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Es war mehr als ein kleines Zittern, das bei meiner Materialisierung einschlug, ich wusste es in meiner Brust und jeder einzelner meiner Federn. Für eine Picosekunde überwältigte mich die Angst, dass Louis es gespürt haben könnte, aber dann wusste ich es besser. Es spielte keine Rolle mehr, ob er den Himmel in seinem Herzen wahrnahm.

Vor nur 116 Stunden hätte ich es wissen sollen. Als Louis mir mit unfehlbarem Schall bewiesen hatte, dass er endgültig über das Wissen verfügte, dass ich kein Student war. Die Liste, die mich verraten hatte, hätte mir auch den unumgänglichen finalen Verrat verraten sollen.

Ich hatte mich an die himmlischen Archive gerichtet. Die Geschichte zwischen Engeln und Menschen war das intensivst studierte Gebiet der Ausbildung, doch damals war es für mich nicht mehr als Basis aller Realitäten gewesen, Lernstoff, aber mit Louis' gefährlichem Wissen war es zu Lehrstoff geworden. Die Konsequenz, die ich nach ausführlichem Selbststudium gezogen hatte; Regeln.

Keine Fragen.
Kein Essen oder Trinken.
Keine Berührungen.
Keine weiteren Probleme für Himmel oder Erde und Himmel und Erde.

Ich hatte die Menschen unterschätzt. Louis musste Fragen nicht phonetisch ausformulieren, um sie sich trotzdem zu stellen – und Antworten zu finden.

Ich hatte angenommen, 100 Jahre Vorsprung würden genügen, um Louis' irdische Logik abzuhängen. Stellte sich heraus, dass ich Louis zwar 100 Jahre, er mir aber immer einen Gedanken voraus zu sein schien. Und ich hatte nicht mal die Ahnung einer Ahnung gehabt.

Schon bevor seine Moleküle wirklich hier waren, spürte ich Liams Ankunft. Seine Flügel bebten, als er vor mir stand. Ich sah es in seinen Augen, es war dort, in seinem Blick. Andere Engel hatten mich vor ihm erreicht, ein Summen, die Wärme, sie alle waren hier. Liams Finger lagen an meiner Schläfe, bevor all seine Zehen hier waren. Meine Hände umfassten sein Gesicht und schon riss er mich mit sich.

Goldene Mitte, goldenes Haupt. Wir kamen gemeinsam an, immer noch im Himmel, auf einer anderen Ebene, höher, allein. Wir waren hoch genug, dass Liam eine Aura trug. Sie sagte mir nur, was ich längst gewusst hatte. Kurz sah Liam an sich hinab, er spürte das Licht, das ihm entfloh. Ich musste ihn nicht imitieren; mir war bewusst, dass ich an mir keine Aura finden würde.

»Hara, was ist passiert?« Er erzwang Ruhe und es gelang ihm nicht.

Mein Körper war erleichtert, im Himmel zu sein, mein Rücken seufzte, und es tat gut, Liam in die Augen zu sehen, aber was jetzt gefordert war, war die Wahrheit. Und die hatte er von mir nicht mehr bekommen, seit ich den Fehler begangen hatte, Louis zu gestehen, dass ich auf der Erde keinen materiellen Wohnort hatte. Seit Liams und meinem Aufenthalt in Leeds hatte ich ihn daran gehindert, seine Position als Mentor wirklich einzunehmen – aus Angst, die Wahrheit der Geschehnisse auf der Erde würden nur eine einzige mögliche Konsequenz mit sich ziehen; Kontaktabbruch zu Louis, vielleicht sogar komplettes Erden-Verbot.

Jetzt musste Liam die Wahrheit erfahren, denn es war eingetreten, was wahrscheinlich von Anfang an hätte verhindert werden können – wäre ich nicht meinen egoistischen Bedürfnissen nachgegangen.

Aber wo sollte ich anfangen? Auf welche Weise würde es am wenigsten unverantwortlich klingen? »Liam.«, begann ich, und hörte auch wieder auf, denn weiter wusste ich nicht. Fokus auf mein Bewusstsein, das nicht hoch genug war, um meinem Körper zu entfliehen. »Du bist nicht im Besitz des vollen Wissensstandes.«

Das wusste er und sagte es mir ohne Worte. Dann mit. »Deswegen habe ich gefragt. Hara«, er neigte den Kopf, als hätte er es in der Aufruhr vergessen – als wäre es mein Wunsch, »Es war spürbar.«

»Auf der Erde?«

Liam zögerte. »Es war noch nicht genug Zeit, um das zu überprüfen. Ich denke nicht. Du kommst von der Erde?«

Von wo sonst? Andere Reiseziele waren mir nicht erlaubt. »Aus Manchester.«

»Du warst bei Louis.«

Keine Fragen mehr. »Ja.«

»Es geht ihm gut?«

»Er ist gesund und nicht in akuter Gefahr.« Es stimmte, aber gleichzeitig ignorierte es die Vergangenheit aller Menschen mit zölestischen Erleuchtungen zu hell für ihre Gehirnwindungen.

