Kapitel 5
Emilia hatte schon seit einer Weile den Entschluss gefasst, weiterzuziehen. Lunaris war atemberaubend und voller Leben gewesen – eine Stadt, die sie gelehrt und inspiriert hatte. Doch tief in ihr wuchs die Sehnsucht nach neuen Abenteuern, nach unbekannten Orten und Wegen, die sie noch entdecken wollte.
Bevor sie sich endgültig auf den Weg machte, suchte sie ein letztes Mal das „Refugium der Wahrheit" auf. Die Rezeptionistin erkannte sie sofort und nickte ihr mit einem warmen Lächeln zu. „Vergiss nicht, dass Wissen oft dort liegt, wo du es am wenigsten erwartest." Emilia bedankte sich für die Worte, die sie wie ein sanftes Flüstern begleiteten, während sie die gewaltigen Regale voller Bücher hinter sich ließ.
Im „Silbermond"-Gasthaus verabschiedete sie sich von Kaori und Baldur. Kaori lächelte sie mit ihrem typischen sanften Blick an, ihre schimmernden Fuchsohren wippten leicht. „Emilia, denk immer daran, wer du bist und wohin du gehst." Baldur, der ruhige Minotaurus, sprach nicht viel, doch ein warmes Nicken reichte aus, um Emilia zu zeigen, wie viel sie ihm bedeutete.
Zum Schluss suchte sie Annette auf, deren rote Haarsträhne in der Morgensonne leuchtete. „Schon auf dem Sprung?" fragte Annette mit einem Augenzwinkern. Emilia nickte, und die beiden umarmten sich herzlich. „Halt dich gut da draußen. Und wenn du mal in Schwierigkeiten gerätst, denk daran, dass die Welt voller Gefährten ist," sagte Annette mit einem schelmischen Lächeln. Emilia hielt kurz inne und lächelte zurück, während sich eine bittersüße Wehmut in ihrem Herzen ausbreitete.
Als Emilia schließlich die Stadttore erreichte, blieb sie stehen und drehte sich noch einmal um. Die goldene Morgensonne tauchte Lunaris in ein warmes Licht, das die Stadt beinahe wie einen Traum wirken ließ. Hier hatte sie viel gelernt, Freundschaften geschlossen und die ersten Schritte auf ihrem Weg gewagt.
„Danke, Lunaris", flüsterte sie leise, bevor sie sich umdrehte und den staubigen Weg vor sich betrat. Mit einem tiefen Atemzug schritt sie vorwärts, bereit für das nächste Kapitel – und all die Geheimnisse, die die Welt für sie bereithalten würde.
Emilia saß alleine in einem der kleinen Abteile der Karawane, die gemächlich durch die Landschaft rollte. Der warme Wind strich sanft über ihr Gesicht, und das monotone Schaukeln des Wagens wirkte beruhigend auf ihre Gedanken, die wild durcheinanderwirbelten. Sie hatte ein paar Silberkronen gezahlt, um diese Strecke mit der Karawane zurückzulegen, und obwohl es nur eine kurze Mitfahrgelegenheit sein würde, fühlte sie sich seltsam befreit.
**~ Rückblick ~**
Während der Wagen gemächlich weiterrollte, ließ Emilia die letzten Tage in Lunaris Revue passieren. Die Stadt war ihr erstes echtes Abenteuer gewesen – voller Begegnungen, Aufgaben und Erkenntnisse, die sie stärker gemacht hatten. Doch trotz allem hatte sie gespürt, dass ihre Reise hier nicht enden konnte.
Die Orte, die ihr ans Herz gewachsen waren – das „Sternenklang-Café", die Wanderflamme, das „Silbermond-Gasthaus" – hatten ihr Wärme und Inspiration gegeben. Annette hatte sie mit ihren Worten ermutigt: „Die Welt ist größer als Lunaris. Deine Reise hat gerade erst begonnen."
Tief in sich spürte Emilia, dass Antworten auf ihre Fragen – vor allem zu ihrem Mal – an einem anderen Ort lagen. Mit einem leisen Seufzen blickte sie in die Ferne. Lunaris würde ein Teil von ihr bleiben, doch das Abenteuer wartete jenseits der vertrauten Straßen.
**~ Rückblick Ende ~**
Emilia lehnte sich zurück und ließ die karge Landschaft an sich vorbeiziehen, während die Karawane langsam weiterrollte. Das Knarren der Wagenräder und der sanfte Wind begleiteten ihre Gedanken. Die letzten Wochen – die Abenteuer in Lunaris und die Begegnungen, die sie geprägt hatten – lagen wie lebendige Erinnerungen hinter ihr. Doch jetzt spürte sie den Drang, weiterzuziehen, um Antworten auf die Rätsel ihres Mals zu finden.
