Familientreffen
Und wer bringt ihn jetzt hier wieder weg? Niemand. Mit geschlossenen Augen streicht Alexander über den Rücken von Nici, die sich auf ihn gelegt hat und anscheinend schon eingeschlafen ist. Nur hin und wieder zucken die Ohren kurz, aber ansonsten liegt sie regungslos da, die Augen geschlossen und ihr Kopf auf seiner Brust liegend, während alle vier Gliedmaßen links und rechts vom Pater nach unten hängen. Das hat er vermisst. Diese Ruhe, die körperliche Nähe oder auch einfach nur das Wissen, dass sie da ist. Selbst die kleineren Streitereien hat er wieder vermisst und vielleicht fängt Alucard langsam an, sich in sein Leben zu schleichen. „Ich weiß, du schläfst wahrscheinlich..." Anderson öffnet leicht seine Augen und hebt den Kopf, um auf die Frau in der Gestalt eines Werfuchses anzusehen. „Wenigstens kannst du mich jetzt nicht auslachen, die Betonung ist noch lange nicht perfekt." Nur kurz zucken ihre Ohren, aber sie rührt sich nicht. Alucard sieht von seinem Handy auf und runzelt die Stirn. Was hat er vor? „Ich liebe dich." Nici richtet ihre Ohren auf und hebt ihren Kopf. Hat er gerade Deutsch gesprochen? „Ich liebe dich.", wiederholt Alexander und sieht, wie ihr Schweif leicht wedelt. „Das ist leider noch das Einzige was ich kann, aber es wird vielleicht noch." Von der Fuchsfrau kommt nur ein leises Winseln, sie sagt nicht einmal wirklich etwas. Sie spürt den eigenen Drang ihn küssen zu wollen. Seine Stirn an ihrer zu fühlen und ihm richtig zu zeigen wie dankbar sie dafür ist, dass er für sie diese drei Worte gelernt hatte. Aber sie kann ja nicht einmal reden, geschweige denn sonst irgendwie ihre Freude oder Dankbarkeit ausdrücken, außer über ihre Körpersprache oder Alucard. Das tut sie auch. Sag ihm danke. Das ist wirklich verdammt süß von ihm! Zwar zieht der schwarzhaarige die Augenbrauen hoch und würde gern wissen was er da von sich gegeben hat, aber vielleicht bekommt er das noch später raus. „Klar. Pater? Ich soll Euch einmal ein Danke von ihr ausrichten. Sie meinte, das war wirklich süß." Er könnte den größten Scheiß verzapfen! Aber er spürt ihre Liebe und ihre eigene Freude. Sie vermisst es in diesem Augenblick, ein Mensch zu sein. Das könnten sie gebrauchen. Vielleicht wird sie dadurch zur Rückwandlung angestachelt, auch wenn sie es nur unabsichtlich macht. Ein wenig skeptisch sieht er von Alucard zu Nici. „Hat er das wirklich gesagt?" Sie legt den Kopf schief. „Hallo? Meinst du er lügt? Ich vertraue ihm vollkommen als mein Übersetzer!" Das Jaulen lässt Anderson das Gesicht verziehen. Offensichtlich ist sie nicht von dem begeistert, was er gerade von sich gegeben hat. „Kätzchen, Telepathie." Also gibt sie das noch einmal telepathisch weiter und der Urvampir schmunzelt. „Danke für dein Vertrauen. Ich werde es nur missbrauchen, wenn ich keine direkten Beleidigungen übersetzen soll." Seufzend lässt Alexander seinen Kopf wieder sinken und starrt an die Decke. Er will seine Nicole wieder zurück. Er will dieses verdammte Lächeln wieder sehen können! Es gibt wirklich keinen Weg? Ist wirklich schon alles ausprobiert worden? Nein. Ein Ding ist noch nicht ausprobiert worden, weil nur er davon weiß. „Wir müssen fliegen."
