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𝐗𝐈𝐕

𝐇

Heute musste Louis mich glücklicherweise nicht wie letzte Woche über die Erde bringen, denn wir waren nie darunter gewesen. Stattdessen fanden seine Augen, dann Füße eine niedrige Bank, zu der er mich über den halbvollen Flur hinweg führte. Er lächelte mit seinen gesunden Zähnen, als wir uns beide gesetzt hatten. Mit ruhigen Händen schob Louis die Tasche, die er vorher auf seinem Rücken getragen hatte, zwischen seine Beine. Ich wollte derjenige sein, der etwas sagte. Nur Reden lehrte Reden.
Also öffnete ich den Mund, um ihm zu symbolisieren, dass ich etwas sagen würde.

Nur runzelte er wie zu häufig die Stirn. Feine Linien in seiner jungen Haut. »Alles gut, Harry?«

Ich versuchte, nicht zu enttäuscht zu sein. Er war schneller gewesen als ich. »Ja.«

»Ja?« Louis strich den Ärmel seines Pullovers über seinem Handgelenk glatt. »Das ist schön. Wie war deine Woche?«

Durch Magie und Luft hindurch tastete ich mich zu Louis' Atem durch, um ihn zu kopieren. Meine Woche?
Ich hatte Louis nach seiner Abwesenheit am Samstag fünf Tage gegeben, in denen ich mich zurückgezogen hatte. In der Zwischenzeit war ich nur Himmelsaufgaben nachgegangen und hatte Liam über einige Dinge ausgefragt. Er war noch immer nicht begeistert von der Zeit, die ich so gebündelt auf der Erde verbrachte. Aber meistens dauerte es nur einige Minuten, bis seine Fassade weit genug fiel, dass er mir zeigte, wie neugierig er wegen jeder winzigen Erfahrung war.

So gerne hätte ich ihn heute bei mir gehabt. Oder an einem anderen Tag. Liam hätte Louis kennenlernen können. Was Louis wohl gesagt hätte..? ›Hallo Harry, du hast einen Begleiter mitgebracht! Was ist sein Name? Es ist nicht wichtig, denn ich denke mir sowieso einen eigenen aus.‹ Vielleicht hätte er Liam sogar wiedererkannt; das menschliche Gedächtnis spielte nicht immer nach seinen eigenen Regeln. Irgendwo dort in Louis' hübschem Kopf verbarg sich Liams Gesicht.

Aber was war eine akzeptable Antwort auf seine Frage? Ich sah ihn an und improvisierte. Louis hatte auch kein Skript. »Gut.«

Louis' Augenbrauen zuckten, dann lächelte er. »Das hört sich doch...gut an..? Ist es nicht so stressig?«

Stress und Geduld waren etwas wie ein Widerspruch, also schüttelte ich den Kopf. »Nein.« Meine Finger waren schwer auf der kleinen Bank. Ich versuchte, mich für eine der Fragen zu entscheiden, die ich Louis stellen wollte, aber wieder kam er mir zuvor.

»Sei froh. Genieß es. Der Stress kommt noch, keine Sorge.«

Weil ich ihm die Wahrheit nicht erklären konnte, nickte ich. »Ist es stressig für dich, Louis?«

Er zuckte mit den Schultern. »Ja. Nein. Ein bisschen. Aber es wird definitiv noch schlimmer werden, deswegen will ich mich noch nicht aufregen.«

Ich sah ihn ernst an. »Stress ist ungesund.«

Louis nickte. Sein Blick wanderte über die nackte Wand gegenüber von uns. »Ja. Aber weißt du, was ich manchmal denke? Wenn Stress so belastend für den Körper – und natürlich die Psyche – ist, dann haben wir einfach keine Chance in unserer Gesellschaft. Oder nicht? Denkst du, wir fordern die Evolution heraus? Und wenn ja, ist das etwas Gutes?«

»Die Evolution?«

»Mhm. Also, dass wir sie herausfordern. Ist es wie ein Softwareupdate des Menschen? Weißt du, was ich meine? Zwingen wir die Evolution dazu, uns besser und stärker zu machen? Also natürlich nicht dich und mich. So schnell geht es nicht, schon klar. Aber Evolution ist sowieso etwas Beängstigendes, oder? Ihr Mittel ist der Tod und alles, aber- warte. Ich rede zu viel. Ich bin ein winziges Bisschen nervös. Das kann dann schnell passieren. Reden. Tut mir leid, Harry.«

Seine Lippen bebten sanft. Ich hoffte, dass mein Blick sie dazu verleiten würde, mir verständlicher zu erklären, worüber er redete. Aber wenn ich seine Worte brauchte, blieb er stumm. »Ich kann dir nicht ganz folgen, Louis.«, gestand ich leise.

