Kapitel 10
Kunstfertigkeiten und Flammen-Fest
Die Wärme des Bades gestern Abend lag noch wie ein wohltuender Schleier über Emilias Körper. Während sie ihre Glieder streckte, spürte sie, wie die Anspannung der vergangenen Tage einem angenehmen Kribbeln gewichen war. Trotzdem erwachte ein leiser Wunsch in ihr: Noch einmal in das dampfende Wasser zu gleiten und die Erschöpfung erneut abzuwaschen. Doch die ersten Sonnenstrahlen, die durch die Vorhänge drangen, erinnerten sie daran, dass ein neuer Tag begonnen hatte - und mit ihm neue Aufgaben.
Alex der bereits wach war, saß aufrecht auf dem Bett, die Endlostasche auf seinen Knien, und schien völlig in seiner eigenen Welt versunken zu sein. Emilia beobachtete ihn für einen Moment. Seine Finger glitten präzise über die Tasche, während er Gegenstände hervorzog, die in keinem Verhältnis zu ihrem schlichten Äußeren standen. Die Tasche war eine faszinierende Konstruktion - ein Werkzeug, das Raum und Zeit in seinem Inneren außer Kraft setzte. Jedes Objekt, das hineingelegt wurde, blieb in genau dem Zustand, in dem es verstaut wurde, selbst wenn Jahre vergingen.
„Funktioniert die Tasche wirklich so... grenzenlos?" fragte sie, ihre Stimme leise, fast ehrfürchtig.
Alex sah auf, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. „Grenzenlos genug, um dir etwas zeigen zu können." Er griff hinein und zog eine gläserne Phiole hervor, gefüllt mit einer schimmernden, violetten Flüssigkeit. „Das hier lag fast ein Jahrzehnt in der Tasche. Und schau - kein bisschen verdorben." Er stellte die Phiole zurück, griff dann weiter, und bald stapelten sich Kräuter, kleine Gefäße und sogar ein Notizbuch neben ihm.
„Jedes Mal, wenn ich etwas hineinlege, fühlt es sich an, als würde ich einen unendlichen Raum betreten", erklärte er, während er mit geübten Bewegungen weitere Utensilien aus der Tasche holte. „Alles bleibt frisch, und nichts altert. Das ist nicht nur praktisch - es ist essenziell."
Emilia nickte nachdenklich. Sie erinnerte sich daran, wie Alex gestern Abend die Tasche geöffnet hatte, um ihre Einkäufe zu verstauen. Die präzise Art, wie er die Kräuter und Utensilien einsortiert und gleichzeitig Notizen gemacht hatte, war ihr damals schon aufgefallen. Und jetzt, bei Tageslicht, war es noch beeindruckender.
„Es ist wirklich eine erstaunliche Erfindung", murmelte sie, während sie sich an die Wärme des gestrigen Bades erinnerte. Ihr Blick schweifte zum Fenster, wo die ersten Strahlen des Tages das Zimmer in ein goldenes Licht tauchten.
„Hast du gut geschlafen?" Alex' Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
„Ja", antwortete sie, ein Lächeln auf den Lippen. „Und das Bad gestern Abend hat wahre Wunder gewirkt. Aber ich wünschte, ich könnte meine müden Knochen noch einmal darin einweichen."
Alex lachte leise. „Du hast dir ein wenig Entspannung verdient. Aber vielleicht sollten wir vorher frühstücken, bevor du den ganzen Tag im Wasser verschwindest."
„Sehr witzig", entgegnete sie trocken, konnte sich ein Schmunzeln aber nicht verkneifen.
Emilia richtete sich im Bett auf, die Decke noch halb um sich geschlungen. Ihr Blick weilte weiterhin auf Alex, der bereits wach und in voller Frische auf der Bettkante saß. Er hatte die Endlostasche vor sich geöffnet und sortierte routiniert Kräuter und kleine Gefäße. Sein konzentrierter Ausdruck und die Präzision seiner Bewegungen ließen erahnen, dass er wohl schon seit einiger Zeit wach war.
Ein vertrauter, angenehm frischer Duft lag in der Luft. Sie zog die Nase leicht kraus und bemerkte, wie gut Alex roch. „Du hast wohl gestern Abend auch ein Bad genommen?" stellte sie fest, während sie sich weiter aufrichtete.
Alex hob den Kopf, ein kleines Lächeln spielte auf seinen Lippen. „Das habe ich. Du hast es aber offenbar nicht mitbekommen." Seine Augen blitzten amüsiert, und sein Tonfall war ruhig, beinahe neckend. „Du warst schon tief im Halbschlaf, als ich zurückkam."
Emilia seufzte leise und fuhr sich durch die Haare, die sich noch sanft wellten. „Ich wusste gar nicht, dass ich so erschöpft war. Ich erinnere mich nur noch daran, wie ich mich kurz hinlegen wollte - und dann war ich weg." Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. „Danke übrigens, dass du mir gestern Abend noch etwas zu essen gebracht hast. Ich hätte das ohne dich sicher verpasst."
„Kein Problem", entgegnete Alex lässig und zog ein weiteres Kräuterbündel aus der Endlostasche. „Du sahst aus, als könntest du eine ordentliche Mahlzeit gebrauchen. Und außerdem..." Er machte eine kurze Pause und legte die Kräuter beiseite. „Ich wusste, dass du heute Morgen darüber meckern würdest, wenn ich es nicht getan hätte."
Emilia lachte leise. „Da hast du vermutlich recht. Ich hoffe, du hast dich wenigstens auch ein bisschen erholen können?"
Alex zuckte mit den Schultern und lehnte sich entspannt zurück. „Vampire brauchen nicht viel Schlaf. Wir regenerieren uns auch so. Ich bin erst nach dir eingeschlafen und war trotzdem früh wach." Ein leichter Schimmer lag in seinen Augen, als er fortfuhr: „Man könnte sagen, ich bin die perfekte Reisebegleitung. Kein Schnarchen, kein Verschlafen."
„Das ist unfair", murmelte Emilia, mehr zu sich selbst, während sie ihre Schultern lockerte. „Ich bin noch immer müde. Vielleicht liegt es daran, dass ich so selten wirklich zur Ruhe komme."
„Dann nimm dir heute die Zeit", schlug Alex vor, seine Stimme angenehm ruhig. „Wir haben keinen Grund, uns zu hetzen."
Seine Gelassenheit und die Art, wie er das sagte, ließen Emilia einen Moment innehalten. Sie beobachtete ihn dabei, wie er die Endlostasche sorgfältig verschloss und zur Seite legte. „Ich bewundere wirklich, wie entspannt du immer bist", gestand sie schließlich. „Nichts scheint dich aus der Ruhe zu bringen."
Alex sah sie kurz an, sein Blick war schwer zu deuten. „Vielleicht, weil ich gelernt habe, dass es nichts bringt, sich aufzuregen. Vor allem nicht, wenn man lange genug lebt, um zu wissen, wie wenig die meisten Dinge wirklich zählen."
Die Tiefe seiner Worte ließ sie einen Moment nachdenken, und eine angenehme Stille trat zwischen ihnen ein. Schließlich griff Emilia nach der Decke, die noch locker um ihre Beine lag, und zog sie etwas enger um sich. „Ich glaube, du hast recht. Ein bisschen mehr Ruhe könnte mir nicht schaden."
„Gut", sagte Alex, eine Spur von Zufriedenheit in seiner Stimme. „Dann fangen wir den Tag entspannt an. Und keine Sorge - ich bringe dir auch heute Abend wieder etwas zu essen, falls du wieder mitten im Gespräch einschläfst."
Emilia schnaubte belustigt. „Sehr witzig."
Die leichte Neckerei zwischen ihnen ließ die Stimmung auflockern, während die Morgensonne langsam weiter in das Zimmer kroch. Es war, als ob der Tag selbst ein leises Versprechen von Frieden und Stärke in sich trug - ein Moment, in dem sie sich trotz allem sicher fühlte.
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Emilia bemerkte, wie sich ein Lächeln auf ihre Lippen schlich, während sie darüber nachdachte, wie leicht sie an Alex' Seite einschlafen konnte, wie sicher sie sich bei ihm fühlte. Jede Unsicherheit, jeder Zweifel schien bedeutungslos, sobald er bei ihr war.
Alex blieb still, doch als Emilia sich unbewusst ein wenig näher an ihn rutschte, drehte er leicht den Kopf und blickte auf sie hinab. Für einen Moment lag eine Spur von Überraschung in seinen Augen, bevor sein Blick weicher wurde. Behutsam hob er einen Arm und legte ihn sanft um ihre Schultern, zog sie ein wenig enger an sich. Der leichte Druck seiner Umarmung war schützend, vertraut, und für einen Moment schien die Welt um sie herum zu verblassen.
Sie verweilten so, ohne Worte, während Emilia die Wärme und Nähe genoss. Ein unbeschreibliches Gefühl von Glück erfüllte sie, als würde alles, wonach sie jemals gesucht hatte, gerade jetzt und hier, an Alex' Seite, Wirklichkeit werden. Diese Ruhe, diese Vertrautheit - etwas, das niemand zuvor in ihr hatte wecken können - war plötzlich greifbar.