Zwar ist die Lady nicht begeistert, aber anfangen kann sie im Moment weder etwas mit Nicole, noch mit Alucard. Sie stellt sogar den Jet zur Verfügung, der sie relativ schnell dort hin bringt, wo Anderson es angedacht hatte. Ganz genau weiß sie nicht, wo es jetzt hingeht und auch Alucard wird so ein wenig im Dunkeln gelassen. So lange, bis er sich im Kopf der Piloten umsieht und das ungefähre Reiseziel so herausbekommt. Irgendetwas macht Klick in seinem Kopf, aber er weiß noch nicht so ganz wie er diese Punkte verbinden soll. Hat der Pater davon nicht schon einmal was erwähnt? Er ist sich nicht sicher. Alexander hingegen wird immer stiller. Sein Blick geht nachdenklich aus dem Fenster der Maschine, während die Gedanken gleichzeitig rasen und doch auch wieder nicht vorhanden sind. War es wirklich eine so gute Idee? Hat der Vampir unbedingt mit müssen? Ändern kann er es nicht mehr. Aber so wie es aussieht, werden die beiden durch Nicole eben irgendwie zusammengebunden sein und vielleicht wird es eben an der Zeit, den alten Streit so beizulegen. Vielleicht versteht Alucard ihn dann ein wenig besser, auch wenn das wahrscheinlich nur Hoffnungen sind die einfach nichts bringen. Obwohl er eben auch schon die guten Seiten des Blutsaugers kennen gelernt hatte und diese Hoffnung vielleicht doch nicht begraben muss. Während Alexander sich so ein wenig absondert und abseits sitzt, unterhalten sich Nici und Alucard gerade in Gedanken darüber, wohin es geht. Oder zumindest versucht Nici es herauszufinden, während Alucard die gesamte Zeit abblockt und meint, dass sie sich einfach überraschen lassen soll. Überraschungen sind jetzt aber nicht wirklich ihr Ding, weshalb sie immer und immer wieder versucht ihn auszuquetschen, bis er tatsächlich einfach so Schluss macht. Sie bekommt keine Antwort mehr und irgendwie hat sie das Gefühl, dass er die telepathische Leitung gerade gekappt hat. „Hey." Das kurze Maulen lässt ihn Aufsehen. „Heeeey." Das Jaulen wird länger. „HEEEEY!" Alucard legt sich eine Hand auf sein Gesicht und lehnt sich in seinem Sitz zurück. Er hatte vergessen wie nervig sie sein kann! „Ich kann das den ganzen Tag und ich werde es machen wenn du es mir nicht sagst!" Das ist das passiv-aggressivste, was sie im Augenblick zustande bringt. Aggressiv an sich ist es nicht. Kein Mucks von Alucard. „Hey, hast du vergessen, dass ich-" „Mein Engel. Bitte sei still." Die leise Stimme des Paters unterbricht sie und selbst der Urvampir sieht ihn ein wenig irritiert an. Ist er- Ist er traurig? Die Blicke von Alucard und Nici treffen sich, bis er mit dem Kinn zu dem wieder nach draußen blickenden Pater deutet. Sie nickt, steht auf und geht zu ihm. Die grünen Augen gehen kurz zu ihr und er lässt es zu, dass sie sich auf ihn setzt, sich an ihn lehnt und einen seiner Arme um sich legt. Soll sie doch machen was sie will. Er spürt, wie sie sich auf ihm bewegt und lässt seine Hand führen, während er einfach nur nach draußen sieht. Es ist eine lange Zeit vergangen, als er das letzte Mal hier war. Im nächsten Augenblick spürt er etwas extrem Flauschiges und sieht dort hin. Nici hat seine Hand auf den Schweif gelegt, den sie eigentlich sogar vor ihnen schützt weil er ziemlich empfindlich sein soll. Zumindest hat Alucard das so weiteregegeben, als er die Situation genau erklärt hatte. Mit einem Seufzen lächelt er dann doch ein wenig und legt sein Kinn zwischen ihre Ohren auf ihren Kopf. Vorsichtig drückt er sie an sich und schließt die Augen.
Als sie aussteigen, regnet es in Strömen. Alexander steht für einen Moment lang einfach nur da und legt den Kopf in den Nacken. Die Tropfen klatschen auf seine Brillengläser, die ihn aber trotzdem in den dunkelgrauen Himmel blicken lassen. Selbst ohne Band spürt Alucard eine gewisse Trauer von ihm ausgehen, welche er aber nicht erklären kann. Seine Gedanken lässt er in Ruhe, so viel Anstand hat er. Ein wenig besorgt beobachtet er den Geistlichen, welcher sich wieder richtig hinstellt und sich suchend nach dem Leihwagen umsieht, welches ihnen die Lady gemietet hatte. Plus Fahrer versteht sich. Zumindest laut eigener Aussage sollte ein Auto auf sie warten. Auch Nici sieht Anderson besorgt an, ehe sie unsicher zu dem schwarzhaarigen blickt. Dieser erwidert den Blick mit einem leichten Schulterzucken. Ohne etwas zu seinem Zustand zu sagen, gehen sie zu dem Wagen, der als einziges in dem Regen am laufen ist und dessen Scheinwerfer auch aufgeblinkt haben. Während Anderson diesmal vorn sitzt, bleibt den anderen beiden nichts anderes übrig als hinten zu sitzen. Der Fahrer sieht Nici nur kurz an, bevor er anerkennend nickt und den Wagen auf eine normale Straße fährt. Laut Lady Integra soll eine Frau im Cosplay auftauchen, damit niemand wegen ihrem Zustand austickt. „Glenfinnan bitte.", gibt der Pater von sich und Nici sieht wieder zu Alucard. Wo sind wir jetzt? Kriege ich JETZT bitte ENDLICH eine