»Bitte gib mir das nötige Wissen.«, bat er.

Am liebsten hätte ich einen immateriellen Wissenstransfer vollzogen, aber das war in dieser Situation zu riskant. Magie war in solchen Momenten zwar schnell und schmerzlos, aber sie war gnadenlos ehrlich. Würde ich meine Erinnerungen ungefiltert mit Liam teilen, gäbe es keine Ausnahmen. Aber er sollte nicht alles erfahren, durfte nicht. Nicht, was Louis' Umarmung mit meinen Empfindungen gemacht oder dass ich sie durch meine bewusste Zustimmung willentlich hervorgerufen hatte. Auch nicht, dass nicht nur meine eigenen Füße nass geworden waren, als ich ein Glas zerbrochen hatte. Ich hatte Louis' Fuß aufgeschnitten. Ich hatte die Integrität von fünf Schichten seiner Haut fahrlässig zerstört. Ich hatte ihm Schmerzen bereitet.

Aus meinem eigenen Fuß hatte ich diese Reize von einer Verletzung verbannt, die Louis sich erst zugezogen hatte, als ich schon zwischen den Welten gewesen war. Aber das änderte nichts daran, dass es meine Schuld war. Ich hatte Louis gefährdet und verletzt. Ich hatte die wichtigste aller Regeln gebrochen. Das war Wissen, das ich auf keinen Fall mit Liam teilen durfte.

Also Worte.

»Nachdem Louis herausgefunden hat, dass ich nicht auf der Erde wohne – was er zum Glück nicht richtig interpretiert hat«, startete ich das Unumgängliche, »als du gesagt hast, ich müsste ihn deswegen konfrontieren«, vielleicht würde Liams Urteil sanfter ausfallen, wenn ich ihn an seine Rolle in all dem erinnerte, »habe ich ihn konfrontiert. Aber Louis hat mir angeboten...dass ich in seiner Wohnung leben kann. Weil er davon ausgegangen ist, dass ich in einem verletzlichen Körper ohne materiellen, architektonischen Schutz natürlichen Gefahren ausgesetzt bin.«

Sofort war sein Unglauben zwischen uns greifbar, nur war es kein Unglaube, denn Liam wusste, was ich sagte. »Du hast angenommen?!«

Ich senkte den Blick. Ich hatte gewusst, dass es potentiell die falsche Entscheidung gewesen war, aber es in Liams Stimme zu lesen, war schlimmer als erwartet. »Ich dachte, es wäre das Beste. Er lebt in einem großen Haus in ein paar Räumen in Manchester.« Liam selbst war schon dort gewesen. »Ich dachte, es würde ihn beruhigen. Besänftigen.« Das war nur die Hälfte der Beweggründe. Ich war auch einfach neugierig gewesen, und hatte mich danach gesehnt, diesen intimen Raum mit Louis zu teilen.

»Es ging dabei nie darum, deinen Menschen zu beruhigen. Es ging darum, dich zu beruhigen. Ich habe dich zu ihm geschickt, weil du zu aufgewühlt warst und wir es alle spüren konnten. Für dich solltest du mit ihm reden, um festzustellen, dass deine Identität gewahrt ist und du ihn guten Gewissens alleine lassen kannst. Weil eure Beziehung zu dem Zeitpunkt zu etabliert war, um für dich nach dem unbedachten Kommentar mit dem fehlenden Wohnort einfach unangekündigt vernachlässigt zu werden. Der Plan war, dass du mit ihm redest, um ihn verlassen und mit der unangekündigten Unruhe abschließen zu können. Dafür habe ich dich mit auf die Erde genommen. Die stete Nähe zu ihm hat dich zum Schwanken gebracht.«

Es war so viel auf einmal, und so ungeschönte Kritik, dass meine Muskulatur kurz streikte. Das hier war Liam als Mentor. Liam und die Weisheit und die Wahrheit. »Es ist zu spät.«, erinnerte ich an die unentrinnbaren Gesetze der Zeit.

Noch immer lag Unglaube in seiner Aura, und etwas, das fast Enttäuschung war. Fast.

»Ich weiß, dass es falsch war.«, sagte ich, als er nicht sprechen wollte. »Jetzt weiß ich es auch.«

»Was ist passiert?«, fragte er wieder.