„Bin ich bereit für das, was kommt?" murmelte sie leise und legte unbewusst die Hand auf ihre Brust. Theresas Lektionen hatten sie auf diesen Weg vorbereitet, aber sie wusste, dass es Dinge gab, die sie nur allein herausfinden konnte. Die Unruhe in ihr wich langsam einer Entschlossenheit. Sie musste ihre eigenen Schritte gehen – unabhängig und frei.
Die Landschaft veränderte sich; grüne Felder und vereinzelte Bäume lösten die felsige Ebene ab. In der Ferne erkannte sie die Umrisse einer kleinen Siedlung, und Vorfreude stieg in ihr auf. Neue Orte, neue Begegnungen – die Welt war so viel größer, als sie es sich je vorgestellt hatte. Ihre Abenteuerlust wuchs, ebenso wie der Wunsch, mehr über die Fähigkeiten der Schamanen und ihre eigene Bestimmung zu lernen.
In einem der hinteren Wagen entdeckte sie eine ältere Dämonin mit einem kleinen Mädchen auf dem Schoß. Das Mädchen spähte neugierig zu Emilia, versteckte sich aber schnell, als ihre Blicke sich trafen. Ein Lächeln huschte über Emilias Gesicht, und sie trat näher.
„Neu auf Reisen?" fragte die Dämonin mit einem freundlichen Lächeln.
Emilia nickte. „Das sieht man wohl, oder?"
„Keine Sorge," sagte die Frau sanft. „Jede Reise bringt etwas Neues – oft mehr, als man sucht."
Die Dämonin erzählte Geschichten von heiligen Stätten, mächtigen Schamanen und magischen Pflanzen, die nur an besonderen Orten wuchsen. Emilia lauschte fasziniert, ihre Neugier wurde immer stärker. Das kleine Mädchen reichte ihr schüchtern ein paar getrocknete Beeren. „Für dich," sagte es leise.
„Danke!" Emilia probierte eine und war überrascht, wie süß sie schmeckten. „Die sind köstlich. Woher kommen sie?"
„Aus dem Garten meiner Großmutter," erklärte das Mädchen stolz. „Sie wachsen an einem besonderen Baum in unserem Dorf."
Emilia lächelte. „Dann ist euer Dorf sicher genauso besonders wie diese Beeren."
Die Karawane erreichte schließlich das Dorf Lirien, einen kleinen, lebhaften Ort, der sich harmonisch in die Umgebung fügte. Statt hoher Gebäude und belebter Märkte sah Emilia niedrige Häuser aus Lehm und Stein, umgeben von Kräutergärten und Feldern. Ein frischer Duft lag in der Luft, und sie spürte ein Kribbeln der Neugier – bereit, die Geheimnisse dieses neuen Ortes zu erkunden.
In der Mitte des Dorfes führte eine breite Straße zu einem kleinen Marktplatz. Händler mit allerlei handgefertigten Waren hatten ihre Stände aufgebaut, und es herrschte eine ruhige, fast friedliche Betriebsamkeit. Hier gab es keinen Trubel, sondern ein entspanntes Miteinander, als sei jeder einander bekannt und vertraut.
Emilia war fasziniert von der einfachen, ländlichen Atmosphäre des Dorfes. Sie ließ die anderen Reisenden passieren und nutzte die Gelegenheit, die Umgebung zu erkunden. An einem Stand mit bunten Tüchern blieb sie stehen und strich über die feinen Stoffe. „Sie fühlen sich an wie Seide, aber die Struktur ist anders," murmelte sie.
„Das ist Fadenkraut," erklärte die Händlerin mit einem Lächeln. „Es wächst nur in den höheren Lagen und wird von Hand geerntet – ein sensibles und geduldiges Handwerk."
Emilia nickte, beeindruckt von der Hingabe, die in jedem Detail des Dorfes steckte. Alles wirkte harmonisch, als lebte das Dorf im Einklang mit den Kräften der Natur.
Doch plötzlich spürte sie ein Kribbeln, eine fremde Präsenz, die sie kurz aus der Ruhe brachte. Sie drehte sich um, doch niemand schien sie zu beachten. Irritiert schüttelte sie den Kopf, doch das Gefühl, beobachtet zu werden, blieb – verborgen in den stillen Schatten von Lirien.
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Emilia setzte sich an den Rand des Weges und zog das alte Buch hervor, das sie im Hinterraum der Mondblüten-Heilerei gefunden hatte. Die kühlen, leicht rauen Lederränder fühlten sich vertraut an, und ein Hauch von getrockneten Kräutern mischte sich mit dem Duft alten Pergaments, als sie es aufschlug. Auf den vergilbten Seiten standen Rezepturen mit geheimnisvollen Namen wie „Schwarzwurzsalbe des Geisterbanns", „Nachttrank der Träume" und „Feuersplittertinktur". An den Rändern fanden sich handgeschriebene Notizen – Spuren eines Wissens, das jemand mit Sorgfalt gehütet hatte.