Alex schien ihre Gedanken zu durchschauen, doch er sagte nichts. Stille füllte den Raum, doch sie war nicht bedrückend, sondern voller unausgesprochener Worte und eines stillen Versprechens. Vielleicht hatte sie tatsächlich mehr für ihn empfunden, als sie bereit war, sich einzugestehen. Vielleicht war es genau das, was sie all die Jahre vermisst hatte, ohne es benennen zu können.
Schließlich hob Alex leicht den Kopf, seine Stimme sanft, als er die Stille brach. „Du weißt, dass du dich hier nicht weiter tarnen musst, oder? Wir sind ganz allein."
Emilia blinzelte überrascht. Seine Worte trafen sie unerwartet, und sie merkte, wie sie sich automatisch wieder angespannt hatte - aus Gewohnheit. So lange war es ihre zweite Natur gewesen, ihre Merkmale als Valkyrie zu verstecken, dass sie es nicht einmal bemerkte. Doch in Alex' Gegenwart fühlte es sich plötzlich wie ein überflüssiger Schleier an, den sie endlich ablegen konnte.
Emilia spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde, als sie langsam ihre wahren Merkmale enthüllte. Ihre flauschigen, rötlich-braunen Ohren zuckten leicht, als sie Alex' bewundernden Blick wahrnahm. Hinter ihr schob sich ihr weicher Schwanz hervor, seine Apfelsinenfarbe schimmerte sanft im schwachen Licht des Zimmers, während die braunen Spitzen ihm eine warme, erdige Note verliehen.
Alex musterte sie einen Moment schweigend, seine Augen leuchteten vor ehrlicher Bewunderung. Schließlich murmelte er: „Wunderschön." Als ob er sich seiner Worte erst bewusst wurde, räusperte er sich leise. „Ich meine... du bist wirklich wunderschön. So vollständig habe ich dich noch nie gesehen."
Emilia hob erstaunt den Kopf und bemerkte das zarte Rosa, das sich auf Alex' Wangen zeigte. Es war, als würde etwas Verstecktes und zugleich Kostbares zwischen ihnen sichtbar werden.
Sie traf seinen Blick und sprach leise, aber mit einer ehrlichen Sanftheit: „Ich vertraue dir." Ihr Lächeln spiegelte die Momente wider, die sie während ihrer gemeinsamen Reise geteilt hatten.
Alex hielt inne, als ob er ihre Worte auf sich wirken ließ, und seine Verlegenheit wich einem warmen, aufrichtigen Blick. „Das bedeutet mir mehr, als du vielleicht ahnst."
Die Stille, die sich über sie legte, war keine Last, sondern fühlte sich wie ein stilles Versprechen an - ruhig, vertraut und voller unausgesprochener Gefühle.
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Der Moment schien stillzustehen, als Alex zögerlich seine Frage stellte. „Darf ich dich berühren?"
Emilia spürte seine Nervosität und schaute ihn überrascht an, ihre Augen leicht geweitet. Ein schüchternes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Was meinst du?" Ihre Stimme war leise, fast fragend.
Alex räusperte sich, offensichtlich unsicher, und suchte nach den richtigen Worten. „Ich... ich meine deinen Schweif und deine Ohren. Darf ich das berühren? Es ist so lange her.." Er stockte und schien plötzlich verlegen, als hätte er mehr gesagt, als er wollte. „Ich meine... ich würde einfach gerne wissen, wie sich das Fell einer Valkyrie anfühlt."
Emilias Gesicht wurde schlagartig warm, und sie konnte ein kleines, nervöses Lachen nicht unterdrücken. Es war so ungewöhnlich, Alex in dieser unsicheren, fast kindlich-neugierigen Art zu erleben. Der sonst so unerschütterliche und oft neckende Alex wirkte plötzlich wie ein neugieriger Junge. Schließlich nickte sie langsam, ihr Schweif zuckte leicht hinter ihr, als sie leise flüsterte: „Du darfst... aber sei sanft."
Alex' Lächeln wurde weicher, fast ehrfürchtig, während er vorsichtig eine Hand ausstreckte. Seine Fingerspitzen berührten sanft die weichen Ohren, die auf seine Berührung hin leicht zuckten. Emilia schloss die Augen, und ein warmes, beruhigendes Gefühl durchströmte sie. Es war, als würde jede Unsicherheit von der Zärtlichkeit seiner Berührung hinweggefegt.
Seine Finger glitten behutsam über das flauschige Fell ihrer Ohren, bevor er sich zu ihrem Schweif bewegte. Er strich sanft über die seidige Textur, und Emilia konnte ein leises, fast unmerkliches Zittern nicht unterdrücken. Ein sanftes Kribbeln folgte der Bewegung seiner Hand, und sie fühlte sich gleichzeitig verlegen und geborgen.
„Unglaublich weich..." murmelte Alex leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Er hielt inne, sah Emilia an und bemerkte das sanfte Rot auf ihren Wangen. Ihre Augen strahlten, und in ihrem Blick lag etwas, das unausgesprochen blieb, aber dennoch deutlich zu spüren war - Vertrauen, vielleicht sogar etwas mehr.
„Danke, dass du mir das erlaubst," sagte er schließlich, ebenso leise, als wolle er diesen Moment nicht zerstören. Seine Hand zog sich langsam zurück, doch der Ausdruck in seinen Augen blieb weich und voller Zuneigung.
Emilia öffnete die Augen, ihr Lächeln blieb bestehen, während sie ihn ansah. Sie fühlte die Wärme seiner Berührung noch immer auf ihrer Haut, und für einen Moment schien die Welt um sie herum stillzustehen - nur sie beide und dieses zarte, unausgesprochene Band.
„Es fühlt sich... irgendwie richtig an," flüsterte Emilia, fast so, als hätte sie diese Worte nur für sich selbst gesagt. Die Atmosphäre im Raum blieb still, doch sie war erfüllt von unausgesprochenen Gefühlen, die wie ein sanftes Flüstern zwischen ihnen lagen.
Der Moment verblasste allmählich, als eine wohlige Stille zwischen ihnen einkehrte. Alex lehnte sich ein Stück zurück und ließ seinen Blick noch einmal über sie gleiten, fast so, als wolle er sicherstellen, dass dieser Augenblick wirklich real war.
Emilia senkte leicht den Blick, während ein leises Kribbeln durch ihren Körper zog - ein Gefühl, das sie so noch nie erlebt hatte. Sie konnte nicht genau sagen, was dieser Moment für sie beide bedeutete, aber es fühlte sich... besonders an. Schließlich räusperte sie sich und fragte leise: „Was machen wir heute, Alex?"
Alex' Lächeln wirkte erleichtert, als er die unerwartete Frage hörte. Es schien, als hätte das vertraute Gesprächsthema die Spannung zwischen ihnen gemildert. „Nun, da du dich registriert hast, könnten wir deine Vorführung planen - und sicherstellen, dass du ein paar beeindruckende Tricks auf Lager hast," erwiderte er mit einem spielerischen Funkeln in den Augen.
Emilia lachte leise, und die Leichtigkeit dieses Augenblicks ließ sie innerlich aufatmen. „Dann hoffe ich, dass du mich ordentlich herausforderst," entgegnete sie mit einem selbstbewussten Lächeln.
„Das werde ich," antwortete Alex, während er sich ein Stück näher zu ihr schob, sodass ihre Schultern sich leicht berührten. Seine Nähe schien mühelos Wärme und Vertrautheit auszustrahlen. „Aber für jetzt sollten wir vielleicht versuchen, etwas in die Gänge zu kommen."
Emilia nickte, auch wenn ihr Herz ein wenig schneller schlug, als sie sich schließlich aufrichteten. Beide fühlten sich entspannt, dieser Moment hatte etwas in beiden bewegt, die Wärme seiner Anwesenheit war spürbar, und sie fand in dieser fremden Stadt zum ersten Mal eine unerwartete Geborgenheit.
Ein neuer Tag voller Abenteuer und Herausforderungen wartete auf sie. Doch im Moment war alles, was zählte, die stille Vertrautheit, die sie beide miteinander teilten.
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Die beiden bereiteten sich darauf vor, den Tag zu beginnen. Emilia spürte eine seltsame Leichtigkeit in der Luft, eine Mischung aus Erholung und der Spannung, was dieser Tag wohl bringen würde. Nach der intensiven Reise durch den Wald und den besonderen Momenten, die sie erlebt hatten, fühlte sich alles wie ein neuer Anfang an. Sie frühstückten zusammen im Gasthaus, das bereits früh von regem Treiben erfüllt war. Das warme Mahl und die geschäftige Atmosphäre halfen, ihre Lebensgeister zu wecken, während die Vorfreude auf den Tag in der Luft lag.
Nach dem Frühstück lehnte sich Alex entspannt zurück und musterte Emilia nachdenklich. „Ich habe über den Kristall nachgedacht," begann er schließlich, und Emilia sah ihn erwartungsvoll an. „Bevor du entscheidest, was du damit machen willst - ob ihn in eine Waffe einarbeiten oder als Schmuck verwenden - würde ich dir raten, einen Wortwirker aufzusuchen."
„Einen Wortwirker?" Emilias Stirn legte sich leicht in Falten, während sie versuchte, sich an das zu erinnern, was sie über diese seltenen Spezialisten wusste.
