Kapitel 19
Schatten der Grenzzone
Kapitel 19 Band 2
Der Morgen war klar und kühl, als Emilia und ihre Gefährten sich auf den Weg machten. Die Mauern von Origin lagen hinter ihnen, und mit jedem Schritt wurde der Pfad vor ihnen zu einem neuen Kapitel - einer Reise, die nicht nur Antworten, sondern auch Herausforderungen versprach. Die Gruppe hatte sich in den letzten Tagen darauf vorbereitet, doch jetzt, da der Moment des Aufbruchs gekommen war, schwang eine emotionale Schwere mit. Jeder von ihnen wusste, dass sie nicht als dieselben zurückkehren würden, wenn sie diese Reise jemals beendeten.
Sie bewegten sich in einer festen Formation, geführt von drei Reisebegleitern, die von der Wanderflamme entsandt worden waren. Die Begleiter trugen die Gildenränge von Mondglut, was ihnen eine gewisse Autorität verlieh - und sie waren sich dessen bewusst. Ihre Aufgabe war es, die Gruppe sicher zu ihrem ersten Zwischenstopp zu bringen und dabei ihre Erfahrung in der Grenzzone zur Verfügung zu stellen.
Der Erste der Begleiter war Korren, ein hochgewachsener, kräftiger Dämon vom Stamm der Eisenwächter mit grau schimmernder Haut und scharf geschnittenen Gesichtszügen. Seine Augen glitzerten wie geschliffener Stahl, und er trug eine massive Streitaxt, die auf seinen breiten Schultern ruhte. An seiner Seite ging Livia, eine agile und wendige Schattenläuferin mit pechschwarzem Haar, das sie zu einem Zopf gebunden hatte. Ihre Bewegungen waren geschmeidig wie die einer Raubpfote, und ihre gelben Augen beobachteten alles mit misstrauischer Präzision. Der Dritte im Bunde war Merlo, ein Magier des Flammenstamms, dessen rötliche Haut von feinen Glutadern durchzogen war. Ein ständiges Glimmen umgab ihn, als trüge er das Feuer in sich.
„Die Grenzzone ist nicht gerade ein Ort für Schwächlinge", begann Korren in beiläufigem Ton, während sie den Weg entlangschritten. Seine Stimme war tief, und ein Hauch von Arroganz schwang mit. „Nur die Harten kommen durch. Und ich frage mich, ob das bei euch allen der Fall ist."
Livia warf einen prüfenden Blick auf Emilia, die als Einzige der Gruppe keinen Rang hatte. „Vor allem mit... einer Frau ohne Rang an Bord. Sicher, dass sie nicht eher eine Last wird?"
Merlo lachte leise, doch in seinem Ton lag nichts Freundliches. „Vielleicht wird's ja interessant. Eine Frau, die nicht mal in der Gilde gerankt ist, mitten in der Grenzzone. Was könnte da schon schiefgehen?"
Bevor Emilia etwas sagen konnte, trat Chaid nach vorn, sein Blick scharf und sein Lächeln spöttisch. „Ich denke, ihr unterschätzt unsere Gruppe gewaltig", begann er, und seine Stimme triefte vor gespieltem Amüsement. „Ihr habt hier Alex, den Blutheiler. Seine Fähigkeiten als Mediziner übertreffen alles, was ihr je gesehen habt - oder glaubt ihr, ihr könntet mit einem schwer verwundeten Körper weitermarschieren?" Alex nickte knapp, sein Gesicht ausdruckslos, doch ein Funkeln lag in seinen Augen.
Chaid deutete auf Ash. „Und da ist Ash, unser arkane Alchemica, der Meister der alchemistischen Kunst und der magischen Tränke. Er kann Elixiere und Substanzen herstellen, die euch innerhalb eines Wimpernschlags das Leben retten - oder das eines Gegners nehmen, wenn nötig." Ash erwiderte den Blick der Begleiter ruhig, doch die Entschlossenheit in seinem Ausdruck sprach Bände.
„Ich selbst", fuhr Chaid fort und machte eine übertriebene Verbeugung, „bin ein Meister Fährtenleser mit dem Rang des Sternenpfads in der Wanderflamme. Glaubt mir, niemand hier kennt die Wege der Grenzzone besser als ich." Ein amüsiertes Lächeln spielte um seine Lippen, doch in seinen Augen lag ein ernster Glanz. „Und schließlich haben wir Gray, der als Meister der Wasserextrapolation und Versorgungsexperte nicht nur für unsere Sicherheit sorgt, sondern auch über das Wissen eines erfahrenen Kochs verfügt. Seine Fähigkeit, uns durch die schwierigsten Umstände zu bringen, ist nicht zu unterschätzen."
Die Reisebegleiter verstummten, offensichtlich von der Selbstsicherheit der Gruppe beeindruckt. Korren schnaubte leise, doch der Respekt in seinem Blick war nicht zu übersehen. „Na schön. Ihr seid wohl nicht ganz so wehrlos, wie ihr wirkt."