Ihre Finger glitten über die Zeichen und Symbole, die eine seltsame Anziehungskraft auf sie ausübten. Es fühlte sich an, als wartete das Buch darauf, dass sie seine Geheimnisse lüftete. Die uralten Rezepte flüsterten fast, forderten sie heraus, die vergessene Kunst wiederzubeleben.
Nachdenklich klappte sie das Buch zu und zog ihre Landkarte hervor. Die fein gezeichneten Linien und Namen entfernter Orte fesselten sie. Ihr Finger glitt über Lunaris und verharrte bei einem kleinen Symbol – Farodin. Der Name hallte leise in ihr nach, ein Versprechen von Abenteuern und Entdeckungen.
Mit einem entschlossenen Lächeln faltete sie die Karte zusammen. Farodin würde der nächste Schritt sein. Die Geheimnisse des Buches und ihres Mals würden sich dort vielleicht weiter entschlüsseln – und vielleicht fand sie auf dem Weg auch die seltenen Zutaten, die diese alten Rezepturen wieder zum Leben erwecken konnten.
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Emilia schloss sich der Karawane weiter an, bis sie an einer kleinen Raststelle Halt machten. Die Karawanenführer kümmerten sich um ihre Gefährten, während die Reisenden sich um ein frisch entzündetes Feuer versammelten. Ein älterer Dämon mit schimmerndem weißem Haar trat lächelnd auf sie zu.
„Eine junge Reisende auf Abenteuerfahrt?" Seine rauchige, freundliche Stimme ließ Emilia schmunzeln. Er stellte sich als Eobald vor und deutete auf die Gruppe am Feuer.
Dankbar setzte Emilia sich zu ihnen. „Ja, ich möchte die Welt kennenlernen," erwiderte sie. Eobald nickte. „Manche Antworten findest du, wenn du die richtigen Fragen stellst – und manchmal ist das Leben selbst die Antwort," sagte er mit einem Zwinkern. Seine Worte klangen lange in ihr nach.
Die Reisenden begannen, über ihre Erlebnisse zu erzählen. Eine Dämonin namens Kira sprach lebhaft von einem Küstenfest, während andere von entlegenen Dörfern und Städten berichteten. Emilia lauschte fasziniert. Jede Geschichte eröffnete ihr neue Perspektiven auf die Welt und verstärkte ihren Wunsch, noch mehr zu entdecken.
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Die Karawane erreichte bei Einbruch der Dämmerung das Dorf Farodin. Ein warmer Duft nach Gewürzen und frisch gebackenem Brot empfing Emilia, während sie die von sanften Hügeln und Wäldern umgebene Siedlung betrat. Bunte Tücher spannten sich wie Banner über die Gassen, und im Zentrum des Dorfes leuchtete ein kleiner Schrein, umgeben von Kerzen und Blumen.
Die Dorfbewohner schienen mitten in den Vorbereitungen für ein Ritual zu sein. Eine ältere Frau, gehüllt in eine Robe mit mystischen Symbolen, ordnete Kerzen um den Schrein und murmelte ein stilles Gebet. Emilia spürte die Ruhe und Kraft, die von der Zeremonie ausging, und betrachtete das Geschehen mit leiser Bewunderung.
Als die Karawane weiterzog, verabschiedete sie sich von den Reisenden. Eobald schenkte ihr einen letzten Rat: „Vergiss nicht, junge Schamanin, jeder Ort birgt ein Stück der Antwort, die du suchst."
Mit einem dankbaren Lächeln ließ Emilia ihn zurück und begann, das Dorf zu erkunden. Farodin wirkte schlicht und bodenständig, doch gerade das zog sie an. Die Verbindung der Dämonen zur Natur und ihren Traditionen erfüllte den Ort mit einer stillen Harmonie, die sie tief berührte.
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Nach einem Rundgang durch Farodin fiel Emilias Blick auf einen charmanten kleinen Laden mit dem Namen „Wurzelwerk & Wunderbares". Neugierig zog sie das alte Buch hervor und schlug eine Seite auf, die ein faszinierendes Rezept enthielt: „Nebelblüten-Essenz" – eine Mischung, die Klarheit und Fokus fördern sollte, ideal für lange Reisen. Die Zutatenliste nannte „Schleierlilie", „Morgenwurzel" und „Sternenkraut", was ihre Neugier noch mehr weckte.