»Ich war mit ihm in seiner Wohnung, wie er es vorgeschlagen hat. Abends, bis er eingeschlafen ist. Morgens, sobald er wieder aufgewacht ist. Tagsüber war er nicht da und ich konnte hierherkommen.«

»Der Rhythmus war spürbar.«

»Aber es war genug Zeit im Himmel!« Ich schaffte es nicht mehr, dem Bedürfnis nach Rechtfertigung zu widerstehen. Naiv, vor Liam. »Ich war hier, viel mehr als dort.«

»Dort.«, sagte Liam, als würde ihm der Begriff missfallen. »Es stimmt.«

Wenn Liam den Rhythmus meiner irdischen Aufenthalte gespürt hatte, wieso hatte er dann nichts gesagt? Er musste einen Verdacht gehabt haben.

»Du hast meine Vermutungen widerlegt, indem du das Muster gebrochen hast.«, beantwortete er die Fragen, ohne sie gehört haben zu müssen. Und dann verstand ich. Ich hatte Louis für drei Tage alleine gelassen, unangekündigt. Anscheinend hatte das nicht nur Louis verwirrt.

»Aber du hast es wieder aufgenommen.«, fuhr Liam fort. »Nur bist du heute früher zurück als erwartet.«

Das war ein zu großer Sprung. Und vielleicht bekäme ich die Worte noch nicht über die Lippen. »Was weißt du über menschliche Listen, Liam?«

Seine Zeit hier oben war begrenzt. Noch wäre das lange kein Problem, aber ich sollte mich daran erinnern, dass er dieses Wissen pausenlos am Rande seines Bewusstseins haben musste. Besonders, wenn ich unvorbereitet Schlaufen des Gespräches sponn.

»Menschliche Listen?«, fragte er und ich nickte. Die Geste schickte seine Überraschung in die uns umgebende Atmosphäre. Ich ermahnte mich dazu, meinen Körper zu beherrschen. »Menschliche Listen, die Engeln schaden?«

»Ja!« Ich war also wirklich kein Einzelfall. Dass Louis mich nicht auf seiner Liste gefunden hatte, musste schon vielen Engeln vor mir passiert sein.

»Sie sind nicht mehr von großer Relevanz, nicht mehr seit dem Großen Fall. Besonders, solange die Menschen nicht einmal von ihren Engeln wissen. Und das trifft auf die bedeutende Mehrheit aller Menschen zu.«

Ich konnte ihm nicht folgen. »Was hat das mit dem Großen Fall zu tun?«

»Nach dem Großen Fall konnten die Menschen sich keine Listen mehr überlegen, um den Engeln zu schaden. Gegensätzlich ebenso. Darum ging es. Hara, das solltest du wissen.«

»Liste, nicht List.« Wie ein Sonnendurchbruch durch eine schwere Wolkendecke klärte sich das Missverständnis auf. »Listen als Aufführung und Kategorisierung verschiedener Entitäten, nicht Listen als Mittel zur Täuschung! Ich meinte Listen wie die der himmlischen Archive.«

Wieder senkte Liam den Kopf gegen meinen Willen. »Natürlich. Verzeih mir.«

»Es gibt nichts zu verzeihen.«, widersprach ich schnell. »Menschliche Listen als Verzeichnisse. Was weißt du darüber?«

»Das ist eine sehr weite Frage.«

»Louis hat mich auf einer Liste gesucht, meinen Namen.«, gestand ich die nächste Stufe des Scheiterns. »Eine menschliche Liste, darauf konnte ich natürlich nicht verzeichnet sein. Wie kann ein elysisches Alibi jemals überzeugen, wenn die Menschen ihre Listen haben?«

»Ich muss zugeben, von diesem Problem habe ich bisher nie gehört.« Er pausierte, bereitete sich auf das Kommende vor. »Was hat er über dich herausgefunden?«

»Dass ich kein Student bin.«

Liam verarbeitete die Situation, spürbar, und ich wollte mehr sagen, weiterreden, aber musste ihm seine Zeit lassen.

»Und deswegen bist du hier? Deswegen die Erschütterung?«, fragte er schließlich sanft. »Hara, wir kriegen das hin. Es klingt nicht gut, aber wir finden einen Abschluss dafür und dann kannst du hierher zurückkehren und Louis für ein paar Jahrzehnte-«

»Liam«, unterbrach ich ihn mit brennenden Wangen, brennender Zunge, brennendem Gewissen. Was könnte jemals eine Unterbrechung rechtfertigen? »Louis weiß, dass ich ein Engel bin.«

Stille, tiefer als akustisch. Ich spürte die Zeit weit in meinem Inneren. Meine Worte das trockene Gras in dem Feuer von Liams Aura. Seine Augen brachen die Regeln und wurden größer. Ich sehnte mich nach einer Lunge geknechtet von Sauerstoff, um einen langen, angespannten Atem loszulassen. Aber in den tiefen Spitzen meiner Lunge waren womöglich noch irdische Gase versteckt und die in die himmlische Atmosphäre hinauszustoßen, keinen Meter im dreidimensionalem Raum von Liam entfernt, wäre nichts als absurd. Liams Überwältigung war meine eigene. Ich hatte noch lange nicht verarbeitet, was eben auf der Erde geschehen war.