verdammte Antwort? Der schwarzhaarige dreht leicht seinen Kopf zu ihr, bevor er seufzend nach vorn sieht. „Pater. Unser kleines Kätzchen hier will wissen wo es ist." Dieser sieht nach hinten. „Du weißt es nicht?" Schulterzucken ist zu sehen. „Doch, klar. Aber ich hab meine Klappe gehalten. Was meint Ihr wieso sie so gemault hat?" Irgendwie ist er ihm dankbar, dass er nichts gesagt hat. „Schottland, mein Engel. Wir sind in Schottland." Schottland. Was wollen sie hier in Schottland? Aber es wird wichtig sein, wenn Alexander sie so spontan hier her gebracht hat und es ihm offensichtlich schwer fällt hier zu sein. Aber warum? Was ist hier passiert, damit er das hier irgendwie als unangenehm betrachten könnte? Erst jetzt wird ihr so wirklich klar, wie wenig sie ihn oder auch Alucard kennt. Wie wenig sie von ihrer Vergangenheit weiß! Wow, das ist wirklich traurig. Wenn sie wieder ein Mensch ist, sollte sie sich wirklich darum bemühen mehr von ihrer Vergangenheit zu erfahren. Sie weiß nicht einmal wie alt Alexander ist! Und das genaue Alter von Alucard weiß sie auch nicht. Zumindest kann sie es jetzt direkt herausfinden. Hey, Alucard? Die roten Augen gehen zu ihr. Wie alt bist du genau? Ich meine... Es ist traurig dass ich nicht einmal das richtige Alter von dir kenne und wir haben schon mehr als ein halbes Jahr Beziehung hinter uns. An sich ist es ihm doch egal ob sie von seinem Alter jetzt weiß oder nicht. Warum interessiert sie das plötzlich? 589, aber irgendwann interessieren dich die Jahre nicht mehr wenn du so lange lebst wie ich. Wenn du dich nicht töten lässt, könntest du dank deinem Upgrade so alt werden. Alterung und so etwas ist ja jetzt weg. Ob das jetzt so gut ist oder nicht, das wird sich noch zeigen.
Je länger sie fahren, desto ländlicher wird es und irgendwann sind sie gefühlt in einer kompletten Einöde gelandet. Der Regen hat aufgehört und die Tropfen spiegeln die leicht herauskommende Sonne zwischen den Wolken. Anderson weist den Fahrer auf schottisch an, wo er genau hin müsse. Das Dorf durch welches sie fahren ist wirklich klein und Nici fühlt sich hier irgendwie wohl. Abgeschieden, nicht so viele Leute auf einmal und eigentlich recht idyllisch. Dem Urvampir fällt die hier vorherrschende übernatürliche Präsenz auf. Sie scheint überall zu sein und nicht direkt von einer Person oder einem Wesen auszugehen. Interessant, er hatte das eher von Irland gedacht. Als der Wagen zum Stehen kommt, blicken die beiden nach draußen auf etwas, dass einen gewissen Touch von Charme besitzt. „Wir sind da." Alexander schnallt sich ab und steigt aus, während die beiden anderen ihm folgen. Frische, kühle Luft weht allen Drei entgegen und Nici riecht so viel auf einmal, dass sie die Hälfte davon erst einmal nicht benennen kann. Die Nase ist immer noch ziemlich überwältigend und die Eindrücke überlasten sie immer noch, aber vielleicht bekommt sie das irgendwann hin. Die Ruine steht ein wenig abseits von dem Dorf und erst jetzt erkennt auch Alucard die Gräber, die ein wenig versteckt dahinter liegen. Der Pater ist schon einmal vorgegangen und die anderen beiden folgen ihm. Der leicht abgegriffene Weg, umrahmt von einer wirklich wunderschönen Landschaft lässt selbst den Urvampir ein wenig verträumt herum sehen. Die alte Kirche steht vor einem See, auf welchem hin und wieder kleine Schaumkronen durch den Wind tanzen und das Wasser gekräuselt wird. Die Wasseroberfläche spiegelt die umliegende Berglandschaft und reflektiert an einigen Stellen die Sonne. Alexander geht bis kurz vor die Kirche und bleibt dann stehen. Seine Augen blicken an einer kleinen, eingelassenen Madonnastatue an der Außenwand und dem kunstvoll gemeißeltem Steinfenster vorbei zu einem der Kreuze, welches am Dach angebracht wurde. Er hatte so viele Ängste hier her zurück zu kommen dass es ihm jetzt, wo er wirklich wieder hier steht, schon fast dämlich vorkommt. Die Erinnerungen an damals kommen hoch und er presst seine Lippen aufeinander. Scheiße, das ist überraschend hart. Langsam dreht er seinen Kopf und sieht, dass Nici und Alucard einen Abstand zu ihm einhalten. Er lächelt ihnen zu und deutet an, ihm weiter zu folgen. Stumm schließen sie zu ihm auf und mit ein paar zögerlichen Schritten geht er an der Kirche vorbei und durch eine kleine Ansammlung von Bäumen, ehe sie auf einer kleinen Lichtung ankommen. Links glitzert der See, der Rest ist von Bäumen und Büschen umrandet und die Vögel zwitschern. Aber offensichtlich sind sie noch nicht da, da der Pater nach rechts abdreht und dort zu etwas geht, was ziemlich verfallen wirkt. Schlussendlich bleiben sie davor stehen und Nici blickt neugierig an Alexander vorbei. „Mutter? Vater? Gavin, mein Bruder? Darf ich euch Nicole vorstellen?" Jedoch blicken die drei auf alte, von den Wettereinflüssen zerschundenen und halb zugewachsene Grabsteine.
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