Im Inneren des Ladens umfing sie der warme Duft von Kräutern und Erde. Regale voller gläserner Fläschchen und getrockneter Bündel schufen eine gemütliche, magische Atmosphäre. Die ältere Verkäuferin mit Halbmond-Ohrringen und einem freundlichen Lächeln begrüßte Emilia herzlich.
„Suchst du etwas Bestimmtes, meine Liebe?" fragte sie.
Emilia zeigte auf das Rezept. „Haben Sie Schleierlilie, Morgenwurzel und Sternenkraut?"
Die Verkäuferin nickte und führte sie zu einem Regal. „Das Sternenkraut ist besonders, es verstärkt die Wirkung der Essenz erheblich. Aber geh vorsichtig damit um."
Mit den Kräutern in der Hand suchte Emilia ein stilles Plätzchen am Dorfrand, wo ein kleiner Bach plätscherte. Sie breitete die Zutaten auf einem flachen Stein aus und folgte sorgfältig den Anweisungen im Buch.
Zuerst zerrieb sie Schleierlilie und Morgenwurzel zu feinem Pulver, das sie über einer kleinen, mit Mana gespeisten Flamme erhitzte. Der Duft wurde intensiver, als sie das Sternenkraut hinzufügte, das funkelte und ein leises Knistern erzeugte. Mit geschlossenen Augen lenkte Emilia ihre Mana-Energie in die Mischung. Das Buch hatte Recht: Es fühlte sich an, als würde sie die Essenz nicht nur herstellen, sondern auch mit ihrer eigenen Energie beleben.
Schließlich hielt sie ein kleines Fläschchen mit der zart schimmernden „Nebelblüten-Essenz" in den Händen. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. „Im Tal hätte ich das nie geschafft," murmelte sie. „Hier gibt es so viele Zutaten, die ich mir früher kaum vorstellen konnte."
Sie ließ ihren Blick über die Kräuter schweifen und fragte sich, welche Orte solche Schätze wohl noch bereithielten. Ein Gefühl von Abenteuerlust keimte in ihr auf. Diese Welt war voller Geheimnisse – und sie hatte gerade erst begonnen, sie zu entdecken.
Emilia betrachtete das glitzernde Fläschchen in ihrer Hand und lächelte zufrieden. Ein unerwarteter, stolzer Gedanke schoss ihr durch den Kopf: „Keiner hätte das so hinbekommen wie ich." Ein Schub von Selbstbewusstsein durchflutete sie. „Wer sonst könnte solche Mixturen meistern? Kein Wunder, dass Theresa gerade mich ausgewählt hat."
Doch kaum setzte sich dieser Gedanke fest, spürte sie ein vertrautes Pulsieren in ihrer Brust. Es war, als hätte das Mal reagiert, leise und mahnend. Emilia blinzelte verwirrt. „Warum denke ich sowas überhaupt?" murmelte sie leise. Das Gefühl des Hochmuts verflüchtigte sich so schnell, wie es gekommen war, hinterließ jedoch eine seltsame Unruhe. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie die Gedanken abschütteln, und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Essenz.
Als sie aufstand, durchzog eine unerwartete Spannung die Luft. Ein Kribbeln breitete sich in ihrem Nacken aus, und sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Ihr Blick glitt suchend über die Umgebung, doch niemand schien auf sie zu achten.
Das seltsame Gefühl ließ sie nicht los. Es war nicht bedrohlich, aber intensiv – wie eine Präsenz, die knapp außerhalb ihrer Wahrnehmung verweilte. Emilia schloss die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren, doch die Energie blieb flüchtig, wie ein Hauch im Wind. „Wer... bist du?" flüsterte sie unbewusst, ohne zu wissen, ob sie die Worte an sich selbst oder an die unsichtbare Präsenz richtete.
Ein Schatten schien sie zu umhüllen, warm und fast schützend. Das Gefühl war widersprüchlich – wie ein Paradoxon, das sie nicht begreifen konnte. Doch tief in ihrem Inneren spürte sie, dass dies nicht das letzte Mal sein würde, dass sie dieser geheimnisvollen Energie begegnete.
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Emilia spazierte durch Farodin, den Laternen folgend, die einen versteckten Pfad zu einer offenen Terrasse säumten. Weinreben und blühende Nachtblumen umrahmten den Ort, der von Ruhe erfüllt war. Einige Dämonen verweilten in kleinen Gruppen, leise flüsternd, während der Abendhimmel über ihnen glitzerte.
Ihr Blick fiel auf eine einzelne Gestalt am Rand der Terrasse. Der Mann, von sanftem Mondlicht umrahmt, hatte eine kühle Ausstrahlung, die sich von der warmen Atmosphäre abhob. Seine blasse Haut und die tiefrot leuchtenden Augen fesselten Emilias Aufmerksamkeit. Sie hielt inne, verwirrt von der seltsamen Vertrautheit, die er in ihr weckte.