»Er weiß es.«, wiederholte Liam langsam und ließ mich mit dem Blick seiner großen Augen nicht los. »Woher?«

Meine Panik wollte zurückkehren, wollte sich langsam wieder aufbäumen, aber vielleicht hatte ich mehr Angst als vor allem anderen vor einem Übersprung auf Liam. Wir hatten eben alle spüren können, was meine Panik hier anrichtete. Also so ruhig bleiben wie nur irgendwie möglich. »Ich weiß es nicht. Listen, schätze ich. Gibt es eine Liste mit allen lebenden Menschen?«

Wieder zögerte Liam und langsam wurde es bedenklich. »Außer in den Archiven? Ich weiß es nicht. Auch davon habe ich noch nie gehört. Aber vielleicht hast du dich anders verraten.«

Ich hatte das Bedürfnis, mit den Schultern zu zucken, wie Louis es so oft tat, aber ich ließ es sein. Ich hatte es auch noch nie mit freien Flügeln getan. »Nicht mit Absicht. Es kann sein, ich bin nicht sicher. Ich bin nicht der beste Blinzler, oder Atmer, aber dazu hat Louis noch nie etwas gesagt.«

»Was ist mit deinem Reif?«

Sofort schien das Gewicht in meinem Haar schwerer zu werden. »Niemals offen.« Es war eine Halbwahrheit, die meinen Mund direkt strafte. Zu genau erinnerte ich mich an den Morgen auf Louis' Matratze, als ich die Flügel und den Goldreif vergessen hatte, aber ich hatte sie verbannt, bevor Louis auch nur die Augen geöffnet hatte. Dessen war ich mir sicher. Trotzdem musste ich diesen Fehltritt jetzt nicht unbedingt mit Liam teilen.

»Bist du sicher, dass er es weiß?« Hoffnung als himmlische Tugend war nichts ungewöhnliches in Liams Gegenwart, aber in diesem Moment bereitete sie mir fast Schmerzen.

»Er hat es mir direkt ins Gesicht gesagt.« Das Bild in meiner Erinnerung war stark genug, um mich fast wieder für ein paar Sekunden aussetzen zu lassen. Ich war mir nicht ganz sicher, was mit der Zeit passiert war. Ich konnte nur hoffen, dass Louis' Blick in mein Gesicht ihn nicht Stunden gekostet hatte.

»Dass er die Wahrheit weiß?«

Als ich die Worte wiederholte, stellte sich die Verbindung ohne meinen Willen wieder her. Mein Fuß brannte und es war Louis' Zunge, die ihre eigenen Worte wiederholte. »›Du bist ein Engel.‹« Ich schaffte es, die Verbindung wieder zu kappen.

Liam wusste nicht, was er sagen sollte, und ich erkannte es. Ich hatte über 120 Jahre Übung darin, sein Bewusstsein wahrzunehmen und die Aura machte es nicht schwerer.

»Es tut mir leid.«, begann ich, die Dinge zu sagen, die ich wirklich sagen wollte. »Ich weiß nicht, wie er es herausfinden konnte, aber ich habe es nicht beabsichtigt. Und ich wusste nicht, wie ich reagieren soll. Ich hatte starke Emotionen und wusste nichts mehr genau. Ich bin einfach geflohen, hierher.«

»Hat er dich gesehen?«, fragte Liam mit zitternder Kontrolle und einem Anflug der Panik, vor der ich mich so fürchtete.

»Nein! Ich war sichtbar, aber die Reise hat er nicht gesehen. Ich habe für ihn undurchsichtige Materie zwischen uns gebracht. Aber es war trotzdem kein plausibler Abschluss eines menschlichen Gespräches.«

»Die Illusion musstest du aber auch nicht mehr aufrechterhalten. Er weiß, wer du bist.«

Ich wollte die Erkenntnis nicht. Nie war ich auf diesen Fall vorbereitet worden. Das Gold in meinem Haar hatte mich vor einer solchen Konfrontation schützen sollen.

»Was sollen wir tun, Liam?«

»Der Plan hat diese Situation nicht vorgesehen.«, sagte er und erst dann wurde mir bewusst, dass Liam genauso wenig hierauf vorbereitet worden war wie ich. Er war nicht nur Mentor, er war mein Mentor. Jede Lektion, die er dafür extra hatte lernen müssen, hatte ihm womöglich eine andere, grundlegende erspart.

»Was sollen wir tun?«, fragte ich wieder, weil es nichts anderes mehr zu fragen gab.