Wieder nickte er. »Ja. Ich weiß, es ist zum Verzweifeln. Ich will nicht die Art von Literaturstudent sein, aber: Shakespeare schlägt mir aufs Gemüt. Obwohl. Der Arme kriegt zu viel Schuld ab, immer, aus Prinzip. Die Art der Überlegungen zur Evolution sind vielleicht eher auf Gower zu schieben. Der Mann verfolgt mich.«

Der Tag, an dem ich jedes von Louis' Worten verstehen würde, wäre ein großartiger. Aber er würde wohl niemals kommen. Also entschied ich mich dazu, hilflos mit den Schultern zu zucken. Das taten Menschen immerhin, wenn sie etwas nicht wussten. Und ich wusste eine ganze Menge nicht.

Louis' Augen weiteten sich kurz. Hatte er Angst? »Harry! Tut mir leid.«

»Was ist los?«

»Ich rede zu schnell, sag ich ja. Du weißt nicht, wer John Gower ist, natürlich nicht. Ich hasse es, wenn Menschen über mich hinwegreden, mit irgendwelchen Fachbegriffen. Angeben mit Wissen, mit selbstverständlichem Lächeln, nur damit ich mich auf die unangenehmste Weise dumm fühle. Und jetzt mache ich es selbst! Tut mir leid, Harry. Das ist mir wirklich ein bisschen unangenehm.« Er warf seine Jacke vom linken auf den rechten Oberarm. »Gower war ein Schriftsteller. 14. Jahrhundert, aber einer von denen, die älter als 30 wurden. Er hat gleichzeitig mit Chaucer gelebt. Den müsstest du aus der Schule kennen. Aber aus irgendeinem Grund hasst die Geschichte ihn, nach seinem Tod. Also Gower, nicht Chaucer. Gower; ewiger Sidekick. So ein Ron-Weasley-Harry-Potter-Ding. Niemand mag Ron lieber, obwohl Harry auch ein Idiot ist. Und wenn es doch mal jemanden gibt, der Ron lieber mag, wird er ausgelacht. So ist es mit Chaucer und Gower. Chaucer kriegt seinen eigenen Kurs im Literaturstudium, Gower wird mit einem Auge kurz in MMM belächelt. Mit ein bisschen Glück. Der Arme.«

Ich bemühte mich mit dem Atmen hinter Louis herzukommen. Aber auch mein Bewusstsein schien seinem nicht ganz folgen zu können. »Ich bin ein Idiot?«, fragte ich leise. Die Worte eines Menschen, der so wenig davon wusste, wie das Universum funktionierte, sollten mich nicht so verunsichern.

Aber Louis bestätigte meine Frage nicht. Stattdessen runzelte er die Stirn skeptisch, bis sein Mund sanft aufklappte. »Oh!«, bemerkte er grinsend. »Ja.« Er lachte seicht, aber mein Zwerchfell schlief. »Das kriegst du bestimmt oft zu hören, oder? Also nicht, dass du ein Idiot bist! Natürlich nicht! Den Harry-Potter-Vergleich, meine ich. Geht es dir sehr auf die Nerven?«

Ich wollte einfach nur ein guter Gesprächspartner für Louis sein. Aber er machte es unmöglich für mich. »Meine Nerven funktionieren wie deine.«, log ich, meine Mundwinkel wogen plötzlich Tonnen.

»Ähm...« Louis' Blick sprang über mein Gesicht, dann in seinen Schoß. Spürte er die Lüge auf meiner Zunge kribbeln, wie sein Blut meine Brust erwärmte? Ich durfte ihm nichts verraten. »Okay?« Wie feine Spinnenbeine wanderten Louis' Finger über die Plastiknähte seiner Jacke. Ich beschloss, meine Chance der Stille zu ergreifen.

»Louis?«

Er sah wieder auf, mit denselben Augen wie vor 21 Jahren, 9 Monaten und 24 Tagen. »Mhm?«

»Wieso besitzt du ein Handy?«, formulierte ich die Frage vorsichtig. Vielleicht würde ich ihm irgendwie vermittelt kriegen, in was für eine große Gefahr er sich begab.