Der Fremde bemerkte ihr Starren und lächelte, ein Hauch von Spott in seiner Stimme: „Genießt du die Aussicht, oder habe ich dich so sehr in den Bann gezogen?"
Emilia spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. „I-ich... ich habe dich nur zufällig bemerkt," stammelte sie.
„Zufälle sind selten. Besonders an Orten wie diesem." Seine Augen fixierten sie, durchdringend, doch ohne Bedrohung. Die Anziehungskraft, die er ausstrahlte, war sanft, aber schwer zu ignorieren. Emilia merkte, wie ihre Füße sie unbewusst näher trugen, ihr Herzschlag beschleunigt.
„Bist du neu hier, oder zieht es dich einfach an fremde Orte, Schamanin?" Seine Stimme war jetzt leiser, beinahe verschwörerisch.
Überrascht hob sie den Kopf. „Woher... woher weißt du das?"
Er lächelte, ein Ausdruck geheimnisvoller Überlegenheit. „Ein guter Beobachter erkennt mehr, als Worte verraten."
Mit einer einladenden Geste deutete er auf einen Platz neben sich. Trotz eines kurzen Zögerns ließ sich Emilia nieder, ihre Nervosität halb unterdrückt. Ein Teil von ihr vertraute ihm, ohne den Grund zu kennen.
In der leichten Abendbrise studierte sie sein Gesicht: scharfe Züge, eine elegante Ruhe in seinen Bewegungen, und diese Augen, die etwas Verbotenes und zugleich Vertrautes ausstrahlten. Jede Sekunde in seiner Nähe verstärkte das merkwürdige Ziehen in ihrer Brust, während die Zeit um sie herum wie im Fluss schien.
Eine leichte Röte überzog Emilias Wangen. Sie wusste nicht, ob sie ihm direkt in die Augen sehen oder ihren Blick lieber abwenden sollte. Das Schweigen zwischen ihnen war nur kurz, bevor der Fremde mit einem sanften Lächeln sprach.
„Alex," stellte er sich vor und machte eine elegante Handbewegung. „Ich bin... ein Mediziner, sagen wir es so."
Seine Augen funkelten belustigt, und Emilias Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich. Ein Mediziner? Irgendetwas an ihm passte nicht zu dieser Beschreibung.
„Ein Mediziner?" wiederholte sie zögernd, ihre Stimme ein wenig atemlos. Sie bemühte sich um Ruhe, doch sein Lächeln brachte sie aus dem Gleichgewicht.
„Ja," antwortete Alex, sein Blick ruhte weiterhin auf ihr. „Aber auf besondere Art und Weise."
Emilia runzelte die Stirn, unsicher, ob sie ihn ernst nehmen sollte. „Besondere Art?"
„Ich bringe gern Licht in die Dunkelheit," erklärte er mit einem leisen Schmunzeln.
Ein nervöses Lachen entfuhr ihr. „Das klingt... interessant."
„Interessant," wiederholte er leise, wobei ein schelmischer Ausdruck in seinen Augen aufflackerte. „Und du, Emilia? Was treibt eine junge Schamanin wie dich an einen so... außergewöhnlichen Ort?"
Ihre Finger spielten nervös miteinander, während sie seinen durchdringenden Blick spürte. Sie versuchte, sich zu sammeln, nicht vollständig in seinen Bann zu geraten – oder vielleicht hoffte sie insgeheim doch darauf.
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Emilias Herz pochte noch immer aufgeregt, wie von einer sanften Melodie verzaubert, doch langsam flüsterte ihr Verstand, dass hier etwas nicht stimmte. Die angenehme Wärme, die Alex' Nähe ausstrahlte, wich einer leisen Verunsicherung. Sie fragte sich, warum sie ihm so blind vertraut hatte, ohne zu hinterfragen, woher er so viel über sie wusste.
„Woher kennst du meinen Namen und... wie weißt du, dass ich eine Schamanin bin?" fragte sie schließlich, die Stirn leicht gerunzelt.
Alex ließ ein leises Lachen hören und lehnte sich entspannt zurück. „Hat ja lange gedauert, bis du fragst," sagte er mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. „Ich dachte schon, du würdest ewig in deiner kleinen Traumwelt verweilen."
Emilia spürte, wie ihr Gesicht leicht heiß wurde, und verschränkte die Arme. „Beobachtet hast du mich also? Klingt nicht gerade beruhigend," sagte sie trocken, doch ein Hauch von Neugier schwang in ihrer Stimme mit.
„Beobachten ist eine Kunst," erwiderte Alex mit einem schiefen Grinsen. „Und du machst es einem wirklich leicht – du bist nicht gerade unauffällig."