Liam musste denken und zum ersten Mal konnte ich ihm dafür nicht die Zeit lassen. »Hier gibt es kein Wir mehr.«

Ich starrte ihn an. »Du bist mein Mentor.«

»Ja, und ich möchte dir helfen, aber das musst du alleine übernehmen. Ich darf dich hierbei nicht auf die Erde begleiten.«

Nichts davon wollte ich hören. »Aber du weißt mehr! Du könntest ihm gegenübertreten. Du könntest dein Wissen über Symeon teilen, mit mir. Oder Louis' Kurzzeitgedächtnis löschen.«

»Das kann ich nicht. Du kannst es.«

Nicht nur ich. »Also sollte ich sein Kurzzeitgedächtnis leeren?«

»Ich weiß nicht, wie gut das noch möglich wäre. Kennst du seinen Noradrenalinspiegel?«

So viel Unwissen. »Nein.«

»War er entspannt, als er es dir gesagt hat?«

»Als er es mir gesagt hat; ja. Direkt danach nicht mehr.« Daran zurückzudenken, Louis' als Spiegel meines eigenen, wühlte mich viel zu sehr auf.

»Dann wird er schon konsolidieren. Besonders, weil wir nicht wissen, seit wann er es weiß. Ob episodisch oder semantisch; er wird sich erinnern. Ich denke, es könnte zu riskant sein.«

Liam hatte recht und was er sagte, war: Louis war gestresst gewesen, mit hoher Wahrscheinlichkeit hatte sein Körper – unter anderem – viel Noradrenalin ausgeschüttet. Ich war zu panisch gewesen, um solch triviale Dinge zu tun, wie seinen Hormonspiegel zu checken. Aber diese Hormone feuerten sein Gedächtnis an; Erinnerungen direkt vom Kurzzeit- ins Arbeits- und ins Langzeitgedächtnis. Es war nicht so, als könnte ich die Informationen dort nicht mehr erreichen. In der Theorie war es möglich, nur hatte ich noch nie auch nur irgendeine Gedächtnismodifikation vorgenommen. Als ich den Fehler begangen hatte, Louis von meiner inexistenten irdischen Wohnsituation zu erzählen, hätte ich fast sein Kurzzeitgedächtnis gelöscht. Aber es war gut, dass ich es nicht getan hatte. Ich war nicht trainiert. Und an Louis zu üben, könnte fatal enden.

Aber dass das einzige Wesen, das außer mir Louis' Gedächtnis manipulieren könnte, jetzt einspringen würde, war höchst unwahrscheinlich. Dafür müssten Liam und ich die Geschehnisse erstmal weitertragen. Und das war die letzte Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen würden.

»Was soll ich dann tun?«

»Hara.« Liams Zeit hier lief noch nicht ab, aber für den Bruchteil einer Sekunde klang er so. »Du kennst Louis am besten. Denk nach, und handle. Diese Entscheidung kann ich dir nicht abnehmen. Auch niemand anders. Du kannst das Richtige tun.«

Ich fühlte mich naiv und schwach und unfähig und unglaublich jung. Bedachte Liam, dass ich erst 44524 Tage alt war? »Ich kenne Louis nicht am besten! Ich habe nur den winzigsten Bruchteil seines Lebens mit ihm verbracht – und dabei jeder seiner falschen Annahmen über mich zugestimmt. Ich kenne Louis nicht gut genug, um so eine wichtige Entscheidung zu treffen. Vielleicht sollte ich mit den Menschen reden, die ihn wirklich gut kennen! Zayn, sein bester Freund, ich habe keinen Nachnamen, aber ich glaube, er ist in Manchester, ich kann ihn finden- Oder Johannah! Vielleicht kann ich Anouk suchen und fragen, ob sie den Kontakt herstellen kann.«

Noch bevor Liam den Mund öffnete, schickte er mir seine Meinung und erstickte meine Hoffnungen. »Du möchtest also Louis' Freund aufsuchen, um ihm über Engel zu erzählen, um ihn dann fragen zu können, was der beste Weg ist, Louis einzuweihen? Das ist absurd.«

Das war es. Aber dass ich das hier alleine richten sollte, schien absurder. »Vielleicht weiß Zayn schon von Engeln. Dann wäre es weniger abwegig.«

»Ich kann dir nicht viel Unterstützung in dieser Situation zukommen lassen, aber ich kann dir sagen, dass sich das nicht weise anhört.«

»Woher sollte ich auch Weisheit besitzen?« Zu spät wurde mir bewusst, dass es eine widersinnige Frage war, rhetorisch, wie Louis sie gestellt hätte.