Überrascht schossen Louis' Augenbrauen in die Höhe. »Oh. Interessant, dass du fragst. Ich hätte dich irgendwann gefragt, wieso du keines besitzt.« Er sah mich abwartend an, aber ich wollte seine Antwort hören. Es dauerte einige Sekunden, bis er das auch zu begriffen haben schien. »Wieso ich ein Handy besitze... Aus den normalen Gründen, schätze ich. Um vernetzt zu sein. ›Vernetzt‹ – klingt wie ein Wort aus den Neunzigern. Aber ja. Das ist wahrscheinlich der Hauptgrund. Realistisch betrachtet ist das für Kontakt zu meiner Mum wahrscheinlich am wichtigsten. Weil die nicht hier in Manchester lebt. Aber sicher sind das zur Hälfte auch Alibigründe. Du wirst darüber mehr wissen als ich, weil du dich damit bestimmt ein bisschen beschäftigt hast...oder? Also mit der Rolle des Gesellschaftsdrucks und Statussymbolen und so was. Für die bin ich wahrscheinlich zu integriert in die Normalität, um sie noch zu erkennen. Um ehrlich zu sein, habe ich nie in Betracht gezogen, kein Handy zu besitzen.« Er neigte seinen Kopf etwas zur Seite, seine Pupillen zitterten leicht, als tanzten die Gedanken vor seinem inneren Auge. »Ja, irgendwie so. Du merkst, dass ich es nicht so richtig erklären kann. Weil ich noch nicht wirklich darüber nachgedacht habe. Aber darf ich dich fragen? Wieso du kein Handy besitzt?«

Ich wusste, dass Denken jetzt wieder meine Aufgabe war. Aber natürlich wusste ich ein weiteres Mal nicht, was ich Louis sagen konnte. Dass ich kein Handy benötigte, weil ich Magie nutzte, um zu hören, was menschliche Ohren nicht hören konnten, gehörte nicht dazu. »Wegen der Gesundheitsrisiken.«, versuchte ich, ihn auf die richtige – und wichtige – Fährte zu führen.

»Hm, ja. Meinst du die Strahlung und so weiter? Damit hast du wahrscheinlich recht.«

»Strahlung?«

Louis runzelte die Stirn, wieder wieder wieder. »Ja? Meintest du die nicht? Was meintest du?«

Ich blinzelte ihn ernst an. Gab es nicht nur eine Antwort? »Alles.«

Langsam nickte er. »Ja. Natürlich. Alles.« Er beugte seine Finger raschelnd auf dem glatten, dunklen Stoff seiner Jacke. Dann stand er auf. »Das ist eines dieser Dinge, über die man nachdenken sollte, und weiß, dass man darüber nachdenken sollte. Ich. Ich sollte ›ich‹ sagen, nicht ›man‹. Ich sollte über das Thema nachdenken, und das weiß ich, aber ich habe zu viel Angst vor den Konsequenzen. Gesundheit und Gewohnheit sind Feinde, für mich. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, weil du wahrscheinlich stärker bist als das. Als ich. Ah, frustrierend. Ich muss mir dringend angewöhnen, mehr von ›mir‹ zu reden. Ich verallgemeinere zu viel.«

Hinter Louis' Rücken schoben sich Menschen in meinem Kopf wie Silhouetten vor einem Sonnenaufgang vorbei. Wieso war er aufgestanden? Wir hatten uns gerade erst hingesetzt. Sein Blick lag nachdenklich auf mir, Gedanken um seinen Kopf schwebend. Ich war mir ziemlich sicher, dass Louis viel nachdachte, immer.

Er streckte seine Hand aus; offene Handfläche lächelte die Decke an, ich hätte schielen müssen, um seine Fingernägel scharf zu sehen. Was war das für eine Geste?

»Louis...«, setzte ich vorsichtig an. »Was bedeutet das?« Ich neigte meinen Kopf in Richtung seiner Hand.

Er verzog seine Mundwinkel. »Äh.« Sein Blick zuckte an die Decke. »Ich wollte dir aufhelfen. Wenn du mir deine Hand geben willst.«

Es war keine gute Idee, ganz und überhaupt gar nicht. Trotzdem legte ich die Spitzen meiner Finger in Louis' aufgeladene Hand. Sanft zog er das noch immer etwas überwältigende irdische Gewicht meines Körpers auf die Füße. Ich konnte nicht anders, als die Augen vor dem Feuer in meinen Fingerkuppen zu verschließen. Schnell zog ich die Hand zurück.

»Wieso sind wir aufgestanden?«, fragte ich und versuchte, mich auf den Schlag von Louis' Herz zu konzentrieren. Oder das einseitige Gewicht des Beutels auf seiner Schulter. Alles, nur nicht meine eigenen Finger.

»Oh, ja; ich habe dich gar nicht gefragt. Tut mir leid. Ich wollte nach unten, nach draußen. Nach Hause. Ich hätte jetzt eigentlich Text und Theorie, aber das ist vierzehntäglich.
Das war irgendwie nicht die richtige Antwort auf deine Frage. Ich wollte mich auf den Weg nach Hause machen. Weil ich Hunger habe.« Louis schlüpfte mit einem Arm in die dunkle Jacke, dann schulterte er den Beutel um. Der zweite Arm folgte. »Mein bester Freund und ich haben gestern gemeinsam gekocht. Wenn man es kochen nennen kann. Das Ergebnis war eine Katastrophe. Und heute Morgen hatte ich nicht wirklich Zeit, um mehr als eine Banane zu essen. Ich hab ein bisschen verschlafen. Du merkst; vorbildlicher Student.« Entschuldigend grinste er mich von der Seite her an. Seine Füße erwachten aus ihrem Stand und bewegten sich in Richtung der schmalen Treppe. Ich folgte ihm.

