haben all die Gedichtbände zu bedeuten?«, fragte Zayn mit einer ausladenden Geste seines Weinglases. Die schmalen Bücher hatten sich vermehrt, meine Alibi-Recherche war so unkontrolliert ausgeartet, wie sie von vornherein gestartet hatte.

»Kreatives Schreiben.«, berichtete ich geschlagen. »Du hattest recht.«

»Wer etwas zu schreiben hat, wird es schreiben, wenn die Zeit richtig ist? Nicht definiert durch einen Unikurs?«

»Ja. Genau das. Oder alternativ; ich bin einfach eine große Niete. Vielleicht ist meine Schreibkarriere mit den Kurzgeschichten in der Oberstufe verblüht.«

»Kreativität ist launisch, Lou. Ich weiß, was in dir steckt.« Er hob das Weinglas höher, triumphierend. »Ich bin trotzdem froh, dass ich mich nicht in Kreatives Schreiben eingewählt habe!«

»Ja, ja, ja.« Ich stocherte mit der Gabel probeweise erneut im knusprigen Käse herum. »Na gut, erst deine Probleme, danach meine. Jetzt bist du wieder dran.«

Er runzelte die Stirn. »Lass mich kurz überlegen.« Nachdenklich zupfte er am Kragen meines Pullovers um seinen Hals. Es war nicht allzu ungewohnt, Zayn in meiner Kleidung zu sehen. »Ich weiß.«, verkündete er. »Niall.«

Ich sah auf, legte die Gabel ab. »Nein. Bitte nicht. Ich habe vorhin noch reminisziert und bin zu dem unfehlbaren Schluss gekommen, dass ich ihn sehr gerne habe.«

Zayn hob eine Hand. »Nein, Louis, es ist kein Problem, es ist nur... Es ist alles zu gut mit ihm. Ich fühle mich viel zu wohl.«

»Ich...was?«

Er fuhr sich durch die ungewöhnlich natürlich liegenden Haare. »Keine Ahnung. Er ist so...perfekt? Er macht all die Dinge, die er tun sollte, er behandelt mich gut, er versteht sich mit dir, er nimmt sich Zeit, aber hat trotzdem ein eigenes Leben, und- Wir treffen uns seit über einem Monat, haben noch nicht miteinander geschlafen und er ist trotzdem noch hier und zeigt Interesse?! Was ist los? Was ist mit mir los? Er ist nicht mal mein Typ! Blond und klug und nett und lustig? Das ist ein Prince Charming, nicht ein potentielles Date für mich! Irgendwas ist falsch, irgendwas muss falsch sein, wieso läuft es so gut zwischen uns? Wo ist der Haken? Du solltest einen Niall daten, lieb und rücksichtsvoll, der sich bei all deinen perfekten Exfreunden einreiht. Nicht.ich! Es gibt mir ein unwohles Gefühl. Was ist falsch bei der ganzen Sache? Worauf muss ich mich einstellen?«

Ich wusste nicht, wo zwischen Decke und Rosé sich mein Atem verloren hatte. Kurz war ich einfach nur festgefroren, dann krabbelte ich über die Teller und Gläser hinweg und schloss meinen besten Freund in die Arme. Er roch nach meinem Shampoo. »Oh Zayn.« Seine Muskeln entspannten sich ein wenig. Ich kannte keine bekannteren Schultern.

Er hatte recht. Während ich von vorne bis hinten verständnisvolle Jungen und junge Männer gedatet hatte, war er irgendwie in eine toxische Beziehung nach der anderen gerutscht. Wir hatten schon öfter darüber geredet, und den Irrglauben, dass er solche Menschen anzog, ausgewertet.
Aber wie sehr ein unproblematischer Niall ihn aus der Bahn werfen konnte, hatte ich nicht erwartet. Er offenbar auch nicht. Dabei verdiente er ihn mehr als jeder andere Mensch auf diesem Planeten.

Zayn atmete warm neben meinem Ohr. Ich schloss die Augen für eine Sekunde. »Habt ihr je über eine feste Beziehung geredet?«

»Geredet?«, echote er leise. »Nein. Ich habe...darüber nachgedacht, aber-«

»Ich glaube, es gibt kein Aber, Z. Ich denke, du solltest ihn fragen. Was er denkt. Niall mag dich, wenn mich nicht alle meine fünf bis sieben Sinne täuschen, und du magst ihn, und ihr habt einander verdient. Eine ausgewogene Beziehung wäre eine gute Abwechslung, nicht wahr?« Ich lockerte meinen Griff ein wenig, lehnte mich ein Stück zurück. »Und wenn Niall je etwas Dummes tun sollte, ist das nicht deine Schuld. Aber, Zayn, gib ihm eine faire Chance, dich gern zu haben.«