Alex nickte. „Wortwirker haben ein besonderes Talent, die magischen Eigenschaften von Kristallen und Artefakten zu erkennen. Sie können nicht nur deren Potenziale entschlüsseln, sondern auch die Herkunft des Kristalls bestimmen und feststellen, welche Verzauberungen bereits darin enthalten sind - oder welche noch hinzugefügt werden könnten. Vielleicht erfahren wir sogar, ob er als Waffe, Schmuck oder etwas ganz anderes am besten zur Geltung kommt."
Emilia lächelte und legte eine Hand an den Beutel, in dem der Kristall sicher verwahrt war. „Das klingt nach einem guten Plan. Es wäre schön, wenn der Kristall seine volle Stärke entfalten könnte. Danke für den Rat."
Mit neuer Neugier und dem Kristall wohlbehütet machten sie sich auf den Weg, den empfohlenen Wortwirker in der Stadt zu finden. Die Vorfreude auf das, was sie entdecken würden, verlieh jedem Schritt eine spürbare Leichtigkeit.
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Auf dem Weg zum Geschäft des Wortwirkers sah Emilia Alex neugierig an. „Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass du vorgeschlagen hast, den Kristall für meine Ausrüstung zu verwenden. Ich dachte, du würdest ihn eher verkaufen wollen."
Alex warf ihr einen Blick zu, und ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen. „Warum sollte ich das tun? Du hast es geschafft, ihn zu bergen, und noch dazu zu reinigen. Er gehört dir." Er hielt kurz inne, bevor er mit einem leichten Schmunzeln hinzufügte: „Damals, als ich gesagt habe, wir könnten ihn verkaufen, war das nur ein Scherz. Ehrlich gesagt, wusste ich schon, dass er bei dir besser aufgehoben ist."
Emilia spürte ein warmes Gefühl in ihrer Brust, als sie seine Worte hörte. Sie erwiderte sein Lächeln und fühlte eine unerwartete Dankbarkeit, die sie nur schwer in Worte fassen konnte.
Kurze Zeit später betraten sie das kleine, aber dicht gefüllte Geschäft des Wortwirkers. Die Luft war schwer von einem scharfen Duft nach getrockneten Kräutern und altem Papier. Überall standen hohe Regale, vollgestopft mit Schriftrollen, magischen Amuletten und mystischen Büchern, die eine geheimnisvolle Atmosphäre schufen.
Während sie warteten, sahen sich Emilia und Alex die ausgestellten Artefakte an. Die Auswahl war faszinierend - von leuchtenden Edelsteinen bis hin zu aufwendig gravierten Ringen und kunstvollen Dolchen. Schließlich trat eine altehrwürdige Salamander-Dame zu ihnen. Ihr schuppiger Körper schimmerte in tiefen Rot- und Goldtönen, und ihre wissenden Augen funkelten unter schweren Lidern, als ob sie mehr sehen konnte als das Offensichtliche.
Mit einem respektvollen Nicken begrüßte sie sie und musterte den Kristall, den Alex vorsichtig aus Emilias Beutel hervorholte. Als ihre schuppigen Hände das Artefakt berührten, weiteten sich ihre Augen vor Ehrfurcht. Sie drehte den Kristall langsam, als wäre er aus purem Licht gefertigt, und ihre Stimme war ein ehrfürchtiges Flüstern.
„Dieser Kristall... Er ist voller Mana. Solch eine Energie habe ich seit Jahrzehnten nicht mehr gespürt," murmelte sie, während ihre Finger vorsichtig über die Oberfläche glitten. „Woher habt ihr ihn? Solch ein Artefakt hat großen Wert, und die Macht darin ist ungewöhnlich rein und stark."
Emilia und Alex erklärten, wie sie den Kristall in einer alten Ruine tief im Farnweber-Wald gefunden hatten. Sie berichteten von der verunreinigten Energie, die ihn durchzogen hatte, bis sie ihn gemeinsam reinigten. Die Salamander-Dame hörte aufmerksam zu und nickte langsam, ein anerkennendes Funkeln in ihren Augen, als sie den Kristall weiter untersuchte.
„Schatz, komm mal her," rief die Salamander-Dame mit kräftiger, rauer Stimme und winkte ihren Partner herbei. Ein stattlicher Salamander-Mann trat aus dem hinteren Bereich des Geschäfts heraus. Seine robusten Schuppen schimmerten im Licht silbern und blau, als ob er selbst die wildesten Flammen bezwingen könnte.
Neugierig trat er näher, warf einen prüfenden Blick auf den Kristall und tauschte mit seiner Frau einen langen, bedeutungsvollen Blick aus. Ohne ein weiteres Wort begannen die beiden, die Möglichkeiten der Verzauberung zu erörtern, wobei ihre Stimmen leise und konzentriert klangen.
„Ein Kristall dieser Reinheit und Stärke kann vieles leisten," begann der Salamander-Mann schließlich, während er Emilia direkt ansah. „Besonders für jemanden mit deinem Talent, junges Fräulein. Wir können ihn so verzaubern, dass er dich vor negativen geistigen Einflüssen schützt. Manipulationen, Störungen - all das könnte abgeschirmt werden."
Die Salamander-Dame nickte zustimmend. „Für eine Schamanin wie dich, die mit spirituellen Energien und rituellen Barrieren arbeitet, wäre das ein unschätzbarer Vorteil. Die Reinheit des Kristalls wird deine Konzentration stärken und deine Schutzrituale auf eine höhere Ebene bringen."
Emilia lauschte den Worten der beiden ehrfürchtig, während sie den Kristall ansah. Jeder Vorschlag schien ihr Potenzial zu enthüllen, das sie zuvor nicht erkannt hatte. „Das klingt... wirklich unglaublich," murmelte sie schließlich und warf einen Blick zu Alex, der sie mit einem leichten, ermutigenden Lächeln ansah.
„Das ist eine Investition in deine Fähigkeiten," sagte Alex leise, seine Stimme sanft, aber bestimmt. „Ein Schutz, der dir Kraft gibt, wenn du sie am meisten brauchst."
Die Salamander-Dame legte Emilia sanft eine Hand auf die Schulter. Ihre Stimme war warm, als sie fortfuhr: „Denk gut darüber nach, wie du den Kristall nutzen möchtest. Wenn du ihn in einen Stab einarbeiten lässt, wird er dich nicht nur schützen, sondern auch als Quelle der Stabilität dienen. Ein Werkzeug, das dir in gefährlichen Momenten beisteht und dir hilft, deine Fähigkeiten voll zu entfalten."
Emilia nickte langsam, doch in ihren Augen blitzte Entschlossenheit auf. „Ja, das klingt perfekt. Ich möchte ihn so umarbeiten lassen."
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In der morgendlichen Stille, die nur vom rhythmischen Hämmern der Schmiede und dem leichten Knistern der Feuerstelle unterbrochen wurde, betraten Emilia und Alex die Flammenfeder-Schmiede. Über der Tür schwang ein kunstvoll gestaltetes Schild, auf dem ein Phönix mit flammenden Flügeln prangte. Es wirkte einladend und versprühte eine Wärme, die Emilias Schritte unwillkürlich beschleunigte.
Drinnen empfing sie der unverwechselbare Duft von geschmolzenem Metall und glühender Kohle. Das Innere war geprägt von robusten Werkbänken, aufgereihten Werkzeugen und funkelnden Klingen, die im warmen Licht der Feuerstellen schimmerten. Während sie sich umsahen, trat ein großer, muskulöser Dämon mit dunklen Hörnern und goldenen Augen auf sie zu. Seine Präsenz war ebenso beeindruckend wie sein ruhiges, neugieriges Lächeln, das sich auf sein Gesicht legte, als sein Blick auf dem Kristall in Emilias Händen ruhte.
„Ein beeindruckender Kristall," bemerkte er mit einer tiefen, wohlklingenden Stimme. „Es kommt selten vor, dass jemand mit solch einer Energie zu uns kommt. Ich bin Merdan, Klingenformer und Besitzer dieser Schmiede. Wie kann ich euch helfen?"
Emilia erwiderte sein Lächeln und neigte leicht den Kopf. „Wir möchten diesen Kristall zu einem Stab verarbeiten lassen und die Verzauberung einbauen, die uns der Wortwirker empfohlen hat. Es soll ein Stab werden, der Schutz und Stärke auf der geistigen Ebene bietet."
Merdan betrachtete den Kristall erneut, seine goldenen Augen funkelten ehrfürchtig. „Eine weise Wahl," sagte er schließlich, seine Stimme nachdenklich. „Solch ein Stab würde nicht nur eure mentalen Schutzfähigkeiten verstärken, sondern auch eure Kontrolle über Mana erweitern."
Er nickte zufrieden und fügte hinzu: „Mein Team aus Feuerwirkern und Klingenformern ist genau das Richtige für diese Aufgabe. Wir werden dem Kristall gerecht werden."
Alex warf Emilia einen ermutigenden Blick zu, und ein sanftes Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie spürte, wie die Vorfreude in ihr wuchs - nicht nur auf den fertigen Stab, sondern auch auf die Möglichkeiten, die er ihr bieten würde.