»Was habt ihr gekocht?«, fragte ich, weil ich die Neugier nicht unterdrücken konnte. Es war ein bisschen unbegreiflich, wie Menschen die biologische Pflicht der Nahrungsaufnahme mit so komplexen und zeitaufwendigen – und gefährlichen! – Vorbereitungen verbunden hatten.

Louis' Finger fanden das Metall des Treppengeländers. Er lachte leise. »Nicht die Augen verdrehen bitte; wir haben Paella gekocht. Wollten Paella kochen.«

Ich umrundete mit sicherem Abstand eine junge Frau, die uns entgegenkam. »Was ist das?«

»Paella?«, fragte Louis mit überraschtem Seitenblick.

»Ja?«

»Wahrscheinlich solltest du da nicht mich fragen. Ich bin nicht unbedingt der größte Chefkoch, der dir begegnen könnte. Paella kommt aus Spanien. Es ist sogar das Nationalgericht...glaube ich..? Nationalgericht? Gibt es das überhaupt? Egal. Es ist Reis. Und viele Gewürze und Gemüse und sowas. Fisch. Eigentlich würde ich sagen, es ist so ähnlich wie Risotto, aber als wir es gestern so behandelt haben, war das Ergebnis nicht gerade großartig.« Er zuckte mit den Schultern. »Die englische Küche hat mich nicht so gut auf die spanische vorbereitet.«

Ich lächelte ihn mit fast geschlossenen Lippen an, bevor ich sie zum Sprechen öffnete, weil er das manchmal tat. »Isst du gerne Reis?«

Vielleicht hatte mein magisches Ende unseres Bandes es aus ihm herausgekitzelt; Louis lächelte mich seicht an, bevor er sprach. »Ja. Als ich ganz klein war noch nicht so gern. Dann ist Zayn passiert. Bei ihm kommt man nicht um Reis herum. Oh, Zayn ist der Freund, den ich meinte. Naja. Jetzt bin ich ganz dankbar für Reis.«

Vorbildlich nickte ich. Wir hatten schon die Hälfte der hohen Halle durchquert und steuerten weiter auf die große Eingangstür zu. Heute war es lange nicht so voll wie vor sechs Tagen, als ich dort auf Louis gewartet hatte. Sein Herzschlag war ein hübsches Flattern gewesen, als er mich entdeckt hatte. »Isst du gerne Gewürze?«, arbeitete ich seine Liste aufmerksam weiter ab.

Ein amüsiertes Lachen befeuchtete die Luft vor seinen Lippen. »Lass mich mal eine ganz wilde Vermutung aufstellen, Harry... Du bist auch nicht unbedingt das größte Talent im Kochen?«

Es fiel mir wieder ein; ich blinzelte. »Ich habe noch nie gekocht.«, erklärte ich seinen runden Ohren.

Grinsend nickte Louis. »So habe ich mich auch gefühlt, als ich ausgezogen bin. Aber das kommt mit der Zeit, keine Sorge.« Heute musste ich Louis' Seite nicht verlassen, um durch die Tür zu passen. Die Luft von draußen war immer noch Erdatmosphäre, aber ihre Kühle leichter. »Wo wir gerade über Essen reden.« Sein Schritt war langsamer geworden. Vielleicht für die einzelnen Treppenstufen, vielleicht für seine Worte. »Oder eher übers Kochen oder wie auch immer. Hast du schon gegessen? Ich habe Hunger. Großen Hunger. Naja, so schlimm auch nicht. Aber schon hungrig. Kennst du das, wenn dein Magen so leer ist, dass er sich anfühlt, als würde er gleich nach innen zusammenfallen? Das habe ich gerade.«

Ich war mir nicht sicher, wohin wir gingen. Es war nicht der gleiche Weg wie letztes Mal. »Ich habe nichts gegessen.«, beantwortete ich seine erste Frage. »Und ich kenne das Gefühl nicht.« Wenn ich gewollt hätte, wäre eine Hand auf meinem Bauch genug gewesen, um das Gefühl doch kennenzulernen. Aber Louis bog so plötzlich und scharf nach rechts ab, dass meine Beine alles waren, auf das ich mich konzentrieren konnte. Ich stolperte ihm hinterher. »Wo gehen wir hin?«

»Wir?«, Louis drehte seinen Kopf mit weiten Augen für eine Sekunde zu mir um. »Wir.«, wiederholte er dann leise. »Zu meinem Fahrrad. Ich wollte es abschließen. Warte kurz.« Er war stehengeblieben. Sein Blick wanderte über eine lange Reihe von schmalen Reifen, bunten Metallstangen. Fahrräder. Ich musste lächeln, weil Liam natürlich recht gehabt hatte. Louis hatte nicht zu den 0,0000375% gehört.