Seine Worte klangen wie eine sanfte Herausforderung, und das vertraute Prickeln in ihrer Brust meldete sich erneut. Sie dachte an die flüchtigen Unruhen der letzten Tage – das Gefühl, beobachtet zu werden. Jetzt schien alles plötzlich Sinn zu ergeben.
„Und? Warum diese große Faszination?" fragte sie und hob herausfordernd eine Augenbraue.
Alex lehnte sich ein wenig vor, seine Stimme wurde leiser. „Aus demselben Grund, aus dem du mich nicht ignorieren kannst." Seine rubinroten Augen blitzten, und ein Lächeln, das sowohl geheimnisvoll als auch provozierend war, umspielte seine Lippen. „Neugier, Emilia. Sie führt uns beide immer wieder an spannende Orte."
Emilia schnaubte leise, doch sie konnte den Nervenkitzel, den seine Worte auslösten, nicht ganz verdrängen. „Vielleicht bin ich auch einfach nur höflich," entgegnete sie, halb scherzend, halb ernst.
Alex schmunzelte und richtete sich auf. „Was hast du jetzt vor, wenn ich fragen darf?" fragte er beiläufig.
„Ein Gasthaus finden," erwiderte sie knapp. „Es war ein langer Tag."
„Dann kann ich dir ‚Blüte' empfehlen," sagte Alex mit einem Anflug von Ernsthaftigkeit. „Perfekt für eine Reisende wie dich – ruhig, sauber, und das Essen soll hervorragend sein."
Emilia warf ihm einen misstrauischen Blick zu, nickte dann jedoch. „Danke. Ich werde es mir ansehen."
Sie machte sich auf den Weg, doch ein seltsames Gefühl ließ sie innehalten. Das vertraute Kribbeln in ihrem Nacken kehrte zurück. Als sie über die Schulter blickte, sah sie – Alex.
Mit einem Seufzen blieb sie stehen. „Warum folgst du mir?"
Alex hob die Hände, als wolle er seine Unschuld beteuern. „Ich folge dir nicht. Wir scheinen nur denselben Geschmack zu haben – das Gasthaus Blüte ist auch mein Ziel."
Emilia zog skeptisch eine Augenbraue hoch, entschied jedoch, die Sache auf sich beruhen zu lassen. „Na schön. Aber bleib mir nicht im Weg," sagte sie schließlich, konnte jedoch ein amüsiertes Lächeln nicht unterdrücken.
„Würde ich nie wagen," antwortete Alex mit einer gespielten Unschuld, während sie gemeinsam ihren Weg fortsetzten.
Während sie nebeneinander liefen, wagte Emilia ab und zu einen kurzen Blick zu ihm. Sein entspanntes Auftreten und das geheimnisvolle Lächeln ließen ihr Herz schneller schlagen, und sie fragte sich, wie jemand so mühelos nervig und faszinierend zugleich sein konnte.
„Also, sag mal..." begann sie schließlich, um die Stille zu durchbrechen. „Was machst du eigentlich hier?"
Alex zuckte mit den Schultern, als wäre die Antwort ganz selbstverständlich. „Ich reise gern. Erforsche... interessante Orte und die Wesen, die dort leben."
„Interessant," wiederholte Emilia und spürte, wie sich ein Schmunzeln auf ihre Lippen stahl. „Das klingt vage."
„Das Leben ist vage," entgegnete Alex mit einem wissenden Grinsen. „Aber du machst es spannender."
Überrascht von seiner Direktheit fühlte Emilia, wie sie erneut errötete, und sie senkte den Blick. „Nun, wenn das so ist..." murmelte sie, halb scherzend, halb nachdenklich.
„Es ist so," sagte Alex, seine Stimme sanft und beinahe flüsternd. „Und ich glaube, unsere Wege kreuzen sich aus gutem Grund."
Sie schwiegen für den Rest des Weges, bis das Gasthaus „Blüte" in Sicht kam. Emilia spürte, wie eine seltsame Mischung aus Neugier und Vorsicht in ihr wuchs, während sie die Tür öffnete und Alex' Blick noch einmal spürte.
Als Emilia und Alex das Gasthaus „Blüte" betraten, umfing sie ein wohltuender Duft nach Kräutern und frisch gebackenem Brot. Der Eingangsbereich war in warmen Holztönen gehalten, und eine dämonische Rezeptionistin begrüßte sie mit einem freundlichen Lächeln.
„Alex!" rief sie erfreut. „Schön, Sie wiederzusehen. Es ist eine Weile her, seit Sie das letzte Mal hier waren."
„Mira," erwiderte Alex mit einem charmanten Lächeln, „es ist immer wieder schön, hierher zurückzukommen." Er deutete mit einer beiläufigen Bewegung auf Emilia. „Dieses Mal habe ich Gesellschaft."