Zayn schälte sich – halb widerwillig, halb nicht – aus meiner Umarmung. Regen prasselte laut gegen die Scheiben. »Du bist so ein kitschiger Idiot, Louis Tomlinson.«

Ich grinste, deutete eine Kopfnuss an, zog aber rechtzeitig zurück. Zayn zuckte nur ein bisschen. »Den Deal bist du vor vielen Jahren eingegangen.« Ich stupste mit sanfter Endgültigkeit seine Schulter an, dann kletterte ich zurück über die Teller und Gläser. »Außerdem; vielleicht ist ja jetzt der Zeitpunkt, an dem wir tauschen. Sieht ein bisschen so aus. Und wäre doof für mich, aber du hast jedes Recht darauf.«

Zayn leerte die letzten Tropfen seines Weinglases. Kurz musterte er die noch immer fast halbvolle Flasche, schien sich dann aber doch dagegen zu entscheiden. »Was tauschen?«

»Die Art von Menschen, mit denen wir uns einlassen. Du hast Niall, einen Engel. Ich habe – ›habe‹ ist an dieser Stelle ein sehr großes Wort – Harry..? Der ungefähr jedes Mal, wenn ich ihm begegne, mir entweder ungefragt irgendwo auflauert oder am Ende plötzlich wegrennt. Oder beides. Das sollte ich eigentlich sehr viel gruseliger finden, als ich tue. Wenn wir jetzt mal davon absehen, dass ich ihn seit zehn Tagen nicht mehr gesehen habe.«

Zayn lächelte mit weichen Augen. »Da wären wir also bei deinen Problemen. Na komm, Lou, leg los.«

Ich wollte nicht, ich hatte ihm das alles schon erzählt, mehrmals. »Wie du da sitzt, zum Beispiel!«, sprudelte es trotzdem aus mir raus. »Ganz normal, in normaler Haltung, mit Antworten auf meine Fragen, alles, wie es nun mal ist. Genau dort hat Harry gesessen. Er sieht aus wie ein Fremder in meinem Leben, als wäre irgendwas fürchterlich falsch, wie ein Traum, der aus meinem Schlaf gerutscht ist. Wenn ich bei ihm bin, ist es ein bisschen ungreifbar, aber ich versuche alles zu verstehen. Erst wenn er weg ist, und ich wirklich darüber nachdenke, merke ich, dass nichts einen Sinn ergibt. Träume ich noch oder träume ich, wenn ich bei ihm bin? Und die größte Frage von allen, natürlich; was finde ich überhaupt an ihm? Hübsch, mysteriös, bla bla bla. Aber wieso halte ich an ihm fest, wenn unsere Leben und Persönlichkeiten sich so unterschiedlich sind?«

»Gegensätze ziehen sich an.«

»Ja, vielleicht, aber...nicht wirklich, oder? Und es gibt Grenzen. Er hat mich angesehen wie ein Halbtoter, als seine Füße beim Kleckern nass geworden sind. Ich hätte ihn nicht nach dem Kleid fragen sollen, das eine Mal, schon klar, aber wie sehe ich solche Sachen voraus? Und die Art, wie er redet...wir sind einfach nicht kompatibel, oder? Ich wünschte, du würdest ihn mal sehen, dann könntest du verstehen, was ich meine. Mir vielleicht ein bisschen Vernunft einreden. Aber wieso stört es mich so, dass ich ihn seit einer Weile nicht gesehen habe, wenn eigentlich alles gegen ihn spricht? Es ist, als wäre ich immer noch ein Teenager! Wieso hat meine Vernunft, mein Verstand, keinerlei Mitspracherecht?«

Zayn neigte seinen Kopf von einer Seite zur anderen, nachdenklich, geduldig. Er wusste, womit er hier umzugehen hatte. Es war immer noch ich. »Es können eigentlich nur zwei Sachen passieren, oder?«

»Ach ja? Die da wären?«

»Entweder hat für ihn irgendwie das Ende stattgefunden. Er geht dir aus dem Weg, deswegen hast du ihn länger nicht gesehen. Du wirst ihn wieder auf dem Campus sehen, aber nur noch aus der Ferne, und sein Desinteresse wird deutlich genug sein, dass du es verstehst. Irgendwie hat es für ihn nicht funktioniert – warum ist ziemlich egal – und dann wird das alles bald Vergangenheit sein.«

Ich ließ seine Worte auf mich wirken. Sie konnten nicht genügend in meinen Verstand eindringen, um eine größere Reaktion auszulösen. »Aha. Oder?«