Liam wusste es so gut wie ich, trotzdem hob er die Hand, lodernd in seiner Aura, und legte sie mittig auf meine Brust. Aber er lag falsch. Egal, wie alt mein Herz war; ich war nicht weise. Und ich war nicht bereit für diese Entscheidung.

»Louis erinnert sich an mich aus seiner Kindheit. Er hat sich von alleine erinnert, an meinen zweiten Besuch. Vielleicht unterschätze ich unser Band. Vielleicht nimmt er es war.«

»Das ist nicht möglich, das weißt du.«

»Dann erinnert er sich vielleicht, dass ich aus einer hohen Baumkrone hinabgeschwebt bin. Viel zu hoch für ein Menschenkind meines Aussehens damals. Louis' Gedächtnis kann mehr, als ich ihm zutraue.«

Liam zog seine Hand zurück. »Wie er es herausgefunden hat, ist jetzt nicht von höchster Priorität. Du musst zurück zur Erde. Wir wissen nicht, was Louis bisher mit der Information getan hat und was er noch damit tun könnte.«

»Was ist, wenn ich alles noch schlimmer mache?« Da war sie; die einzige Frage von wirklicher Relevanz.

»Das Schlimmste kann nur eintreten, wenn du Louis und den Wahrscheinlichkeiten seiner menschlichen Handlungsmöglichkeiten Raum gibst. Wir weichen vom Plan ab, ja. Aber es scheint, als hätten wir jetzt keine Wahl mehr. Die Wahl, die du jetzt treffen kannst und solltest, ist, nicht noch weiter vom Plan abzuweichen. Dann ist Louis William Tomlinson eine maximal noch einhundertjährige Ausnahme. Aber lass es nicht zu, dass er die Ausnahme über sich hinaus verbreitet.«

Ein Jahrhundert. Das Maximum, das Louis jetzt noch leben könnte, und sehr wahrscheinlich sehr viel kürzer. Liam hatte recht. Jede Minute, die ich jetzt hier im Himmel verbrachte, war ein unglaubliches Risiko auf der Erde.

»Du kanntest Anne«, musste ich trotzdem noch sagen.

»Nur einen kurzen Moment lang.«

»Aber du kanntest sie. Was würde sie sagen? Was würde sie tun?«

Wieder spürte ich in seinem Blick, wie menschlich die Fragen waren. Meine Zweifel. »Sie war mächtig, Hara. Auf eine Weise, die dir noch nicht gewährt ist, weil sie alt war. Als ich sie kannte. Ihr Bewusstsein war nicht wie deines; es war mir nicht nah.«

Ich sah auf seine Hände hinab, aus Scham. Er konnte mir nicht antworten, es war physisch unmöglich für ihn. Und wahrscheinlich wäre meine Mutter nie auch nur ansatzweise in eine Situation wie diese geraten.

Ich musste zu Louis zurückkehren.

»Ja.«, bestätigte Liam. »Du solltest aufbrechen.«

Es wäre die dritte Reise innerhalb von 72 Minuten, aber das war vermutlich das kleinste Problem. Ich war so viel geübter im Reisen geworden, und darin, die Erdatmosphäre zu ertragen. Allerdings wusste ich nicht, wann die vierte Reise folgen würde. Ab diesem Punkt wusste ich nichts mehr.

»Was mache ich, wenn Louis es schon mit vielen anderen Menschen geteilt hat?« Ich konnte mir zu viele Szenarien vorstellen, jedes schlimmer als das vorherige. Könnte ich die Kurzzeitgedächtnisse anderer Menschen löschen, die die neue Information nicht so emotional eingefärbt hatten wie Louis? Oder müsste ich direkt eine Krisenversammlung veranlassen?

»Dann rufst du um Hilfe und vielleicht warten wir. Du wirst die erste Entscheidungsmacht dort unten haben, Hara. Du wurdest dafür ausgebildet. Du kannst das.«

Seine Zunge musste ihn quälend darauf hinweisen, wie sehr er sich irrte. Ich war nicht hierfür ausgebildet worden.

»Du schaffst das.«, versicherte Liam trotzdem weiter. Ich war mir nicht sicher, ob es half oder alles noch schlimmer machte. Seine Aura zitterte, als er zwei Finger an seine Schläfe legte.

»Nein, warte!«, sagte ich, zu spät. Liam war zurück auf einer für ihn erträglicheren Ebene. Es war seine Aufforderung zu der Handlung, die ich schon vor Minuten hätte einleiten sollen. Jede Sekunde Millionen von Signaltransmittern in Louis' agitierten Neuronen. Auf der Erde. Ich und das Universum konnten uns nicht mehr Verzögerung leisten.

Behebung des größten Problems meiner Existenz ohne auch nur einen Leitfaden für Richtig und Falsch? Es zog mich nach oben, höher, ich wollte höher, in den Ebenen höher und höher, bis ich der Auflösung dieses Disasters nicht mehr alleine unfähig gegenüberstand. Die Versuchung war groß, ein bisschen mehr Magie, ein fester Wille.