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Merdan nickte zufrieden, nahm den Kristall und die Verzauberungsschriftrolle vorsichtig entgegen und wickelte den Kristall in ein samtiges Tuch. Mit prüfendem Blick sah er Emilia und Alex an. „Das Ganze wird zehn Silberkronen kosten. Ihr könnt das Material hierlassen, aber seid gewarnt - ich werde erst nach dem Fest damit fertig sein. Solch ein Werk erfordert Zeit und Präzision." Er hob eine Braue, um sicherzustellen, dass sie die Bedingungen verstanden hatten.
Emilia warf Alex einen kurzen Blick zu, und beide nickten fast gleichzeitig. „Wir haben die Zeit und freuen uns auf das fertige Werk," sagte Alex ruhig. Emilia spürte innerlich die Vorfreude in sich aufsteigen. Ein Stab, der nicht nur ihre Schamanenfähigkeiten verstärken, sondern sie auch gegen mentale Einflüsse schützen würde - es fühlte sich an, als wäre sie ihrem Ziel ein großes Stück nähergekommen.
„Gut," brummte Merdan zufrieden und legte den Kristall behutsam in den Arbeitsbereich. „Kommt nach dem Fest wieder, dann sollte alles bereit sein."
Emilia und Alex verabschiedeten sich höflich, bevor sie hinaus in die klare, kühle Luft traten. Der Kontrast zwischen der heißen Schmiede und der frischen Brise ließ Emilia tief durchatmen. Die Vorfreude auf den Stab wärmte ihre Gedanken, und während sie die Straße entlanggingen, fühlte sie eine neue, leise Entschlossenheit in sich wachsen. Mit Alex an ihrer Seite und dem Wissen, dass sie bald ein mächtiges Werkzeug in den Händen halten würde, war sie bereit, den Herausforderungen der Zukunft entgegenzutreten.
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Emilia und Alex verließen die belebten Straßen und schlugen den Weg in Richtung eines Parks am Stadtrand ein, der für seine Ruhe und die majestätischen, alten Bäume bekannt war. Die Natur in Lantaris zeigte sich hier von ihrer schönsten Seite: moosbedeckte Wege schlängelten sich durch das satte Grün, während kristallklare Teiche das warme Licht der Morgensonne reflektierten. „Hier ist es perfekt," sagte Emilia leise, als sie die friedliche Energie des Ortes auf sich wirken ließ. Das Mana in der Luft fühlte sich klar und ruhig an, eine einladende Harmonie, die ideal für ihr Training war.
Sie traten auf eine kleine Lichtung, umgeben von dichtem Grün, das ein Gefühl der Abgeschiedenheit schuf. Die Baumkronen über ihnen warfen ein lebhaftes Schattenmuster auf den Boden, das im Wind sanft tanzte. Alex musterte die Umgebung mit einem zustimmenden Nicken. „Hier stört uns niemand, und du hast genug Platz, um deine Kräfte zu entfalten."
Emilia ließ ihren Blick über die Lichtung schweifen, die beruhigende Nähe zur Natur half ihr, ihre Gedanken zu sammeln und sich mit dem Fluss des Manas zu verbinden. Sie atmete tief ein, spürte die leichte Kühle der Luft und das sanfte Pulsieren der Erde unter ihren Füßen. Dieser Ort fühlte sich wie ein sicherer Hafen an - und doch war er eine Herausforderung, da sie ihre Fähigkeiten außerhalb der vertrauten Umgebung des Waldes zeigen musste.
„Bereit?" fragte Alex, während er sich ein Stück zurückzog, um ihr Raum zu geben. Seine Stimme war ruhig, aber aufmerksam.
Emilia nickte entschlossen, auch wenn eine leichte Nervosität in ihr aufstieg. Sie wusste, dass Alex sie genau beobachten würde, nicht nur als Unterstützung, sondern auch, um ihre Fortschritte einzuschätzen. Mit einem weiteren tiefen Atemzug hob sie die Hände und schloss die Augen. Sie ließ ihren Geist sich öffnen, suchte den Fluss des Manas, das durch die Erde unter ihr pulsierte und sich wie ein lebendiges Netz durch die Wurzeln und Pflanzen zog.
Langsam begann sie, sich mit diesem Fluss zu verbinden. Ihre Bewegungen waren fließend, fast wie ein Tanz, während sie das Mana in sich lenkte und spürte, wie es sich mit ihrem eigenen verband. Die Nervosität wich einer tiefen Konzentration, und eine leise, innere Stärke begann in ihr zu wachsen.
Emilia schloss die Augen und ließ ihr Mana sanft durch den Boden gleiten, bis es sich mit dem unsichtbaren Fluss der Energie der Umgebung verband. Sie spürte, wie die Pflanzen und Bäume um sie herum Teil von ihr wurden, ihre Wurzeln und Blätter ein lebendiges Netzwerk, das ihr Mana aufnahm und verstärkte. Mit einem ruhigen Atemzug hob sie die Hand und konzentrierte sich auf eine kleine Pflanze in der Nähe - zart, doch voller Leben.
Langsam ließ sie die Pflanze wachsen. Ihre Stängel streckten sich gen Himmel, Blätter entfalteten sich, und schließlich bildete sich eine Blüte, die in einem sanften, smaragdgrünen Schimmer leuchtete. Emilia betrachtete ihr Werk und spürte einen stolzen Funken in sich aufsteigen.
„Nicht schlecht," kommentierte Alex mit einem anerkennenden Nicken, ein Hauch von Bewunderung in seiner Stimme. „Das Fest wird von dieser Kombination aus Kraft und Schönheit begeistert sein."
„Danke," antwortete Emilia leise, ihre Augen funkelten vor Freude. Doch plötzlich spürte sie etwas Eigenartiges in der Luft - als ob winzige, unsichtbare Partikel des Manas um sie herumschwebten und eine Art Restenergie hinterließen. Sie öffnete die Augen und blickte sich verwirrt um. Die Luft wirkte klar, doch das Gefühl dieser schwebenden Fragmente war nicht zu leugnen.
„Merkst du es auch?" fragte sie Alex vorsichtig.
Er nickte und ließ seinen Blick durch die Lichtung schweifen. „Ja. Das sind Mana-Fragment-Geister, kleine Ansammlungen von Restenergie, die entstehen, wenn in einem Gebiet viel Magie gewirkt wird - wie hier im Park. Sie sind harmlos, aber wenn sie sich anhäufen, können sie die Umgebung beeinflussen."
Emilia betrachtete die Fragmente mit einer Mischung aus Faszination und Vorsicht. Sie waren unsichtbar für das Auge, aber fühlbar, ein zartes Kribbeln in der Luft. „Kann ich sie beeinflussen?" fragte sie zögernd.
Alex' Lippen verzogen sich zu einem ermutigenden Lächeln. „Versuch es. Schamanen haben oft die Fähigkeit, solche Fragmente zu reinigen oder zu stabilisieren."
Emilia atmete tief ein und schloss erneut die Augen. Sie lenkte ihr Mana vorsichtig in die Luft, tastete nach den Fragmenten, die sich wie kleine Funken um sie herum bewegten. Mit einem sanften, beständigen Fluss fing sie die Partikel auf und ließ sie in einem schützenden, harmonischen Strom verschwinden. Nach und nach lösten sie sich auf, und die Luft fühlte sich klarer an, wie von einer sanften Brise gereinigt.
„Gut gemacht," lobte Alex mit einem leichten Lächeln. „Du hast ein erstaunliches Gespür für diese Art von Magie."
Emilia öffnete die Augen und spürte einen Hauch von Zufriedenheit. Sie war überrascht, wie natürlich diese Aufgabe für sie gewesen war. Mit einem leichten Lächeln erwiderte sie Alex' Blick, in dem Anerkennung und Vertrauen lagen. „Danke," sagte sie schlicht, doch ihre Stimme trug die Gewissheit, dass sie einen wichtigen Schritt in ihrer Entwicklung gemacht hatte.
Nach einer Weile, als Emilia ihr Mana behutsam zurückzog und die umgebende Energie sich beruhigte, spürte sie einen Hauch von Wind, der sanft an ihrer Wange entlangstrich. Es war kein gewöhnlicher Luftzug - er fühlte sich lebendig an, durchdrungen von einer Wärme und einem ruhigen Puls, der sich durch den Park bewegte.
Als sie die Augen öffnete, erblickte sie eine schimmernde, durchscheinende Gestalt, die sich lautlos zwischen den Bäumen bewegte. Ihr Atem stockte. Es war ein Naturgeist - sanft, fast ätherisch, als wäre sie die Verkörperung des Waldes selbst. Die Gestalt hatte die zarten Konturen einer jungen Frau, ihre Bewegungen fließend und harmonisch, als ob sie eins mit dem Wind war. Ihre Augen leuchteten in einem tiefen Smaragdgrün, und ein wissendes, beruhigendes Lächeln lag auf ihren Lippen.
„Das ist... unglaublich," flüsterte Emilia, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. Sie wagte nicht, sich zu bewegen, aus Angst, diesen wundersamen Moment zu stören.
Alex trat lautlos einen Schritt zurück, ließ Emilia den Moment ungestört erleben. Der Naturgeist bemerkte Emilias Blick und neigte sich leicht, als wäre sie sich ihrer Gegenwart bewusst. Ihr Lächeln blieb freundlich, doch ein Hauch von Unergründlichkeit umgab sie, als ob sie Geheimnisse trug, die über menschliches Verständnis hinausgingen.