Mira richtete ihre Aufmerksamkeit auf Emilia und nickte höflich. „Willkommen. Möchten Sie ein Einzelzimmer für die Nacht?"
„Ja, bitte," antwortete Emilia und bemerkte die Neugier in Miras Blick. Nach einem kurzen Austausch über den Preis erhielt sie ihren Zimmerschlüssel und wandte sich Alex zu.
„Das Abendessen wird in zehn Minuten serviert," erklärte Mira, bevor Alex Emilia mit einem fragenden Blick musterte. „Hast du Hunger?"
Emilia überlegte kurz und nickte schließlich. „Klingt gut."
Der Speisesaal war gemütlich und von gedämpftem Licht erfüllt. Die Tische waren mit Kerzen und Blumen geschmückt, und das leise Murmeln der anderen Gäste schuf eine entspannte Atmosphäre. Sie nahmen an einem kleinen Tisch in der Nähe des Fensters Platz, und Alex bestellte für sie beide ein Getränk.
Während sie die ersten Schlucke nahm, begann Alex das Gespräch. „Also, Emilia, wie hat dir Lunaris gefallen? Es war ein guter Ausgangspunkt für deine Reise, nehme ich an."
Emilia zögerte, nicht sicher, ob sie ihn in die Details ihrer Reise einweihen sollte. „Es war... aufregend," sagte sie schließlich und hielt seinen forschenden Blick stand. „Aber die Welt ist so viel größer, als ich es mir vorgestellt hatte."
Alex lehnte sich zurück, sein Lächeln lauernd. „Das klingt, als würdest du den richtigen Weg einschlagen. Aber für jemanden wie dich – eine Schamanin mit Talent – gibt es sicher noch viele Herausforderungen, oder?"
Seine Worte ließen Emilia innehalten. Sie runzelte leicht die Stirn, unsicher, ob er sie tatsächlich nur lobte oder mehr wusste, als er zugab. „Woher weißt du, dass ich eine Schamanin bin?" fragte sie, und ihre Augen verengten sich misstrauisch.
Alex zuckte lässig die Schultern und nippte an seinem Getränk. „Es ist schwer, solche Dinge zu übersehen. Deine Aura ist... bemerkenswert."
Emilia blinzelte überrascht und fühlte, wie sich eine leichte Wärme in ihrer Brust ausbreitete – eine Mischung aus Stolz und Unbehagen. „Und was ist mit dir?" fragte sie, um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken. „Ein Mediziner, sagst du? Was genau bedeutet das?"
Alex schmunzelte, seine rubinroten Augen schimmerten im Kerzenlicht. „Nun, ich heile. Aber nicht auf die traditionelle Weise, wie du es vielleicht gewohnt bist." Sein Ton wurde etwas ernster, fast verschwörerisch. „Sagen wir, ich arbeite lieber mit... individuellen Methoden."
Emilia hob eine Braue. „Individuelle Methoden?" Wieder einmal schien er mehr zu sagen, als seine Worte verrieten.
Alex lehnte sich vor, sein Blick bohrte sich in ihren. „Man könnte sagen, ich bringe Ordnung ins Chaos. So wie du."
„So wie ich?" Emilia spürte, wie ihre Unsicherheit wuchs. Sie hielt seinen Blick stand, doch in ihr schrie alles danach, herauszufinden, wie viel er tatsächlich wusste.
„Nun," fuhr Alex fort, seine Stimme sanft, aber durchdringend, „es ist selten, dass jemand wie du die vertrauten Grenzen verlässt. Das Tal... es ist eine geschützte Zuflucht, nicht wahr?"
Emilias Herz setzte einen Schlag aus. Sie fühlte, wie ihre Finger sich an ihrem Glas verkrampften. „Woher weißt du vom Tal?" fragte sie langsam, ihre Stimme leiser als zuvor.
Alex lehnte sich zurück, sein Lächeln verschwand nicht. „Ich habe meine Beobachtungen gemacht. Und außerdem... nennen wir es Intuition."
Emilia wusste nicht, ob sie beruhigt oder alarmiert sein sollte. Die Art, wie Alex sprach, war gleichermaßen faszinierend wie undurchsichtig. Doch anstatt weiter nachzubohren, beschloss sie, die Bemerkung zu ignorieren und das Gespräch auf neutraleren Boden zu lenken.
„Also," sagte sie, ihre Stimme nun etwas fester, „was bringt dich wirklich hierher? Warum Farodin?"
Alex zuckte mit den Schultern, als wäre die Frage unbedeutend. „Vielleicht, weil ich glaubte, jemand Interessantes zu treffen." Sein Lächeln kehrte zurück, und Emilia spürte, wie ihr Herz schneller schlug.
......
