Kapitel 12
Kapitel 12
Das erste Licht des Morgens fiel durch das halb geöffnete Fenster und tanzte auf den Wänden des kleinen Wohnzimmers. Emilia blinzelte müde und zog sich die Decke fester um die Schultern. Die Ereignisse der letzten Nacht lagen schwer auf ihrem Herzen und hinterließen einen unangenehmen, bitteren Nachgeschmack. Sie hatte kaum geschlafen, jede Umarmung und jedes beruhigende Wort der Jungs schien gegen die ständigen Erinnerungen an Sedricks aufdringliches Lächeln und seine verstörenden Worte kaum anzukommen. Mit einem leisen Seufzen schwang sie die Beine aus dem Bett und schlich ins Wohnzimmer.
Gray war bereits wach. In der Hand hielt er eine dampfende Tasse, und das Aroma von frischem Kräutertee füllte den Raum. Ohne ein Wort reichte er ihr die Tasse, ein Hauch von Wärme und Verständnis in seinen meerblauen Augen. „Du siehst aus, als könntest du das gebrauchen", sagte er mit sanfter Stimme.
Emilia nahm die Tasse dankbar entgegen, ihre Hände zitterten leicht. „Danke, Gray." Sie ließ sich auf das Sofa fallen und spürte, wie die Wärme des Tees langsam durch ihren Körper strömte. Für einen Moment schien alles einfacher - bis die Realität wieder schwer auf ihr lastete. Sie seufzte tief und lehnte den Kopf zurück.
Alex trat aus der Küche, sein Gesicht angespannt, als er sie beobachtete. „Schlechte Nacht?" fragte er, obwohl er die Antwort bereits wusste. Seine Augen ruhten besorgt auf ihr.
„Du kannst es dir denken", murmelte Emilia und nahm einen weiteren Schluck Tee. Sie schätzte es, dass die Jungs da waren - alle auf ihre eigene Weise, alle bereit, ihre Wunden zu heilen, auch wenn es oft mehr symbolisch als tatsächlich möglich war.
Ash saß am Fenster, seine Augen auf den morgendlichen Himmel gerichtet. Die Sonnenstrahlen ließen sein dunkellila Haar in einem sanften Schimmer erstrahlen. Sein Blick war ruhig, aber konzentriert, als hätte er sich in Gedanken verloren. Doch Emilia wusste, dass er wachsam war - seine Gelassenheit war nie gleichbedeutend mit Desinteresse.
Dann klopfte es plötzlich an der Tür.
Alle Anwesenden erstarrten, und die Atmosphäre wurde von einem Moment auf den anderen angespannt. Alex war der Erste, der reagierte. Er stellte seine Tasse beiseite und hob leicht die Hand, um Ruhe zu signalisieren. „Bleib hier", sagte er fest und ging zur Tür. Seine Bewegungen waren geschmeidig, seine Haltung aufmerksam. Er öffnete die Tür nur einen Spalt - genug, um einen Blick auf den Besucher zu werfen.
Ein Hauch kalter Luft drang in den Raum, und Emilia fröstelte. Als Alex die Tür langsam weiter öffnete, stockte ihr der Atem. In der Tür stand ein Dämon, dessen Erscheinung gleichermaßen faszinierend und erschreckend war. Sein blasses Gesicht war von zarten, beinahe ätherischen Zügen geprägt, und sein weißes Haar fiel in weichen Wellen über seine Schultern. Eine einzelne schwarze Strähne hob sich davon ab und betonte die grünen Augen, die Emilia wie ein Sog anzogen. Auf seiner Wange prangte ein kleines Mal, das seinen Ausdruck noch intensiver machte.
Er war etwas größer als sie, schlank und von zarter Muskulatur - eine Mischung aus Anmut und Stärke, die ihn fast unwirklich erscheinen ließ. Emilia konnte ihren Blick nicht abwenden; es war, als hätte sie noch nie etwas schöneres gesehen. Ihre Augen wanderten über ihn, jede Einzelheit brannte sich in ihr Gedächtnis ein.