„Du hast die Fragmente der Umgebung gereinigt," erklang eine Stimme, so sanft und leicht wie das Flüstern des Windes in den Blättern. „Ich danke dir dafür, Wanderin. Dieser Park ist mein Zuhause, und die Energie, die hier fließt, ist mir heilig."
Emilia, überwältigt von der Erscheinung, senkte ehrfürchtig den Kopf und fühlte sich zutiefst geehrt. „Es... es war mir eine Ehre, helfen zu können. Ich wusste nicht, dass dieser Ort von einem Naturgeist beschützt wird."
„Alles Leben ist miteinander verbunden, und wo Mana frei fließt, da finden wir Geister der Natur einen Ort zum Verweilen," antwortete der Geist mit einer Sanftheit, die Emilias Herz berührte. „Nutz dein Geschenk, Wanderin. Die Fähigkeit, das Mana zu reinigen und zu harmonisieren, ist selten und wertvoll."
Mit diesen Worten begann die Gestalt langsam zu verblassen. Ihr Licht verschwand in einem letzten Hauch von Wind, der sich sanft um Emilia legte - eine stille, aber bedeutungsvolle Geste der Anerkennung. Emilia spürte die Wärme des Moments und wusste, dass sie gerade eine Verbindung erfahren hatte, die nur wenigen zuteilwurde.
Emilia wandte sich an Alex, ihr Gesicht strahlte vor Staunen und Freude. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einem Naturgeist begegnen würde," sagte sie, ihre Augen leuchteten vor Begeisterung.
Alex lächelte sanft. „Dieser Park scheint dich wirklich willkommen zu heißen. Du hast Talent, Emilia. Halte dieses Gefühl in dir fest - es wird dir in deiner Schamanen-Ausbildung noch oft nützlich sein."
Die Begegnung mit dem Naturgeist ließ Emilia erfüllt und gestärkt zurück. Es war eine wundervolle Bestätigung ihrer wachsenden Fähigkeiten und ein inspirierender Moment für ihre Reise. Nach diesem Erlebnis setzten sie das Training im Park fort, nutzten die friedliche Umgebung, um Emilias Fertigkeiten zu verfeinern und weiter an ihrer Verbindung mit dem Mana zu arbeiten.
Über mehrere Tage hinweg trainierten sie morgens in der Stille des Parks und kehrten am Nachmittag ins Gasthaus zurück, um sich auszuruhen. Emilia wurde immer vertrauter mit den subtilen Strömen des Mana und lernte, es mit zunehmender Präzision zu lenken. Es war fast, als ob sie mit jedem Atemzug ein Stück mehr von der Welt und ihrer Energie in sich aufnahm.
An diesem Morgen standen sie wieder im Zentrum des Parks, die Luft frisch und klar. Alex begann, eine neue Herausforderung zu erklären. „Heute werden wir einen Schritt weiter gehen," sagte er und deutete auf eine freie Fläche vor ihnen. „Du hast dich gut auf die Energie des Parks eingestimmt. Jetzt versuche, eine schützende Barriere zu errichten - aber nicht nur um dich. Decke einen größeren Bereich ab."
Emilia nickte konzentriert und ließ ihre Hände sanft auf die Erde sinken. Sie schloss die Augen und spürte, wie das Mana in ihr aufstieg, bereit, sich mit der Umgebung zu verbinden. Wie ein ruhiger Strom breitete sich ihre Energie aus, tastete die Umgebung ab und begann, sich in der Luft um sie herum zu verdichten. Es war eine Herausforderung, die Barriere stabil zu halten, doch mit Alex' ruhiger Anleitung lernte sie, ihre Kraft gezielt zu lenken und zu fokussieren.
Nach mehreren Versuchen nahm die Barriere schließlich Gestalt an. Vor ihr entstand ein durchsichtiger Schutzschild, der sich wie ein stiller, sanfter Kreis um den Bereich zog. Kleine Naturgeister, angezogen von der Manifestation der Energie, schwebten näher heran, ihre Gestalten schimmerten zart im Licht. Es schien fast, als wollten sie Emilias Werk begutachten.
„Sehr gut," lobte Alex mit einem zufriedenen Nicken. „Eine Barriere wie diese kann dich vor Eindringlingen und schwächeren Geisterfragmenten schützen. Es ist ein wichtiger Schritt."
Emilia öffnete die Augen und hielt den Atem an. Sie konnte die Barriere sehen - ein klarer, schimmernder Kreis, der die Luft innerhalb wie von einem sanften Licht erfüllt erscheinen ließ. Ein stolzes Lächeln zog sich über ihr Gesicht. „Es hat geklappt... danke, Alex."
Alex erwiderte ihr Lächeln. „Du machst große Fortschritte. Du wirst sehen - bald wirst du so etwas ganz instinktiv schaffen."
Emilia fühlte die Wärme seiner Worte und spürte, wie ihre Entschlossenheit wuchs. Dieser Erfolg war mehr als nur ein Fortschritt - es war ein Zeichen, dass sie auf dem richtigen Weg war.
Die nächsten Stunden verbrachten Emilia und Alex mit weiteren Übungen. Mit jeder Lektion spürte Emilia, wie sie tiefer in die Welt der Schamanenfähigkeiten eintauchte, ihre Verbindung zum Mana stärker wurde und ihr Selbstvertrauen wuchs.
Als das Training zu Ende ging und die Sonne allmählich hinter den Baumkronen des Parks verschwand, schlug Alex vor, den Abend entspannt ausklingen zu lassen. „Wir haben die letzten Tage hart gearbeitet, und du hast große Fortschritte gemacht. Es ist nur fair, wenn wir uns auch mal eine Pause gönnen," sagte er mit einem Schmunzeln.
Emilia nickte sofort. „Klingt gut. Es wäre schön, die Stadt mal zu genießen, ohne ständig über Barrieren oder Manaflüsse nachzudenken."
Sie verließen den Park und gingen in Richtung der belebteren Stadtviertel. Die Straßen waren voller Leben, und die Laternen, die an Ständen und Gebäuden hingen, tauchten die Umgebung in ein warmes, goldenes Licht. Händler priesen ihre Waren an - von kunstvoll gearbeiteten Schmuckstücken bis hin zu exotischen Speisen, deren Düfte verführerisch in der Luft lagen. Überall waren fröhliche Stimmen zu hören, und die Vorfreude auf das bevorstehende Fest schien die Stadt zu durchdringen.
Emilia ließ ihren Blick über die bunten Stoffe und die ausgestellten Waren an einem Stand schweifen. Ihre Augen funkelten, als sie die vielen Details aufnahm. „Bald wird das Fest beginnen," sagte sie leise, mehr zu sich selbst. Dann wandte sie sich an Alex und lächelte. „Ich kann die Aufregung in der Luft förmlich spüren."
Alex nickte, während er das Treiben beobachtete. „Die Stadt lebt wirklich auf, wenn ein Fest ansteht. Das ist der perfekte Zeitpunkt, um ein wenig die Seele baumeln zu lassen."
Während sie weitergingen, konnte Emilia die festliche Energie in der Luft spüren - ein Gefühl von Gemeinschaft und Hoffnung, das sie daran erinnerte, dass ihre Reise nicht nur aus Herausforderungen bestand, sondern auch aus Momenten der Freude.
Während sie durch die belebten Straßen schlenderten, blieb Emilia plötzlich stehen und drehte sich zu Alex um. Ihre Augen funkelten vor Wärme, und ein zartes Lächeln spielte um ihre Lippen. Ohne Vorwarnung trat sie näher und schlang ihre Arme um ihn, ein sanfter, doch fester Griff.
„Danke, Alex," sagte sie leise, ihre Stimme erfüllt von ehrlicher Zuneigung. „Danke, dass du so geduldig mit mir bist, dass du an mich glaubst und mich unterstützt. Du bist wirklich ein großartiger Lehrer." Ihre Worte klangen impulsiv, aber aus tiefstem Herzen.
Bevor Alex etwas erwidern konnte, stellte sie sich leicht auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Ihre Berührung war leicht wie eine Feder, doch sie ließ Alex stocken. Emilia löste sich schnell wieder und trat einen halben Schritt zurück, ihre Wangen leicht gerötet, als sie erkannte, wie spontan sie gehandelt hatte.
Alex stand für einen Moment sprachlos da, seine sonst so gelassene Fassade kurzzeitig durchbrochen. Eine leichte Röte kroch auf seine Wangen, und er hob die Hand, um sich unbewusst über die Stelle zu fahren, an der sie ihn geküsst hatte. Schließlich löste sich ein sanftes Lächeln aus seinen Zügen, und sein Blick wurde weich.
„Ich... äh, ich glaube, ich muss wohl aufpassen, dass du mir nicht noch mehr Komplimente machst," sagte er schließlich, ein Hauch von Verlegenheit in seiner Stimme, aber auch eine liebevolle Wärme. „Sonst werde ich noch übermütig."
Emilia lachte leise, die Röte auf ihren Wangen hielt an. „Das wäre wohl kaum möglich," entgegnete sie neckisch, bevor sie wieder neben ihm herging. Doch in ihrem Inneren fühlte sie sich leichter, als hätte dieser kleine Moment die Verbindung zwischen ihnen noch ein Stück tiefer gemacht.