»Da.«, murmelte Louis und schlug sich mitten in die enge Masse aneinander lehnender Fahrräder. Er beugte sich vor und verschwand mit dem Kopf zwischen dem dreckigen Metall. Schnell trat ich ein paar Schritte näher. Wenn auch nur ein einziges der Fahrräder umfiel, im richtigen Winkel auf Louis' Hals traf...

»Harry?«, drang der gedämpfte Schall von Louis' Stimme reflektiert vom feuchten Boden an die Luft, die uns umgab. »Was ich eigentlich fragen wollte...wegen Hunger und so. Also deswegen kam ich darauf. Was hältst du davon- warte, nein. Das ist falsch formuliert. Es klingt wie ein auferlegter Zwang in Watte gepackt. Oder so. Aber es soll ein Vorschlag sein! Oder eher eine Frage. Aber ganz und gar ohne Druck, wirklich! Ich wollte einfach nur fragen, um zu wissen, ob du willst.« Sein Kopf tauchte wieder auf. In seinen Händen baumelte eine lange Kette grauer Metallglieder mit Durchmessern größer als Louis' Augäpfel.

»Louis«, gestand ich ein wenig widerwillig. Er war mir immer genau so weit voraus, dass ich seinen Worten nicht mal ein Thema zuschreiben konnte. »Ich weiß nicht wovon du redest.«

»Ähm.« Er wandte seinen Blick ab. Mit hellem Rasseln schlang er die Kette in seinen Händen um den Lenker des Fahrrads, das nur seines sein konnte. »Also...wenn du auch noch nicht gegessen hast, könnten wir in das 204 gehen. Das kennst du...nicht..? Okay. Es ist ein kleines Café auf dem Campus, da bist du bestimmt schon dran vorbei gelaufen. Sie haben guten Kaffee – und ich bin wirklich kein Kaffeetrinker. Aber das sollte nur ein Vorschlag sein! Ich habe keine Ahnung, ob du überhaupt Zeit oder Lust oder Hunger hast- Und ich bin wirklich nicht böse, wenn du nicht magst! Ich wollte eigentlich sowieso nach Hause, also wenn du nicht willst, ist das kein Problem. Aber wenn doch; es ist nur ein paar Minuten entfernt. Auf keinen Fall mehr als fünf. Zu Fuß. Oder, warte; hast du ein Fahrrad?«

Es waren zu viele Informationen, die für mich keinen Sinn ergaben. Ich versuchte, es mir nicht anmerken zu lassen. Stattdessen klammerte ich mich schnell an die einzig verständliche Frage. »Nein. Ich habe kein Fahrrad.«

»Okay.« Klappernd und ein wenig unsanft zog Louis sein Fahrrad zwischen den anderen hervor. »Aber...ähm, ist das ein Ja?« Seine Finger malten Muster in den dünnen Film von Wassertropfen auf dem schwarzen Leder neben seiner Hüfte.

Ich schüttelte verwirrt den Kopf. »Nein. Das ist ein Nein. Ich habe kein Fahrrad.«

»Nicht das Fahrrad!« Auch wenn Zähne dazu nicht da waren, biss Louis sich sanft auf die Unterlippe. »Ich meinte, ob du mit ins Café willst... Aber du kannst wirklich einfach Nein sagen. Nur falls du Lust darauf hättest, würde ich mich freuen, vielleicht ein bisschen mit dir quatschen zu können. Du...bist nett..? Harry. Ah, das klingt so unehrlich. Ich meine es aber ernst. Tut mir leid, dass ich manchmal Unsinn rede. Um ehrlich zu sein, macht es mich ein bisschen unsicher, das Gefühl zu haben, in einer Unterhaltung derjenige zu sein, der mehr redet. Aber, nein, darum geht es gar nicht. Magst du mitkommen?«

Louis' blaue Augen flackerten Panik in sein Lächeln. Dabei gab es keinen Grund für das Rauschen seines Blutes in meinen Ohren. »Ich würde gerne mitkommen.«, antwortete ich erfreut. Louis dachte, dass er es war, der mich kennenlernen wollte! Dabei war er es, dessen Persönlichkeit mit dem Bruch eines einzelnen Knochen ausgelöscht werden könnte.
Ich musste ihn kennenlernen.