Alex und Gray standen wie angewurzelt. Die Überraschung war ihnen ins Gesicht geschrieben, obwohl sie seine Identität zu ahnen schienen. „Du... was machst du hier?" Alex' Stimme war leise, aber es klang mehr als nur Erstaunen mit - eine Mischung aus Erkennen und Vorsicht.
Gray fügte hinzu, seine Worte beinahe ein Flüstern: „Was hat dich hergeführt?"
Der Dämon lächelte, ein Ausdruck, der Wärme und Geheimnis zugleich in sich trug. Seine Augen suchten Emilia, als er sprach, seine Stimme ein samtiges Flüstern, das den Raum erfüllte. „Ich habe gehört, hier gibt es Antworten. Und vielleicht auch... ein paar Fragen."
Die Spannung in der Luft schien greifbar, als alle versuchten, die Bedeutung seiner Worte zu begreifen. Ein Untoter betrat den Raum - und die Welt um Emilia schien für einen Moment den Atem anzuhalten.
~ ~ ~ ~ein weiterer Band fand an dieser Stelle ein ende- habe also die Einführung vom nächsten Abschnitt angepasst als Einführung eines neuen Bandes.- Hier auf watppad mag alles anders geordnet sein als es das für den verlag Am Ende sein wird.
--Nächster Band einstieg-
In Emilias Welt war Ruhe ein kostbares Gut, das selten lange währte. Die Schatten, die sich seit Wochen um sie rankten, schienen dichter zu werden, schwerer und undurchdringlicher. Doch manchmal war es ein einziger Moment - ein Blick, eine Begegnung - der das Verborgene ans Licht zerrte und die Fäden entwirrte.
Die Ereignisse der vergangenen Nacht, ein scheinbar harmloser Ausflug ins Badehaus, hatten etwas in Bewegung gesetzt. Ash' instinktiver Beschützerdrang war geweckt worden, eine Mischung aus Sorge und Entschlossenheit, die in diesem Augenblick ihren Höhepunkt finden sollte.
Emilia spürte es zuerst. Eine plötzliche Welle aus Euphorie und Anspannung durchfuhr sie, ließ ihr Herz rasen und ihre Sinne schärfen. Es war kein Schmerz, eher ein loderndes Feuer, das ihre Brust brennen ließ. Sie konnte den Grund nicht benennen, aber ihre gesamte Existenz schien auf Alarm geschaltet. Ihr Blick wanderte zum Eingang, wo eine Gestalt den Raum betrat, die etwas Fremdes und zugleich Vertrautes in sich trug.
Die Silhouette, die Emilia so oft in ihren Träumen verfolgt hatte, nahm Gestalt an. Der Fremde - nein, der Untote - stand nur wenige Schritte entfernt, sein Auftreten durchdrungen von einer fesselnden Aura. Eine Vision blitzte in ihrem Geist auf, doch bevor sie sie erfassen konnte, zog die Realität sie wieder zurück.
Ein breites Lächeln lag auf den Lippen des Fremden, als sein Blick kurz zu Emilia wanderte und sich dann auf Ash heftete. „Hast du ihnen nichts gesagt, Ash?" Seine Stimme war samtig, doch in ihr lag ein unbestimmter Spott, ein Wissen, das ihm allein gehörte.
Ash trat näher, seine Miene ruhig, doch seine Augen verrieten, dass diese Begegnung nicht unvorbereitet kam. „Leute, darf ich vorstellen," sagte er mit kühler Gelassenheit. „Das ist Chaid."
Der Name hallte in Emilias Kopf wider, ein Flüstern, das sie wie eine Melodie wiederholte: „Chaid..."
Der Untote ließ sich nicht beirren, trat auf sie zu, sein Lächeln so charmant wie beunruhigend. Er nahm ihre Hand, beugte sich leicht vor und drückte einen Kuss auf ihren Handrücken. Emilias Atem stockte, während ein Prickeln ihren Körper durchlief. Für einen Moment schien die Welt um sie zu verschwimmen, als wäre nur noch er real - nur Chaid.
Alex verdrehte genervt die Augen, marschierte direkt auf Chaid zu und packte ihn wortlos am Ohr. Mit einem festen, aber keineswegs wütenden Griff zog er ihn ein Stück zur Seite. „Warum bist du hier?" Seine Stimme klang scharf, doch es fehlten Zorn oder Aggression - nur der ehrliche Klang eines Mannes, der nach Antworten verlangte.