Der Speisesaal des Gasthauses „Blüte" war warm beleuchtet, und das gedämpfte Murmeln der anderen Gäste schuf eine angenehme Atmosphäre. Emilia und Alex saßen weiterhin an ihrem Tisch, das Gespräch zwischen ihnen hatte eine unerwartete Leichtigkeit angenommen. Alex schien genau zu wissen, wie er ihre Neugier wecken konnte.
„Lunaris also," begann Alex, während er seine Tasse hob. „Ein interessanter Ort, um eine Reise zu beginnen. War es deine erste Station?"
„Ja," antwortete Emilia, zögernd. „Ich war dort etwa einen Monat. Danach kam ich über Lirien hierher." Sie beobachtete ihn genau, wie er scheinbar beiläufig Fragen stellte, doch seine Augen verrieten, dass er ihre Antworten aufmerksam abwägte.
„Und, wie gefällt dir das Reisen bisher?" Alex lehnte sich entspannt zurück, ein Lächeln umspielte seine Lippen.
„Es ist... aufregend und herausfordernd," gab Emilia zu, fühlte sich aber plötzlich unwohl unter seinem durchdringenden Blick. Um die Richtung des Gesprächs zu ändern, fragte sie: „Was ist mit dir? Du reist auch viel, oder?"
Alex hob die Augenbrauen, sein Lächeln wurde breiter. „Das tue ich tatsächlich. Beruflich meistens. Ein Mediziner muss schließlich dorthin gehen, wo er gebraucht wird."
„Ein Mediziner?" wiederholte Emilia, ihre Neugier geweckt. „Warum reist du dann allein? Solltest du nicht eine Praxis haben oder bei einer Gemeinschaft arbeiten?"
Alex nahm sich einen Moment, bevor er antwortete, seine Stimme wurde weicher: „Manchmal ist es wichtiger, unterwegs zu sein. Es gibt Dinge, die man nur lernt, wenn man sich bewegt. Und manchmal," fügte er hinzu, seine Augen fixierten sie mit einer seltsamen Intensität, „zieht einen das Schicksal an Orte, die man nicht erwartet."
Emilia fühlte, wie ihr Herz einen Moment schneller schlug. Sie versuchte, die Wärme in ihrem Gesicht zu ignorieren, während sie fragte: „Schicksal also? Und was hat das mit mir zu tun?"
Alex lehnte sich näher, sein Ton blieb spielerisch, doch seine Worte hatten etwas Bedeutsames: „Vielleicht mehr, als du glaubst."
Für einen Moment wusste Emilia nicht, wie sie reagieren sollte. Seine Antworten blieben vage, doch sie konnte sich dem Gefühl nicht entziehen, dass er viel mehr wusste, als er sagte. Um ihre Unsicherheit zu überspielen, fragte sie: „Also, bist du schon oft hier gewesen? Mira schien dich ziemlich gut zu kennen."
Alex lächelte leicht. „Oh, das Gasthaus ‚Blüte' ist ein vertrauter Ort. Für jemanden wie mich, der viel unterwegs ist, ist es praktisch, Anlaufpunkte zu haben."
„Und trotzdem bist du alleine unterwegs?" hakte Emilia nach, ein Anflug von Skepsis in ihrer Stimme.
Alex musterte sie mit einem Blick, der sie gleichzeitig verunsicherte und faszinierte. „Vielleicht habe ich darauf gewartet, jemanden zu treffen, der genauso neugierig auf die Welt ist wie ich," sagte er schließlich, seine Worte leise, fast bedeutungsvoll.
Emilia hielt seinem Blick stand, obwohl ihre Wangen erneut warm wurden. „Du bist ziemlich geschickt darin, Fragen auszuweichen," bemerkte sie mit einem herausfordernden Lächeln.
Alex lachte leise. „Vielleicht. Aber ich glaube, manche Antworten findet man besser selbst heraus, findest du nicht?"
Für einen Moment schwebte Stille zwischen ihnen, doch es war keine unangenehme. Emilia fühlte sich von Alex' rätselhafter Art angezogen, obwohl sie wusste, dass er sie mit seinen Worten in ein Spiel verwickelte, dessen Regeln sie nicht kannte.
„Also gut," sagte sie schließlich und stand auf. „Ich denke, das reicht für heute. Danke für das Gespräch, Mediziner."
Alex erhob sich ebenfalls, sein Lächeln unverändert charmant. „Eine gute Nacht, Emilia. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege morgen erneut."
Mit einem letzten Blick ging Emilia in ihr Zimmer, Alex' Worte hallten noch immer in ihrem Kopf nach. Trotz der leichten Verwirrung, die er in ihr auslöste, spürte sie eine seltsame Vorfreude auf das, was noch kommen mochte.
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hier das bild mal mit Vampir Zähnen
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