Alex folgte ihr, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Die spontane Geste von Emilia schien in ihm etwas entfacht zu haben - ein Gefühl von Nähe, das er still genoss.
Alex führte Emilia durch die belebten Straßen, vorbei an den geschäftigen Dämonen, die in der Vorfreude auf das Fest schwelgten. „Es wird sicher einiges zu sehen geben - und du wirst die Gelegenheit haben, zu zeigen, was du gelernt hast," sagte er mit einem ermutigenden Lächeln.
Emilia spürte, wie sich ein Kribbeln der Aufregung und eine Spur von Nervosität in ihr breitmachten. „Ich hoffe, ich werde den Erwartungen gerecht. Es ist eine große Sache, Teil der Vorführungen zu sein."
Alex legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. Seine Stimme war ruhig, doch voller Überzeugung. „Mach dir keine Sorgen. Du wirst großartig sein. Ich habe keinen Zweifel daran."
Während sie weitergingen, führte ihr Weg sie zu einem Stand, an dem eine Wahrsagerin ihre Dienste anbot. Die alte Frau, eine Hexe mit Krähenfedern im Haar und leuchtenden, wissenden Augen, musterte die beiden mit einer Mischung aus Neugier und Einschätzung. Ihre Stimme, leise und mystisch, zog sofort Emilias Aufmerksamkeit auf sich. „Ihr seht aus, als hättet ihr eine Menge Fragen in euren Herzen."
Emilia warf Alex einen fragenden Blick zu, ihre Unsicherheit deutlich in ihren Augen. Alex jedoch nickte, ein Hauch von Neugier in seinem Blick. „Warum nicht?" sagte er ruhig. „Vielleicht erfährst du ja etwas, das dir bei deinen zukünftigen Prüfungen hilft."
Emilia trat vorsichtig näher und setzte sich vor die Wahrsagerin. „Ich bin gespannt, was Sie mir sagen können," meinte sie leise, leicht nervös.
Die Hexe nahm Emilias Hände und schloss die Augen. Nach einem Moment des Schweigens begann sie zu sprechen: „Du trägst das Mal der Hüterin... eine Aufgabe, die über viele Leben hinweg tief in deine Seele eingraviert wurde. Doch du bist noch unentschlossen, nicht wahr? Die Antworten, die du suchst, liegen nicht nur in der äußeren Welt - sie ruhen in deinem Inneren."
Emilia schluckte, überrascht, dass die Wahrsagerin solche Dinge wissen konnte. Die Worte der Hexe hinterließen ein seltsames Gefühl in ihr, eine Mischung aus Faszination und Unruhe.
Alex beobachtete die Szene aufmerksam, ohne einzugreifen, aber Emilia spürte, dass er jeden Moment zum Eingreifen bereit war, falls die Hexe zu aufdringlich wurde.
Die Wahrsagerin öffnete die Augen und lächelte Emilia an. „Vertrau auf das, was in dir liegt. Und vergiss nicht, dass nicht jede Frage eine Antwort benötigt - zumindest nicht sofort."
Mit diesen rätselhaften Worten ließ sie Emilias Hände los und wandte sich dem nächsten Kunden zu, als wäre das Gespräch beendet.
„Das war... unerwartet," flüsterte Emilia, während sie wieder zu Alex zurücktrat.
„Unerwartet vielleicht, aber vielleicht auch hilfreich," erwiderte er. „Manchmal sind es die kleinen Hinweise, die den größten Einfluss haben."
Emilia nickte, noch immer nachdenklich. „Vielleicht hast du recht... Aber ich weiß auch, dass ich mit dir jemanden an meiner Seite habe, der mir hilft, meinen Weg zu finden."
Emilia ließ die Worte der Hexe in ihrem Geist widerhallen. „Hüterin..." flüsterte sie kaum hörbar. Eine Mischung aus Neugier und Verwirrung breitete sich in ihr aus. Sie hatte unzählige Male gehört, dass ihre Bestimmung einzigartig war, aber eine „Hüterin"? Das Wort hatte etwas Unbestimmtes und Erhabenes, und die Ahnung eines größeren Schicksals durchzog sie.
Gerade als sie auf dem Absatz kehrtmachen und die Hexe um Antworten bitten wollte, bemerkte sie die Dämonentraube, die sich um die Wahrsagerin gebildet hatte. Die Schlange war lang, und die Gesichter der Wartenden verrieten, dass sie wohl so schnell nicht drankommen würde.
„Ein anderes Mal," murmelte Emilia, fest entschlossen, diese Hexe erneut aufzusuchen, wenn die Gelegenheit es erlaubte. Die Unruhe in ihrem Inneren verwandelte sich in ein Flüstern, eine vage Sehnsucht, die sie dazu drängte, ihre Antworten zu finden.
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Während sie durch die belebten Marktstraßen von Lantaris schlenderten, blieb Emilias Blick an einem kleinen Stand hängen, an dem ein älterer Künstler mit sanften, geübten Strichen das Porträt eines jungen Paares zeichnete. Ihre Augen begannen vor Begeisterung zu leuchten.
„Alex, wie wäre es, wenn wir uns auch zeichnen lassen?" fragte sie, ihre Stimme voller Vorfreude. Bevor Alex etwas erwidern konnte, zog sie ihn schon fast unwiderstehlich in Richtung des Standes.
Alex hob eine Augenbraue, ein Hauch von Amüsement lag in seinem Blick. „Glaubst du, das ist nötig?" fragte er leise, doch Emilias Begeisterung schien ihm Antwort genug zu sein. Nach kurzem Zögern nickte er schließlich. „Also gut."
Sie suchten sich einen stillen, abgelegenen Platz in der Nähe des Standes, wo sie sich in eine bequeme Pose setzten. Der Künstler begann mit präzisen, geschickten Bewegungen, ihre Gesichtszüge auf das Papier zu bringen. Während der Kohlestrich über das Papier glitt, fühlte Emilia ein Kribbeln der Vorfreude, die Minuten vergingen in sanfter Stille.
Schließlich reichte der Künstler ihnen das fertige Bild. Emilia zog überrascht die Luft ein. Die Linien waren zart und doch kraftvoll, der Ausdruck von Alex' ruhigem, selbstbewusstem Gesicht war ebenso eingefangen wie die Neugier und Lebendigkeit in ihren Augen.
Ihr Blick wanderte zwischen dem Bild und Alex hin und her, als wäre er selbst das Kunstwerk. „Deine Augen..." flüsterte sie, ohne es zu merken. „Dieses tiefe Rot, wie die Glut eines erloschenen Feuers, das dennoch im Dunkeln aufleuchtet."
Sein Haar, kräftig rot und in sanften Strähnen über die Stirn fallend, verlieh ihm etwas Wildes und Geheimnisvolles. Es unterstrich die Stärke und Entschlossenheit in ihm, die sie so bewunderte. Der Künstler hatte auch die feinen Linien um seine Augen und Mund perfekt eingefangen - Spuren von Erfahrungen und Erinnerungen, die in Alex schlummerten und seinen Charakter prägten.
„Findest du es wirklich gelungen?" fragte Alex und lächelte. Doch Emilia bemerkte das kaum merkliche Erröten auf seinen Wangen, das sein Lächeln begleitete.
„Ja," antwortete sie leise, während sie das Bild erneut an ihn hielt, als wollte sie ihn noch genauer betrachten. „Es ist... perfekt."
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Während Emilia und Alex durch die Marktstraßen von Lantaris schlenderten, fiel Emilias Blick auf einen Stand mit süßem Naschwerk. Farbenfrohe, glänzende Früchte und mit Sirup gefüllte Kugeln waren kunstvoll arrangiert. Fasziniert blieb sie stehen.
„Alex, schau mal! Hast du so etwas schon einmal probiert?“ Noch bevor er antworten konnte, griff sie nach einem Stück und ließ es auf ihrer Zunge zergehen. Die unerwartete Süße brachte sie zum Lächeln. „Du musst das auch versuchen!“ sagte sie und hielt ihm ein Stück hin.
Alex zögerte kurz, nahm es dann an und probierte vorsichtig. Ein leises Lächeln glitt über seine Lippen. „Interessant...“ murmelte er, während Emilia strahlte. Die beiden lachten, und für einen Moment fühlten sie sich wie zwei Freunde, die unbeschwert den Markt genossen.
Als sie weitergingen, wurde die Menge um sie herum dichter, die Geräusche lauter. Menschen drängten in alle Richtungen, und Emilia hatte Mühe, den Überblick zu behalten. Instinktiv griff Alex nach ihrer Hand und zog sie näher zu sich. Seine warme, feste Hand gab ihr Halt.
Ohne sie anzusehen, navigierte Alex sie ruhig durch die Menge. Emilia spürte seine stille Fürsorge und lächelte. Es war ein unauffälliger Moment, doch in seiner Einfachheit fühlte sie sich sicher und geborgen.
Während sie durch die belebte Stadt schlenderten, in der die Vorfreude auf das Fest überall spürbar war, fragte Emilia lächelnd: „Sag mal, hast du das Fest hier schon mal besucht? Für mich ist es das erste Mal.“
Alex nickte leicht. „Ja, schon ein paarmal. Es ist etwas Besonderes – neue Gesichter, Aufführungen… da ist für jeden etwas dabei.“
Emilia betrachtete ihn einen Moment, sein ruhiger Tonfall und die leichte Nostalgie ließen ihn auf sie noch erfahrener wirken. Sie fragte sich, wie viel Alex wohl schon erlebt hatte, sprach es aber nicht aus.