Chaid ließ sich die Behandlung mit einem übertrieben leidenden Gesichtsausdruck gefallen, seine grünen Augen funkelten jedoch vor belustigtem Spott. „Immer so stürmisch, Stolz", sagte er lachend, während er geschickt den Griff an seinem Ohr lockerte und sich wieder aufrichtete. „Vielleicht sollte ich mir angewöhnen, mit einem Schild zu erscheinen, wenn ich bei euch auftauche."
„Witzig wie immer", murmelte Alex trocken, ließ jedoch los und verschränkte die Arme vor der Brust. Gray beobachtete die Szene mit zusammengezogenen Augenbrauen, während Ash gelassen am Fenster stehen blieb, den Blick in die Ferne gerichtet.
„Warum bist du hier, Chaid?" fragte Gray schließlich mit einer Mischung aus Misstrauen und Überraschung. Seine Stimme klang ruhig, aber es lag eine Anspannung darin.
Chaid ließ sich auf einen der freien Sessel sinken, als gehöre er selbstverständlich dazu. „Ach, so unhöflich", seufzte er gespielt dramatisch, bevor sein Lächeln schalkhaft wurde. „Nun, wenn ihr es genau wissen wollt - Ash hat mich eingeladen." Er warf dem erwähnten Dämon einen schiefen Blick zu, bevor er seine Stimme senkte und eine geheimnisvolle Miene aufsetzte. „Und wenn Ash um etwas bittet, dann wird selbst ein Untoter wie ich neugierig."
Ash drehte sich nun vollständig um und sah Emilia an, die sich inzwischen halbwegs gesammelt hatte, auch wenn ihre Augen noch immer ein wenig ungläubig auf Chaid ruhten. „Es war notwendig", erklärte er ruhig. „Nach dem, was letzte Nacht geschehen ist, wollte ich nicht riskieren, dass Sedrick unbemerkt bleibt. Chaid ist... der Beste in seinem Fach."
„Oh, du schmeichelst mir." Chaid legte eine Hand an die Brust, als würde ihn Ashs Lob zutiefst berühren. Doch seine Augen behielten ihren spöttischen Glanz bei. „Ein Meister-Fährtenleser, falls ich hinzufügen darf. Kein gewöhnlicher Detektiv, sondern einer, der Spuren liest, die man nicht sehen kann."
Alex warf ihm einen scharfen Blick zu. „Das letzte, was wir brauchen, ist deine Eigenwerbung, Chaid."
„Eigenwerbung?" Chaid tat, als sei er beleidigt. „Lieber Alex, ich tue nichts ohne ein wenig Glanz und Charme. Die Welt ist zu trist, um einfach nur still seine Arbeit zu verrichten. Außerdem..." Er beugte sich vor und ließ seine Stimme einen Hauch ernster werden. „Es ist wirklich nicht zu unterschätzen, was für eine Spur Sedrick hinterlässt. Ich habe das Gefühl, dass er mehr über euch weiß, als euch lieb sein kann."
Emilia spürte, wie sich ihre Anspannung verdichtete. „Was meinst du damit?" Ihre Stimme klang fest, doch ihre Hände zitterten leicht.
Chaid wandte ihr seinen vollen Blick zu, und sein Lächeln wurde sanfter. „Das ist es, was ich herausfinden werde. Keine Sorge, kleine Valkyrie. Niemand bleibt meinem geschulten Blick verborgen. Ich werde herausfinden, wo er herkommt und wohin er geht."
Ash nickte, als ob er sich bereits sicher war, dass Chaid die richtige Wahl war. „Ich habe dir einen dringenden Brief geschickt - über Raum-Zeit-Magie. Es war riskant, aber notwendig. Dass du so schnell hier sein konntest..."
„Ach, das ist nur ein kleiner Trick von mir", unterbrach Chaid spielerisch. „Zufälligerweise war ich ohnehin in der Nähe. Nennen wir es Schicksal - oder ein glücklicher Zufall. Je nachdem, was euch besser gefällt."
Gray warf ihm einen prüfenden Blick zu. „Also wirst du helfen, diese Spur zu verfolgen."