Die Panik verschwand. Louis lächelte stete Glut. »Ja? Cool! Cool. Wollen wir los?«

»Ja.« Ich begab mich auf die andere Seite von Louis' Fahrrad. Falls es auf ihn fallen sollte, würde ich es vielleicht auffangen können. Langsam begann Louis, die dünnen Reifen zu bewegen. Ich zuckte zusammen, als ein Quietschen die feuchte Luft durchschnitt.

Er verzog das Gesicht, aber nicht aus Überraschung, wie ich. »Der Regen. Und mein Fahrrad ist nicht das jüngste; das hilft wahrscheinlich auch nicht unbedingt. Die Bremsen fangen so leicht an zu quietschen. Aber das finde ich nicht mal das Schlimmste. Das ist der nasse Sattel. Folter.«

Fragend sah ich auf, auch wenn der Stein unter meinen Füßen schwerer als alles war, das ich jemals im Himmel erleben würde. »Pferde?«, fragte ich interessiert.

Louis warf mir einen schwer deutbaren Seitenblick zu. »Was?«

»Pferde?«, wiederholte ich. »Kennst du Pferde?«

»Ähm.« Louis' Blick wanderte in die Ferne. Was sah er?

»Kennst du Pferde?«, wiederholte ich für ihn. »Und ich habe noch eine Frage. Ich kenne ein Wort nicht, das du benutzt. Das war noch keine Frage. Die Frage ist: was bedeutet ›ähm‹?«

Ein ungläubiges Lachen katapultierte für seine Augen unsichtbares Wasser wie Splitter von seinen Lippen in die Luft. »›Ähm?‹«, fragte er mit einem schwachen, schiefen Grinsen. »Also...ist das jetzt ein Witz? Tut mir leid, Harry, das ist ein bisschen seltsam, wenn ich das jetzt so sage, aber ich verstehe deinen Humor immer noch nicht so ganz.« Entschuldigend zog er das Grinsen noch schiefer. »Pferde? ›Ähm‹? Ich habe den Zusammenhang gerade nicht so ganz kapiert, glaube ich.«

Ich folgte der kleinen Kurve, die Louis' Beine einschlugen. »Es gibt keinen Zusammenhang.« Ich konnte nicht anders, als an den vierjährigen Louis zurückzudenken; weichwangig und mit immer offenstehendem Mund. »Müssen Fragen einen Zusammenhang haben?«, erkundigte ich mich vorsichtig.

Wir passierten eine Gruppe junger Frauen, deren Schuhe den Boden zum Vibrieren brachten. Louis schob sich mit seinem Fahrrad hinter mich. Ich wurde sicherheitshalber langsamer. Immerhin wusste ich nicht, wo wir hin mussten. »Das ist ehrlich gesagt eine gute Frage.«, meldete Louis' Stimme sich zurück, als er wieder an meine Seite trat. »Darf ich kurz sagen, was ich wirklich denke?«

Ich sah ihn verwirrt an und erinnerte mich ans Atmen. »Natürlich.«

Er presste sein Kinn kurz gegen den Kragen seiner Jacke, dann hob er es wieder an. »Ich dachte immer, ich würde nicht zu sehr in Kategorien denken. Ich versuche, da ein bisschen drauf zu achten. Ich will nicht zu viele Einteilungen schon vorher treffen. Warte, ich fange gerade alle Sätze mit ›Ich‹ an, oder? Super, das untermalt nicht unbedingt meinen Punkt. Egal. Also; ich dachte, ich würde nicht zu sehr in Kategorien denken. Seit ich dich zum ersten Mal getroffen habe, denke ich das nicht mehr.«

Es gab nicht besonders viele Optionen außer der Wahrheit. »Wie meinst du das?«

Leise lachte Louis, Reue zitterte zwischen seinen Zähnen. »Ich meinte...du fragst dich Sachen, die ich nie auch als bewussten Gedanken separiert hätte. Das hört sich so komisch an. Bitte denk nichts zu Schlechtes von mir. Das kommt nämlich auch irgendwie dazu! Kennst du das nicht, wenn du eingeschüchtert bist, wenn jemand auf einzigartige Weise bewusster denkt als du..? Das...bist du für mich. Ich kenne dich nicht gut, und das wollen wir gerade ändern – worüber ich mich freue! –, aber vielleicht ist es ganz gut, wenn ich diese Sachen vorher sagen kann. Jetzt ist es eh schon zu spät. Außer- unterbrich mich natürlich, wenn es dir unangenehm ist, Harry!« Er warf mir einen verunsicherten Blick zu.