Bevor die Stimmung weiter kippen konnte, trat Alex vor und sah Korren und die anderen mit einer Mischung aus Ruhe und Nachdruck an. „Emilia mag keinen Rang in der Gilde haben", begann er, seine Stimme fest und klar. „Aber das bedeutet nichts. Ihre Fähigkeiten gehen weit über das hinaus, was Ränge definieren können. Und wir stehen bereit, sie zu schützen - mit allem, was wir haben. Denn sie ist nicht nur stark - sie ist das Herz von allem, was wir tun."
Die Worte ließen die Spannung ein wenig nachlassen. Emilia spürte, wie die Wärme ihrer Gefährten sie umgab. Sie hatte keinen Rang, doch in diesem Moment war ihr klar, dass sie mehr hatte - ein unerschütterliches Vertrauen, das sie alle miteinander verband.
Die Gruppe setzte ihren Weg fort, die erste Etappe ihrer Reise, die zur Grenzzone führen würde, fest im Blick. Die Begleiter, die anfangs skeptisch gewesen waren, begannen, ihre Stärke anzuerkennen. Die Route führte sie durch alte Wälder, über steinige Pfade und vorbei an verfallenen Ruinen - die ersten Anzeichen dessen, was vor ihnen lag. Doch es war nur der Beginn einer langen Reise, voller Gefahren, Geheimnisse und Prüfungen, die noch auf sie warteten.
Die Sonne begann zu sinken, und die Schatten um sie herum wurden länger. Die Zukunft war ungewiss - doch gemeinsam würden sie sich ihr stellen, Schritt für Schritt.
~ ~ ~
Die Gruppe setzte ihren Weg mit zunehmender Anspannung fort. Jeder Schritt auf dem schmalen Pfad durch den dichten Wald erinnerte Emilia daran, wie gefährlich die Reise sein würde. Doch diese Gefahr weckte in ihr keinen Zweifel - im Gegenteil, sie spürte eine wachsende Entschlossenheit. Sie würde nicht einfach nur hinter ihren Gefährten stehen und sich auf deren Schutz verlassen. Nein, sie wollte selbst aktiv an ihrer Mission teilnehmen, sich beweisen und zeigen, dass ihre Stärke nicht in einem Rang oder einer Position zu messen war.
Die Worte der drei Begleiter hallten in ihrem Kopf wider - die Zweifel, die sie an ihrer Stärke äußerten, die unterschwelligen Blicke, die sie als Schwachpunkt der Gruppe sahen. Doch anstatt sich von diesen Worten einschüchtern zu lassen, ließ Emilia sie als Antrieb wirken. Sie konnte und würde sich behaupten - nicht, um sich zu rechtfertigen, sondern um ihrer selbst willen und um der Mission willen, die sie alle verband.
„Ich bin nicht hier, um mich zu verstecken", sagte sie mit fester Stimme, als die Gruppe einen kurzen Halt einlegte. Sie blickte Korren, Livia und Merlo direkt in die Augen. „Ich mag keinen Rang haben, aber das macht mich nicht weniger entschlossen, das zu tun, was nötig ist. Ich werde kämpfen - mit allem, was ich habe."
Korren hob eine Augenbraue, als er ihr aufrichtiges Entschlossenheit erkannte. „So viel Überzeugung... zeig uns, dass es mehr als nur Worte sind", murmelte er, doch die schroffe Haltung war etwas weicher geworden.
Chaid trat neben Emilia und ließ ein spöttisches Lächeln spielen. „Oh, das wird sie. Ihr werdet sehen, dass es weit mehr gibt, als ihr vermutet." Die Worte waren wie eine Herausforderung an alle Anwesenden, und Emilia spürte, wie ihre Gefährten sich um sie scharten - nicht, um sie zu schützen, sondern um ihre Entschlossenheit zu bekräftigen.
Alex legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter, während Ash und Gray still, aber mit respektvollem Lächeln hinter ihr standen. Die Botschaft war klar: Emilia würde nicht nur Teil der Gruppe sein - sie war ein wesentlicher Teil von ihr. Sie würde nicht zögern, sich den Herausforderungen zu stellen, die vor ihnen lagen.
Der Weg führte sie tiefer in das dunkle Dickicht. Der Wald wurde dichter, die Geräusche der Natur schienen lauter zu werden, und die Spannung nahm mit jedem Schritt zu. Emilia spürte den Wind in ihrem Gesicht und atmete tief durch. In ihrem Inneren brodelte eine unerschütterliche Entschlossenheit. Sie wusste, dass dies nur der Anfang war - und sie war bereit, alles zu geben, um ihren Platz in der Gruppe zu behaupten und ihre Aufgabe zu erfüllen.
Die Reise war gefährlich, doch Emilia hatte sich entschieden, nicht länger in den Schatten ihrer Gefährten zu stehen. Sie würde kämpfen, sie würde sich beweisen - und sie würde zeigen, dass ihre Stärke mehr als genug war, um jede Herausforderung zu bestehen.
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Die Reise durch das dichte Dickicht und die verwobenen Pfade verlangte der Gruppe alles ab. Die schmalen Wege zwangen sie dazu, langsam voranzukommen, und jeder Schritt musste bedacht gesetzt werden. Äste knarrten und Blätter raschelten im Wind, während die Gruppe mit wachsamen Augen und angespannten Sinnen durch die Wildnis zog. Trotz der Erschwernis war es dieser Moment, in dem sie einander näher rückten, sich gegenseitig stützten und halfen, wenn der Pfad zu unwegsam wurde.