„Genau das werde ich", bestätigte Chaid mit einem Lächeln, das mehr versprach, als es sagte. „Und nebenbei werde ich sicherstellen, dass niemand euch erneut überrascht. Schließlich bin ich nicht nur ein Meister-Fährtenleser, sondern auch jemand, der alte Bekannte nicht im Stich lässt."
Ein Hauch von Ernst durchzog die Atmosphäre, doch Chaids spielerische Art nahm schnell die Schwere. Er zwinkerte Emilia zu und stand auf. „So, wer gibt mir eine Tour durch die Gegend? Es wäre unhöflich, meinen Aufenthalt hier nur auf Arbeit zu beschränken."
Ash atmete tief durch und ließ ein leises Lächeln erkennen. „Dann komm. Aber keine weiteren Spielereien."
„Spielereien? Ich? Nie im Leben", erwiderte Chaid mit einem schelmischen Grinsen und folgte Ash in den nächsten Raum.
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Es waren einige Tage vergangen, seit der mysteriöse Untote - Chaid - in ihrem Leben aufgetaucht war. Seine Anwesenheit war eine Mischung aus Spannung und Unruhe, eine Erinnerung an das, was noch vor ihnen lag. Emilia hatte ihn nur sporadisch gesehen, immer flüchtig, als wäre er nicht wirklich Teil ihres Alltags, sondern nur ein Schatten, der auftauchte und verschwand. Er schlief nicht in ihrer Wohnung und ließ die Tür oft leise hinter sich zufallen, als würde er sich niemals ganz niederlassen wollen. Aber jedes Mal, wenn sie seine Anwesenheit spürte, jagte es ihr einen leichten Schauer über den Rücken - eine Mischung aus Neugier und etwas, das sie nicht benennen konnte.
Die Sonne stand bereits hoch, als Emilia das Wohnzimmer betrat und Gray ihr eine heiße Tasse Tee reichte. Die Wärme der Tasse in ihren Händen und das sanfte Aroma halfen ihr, die Müdigkeit zu vertreiben. Die vergangenen Nächte waren geprägt von seltsamen Träumen und einer rastlosen Unruhe, die sie nur schwer abschütteln konnte. Sie seufzte und ließ sich in einen der Sessel sinken, während Gray sich mit einem sanften Lächeln neben sie setzte.
„Schlechte Träume?" fragte er mit einer ruhigen, mitfühlenden Stimme.
Emilia nickte und blies in den Tee, bevor sie einen kleinen Schluck nahm. „Man könnte sagen, dass mein Kopf nicht wirklich abschalten will."
Gray erwiderte nichts, sondern legte beruhigend seine Hand auf ihre Schulter. Seine bloße Anwesenheit und die Wärme seiner Nähe waren ein Trost, den sie zu schätzen wusste. Doch bevor sie tiefer in Gedanken versinken konnte, bemerkte sie Ash, der am Fenster stand. Sein Blick war nach draußen gerichtet, die Stirn leicht gerunzelt, als wäre er in eigene Überlegungen vertieft. Die Sonnenstrahlen fielen auf sein Gesicht und ließen seine goldenen Augen für einen Moment wie geschmolzenes Metall glühen.
„Worüber denkst du nach?" fragte sie leise, wobei ihre Stimme den Raum durchdrang.
Ash wandte sich langsam zu ihr um, ein leichtes, aber nachdenkliches Lächeln umspielte seine Lippen. „Über den nächsten Schritt. Über die Dinge, die kommen werden. Manchmal... frage ich mich, ob wir bereit dafür sind."
...
Emilia wollte ihm antworten, doch bevor sie die Worte fand, öffnete sich die Tür, und Alex trat ins Zimmer. Sein Blick war wachsam, und er trug einen Stapel Papiere in der Hand, die er auf den Tisch legte. „Ich habe eine Nachricht von der Gilde", begann er, und sein Ton ließ erahnen, dass es sich um mehr als nur eine Routineangelegenheit handelte. „Es gibt einen Auftrag in der Nähe der Stadtgrenze. Nicht zu gefährlich, aber... herausfordernd genug, dass wir ihn nicht einfach ignorieren sollten."