Aber so war es nicht vorgesehen. Auch meine Finger fanden meine Schläfe, doch erst traute ich mich nicht, nach Louis zu fühlen. Was, wenn er inmitten seiner Universität war, umgeben von den erdrückenden Massen junger Menschen, Louis mit lauter Stimme die sorgfältig verborgene Wahrheit aufdeckend? Oder wenn er mit seinem lebensmüde gefährlichem Gerät die Nachrichten an Orten auf dem Planeten verteilte, die die Erde sprenkeln würden wie wütende Infektionsherde? Oder was, wenn er mit einer Person redete, die ihm emotional zu nahe stand, um auch weitere Gedächtniseingriffe zu verhindern? Wenn er längst mit Johannah gesprochen hatte, oder Zayn? Wenn alles, was mir auf der Erde noch blieb, Krisendeeskalation höchster Stufe war? Es würde in den Himmel einschlagen, direkt.
Keine Sekunde Warten mehr.

Louis war noch in seiner Wohnung. Als mein Herz mir das verriet, überschlug die Erleichterung mich fast. Auch wenn das nichts bedeuten musste; wenigstens stand er nicht auf dem höchsten Gebäude Manchesters und ließ sein Wissen über die Stadt schallen.

Theoretisch – und praktisch – könnte ich mich direkt vor ihm rematerialisieren. Was daran sollte ihn noch schockieren? Aber es war zu viel, allein für mich, oder vielleicht auch für Louis, und es brauchte nur einen von uns, um beide unserer Realitäten ein Stück zu kippen. Vorsichtig sammelte ich nur meinen eigenen Willen, meine eigene Beherrschung, meine eigene Magie. Unter meiner Schläfe pulsierte Kraft und Angst. Ich handelte, bevor ich noch länger nachdenken konnte.

Die Erinnerung des Zitterns saß noch in den Atmosphären, die ich durchdrang. Ich war zu schnell, als dass der Schock mich erreichen könnte, und dass es genau andersherum war, ließ ich nicht in mein Bewusstsein. Die Treppen von Louis' Haus, das er nicht selbst gebaut hatte, waren dunkel, aber ich nutzte meine Augen zum Sehen. Unter der Tür, die ich vorhin nicht mal hatte schließen lassen, bevor ich in den Himmel geflohen war, glänzte ein warmer Streifen gelben Lichts. Jetzt hätte ich den Beweis nicht mehr gebraucht. Louis hinter den Wänden war wie eine schlecht gedämpfte Fackel; ich spürte ihn.

Meine Handlungen hier waren so routiniert, dass ich klopfte, bevor mir klar wurde, dass es ein Fehler war. Mein Arm fiel an meine Seite zurück, als wäre er durch mehr als mein Gehirn kontrolliert. Ich konnte nicht anders; jeder von Louis' Schritten echote in meinen Füßen. Schritt für Schritt für Zentimeter für Meter und mit jeder Sekunde wusste ich weniger, was ich sagen musste. Was ich tun musste. Wo der Schwerpunkt liegen würde, wenn Louis-

Louis' Hand auf dem kühlen Metall, Bewegung des Schlosses, dann der Türscharniere. Es ging zu schnell, aber die Zeit lief wie immer, ich wusste es und wünschte mir, ich hätte die Konstante ein wenig länger schleifen lassen. Schleichende Zeit als eine Illusion von Kontrolle. Louis' Gesicht zuckte wie der Himmel und ich wusste nicht, ob es ein Echo gab.

»Harry«, sagte er und ich fühlte mich längst angesprochen. Es ergab Sinn. Ein Name, der nicht mein richtiger war, aber trotzdem irgendwie. Harry, Hara, Harry, Hara; das war ich. Gold und Ursprung; Hara. Wärme und Katastrophe; Harry.

Katastrophe. Ich sah sie in Louis' Augen. Ein Schnitt in seinem Fuß, zwei Millimeter tief, der gläserne Fremdkörper war entfernt worden. Ich hatte ihm das angetan.

Der Unterschied war offensichtlich. Louis stand in der Tür, trat nicht sofort zurück, öffnete nicht direkt die Tür so weit, dass ich ohne Kollisionsangst eintreten konnte, wie sonst immer. Er stand dort, vor mir, seine Augen nahmen die Informationen auf, die ich ihm bot, und die Überforderung war meine. Sah er, dass ich eben noch im Himmel gewesen war? Dass ich Flügel und Reif nur wenige Sekunden vorher verbannt hatte? Und dass er eine ferne Sphäre mit der Kraft seines Wissens in Aufruhr versetzt hatte?

