Kapitel 3
❄Last Christmas❄
~ by Wham!
☆
Leise dudelte Last Christmas aus dem alten Küchenradio, während meine Tante vor sich hinsummend Sterne und Tannenbäume aus Keksteig ausstach.
Ich dekorierte derweil fleißig das Lebkuchenhaus.
Aber meine Gedanken waren nicht bei der, mir geistig unheimlich viel abverlangenden, Tätigkeit.
Meine Gedanken waren bei Miles, dem Straßenmusiker von gestern.
Irgendetwas an ihm hatte mich fasziniert. Seien es seine wunderschönen, leisen Gitarrenklänge oder seine vor Energie sprühenden Augen. In ihm schien noch so viel Lebensfreude zu stecken und er erschien mir nicht viel älter als ich.
Was also machte einen Anfang-zwanzig-jährigen zum Obdachlosen?
Sicher, es war sicher nicht ungewöhnlich. Millionen von jungen Menschen lebten auf der Straße, aber bei ihm passte es einfach nicht.
Er war vielleicht ein wenig mitgenommen, aber keineswegs ungepflegt. Außerdem schien er auch nicht diese Hoffnungslosigkeit zu verkörpern, wie die Menschen, die ich zum Beispiel in Kalifornien gesehen hatte.
Nein, Miles schien das alles irgendwie unglaublichen Spaß zu machen.
Mir tropfte Zuckerguss auf die Hand.
Aus meinen Gedanken geschreckt zuckte ich hoch, nur um zu bemerken, dass Tante Kathy mich ansah.
,,Was ist los?" fragte ich zerstreut.
,,Holly, ich starre dich jetzt schon seit sage und schreibe fünf Minuten an" Sie grinste ,,Du hast die ganze Zeit mit der einen Hand in den Zuckerguss gepiekst und mit der anderen Smarties gefuttert."
Überrascht schaute ich auf die fast leere Schüssel vor mir, in der nur noch ein trauriger grüner Smartie klebte.
,,Ich schätze du wirst wohl noch welche kaufen müssen, wenn wir nicht nur ein halbfertiges Lebkuchenhaus wollen."
Vielsagend zog sie eine perfekt geschwungene Augenbraue hoch.
Schnell nickte ich. ,,Ja! Ich werde wohl nochmal...einkaufen gehen."
Tante Kathy hatte sich wieder ihren Keksen zugewandt.
,,Verlauf dich aber nicht. Und sei um sechs wieder hier, es gibt meine Truthahn-spezial-Sandwiches.", ermahnte sie mich gespielt streng.
Ich grinste in mich hinein, als ich meine Jacke anzog. Meine Tante war einfach zu süß.
❄❄❄
Die eisige Dezemberluft färbte meine Wangen rot und meinen Atem weiß, während ich die volgepackten Straßen entlang lief.
Von überall kamen mir dick-eingepackte Leute mit Pudelmützen und Wollschals entgegen und es lag ein Hauch von Zimt in der Luft. Das mussten die ganzen Zimtstangen sein, mit denen manche Läden dekoriert waren.
Ich brauchte nicht lange, bis ich bei Covent Garden angelangt war. So weit hatte mein Kurzzeitgedächtnis noch gereicht, aber Kathy hatte recht: mich zu verlaufen war eine meiner Spezialitäten.
Auch hier war es wieder gerammelt voll und es wunderte mich nicht, dass Miles genau an der selben Stelle saß wie gestern.
In seinem Gitarrenkoffer lagen ein paar Münzen und eine einzelne Zehn-Pfund-Note.
Als ich drei Schritte vor ihm stehen blieb sah er nicht auf. Fasziniert beobachtete ich seine, von der Kälte ganz roten, Hände, die die Gitarrenseiten anschlugen.
Er spielte gut.
,,Hallo Holly Carter", sagte er, als das Lied zuende war und sah auf.
,,Woher wusstest du, dass ich es bin?"
,,Deine Schuhe" er deutete mit dem Kopf in ihre Richtung ,,du hast an der Seite kleine Sternchen aufgeklebt."
,,Oh" Dass ihm das gestern aufgefallen war...
,,Also, was verschlägt dich hierher?"
Neugierig legte er den Kopf schief.
Schon wieder diese Frage.
,,Ich wollte dich nochmal spielen hören", antwortete ich spontan.
Miles zog die Augenbrauen hoch.
,,Und", ergänzte ich gedehnt ,,ich wollte fragen, ob du vielleicht einen Kaffee willst."
Mist, klang das jetzt sehr nach Date?
,,Weil es so kalt ist meine ich", plapperte ich schnell weiter ,,Das hab ich schon heute morgen gedacht, als ich mit meinem Rentierschlafanzug auf dem Balkon war. Puh hab ich gedacht heute ist es ja noch kälter als gestern! Und dann ist mir eingefallen, dass es ja Menschen gibt, die die ganze Zeit draußen-"
,,Gerne", unterbrach er mich kichernd und stand auf.
,,Heute ist sowieso kein guter Tag, die Leute sind zu gestresst so kurz vor Weihnachten, weil noch die letzten Erledigungen gemacht werden müssen. Da hat keiner mehr Zeit einem beim Gitarre spielen zuzuhören."
Mit wenigen Handgriffen hatte er seine Sachen zusammengepackt und sah mich an.
Ich starrte nur perplex zurück.
Das war ja einfach gewesen.
Meine Psychopathen-Theorie hatte ich keinesfalls vergessen und aus zusammengekniffenen Augen stellte ich fest, dass ich auch keine Chance gegen ihn gehabt hätte, wenn sie sich bestätigen sollte. Miles war immerhin ein ganzes Stück größer als ich.
Aber meine Neugierde war zu groß und so ließ ich es bereitwillig drauf ankommen. Zur Not gab es immer noch Pfefferspray.
,,Also?" fragte er freundlich ,,wohin mit uns?"
Ich lächelte.
,,Magst du Waffeln?"
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