Emilia balancierte auf einem schmalen Felsvorsprung, der den Pfad säumte, als Gray sich hinter sie stellte und seine Hand sanft auf ihre Schulter legte, um ihr Halt zu geben. „Langsam, Emilia", flüsterte er, seine meerblauen Augen wachsam auf die Umgebung gerichtet. Sie nickte ihm dankbar zu, fühlte die Wärme seiner Berührung und nahm einen tiefen Atemzug, bevor sie weiterging.
Einige Meter weiter stolperte Korren leicht, als eine Wurzel ihn überraschte. Alex, der sich in unmittelbarer Nähe befand, griff blitzschnell zu und stabilisierte ihn, bevor er auf den Boden fallen konnte. „Noch ein Grund mehr, warum wir die Augen offen halten sollten", sagte Alex mit einem leichten Lächeln, das sowohl Mahnung als auch Ermutigung war. Korren, ein Mann von wenigen Worten, nickte und murmelte ein knappes Dankeschön.
Die Gruppe half sich gegenseitig durch das unwegsame Gelände, reichte sich Hände, wenn es nötig war, und wechselte hier und da ein ermutigendes Wort. Auch Chaid ließ es sich nicht nehmen, mit lockeren Kommentaren die Anspannung zu mildern, was zu gelegentlichem Lächeln in den Gesichtern führte - selbst wenn seine Worte manchmal doppeldeutig blieben.
Am Abend, als die Dämmerung über das Lager hereinbrach und die Schatten länger wurden, setzte Emilia sich hin, um ihre Schutzbarrieren zu errichten. Sie schloss die Augen, atmete tief durch und ließ das Mana in ihr aufsteigen. Ihre Hände bewegten sich in sanften Kreisen, während eine schimmernde Energie den Rand des Lagers umgab und die schützende Barriere formte. Das Flimmern der Energie erinnerte sie daran, dass dies ihre Verantwortung war - ihre Art, die Gruppe zu schützen.
Gray bereitete währenddessen das Essen vor. Mit geübten Handgriffen zerkleinerte er Kräuter und vermischte sie mit den Vorräten, die sie mit sich führten. Der Duft von gekochtem Gemüse und würzigen Aromen erfüllte die Luft, und Gray wirkte vollkommen in seiner Aufgabe versunken. Er war der Anker der Gruppe - sein Kochhandwerk war nicht nur Versorgung, sondern ein Moment der Ruhe und des Zusammenhalts. Als er Emilia ein warmes Lächeln zuwarf, während er die dampfende Schüssel hinhielt, spürte sie die beruhigende Vertrautheit, die er ausstrahlte.
Alex bereitete sich auf seine eigene Aufgabe vor. Zum ersten Mal in dieser Reise entfaltete er seine wahre Form - seine Nachtschattenflügel, die schattenhaften Flügel, die in der Dunkelheit fast mit der Nacht verschmolzen. In dieser Gestalt war er mehr als nur ein Vampir - er war eine lautlose Wacht, die die Dunkelheit durchdrang. Seine Augen, scharf und leuchtend, durchbohrten die Finsternis, während er sich mit einem kraftvollen Flügelschlag in die Höhe erhob. Der Himmel war seine Domäne, und die nächtliche Sicht seiner Vampirnatur erlaubte es ihm, jede Bewegung am Boden und in der Luft zu erkennen. Von oben betrachtete er das Lager, sah die Umrisse seiner Gefährten und die dunklen Silhouetten der Bäume, und er prüfte, ob sich irgendetwas Verdächtiges näherte.
Chaid hingegen bewegte sich am Rand des Lagers und suchte die Umgebung ab. Seine Fähigkeit, Spuren von verfluchter Energie wahrzunehmen, führte ihn immer wieder zu Orten, an denen das Mana verzerrt war. Er kniete nieder, ließ die Fingerspitzen über den Boden gleiten und schloss die Augen. Ein leises Flüstern drang an sein Ohr - Erinnerungen an vergangene Schrecken, an verzerrte Energien, die tief in der Erde ruhten. Die verfluchte Energie war kein einfaches Phänomen - sie war das Echo vergangener Leiden und übler Rituale. Chaid spürte das Zittern in der Luft und wusste, dass ihre Reise mehr als nur gewöhnliche Gefahren mit sich bringen würde.
Die Gruppe versammelte sich wieder am Lagerfeuer, als die Nacht endgültig hereingebrochen war. Das leise Knistern der Flammen war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Sie waren müde, aber wachsam - und entschlossen. Emilia wusste, dass sie vor einer langen und gefährlichen Reise standen, doch sie war bereit. Sie hatten sich gegenseitig, und das bedeutete alles. Die Barrieren waren errichtet, das Essen wurde geteilt, und die Nachtwache war sicher. Für diesen Moment konnten sie durchatmen - bevor die Dunkelheit erneut ihre Geheimnisse preisgab.
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