Als einladende Düfte aus einer kleinen Seitengasse herüberwehten, deutete Emilia auf ein gemütliches Lokal mit Holzschildern und warmem Licht. „Wie wäre es, wenn wir hier einkehren? Ich habe Hunger.“
Alex lächelte zustimmend. „Gute Wahl. Vielleicht finden wir etwas, das uns Energie für den Marktbesuch gibt.“
Sie traten ein und fanden einen Platz am Fenster, von dem aus sie das geschäftige Treiben draußen beobachten konnten. Kaum hatten sie bestellt, lehnte sich Alex entspannt zurück und fragte: „Also, das ist wirklich dein erstes Fest?“
Emilia nickte und seufzte leise. „Ja. Ich konnte mein Tal bisher nicht verlassen. Das hier fühlt sich an wie ein großes Abenteuer.“
Die Bedienung brachte ihre Getränke, und sie wechselten das Thema zu den Gerichten und der einzigartigen Atmosphäre des Lokals. Während sie lachten und ihre ersten Eindrücke von den vielen verschiedenen Dämonenarten austauschten, fühlte sich die Pause wie ein kleiner Moment des Friedens an – eine Auszeit vom Trubel des Marktes.
Als sie auf das Essen warteten, nahm Emilia neugierig die Speisekarte in die Hand. Ihre Augen weiteten sich, während sie die exotischen Namen der Gerichte las. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, als sie sich vorstellte, wie diese wohl schmecken würden:
Morlun-Suppe: Eine dicke, goldgelbe Suppe aus Wurzelgemüse und Kräutern des Waldrandes, verfeinert mit frittierten Pilzstücken, die eine sanfte Schärfe verliehen.
Feuerschwingen-Spieß: Grillspieße mit mariniertem Fleisch des seltenen Feuerflügel-Schwingers, dessen rauchiges Aroma durch geheimnisvolle Gewürze verstärkt wurde.
Flussperl-Eintopf: Ein klarer Eintopf mit Perlenflossern, frischen Algen und gerösteten Nüssen, die für eine angenehme Knusprigkeit sorgten.
Nebelbeeren-Pastete: Ein süß-säuerliches Dessert aus samtig blauen Beeren, gebacken in einem kühlen Teigmantel.
„Die Auswahl ist wirklich beeindruckend,“ bemerkte Emilia, ihre Stimme klang voller Vorfreude. „Ich bin gespannt, wie das alles schmeckt.“
Alex lächelte. „Warte nur ab. Es gibt nichts Besseres, um eine Stadt kennenzulernen, als durch das Essen.“
Während Emilia die Namen der Gerichte las und sich die exotischen Speisen vorstellte, wanderte ihr Blick unauffällig durch das Lokal. An einem nahegelegenen Tisch fiel ihr ein Satyr auf, der mit lässiger Haltung zwischen zwei Begleiterinnen saß – einer jungen Nymphe mit leuchtenden Augen und einer Sukkubus, die mit einem amüsierten Lächeln an seinen Arm geschmiegt war. Die Drei schienen in ausgelassener Stimmung und lachten leise über etwas, das die Sukkubus gerade erzählte.
Emilia beobachtete sie eine Weile. Der Satyr lachte selbstbewusst, während die Nymphe spielerisch mit einer Strähne ihres grünlichen Haars spielte. Die Sukkubus stupste ihn sanft an, ein neckendes Lächeln auf ihren Lippen. Die Szene hatte etwas Faszinierendes, beinahe Unbekümmertes.
Die Gelassenheit und das selbstverständliche Zusammensein der drei verschiedenen Wesen übten eine merkwürdige Anziehung auf Emilia aus. Es war harmonisch, fast mühelos, wie sie miteinander umgingen. In dieser Stadt, dachte sie, schien es, als könnten die unterschiedlichsten Wesen Verbindungen knüpfen, unabhängig von ihren Ursprüngen. Es war ein Anblick, der sie zum Nachdenken brachte – über die Vielfalt, die Schönheit und vielleicht auch die Herausforderungen solcher Beziehungen.
Kaum hatten sie ihre Bestellungen aufgegeben und der Kellner sich mit einem höflichen Nicken entfernt, bemerkte Alex Emilias Blick, der unverwandt auf den Tisch mit dem Satyr und seinen Begleiterinnen gerichtet war. Ein schmunzelndes Lächeln spielte um seine Lippen, und er lehnte sich ein Stück näher zu ihr.
„Warum starrst du da so amüsiert hin?“ fragte er mit einem neckenden Ton, der sie sofort verlegen machte.
Emilia spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. „Hab ich doch gar nicht,“ murmelte sie und senkte den Blick, um sich demonstrativ wieder auf die Speisekarte zu konzentrieren.
Doch Alex ließ nicht locker. Sein Grinsen wurde breiter, und er neigte den Kopf leicht, sodass sie ihm fast zwangsläufig in die Augen sehen musste. „Ach, wirklich?“ fragte er mit gespielter Unschuld. „Sag bloß, du hast noch nie andere Pärchen gesehen?“
Emilia zögerte, unsicher, ob sie lachen oder vor Peinlichkeit wegblicken sollte. „Na klar, hab ich das schon gesehen… nur…“ Sie verstummte und wusste, dass Alex genau darauf wartete, dass sie sich weiter verriet.
Alex beobachtete amüsiert, wie Emilias Blick immer wieder zu dem ungewöhnlichen Trio wanderte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
Seufzend meinte Emilia schließlich: „Natürlich habe ich schon Paare gesehen. Aber bei uns im Tal war das… anders.“ Ihr Blick wanderte erneut kurz zu dem Satyr, der selbstbewusst zwischen der Nymphe und der Sukkubus saß. „Es gab bei uns auch Paare – manchmal Beziehungsdreiecke. Manche haben sich gar nicht gebunden und sind einfach ihren…“ Sie hielt inne, suchte nach dem richtigen Wort, „biestischen Instinkten gefolgt.“
Alex’ Lächeln vertiefte sich, als er ihre Formulierung hörte. „Biestische Instinkte, hm? Klingt nach einem faszinierenden Ort.“ Alex schmunzeln verstärkte sich.
„Nun ja,“ fuhr Emilia unbeirrt fort, „sie haben ihre Bedürfnisse ausgelebt, ohne sich fest an jemanden zu binden. Für mich war das immer schwer nachvollziehbar. Wie kann man sich zu jemandem hingezogen fühlen, ohne dass da wirklich mehr ist?“
Alex nickte nachdenklich. „Ohne echtes Gefühl dahinter?“
Emilia nickte leicht, ihre Wangen zart rosa gefärbt. „Genau. Ich dachte immer, das müsste doch mehr bedeuten als bloßes Verlangen. Aber jetzt, wo ich all diese Dämonen und ihre Beziehungen sehe… Es ist irgendwie faszinierend, wie jeder für sich seinen eigenen Weg findet.“
Ein verschmitztes Lächeln umspielte Alex’ Mundwinkel, während er sich leicht zu Emilia lehnte. Seine Stimme war ruhig, doch in seinem Ton lag etwas, das sie nicht recht einordnen konnte. „Wer weiß… vielleicht wirst du es eines Tages selbst herausfinden.“
Emilia hob überrascht die Augenbrauen. Seine Worte hatten einen Unterton, der wie ein Versprechen klang, leise und doch greifbar. Es brachte sie aus dem Konzept, und für einen Moment wusste sie nicht, was sie antworten sollte. Sie spürte, wie ihr Herz einen schnellen Schlag übersprang.
Gerade rechtzeitig wurden sie von der peinlichen Stille erlöst, als der Kellner mit ihrem Essen zurückkehrte. Der Flussalb, dessen bläuliche Haut im Licht schimmerte und dessen durchscheinendes Haar sich wie sanfte Wellen bewegte, stellte die dampfenden Gerichte elegant vor ihnen ab. Seine Präsenz war fast hypnotisch und fügte sich perfekt in das gehobene Ambiente des Lokals ein.
„Guten Appetit,“ sagte der Flussalb höflich, bevor er sich geschmeidig entfernte.
Emilia war insgeheim erleichtert, dass sie nun eine willkommene Ablenkung hatte. Sie griff nach ihrem Besteck, konzentrierte sich demonstrativ auf die Speisen vor sich und ließ den ersten Bissen auf der Zunge zergehen. Die Wärme des Gerichts half ihr, den Anflug von Verlegenheit zu überspielen, auch wenn die Hitze in ihren Wangen noch nicht ganz verschwunden war.
Alex, der die Situation genüsslich zu genießen schien, lehnte sich entspannt zurück. Sein Lächeln war nur ein Hauch breiter, doch in seinen Augen lag eine Mischung aus Belustigung und etwas, das sie nicht benennen konnte.
„Und? Wie schmeckt es?“ fragte er schließlich, seine Stimme ebenso entspannt wie seine Haltung.