Emilia hob interessiert den Kopf, während Gray und Ash ihm aufmerksam zuhörten. „Was für ein Auftrag?" fragte sie und bemerkte, wie Ash sich vom Fenster löste und näher trat.
„Es geht um die Beschaffung von seltenen Zutaten für Elixiere", erklärte Alex und blätterte durch die Papiere. „Einige dieser Zutaten wachsen nur in bestimmten Gebieten außerhalb der Stadt und werden dringend für Heiltränke und Schutzmittel benötigt."
Emilia spürte, wie sich ihre Anspannung löste und einer leisen Neugier wich. „Das klingt doch nach einem überschaubaren Abenteuer."
Ash verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie mit einem schiefen Lächeln an. „Und warum genau habe ich das Gefühl, dass du dich schon darauf freust, durch Wälder und unwegsames Gelände zu marschieren?"
Sie lächelte zurück, leicht herausfordernd. „Weil du genau weißt, dass ich das liebe. Außerdem... etwas frische Luft wird uns allen guttun."
Gray schüttelte den Kopf und trat an Alex' Seite. „Ich würde mitkommen, aber ich habe hier noch einiges mit Chaid zu besprechen." Sein Ton wurde ernster, als er den Namen des Untoten erwähnte. „Wir müssen sicherstellen, dass wir Sedricks Spur nicht verlieren."
Alex nickte. „Genau. Außerdem habe ich ein paar Berichte, die ich durchgehen muss."
Emilia bemerkte, wie Ash den Blick leicht abwandte, als hätte er gehofft, dieser Aufgabe zu entkommen. Sie trat näher und legte ihre Hand sanft auf seinen Arm. „Komm schon, Ash", sagte sie mit einem leichten Grinsen. „Es wird bestimmt nicht so schlimm. Und ich verspreche, es gibt genug Pausen für dich."
Sein Blick glitt zu ihrer Hand, und für einen Moment schien er nachzugeben, bevor er ein übertriebenes Seufzen von sich gab. „Na gut, wenn du unbedingt willst, dass ich durch Schlamm und Ungeziefer stapfe...
Emilia lachte leise und trat einen Schritt zurück. „Das wird bestimmt lustiger, als du denkst."
Innerhalb weniger Minuten waren die Vorbereitungen abgeschlossen, und Emilia und Ash standen vor der Tür. Gray und Alex verabschiedeten sich mit einem Nicken, während Chaid im Hintergrund leise und mit leichtem Amüsement die Szene verfolgte. „Passt auf euch auf", sagte Gray, seine Augen ernst. „Und holt uns nicht zu viele Probleme ins Haus."
„Das verspreche ich nicht", erwiderte Emilia mit einem Lächeln und schloss die Tür hinter sich.
Draußen war die Luft klar und frisch, und der Weg führte sie durch dichte Wälder und sanfte Hügel, die die Stadt umgaben. Die Sonne hing hoch am Himmel, und das Rauschen der Blätter war das einzige Geräusch, das sie begleitete. Ash blieb die ersten Minuten still, als hätte er noch immer mit seiner Rolle in dieser Mission zu kämpfen, doch Emilia ließ ihm Zeit.
„Also", begann sie schließlich, als sie eine kleine Lichtung erreichten und kurz stehen blieben, „wir müssen nach drei Hauptzutaten suchen: Miriadwurzel, Mondflügelblätter und die Samen des Beryllbaums. Alles relativ leicht zu erkennen, aber verstreut."
Ash hob eine Augenbraue. „Mondflügelblätter? Ich hoffe, die leuchten wenigstens im Dunkeln, sonst wird das eine lange Suche."
„Zum Glück tun sie das", sagte Emilia mit einem schelmischen Lächeln. „Und Miriadwurzeln sind empfindlich, also sei vorsichtig."
,,Ich weiß.'' Ash lächelte verstohlen.
Sie teilten sich auf, blieben aber in Sichtweite. Während Emilia nach den Mondflügelblättern suchte, beobachtete sie, wie Ash mit einer Mischung aus Konzentration und leichter Abneigung die Erde untersuchte. Es war ein seltener Anblick - der Drachenkrieger, der sich mit Pflanzen beschäftigte - und sie musste sich ein Lachen verkneifen, als er plötzlich innehielt und eine Wurzel aus dem Boden zog, die er kritisch beäugte.