Ich wollte nur, dass er weiter redete. »Mir ist nichts unangenehm.«

»Na gut.« Er spitzte die Lippen – wozu? Dann sah er mich nur flüchtig an, bevor mir sein Blick wieder verloren ging. »Dann rede ich mal weiter. Uff. Aber ich versuche ehrlich zu sein, und sage das jetzt auch gleich zum Start – vielleicht ist es dann weniger seltsam für uns beide. Harry, du bist- Nein, nochmal neu. Das will ich nicht sagen. Ich weiß nicht so richtig, ob man es selbst merkt, wenn man so eine Person ist. Oder ob man es durch die Wahrnehmung einer anderen Person wird, weißt du..? Aber du bist...wie soll ich es sagen? Ich habe nicht die richtigen Worte; nur als Vorwarnung.«

Über dem schwarzen Gummi an den Enden seines Fahrradlenkers bog und streckte er seine Finger. Wärme schlich kriechend in seine Wangen. »Du bist die Art von klug«, fuhr er langsam fort, »die überrascht. Also das, was du sagst, oder denkst wahrscheinlich, nicht du selbst. Ich kann nicht immer direkt folgen, weil du Denkprozesse hast, die ich offenbar nicht habe. Zumindest nicht in der Form..? Vielleicht ist es dein kreativer Verstand. Du studierst Kunst nicht für Nichts, schätze ich mal. Du denkst einfach anders als ich, will ich damit sagen. Auf positive Weise! Auf beeindruckende, unverständliche Weise.«

Es gab nicht besonders viel, das ich hätte erwidern können. Louis hatte recht; wir formten Gedanken nicht auf dieselbe Weise, aber er klammerte sich mit den stärksten Enden seines Bewusstseins an der Lüge fest, dass ich ein Kunststudent war. Als ich ihn ansah, hatte er die Augen geschlossen. Erleichtert streckte ich meinen Rücken durch. Für diesen Einsatz war ich bereit.

»Louis!«

Er blinzelte mit gegen das Licht versickernden Pupillen. »Hm?«

»Du musst die Augen offen haben. Beim Gehen. Es ist gefährlich, nichts zu sehen. Und es gibt keinen Grund, sie zu schließen.« Mit einer Hand deutete ich auf den Weg vor uns. Links von Louis lag die Straße. Träte er nur 30 Zentimeter zu weit zur Seite, wären sein Fuß, sein Bein, seine linke Körperhälfte, sein Leben in Gefahr. Auch wenn im Moment kein Fahrzeug zu sehen war. Falltür der Balance.

Louis lächelte, obwohl ich nichts Schönes gesagt oder getan hatte. »Du hörst dich an wie meine Mum.«, erklärte er sanft. »Und du hast recht. Wie meine Mum. Aber keine Angst; Augen bleiben offen. Ich hatte nur einen kurzen Moment von Reue. Aber das ist wirklich kein Grund, sich eine Beule vom Gegen-die-Laterne-laufen einzuhandeln.«

Ich gab mir Mühe, seine Worte zu entziffern. Der ewige Irrgarten der menschlichen Psyche. Neben mir raschelten winzige goldbraune Blätter einer Hecke im Wind. »Was hast du bereut?«

Langsam wiegte Louis seinen Kopf von links nach rechts, rechts nach links. »Wollen wir vielleicht das Thema wechseln?«

»Ich nicht.«, antwortete ich lächelnd. Allein stehende Fragen; auf die war es einfach, Antworten zu finden. »Willst du, Louis?«

Er lachte leise. »Ja, das war meine Intention. Mir wäre es lieber, wenn wir das Thema wechseln würden.« Seine linke Hand verschwand in einer Jackentasche, seine rechte führte das Fahrrad alleine.

Wieder bogen wir ab. »Wieso wäre es dir lieber?«, erkundigte ich mich interessiert.

»Ah, Harry.« Er zog meinen falschen Namen lang. »Du machst es mir nicht ganz leicht hier. Hm. Naja, jetzt ist es auch egal; es ist eh schon seltsam. Ich habe nur bereut, so ehrlich gewesen zu sein. Dass ich dir gesagt habe, was ich über deine...Denkweise..? Über deine Denkweise denke. Erstens, weil ich mich schrecklich ausgedrückte habe. Zweitens, weil ich zu spät verstanden habe, dass man sowas vielleicht nicht einfach so laut sagen sollte. Und drittens, weil ich mich jetzt dafür rechtfertigen muss. Also; lass uns bitte das Thema wechseln. Bevor ich mir so unangenehm werde, dass du mir auch noch unangenehm wirst.«

Ich begriff seine Logik nicht, aber ich nickte trotzdem. Louis schien, als würde er seine Zunge am liebsten verschlucken – hohe Erstickungsgefahr! – um kein einziges Wort mehr sagen zu müssen. Das war es zumindest, was unsere Gaumen mir signalisierten. War Stille also angebracht?