Zayn verdrehte die Augen. Ich kam nicht ganz mit. »Komm schon, Louis. Ihr habt seltsame Gespräche, findet aber trotzdem immer wieder, willentlich, zueinander zurück. Früher oder später – ich tippe auf früher, weil ihr das mit dem Reden bestimmt nicht mehr lange aufrecht erhalten könnt – werdet ihr sehr, sehr guten Sex haben. Ihr versteht einander nicht, aber könnt trotzdem nicht loslassen. Ihr werdet so lange miteinander schlafen, bis es genug ist. Nicht wie mit Danny, sondern damit du ein bisschen das mit dem Kleid ausleben kannst, und so weiter. Ich glaube, ihr seid kompatibel; im Bett.«

Ich konnte nur schweigen. Mein Bauch kribbelte. Fuck. Es war nicht die komfortabelste Realisation, aber der Gedanke an ›sehr, sehr guten Sex‹ mit Harry fühlte sich zwar teilweise neu, aber sehr richtig an. Ich blinzelte willentlich, um die Bilder zu vertreiben. Hatte Zayn recht? War die einzige Anziehung, die wir zueinander hatten, eine sexuelle? Die Vorstellung war nicht unrealistisch genug, um sich seltsam anzufühlen. Ganz vielleicht war es das erste, das in Bezug auf Harry wirklich Sinn ergab.

»Aber er hat gesagt, er will mich kennenlernen. Er kennt niemanden sonst in Manchester.«, gab ich trotzdem zu bedenken.

Zayn zuckte mit den Schultern. »Es ist ja auch nur eine von zwei Möglichkeiten.« Er rappelte sich auf. »Schluss jetzt. Wir blasen zu viel Trübsal. Lass uns morgen feiern und uns betrinken. Du wirst ein perfekter Atticus sein, sagt mir mein Gefühl.«

Ich beobachtete, wie Zayn die Teller mit Lasagneresten in seinen Armen stapelte. Ich schloss mich ihm an und balancierte die Gläser aus, den billigen Wein. »Möchtest du los?«

»Ja. Wie gesagt; ich will fit sein für morgen.« Er bog vor mir in die Küche ab, leerte die Teller. »Darf ich den Pullover anbehalten? Und die Socken?«

»Klar.« Wir stapelten das Geschirr in der Spüle. »Mal sehen, wie trocken deine Schuhe geworden sind.«

Zayn warf mir ein Geschirrhandtuch zu und drehte den Wasserhahn auf. »Ist sonst auch egal. Es gießt draußen immer noch.«

»Hoffentlich regnet der Himmel sich leer. Morgen Abend wäre es trocken angenehmer.«

Spülmittel auf das warme Wasser; Wogen aus Schaum. »Ja. Das wäre schön.«

Ich schwang das Handtuch sanft hin und her, dann immer mehr wie ein Lasso. »Du kannst auch bleiben, wenn du nicht durch den Regen zurückwillst.«

Er schüttelte den Kopf, kitzelte mit den Fingerspitzen die Schaumkronen. »Ich habe keine Garantie, dass ich morgen Abend zuhause einschlafe, deswegen will ich heute wenigstens hin. Außerdem kann ich morgen früh ausschlafen und du nicht.«

»Morgen ist Donnerstag.«, berichtigte ich. Wir hatten morgens gemeinsam Amerikanische Literatur und Soziale Kritik.

»Ah, stimmt ja. Trotzdem nicht. Danke, Louis.« Er drehte das Wasser ab. Eins der Weingläser schwamm bauchig umringt von fettgelb und tomatenrot angelaufenem Schaum.

»Dann beeil dich auf dem Weg nach Hause und krieg so viel Schlaf wie möglich vor morgen.«

»Du auch.«, grinste Zayn. Mit einem Platschen versenkte er seine Hände im dreckigen Wasser. »Morgen wird gefeiert!«

✩✩✩✩✩✩✩

Hey :) Das Kapitel ist bisher nicht Korrektur-gelesen, weil ich einfach keine Zeit habe... Also, wenn ihr ungeschickte, unausgefeilte Formulierungen gelesen habt, wisst ihr wieso :) (oder es ist einfach nur eine meiner gewöhnlichen ungeschickten, unausgefeilten Formulierungen... dann bedeutet sie entweder etwas oder beweist meine Fehlerneigung)
Egal, ich wollte nur sagen, dass es mir leid tut, und dass ich es so schnell wie möglich überlese. Ich hoffe, es war erträglich...
Danke fürs Lesen und Existieren :)

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