„Das hier?" fragte er und hielt die Wurzel hoch.
Emilia trat näher und nickte, ihre Augen voller Wärme. „Genau die."
„Hätte ich gewusst, dass das ein Teil meiner Aufgaben ist, hätte ich vielleicht protestiert."
„Aber du tust es trotzdem", sagte sie sanft und nahm die Wurzel entgegen. „Das zählt mehr als alles andere."
Sie verbrachten den restlichen Nachmittag damit, die benötigten Zutaten zu sammeln. Während der Stunden wechselten sich Stille und Gespräche ab, und die Natur umgab sie wie ein schützender Mantel. Es war eine kleine Auszeit von den Gefahren und der Ungewissheit, die sie in der Stadt erwarteten - eine Gelegenheit, einander besser zu verstehen und sich auf das vorzubereiten, was noch kommen würde.
....
Die Sonne begann langsam unterzugehen, und die warmen, goldenen Strahlen tauchten die Bäume in ein sanftes Licht. Emilia und Ash saßen auf einem alten Baumstamm, während sie darauf warteten, dass die Dämmerung hereinbrach. Nur dann würden die Mondflügelblätter ihre charakteristische Leuchtkraft entfalten und leichter zu finden sein. Die Waldgeräusche waren sanft, ein leises Flüstern von Blättern und das entfernte Zwitschern von Nachtvögeln begleitete sie.
Emilia zog ihre Knie an die Brust und stützte das Kinn darauf. Sie schien für einen Moment nachdenklich, bevor sie aufblickte und den Blick über die umliegenden Pflanzen schweifen ließ. „Weißt du, Ash", begann sie mit einem schelmischen Lächeln, „es gibt eine interessante Eigenschaft an Miriadwurzeln, die viele nicht kennen."
Ash, der neben ihr saß und scheinbar gelangweilt ein Stück Rinde von dem Baumstamm zupfte, warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. „Oh? Erzähl mir mehr."
Sie deutete mit der Hand auf die Tasche, in der die Wurzeln sicher verstaut waren. „Miriadwurzeln geben ein leichtes Summen von sich, wenn sie mit der richtigen Menge Mana in Berührung kommen. Es ist... als ob sie singen."
Ash hob interessiert eine Augenbraue und schüttelte leicht den Kopf. „Das wusste ich tatsächlich nicht", sagte er mit gespielter Verwunderung, während er sich bemühte, seine Mundwinkel nicht zu einem Grinsen zu verziehen.
„Du lügst", stellte Emilia fest und schüttelte den Kopf, konnte aber das Lächeln auf ihren Lippen nicht unterdrücken. „Du bist ein Meisteralchemist. Es gibt nichts, was du nicht über Kräuter und deren Eigenheiten weißt."
Ash zuckte mit den Schultern und sah sie aus halb geschlossenen Augen an. „Vielleicht genieße ich es, von dir belehrt zu werden. Wer bin ich, deinen Lernprozess zu behindern?"
Seine Worte ließen sie lachen, ein klarer, heller Klang, der durch den Wald hallte. „Du bist unmöglich."
„Stimmt", erwiderte er mit einem warmen Lächeln und lehnte sich entspannt zurück. „Aber ich habe meine Vorzüge."
Emilia sah ihn einen Moment lang schweigend an, als ob sie ihn in diesem Augenblick wirklich betrachten wollte - den Mann, der trotz seiner ruhigen Fassade so viel Tiefe in sich trug. „Danke, dass du mitgekommen bist", sagte sie schließlich, ihre Stimme leiser. „Ich weiß, dass das vielleicht nicht das Abenteuer ist, das du dir vorgestellt hast."
„Oh, es hat seine Momente", sagte er spielerisch, beugte sich jedoch leicht vor und hielt ihren Blick fest. „Ich wäre nirgendwo anders lieber als bei dir."
Seine Worte ließen die Luft zwischen ihnen plötzlich schwerer werden, und Emilia spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Sie sah auf ihre Hände, die im Licht der schwindenden Sonne zu glühen schienen, und spürte die Wärme, die von seiner Nähe ausging. „Du bist gut darin, die Stimmung aufzuhellen", flüsterte sie, fast mehr zu sich selbst.