Wahrscheinlich. So wenig sie auf der Erde auch existieren konnte. Trockene Blätter schliefen auf den dünnen Halmen des kurzen Grases, das uns links und rechts in Flächen umgab. Winzige Reibung, Wind; Knistern und Rascheln, als könnte der ganze Planet in sich zusammenfallen. Das würde nicht passieren, das wusste ich, aber ob Louis diese Gewissheit hatte, wusste ich nicht. Sein Leben war so vage, dass er womöglich nicht wusste, wie vage es war. Dass ein einzelnes Schnipsen alles ändern konnte, war dabei nicht wichtig. Was er nicht wissen durfte, durfte er nicht wissen. Auch Wissen hatte seine Balance.

»Harry?«, meldete Louis sich zurück. Nicht existente Stille vorüber. »Darf ich fragen, wieso du kein Fahrrad hast? Hast du ein Auto?«

»Nein!«, versicherte ich eilig. »Hast du ein Auto?« Natürlich wusste ich ganz genau, was für eine Antwort ich hören wollte.

Louis lachte Luft. »Ha. Schön wär's.«

»Es wäre gefährlich. Gefahr ist nicht schön.«

»Hm.«, brummte Louis über das Geräusch seiner Füße auf den blassgrauen Steinen hinweg. »Du machst dir viele Gedanken über Gefahr, kann das sein?«

Ich fragte mich wirklich, in welche Richtung er dachte. »Ja. Sich viele Gedanken über Gefahr zu machen, bedeutet Sicherheit.«

Louis schwieg kurz und ich wusste, dass es bedeuten musste, dass er mir recht gab. Bis er das Gegenteil tat. »Ich denke, für mich wäre es nur anstrengend. Ich könnte nicht glücklich werden, wenn ich wüsste, dass ich in meiner Ignoranz alles falsch mache. Also damit meine ich nicht, dass es eine Last sein muss, für dich, was du tust! Ich sage nichts Sinnvolles. Nur, dass Angst lähmt. Mich zumindest.«

»Alle Menschen.«, bestätigte ich. »Aus einem unnützen, mir sehr unklarem Grund. Aber Vorsicht ist nicht Angst.«

Louis legte seinen Kopf leicht in den Nacken, aber nicht, um das hohe, kupferrote Gebäude zu betrachten, das jetzt vor uns aufragte. Ich konnte nicht anders, als zu versuchen, den Umriss jedes einzelnenen, rechteckigen Steines mit den Augen wahrzunehmen. Doch Louis blinzelte in den Himmel. Vielleicht war das Erdendach in seinen Augen ausgelaufen, ein Spiegel für die Jahre seiner Lebensspanne. Da für jeden, der ihn jemals ansehen würde.

»Das ist wahr.«, bestätigte Louis leise, er senkte den Blick wieder. »Aber ich glaube, es kann schnell umschlagen. Bei mir zumindest.«

»Vorsicht in Angst?«

Louis zuckte mit den Schultern. »Ja.«, er lehnte sein Fahrrad an ein viereckiges Gestell aus Metall, das aus der Erde ragte. »Da wären wir.«

Ich betrachtete das Metall neugierig. »Wo?«

Wieder ließ Louis die laut rasselnde Kette von vor dreieinhalb Minuten vor sich in der Luft baumeln. Er nickte grinsend in die Richtung des hohen Gebäudes. »Beim Café!«

Mein Blick folgte seinem. Ein Café war ein Haus! Ein Gebäude – und so ein Großes. »Gehen wir hinein?«

Mit einer Hand an dem Metall abgestützt ging Louis in die Hocke. Das Rasseln der Kette surrte in meinen Ohren nach, als er es um sein Fahrrad wickelte. »Dachte ich..?«, erklang seine Stimme dumpf zwischen dem Gewirr seiner Arme und dem hellen Klirren der Kette hervor. »Ich weiß nicht. Ich traue dem Wetter nicht. Und es ist nicht unbedingt warm hier draußen. Aber wenn du gerne draußen sitzen willst..?« Fragend sah er mich an und drückte seine Beine wieder durch. Er war ein bisschen kleiner als ich, auch in vollem Stand.

»Mir ist nicht kalt.«, berichtete ich, weil ich wusste, dass ihm auch nicht kalt war.

Louis schulterte seinen Beutel neu, eine seiner Hände verschwand in seiner Jackentasche. »Das ist gut, aber...hast du was dagegen, wenn wir trotzdem rein gehen? Vielleicht?«

Ich schüttelte den Kopf, wie er es tun würde. »Ich habe nichts dagegen.«, lächelte ich.

»Also...los?«, fragte Louis und trat einen Schritt in Richtung der Meter und Meter hohen Aufhäufung von Steinen. Ich wusste, dass ich nicht mehr ewig bleiben sollte. Aber ich würde schon einen Weg finden, irgendwie.

Ich lächelte weiter, Louis konnte es auch. »Ja. Los.«

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