»Hallo Louis.«, sagte ich, kraftlos, zögernd, ängstlich. Ich wartete, in der Hoffnung, dass Louis etwas sagen würde, bevor ich selbst dazu gezwungen war. Vielleicht würde er pragmatisch sein und wenigstens alle Fragen auf einmal beantworten. ›Harry, ja, ich bin darüber informiert, dass du ein empyreischer Engel bist, und dieses Wissen ist bereits auf mehreren Ebenen in meinem Gedächtnis gefestigt, also kannst du von vornherein die Handlungsoption ausschließen, mich wieder vergessen zu lassen. Hier ist eine Liste der Menschen, mit denen ich die Information geteilt habe, und der entscheidenden Fehler, die du begangen hast, anhand derer ich deine menschliche Tarnung aufgedeckt habe.‹

Stattdessen verlagerte er sein Gewicht auf das andere Bein und seufzte leise. »Hey. Ich wusste nicht- Geht es dir gut? Es tut mir leid, ich war sehr verunsichert vorhin, ich bin immer noch verunsichert, du warst so schnell weg und ich weiß nicht genau, was passiert ist. War es...war es nur wegen des Glases? Wenn ja, dann ist das wirklich nicht schlimm, Harry.«

Das Glas. Er sagte, dass es nicht schlimm war, aber dann hatte er die Bedeutung seines eigenen Wissens noch nicht verstanden. Er sollte begreifen, dass ich als sein Schutzengel dazu verpflichtet war, ihn vor Gefahren zu beschützen, und nicht ihnen auszuliefern. Ja, das Glas hatte mich schockiert und zu meiner plötzlichen Flucht beigetragen; aber es war nicht ansatzweise der Hauptgrund gewesen. Auch das sollte er wissen.

»Kann ich reinkommen?«, fragte ich, weil es mir einen Bruchteil von Zeit verschaffte, und weil Louis mit seiner losen Zunge und dem gefährlichen Wissen hier im offenen Flur viel zu riskant war.

Es war das erste Mal, dass ich fragte. Und es war das erste Mal, dass Louis kurz zögerte. Dann zog er die Tür weiter auf. »Natürlich.«

Die Luft drinnen war wärmer. Mein Bewusstsein kämpfte gegen sich selbst, suchte nach Antworten. Ich passierte Louis und hätte am liebsten all seine Gedanken mit meinen Fingern aufgesaugt. Wieso präsentierte er mir all seine Macht, identifizierte mich in mein Gesicht, und tat dann so, als wäre dieses Wissen immer zwischen uns etabliert gewesen? Als wäre ich seit seinen Kindestagen ein Erden-Engel gewesen.

Ich lief durch bis in das größte Zimmer seiner Wohnung, am Ende. Die Wasserlache war verschwunden. Sie hatte mich berührt, meine Füße benetzt, kaltes Wasser, das ich für Louis geholt – weil er mich wegen seines Durstes angelogen – hatte. Jetzt war es trocken.

»Vorsicht, Harry, ich habe gesaugt und alles aufgesammelt, aber es können immer noch ein paar kleine Scherben rumliegen, mit deinen Füßen...« Er sah auf meine Füße hinab. Die Scherben würden für mich kein Problem darstellen, aber er warnte mich, als wäre er der Engel von uns beiden. Vielleicht wollte er genau das beweisen; meinen Verrat an ihm. Sein linker Fuß brannte unter der kleinen Wunde.

Ich setzte mich auf den Boden. Ich wollte die Zeit strecken, dehnen, anhalten, aber all das würde die Gefahr nicht verringern. Louis kannte Wahrheiten, aber ich musste das Ausmaß erfahren. So schnell wie möglich. Und dafür gab es nur einen Weg.

Louis' Augenbrauen und Lippen spannten. Vorsichtig, langsam, setzte er sich ebenfalls hin – nicht, ohne den Boden unter sich auf schimmernde Splitter zu kontrollieren. Die Fläche war sicher, das hätte ich ihm sagen können. Er wollte den Mund öffnen, aber ich stoppte ihn mit erhobener Hand, wie ich es schon bei ihm gesehen hatte. Vielleicht war Kontrolle die Lösung. Solange ich Kontrolle ausstrahlte, würde er mir womöglich geben, was ich brauchte. Den Schlüssel zur Balance des Universums.

»Louis«, begann ich mit Worten, die ich von nirgendwo holte. Sie mussten in mir gespeichert sein, aus Lektionen, die nicht für meine Ohren geschaffen waren. Irgendetwas in mir war wie durch einen Blitzschlag elektrisiert. Von hier aus würden wir nicht mehr umdrehen und zurückkehren können. »Du hast die Wissensgrenze überschritten. Jetzt müssen wir zusammenarbeiten.«

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