Ash beugte sich ein wenig näher, sein Ton sanft und vertraulich. „Das ist nur ein kleiner Teil meines Charmes."
Sie lachte leise, spürte aber, wie sich die Distanz zwischen ihnen weiter verringerte. Ashs Augen ruhten auf ihr, und sie hatte das Gefühl, dass sie in diesen goldenen, glühenden Tiefen versinken könnte. Seine Hand bewegte sich langsam zu ihrer, legte sich behutsam darauf und ließ Raum für sie, sich zurückzuziehen - doch sie tat es nicht. Stattdessen ließ sie die Berührung zu, fühlte das Prickeln, das sich über ihre Haut ausbreitete.
„Ash..." Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch, und sie wusste, dass sie es nicht wagen konnte, mehr zu sagen. Doch es schien nicht nötig, denn er verstand sie auch so.
Er beugte sich noch ein Stück weiter vor, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. „Ich bin hier, Emilia. Immer."
Seine Lippen trafen ihre sanft, und der Kuss war wie die Berührung von Wind auf warmer Haut - behutsam, erkundend, und doch voller Zuneigung. Emilia schloss die Augen, ließ sich in die Nähe und Wärme fallen, die Ash ihr bot. Das Rauschen der Blätter schien zu verstummen, und für diesen Moment gab es nur sie beide, geborgen in der Umarmung des Waldes.
Als sie sich langsam voneinander lösten, ließ Ash seine Stirn gegen ihre sinken. „Vielleicht ist das doch das beste Abenteuer", murmelte er mit einem Lächeln, das seine Worte leicht machte, aber auch die tiefe Bedeutung dahinter trug.
„Vielleicht", stimmte Emilia zu, und ihre Augen funkelten.
Die Dämmerung war hereingebrochen, und das sanfte Leuchten der Mondflügelblätter begann den Wald in ein magisches Licht zu tauchen. Emilia und Ash tauschten noch einen letzten Blick, bevor sie sich wieder auf die Suche nach den Kräutern machten - doch diesmal war es, als hätte sich etwas verändert. Ein unsichtbares Band, das sie enger miteinander verband, und eine Wärme, die in der kühlen Nachtluft nachklang.
~ ~ ~ ~
Nachdem sie die letzten Mondflügelblätter sorgfältig in ihren Beuteln verstaut hatten, wollten Emilia und Ash den Ort verlassen. Die Nacht war bereits hereingebrochen, und das sanfte Leuchten der Blätter begann, das dichte Dickicht in ein unwirkliches Licht zu tauchen. Gerade als sie die ersten Schritte zurück in Richtung Pfad machten, hielten sie plötzlich inne. Ein leises, schmerzerfülltes Jaulen durchbrach die Stille, gefolgt von einem gequälten Winseln. Es klang, als käme es von einem Gefährten, der in Not war.
Emilias Kopf ruckte hoch, und sie warf Ash einen besorgten Blick zu. „Hörst du das?"
Er nickte, seine Augen auf die Richtung des Geräuschs fixiert. „Ja. Es klingt nah."
Beide folgten dem Klang durch das Unterholz, und je näher sie kamen, desto deutlicher wurde das Jammern - voller Schmerz und Angst. Schließlich stießen sie auf eine kleine Lichtung, auf der ein verletzter Gefährte lag. Es war eine junge vier-pfote mit sanftem Fell, das in der Dunkelheit wie silbriges Mondlicht schimmerte. Seine großen Augen waren vor Schmerz zusammengekniffen, und sein Körper zuckte in regelmäßigen Abständen.
Emilia kniete sich sofort zu dem Gefährten und legte sanft ihre Hand auf sein Fell. „Du armes Ding", flüsterte sie, ihre Stimme voller Mitgefühl. Doch dann spürte sie es - ein eisiges, durchdringendes Gefühl, das sie erschaudern ließ. Eine vertraute, aber abscheuliche Präsenz umgab den kleinen Körper. Verfluchte Energie. „Nicht schon wieder", murmelte sie und fühlte, wie ihr Herz schwer wurde.
Die verfluchte Energie war ein verzerrtes Mana, das durch negative Emotionen über Jahrzente gespeist wurde, sich ansammelte und als verdorbenes Mana entstand. Sie war gefährlich, da sie nicht nur körperliche Verletzungen verschlimmern, sondern auch den Geist vergiften konnte. Verfluchte Energie neigte dazu, Wesen zu schwächen, sie in Schmerzen zu versetzen und ihre natürliche Magie zu blockieren. Die Präsenz dieser Energie deutete darauf hin, dass sie entweder durch einen Fluch entstanden oder durch korrumpierte magische Quellen gespeist wurde.
Emilias Hände zitterten, als sie den Zustand des Gefährten erkannte. „Warum passiert das immer wieder?" Ihre Stimme brach, und Tränen stiegen ihr in die Augen. „Woher kommt diese verfluchte Energie? Warum können wir sie nicht einfach... verschwinden lassen?"
Ash legte eine beruhigende Hand auf ihre Schulter. Sein Blick war ernst, aber sanft. „Ich weiß, dass es schwer ist, Emilia. Aber es ist nicht hoffnungslos." Er kniete sich neben sie und betrachtete den Gefährten mit prüfendem Blick. „Die verfluchte Energie hat ihn noch nicht vollständig ergriffen. Es gibt eine Chance, seine Wunden zu heilen - aber wir müssen vorsichtig sein."
„Wie?" fragte sie verzweifelt und fühlte sich überfordert. Die Dunkelheit der verfluchten Energie zog sie herunter, ließ sie an ihren Fähigkeiten zweifeln. „Ich... ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll."
Ash drehte sich zu ihr und hielt ihre zitternden Hände in seinen festen, aber warmen Griff. „Du kannst das. Vertraue mir." Seine Stimme war ruhig und trug eine Gewissheit in sich, die Emilias Angst für einen Moment überdeckte. „Der Schlüssel liegt in deinem Mana. Du musst es bündeln und es wie einen Schutzschild um das verfluchte Mana legen. Versuche nicht, es zu bekämpfen, sondern es langsam zu umhüllen und seine Wirkung zu lindern."
Er legte seine Hände auf ihre und führte sie mit sanftem Druck. „Schließe die Augen. Atme tief ein und fühle, wie dein Mana durch dich fließt." Ash hielt ihre Hände sanft und führte sie, während er die Zeit der Wunde für einen Moment anhielt - gerade lange genug, damit Emilia eingreifen konnte.
Emilia tat, was er sagte, obwohl ihre Gedanken noch immer von Zweifeln und Angst geplagt waren. Sie konzentrierte sich auf den warmen, pulsierenden Strom des Mana in ihrem Inneren und ließ es durch ihren Körper fließen. Unter Ashs ruhiger Anleitung spürte sie, wie sich das Mana in ihren Händen sammelte und sich sanft um die verfluchte Energie legte. Es war ein langsamer, anstrengender Prozess - als würde sie gegen einen kalten, unerbittlichen Sturm kämpfen - doch das Mana reagierte.
„Sehr gut", sagte Ash leise, seine Stimme war wie ein Anker inmitten des Sturms. „Bleib bei der Energie. Lass sie nicht los."
Emilia konzentrierte sich noch intensiver, und langsam begann das gequälte Zucken des Gefährten nachzulassen. Die verfluchte Energie schien zu flackern, als ob sie gegen Emilias Mana ankämpfte, doch schließlich ließ sie nach. Der kleine Gefährte atmete ruhiger, und die Anspannung in seinem Körper löste sich. Emilia öffnete die Augen und sah, dass das Schimmern der verfluchten Energie verblasste.
„Du hast es geschafft", sagte Ash und drückte ihre Hände. „Es war dein Mana, das den Unterschied gemacht hat."
Tränen liefen über Emilias Wangen - diesmal nicht nur vor Erschöpfung, sondern auch vor Erleichterung und Stolz. „Danke, Ash. Ich hätte es ohne dich nicht geschafft."
Er lächelte und wischte sanft eine Träne von ihrer Wange. „Du warst es, Emilia. Ich habe nur den Weg gezeigt."
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