„Sehr gut,“ murmelte Emilia und wagte einen kurzen Blick zu ihm, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Essen richtete. Doch die leichte Spannung in der Luft blieb, ein stilles Spiel zwischen ihren Blicken und unausgesprochenen Gedanken, das sich wie ein zarter Faden durch den Moment zog.
Während sie langsam ihre Gerichte kostete, hob Emilia nachdenklich den Blick. „Sag mal… wie ist das eigentlich bei den Vampiren? Haben sie auch so… Bindungen wie wir? Also, gibt es Paare oder… naja, vielleicht eher größere Verbindungen?“ Ihre Wangen nahmen einen Hauch von Farbe an, doch ihre Neugier trieb die Frage über ihre Lippen.
Alex hielt inne, sein Besteck zur Seite legend, und ein schiefes Grinsen legte sich auf seine Züge. „Interessante Frage,“ begann er, und das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er ihre Verlegenheit bemerkte – und es genoss. „Vampire sind, sagen wir mal… vielfältig in ihren Bindungen. Manche suchen sich tatsächlich einen einzigen Partner, vielleicht sogar fürs Leben – so lange das für uns eben dauert.“
Er zwinkerte spielerisch, und Emilia spürte eine Mischung aus Neugier und leichter Unsicherheit in sich aufsteigen. „Aber,“ fügte er an, seine Stimme wurde leiser, fast vertraulich, „es gibt auch viele, die… flexibler sind. Unsere Bindungen hängen stark von der Persönlichkeit ab. Manche bevorzugen tiefe, exklusive Verbindungen, andere sehen das weniger eng.“
Emilia nickte langsam, während sie die Worte in sich aufnahm. „Also sind sie da… ähnlich wie im Tal,“ murmelte sie und dachte an die verschiedenen Beziehungsstrukturen, die sie bisher kannte.
„Möglicherweise,“ antwortete Alex mit einem leichten Lächeln.
Sie legte den Kopf leicht schräg und schob nachdenklich die Gabel über den Rand ihres Tellers. „Aber findest du das nicht auch ein bisschen… kompliziert? So viele Gefühle und Verbindungen?“
Alex lehnte sich leicht zurück, seine Finger spielten nachdenklich mit dem Rand seines Glases. „Kompliziert?“ wiederholte er und ließ das Wort für einen Moment in der Luft hängen. „Vielleicht. Aber das macht es auch interessant, findest du nicht? Manchmal ist es die Komplexität, die uns verstehen lässt, was uns wirklich wichtig ist.“
Seine Worte hallten in Emilias Gedanken nach, und sie spürte, wie die Unterhaltung eine unerwartete Tiefe bekam. „Vielleicht hast du recht,“ murmelte sie schließlich und sah ihn dabei an, ihre Neugier nicht ganz verbergen könnend.
Alex lächelte sanft, sein Blick wurde für einen Moment nachdenklich. „Manchmal ja. Aber manche Vampire empfinden die Bindung an einen einzigen Partner als… zutiefst erfüllend. Andere genießen die Vielfalt. Es ist eine Entscheidung – oder manchmal ein tiefes Bedürfnis.“ Er hielt kurz inne, bevor er mit leiser Stimme ergänzte: „Natürlich gibt es auch diejenigen, die ihre Partner eher als… Opfer betrachten. Aber das sind die, die ich meide.“
Emilia runzelte die Stirn, bevor sie den Kopf leicht schüttelte. „Also eine Mischung aus Romantik und… Blutsaugen?“ Sie lachte nervös, doch die seltsame Faszination, die diese Vorstellung auslöste, konnte sie nicht leugnen. „Für einige vielleicht,“ erwiderte Alex, sein Blick wurde ruhiger und direkter, „aber für mich war das nie der Reiz.“ Er hielt ihrem Blick stand, und in seinen Augen lag etwas, das weit über seine Worte hinausging. „Ich habe den Heilberuf nicht gewählt, um anderen den letzten Tropfen Lebensenergie zu rauben. Für mich geht es um Vertrauen und Nähe. Wenn es ehrlich ist.“
Emilia spürte, wie die anfängliche Verlegenheit einer warmen Neugier wich. „Das klingt… auf eine seltsame Weise schön,“ flüsterte sie schließlich und wandte sich ihrem Teller zu, als wollte sie die aufkommenden Gefühle verbergen.
Nach einem kurzen Moment des Schweigens, in dem sie sichtbar nachdachte, hob sie vorsichtig den Blick und sah Alex an. „Und bei dir? Ich meine… was bevorzugst du?“ Sie spielte nervös mit dem Besteck und fügte zögerlich hinzu: „Was für eine… Beziehung würde dir vorschweben?“
Alex hob überrascht die Augenbrauen, ein schiefes Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er sich leicht zurücklehnte. „Willst du das wirklich wissen?“ fragte er, sein Ton eine Mischung aus Neckerei und Ernsthaftigkeit. Sein Blick war intensiver, als sie erwartet hatte.
Emilia nickte, ihre Neugier stärker als die Unsicherheit, die in ihrem Brustkorb pulsierte. „Ja… ich will es wissen.“
Alex hielt ihren Blick fest, und die Ernsthaftigkeit in seinen Augen ließ die Zeit für einen Moment stillstehen. „Nun,“ begann er, „bei den Seelen, zu denen ich mich hingezogen fühle… könnte ich mir vieles vorstellen. Vielleicht sogar alles.“
Emilia schluckte, doch bevor sie die Worte verarbeiten konnte, fügte er leise hinzu: „Emilia, du hast auch eine Seele, zu der ich mich hingezogen fühle.“
Die Worte trafen sie wie ein warmer, unerwarteter Schlag. Ein Kribbeln durchzog ihren Körper, und sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, während das Mal in ihrer Seele zu pulsieren begann – wie ein stilles Echo auf seine Worte.
Sie suchte nach einer Antwort, doch ihre Gedanken waren ein Wirrwarr aus Emotionen. Stattdessen fühlte sie nur, wie die Anziehung zu Alex immer stärker wurde, während das Gewicht seiner Worte wie ein leises Versprechen zwischen ihnen schwebte.
Emilia versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, doch ihr Herz hämmerte, und eine seltsame Unruhe schlich sich in ihre Sinne. Gerade als sie Alex einen weiteren Blick zuwerfen wollte, fiel ihr etwas Ungewöhnliches auf.
Am Nebentisch prahlte ein älterer Dämon lautstark mit seinen Abenteuern, während seine gelangweilte Begleitung geistesabwesend nickte. Ein paar Tische weiter stritten eine junge Nymphe und eine Sukkubus mit erhitzten Stimmen, jede darauf bedacht, ihre Meinung durchzusetzen und sich gegenseitig zu übertrumpfen.
Emilias Blick wanderte durch den Raum, und sie bemerkte, dass immer mehr Gäste ähnliche Gespräche führten – voller Stolz und Selbstgefälligkeit. Es war, als hätte sich die Atmosphäre im Lokal verändert: aufgeheizt, beinahe provokant. Jeder wollte sich übertrumpfen, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und seine Überlegenheit demonstrieren.
„Was ist hier los?“ flüsterte sie, mehr zu sich selbst, während ihr Blick zu Alex glitt.
Er saß entspannt da, ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen, und beobachtete das Geschehen mit einer seltsamen Gelassenheit. Sein Lächeln war ruhig, doch Emilia konnte nicht deuten, ob er die Szene genoss oder sie genauso eigenartig fand wie sie.
Währenddessen wurde die Stimmung im Raum immer intensiver. Der ältere Dämon neben ihnen redete immer lauter über seine Heldentaten, und die hitzige Diskussion zwischen der Nymphe und der Sukkubus schien kurz vor einem Streit zu stehen. Die Atmosphäre war drückend, beinahe greifbar, und Emilias Unbehagen wuchs.
Ein warmes, rhythmisches Pulsieren lenkte plötzlich ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ihr Mal begann spürbar zu reagieren – ein pochendes Gefühl, das tief aus ihrem Inneren kam. Sie legte instinktiv eine Hand auf ihre Brust, als ob sie die unerwartete Resonanz beruhigen könnte. Ihr Atem stockte, während sie versuchte, das Gefühl zu deuten. Es war, als ob das Mal auf die Hochmütigkeit im Raum antwortete, doch sie konnte nicht erklären, warum.
„Alex,“ sagte sie leise, ohne ihren Blick von der sich zuspitzenden Szenerie zu lösen. „Irgendwas stimmt hier nicht...“
Gerade als Emilia Alex fragen wollte, ob er die seltsame Veränderung im Raum ebenfalls bemerkt hatte, klatschte er plötzlich in die Hände und sagte mit fester Stimme: „Genug.“
Überrascht blinzelte sie und sah ihn an, doch bevor sie etwas sagen konnte, wandte er sich zu ihr. Sein Blick war entschuldigend, aber auch sanft, als er leise sagte: „Tut mir leid, wenn ich dich vorhin ein bisschen aufgezogen habe. Vielleicht habe ich es übertrieben.“
Emilia wollte protestieren, doch für einen Moment war sie sprachlos. Schließlich lächelte sie leicht und antwortete: „Nein, wirklich. Ich habe die Unterhaltung genossen.“
Kaum hatte sie das gesagt, spürte sie, wie das seltsame Pochen ihres Mals langsam abebbte. Auch die Spannung im Raum löste sich auf – die Gespräche der anderen Gäste klangen nun gedämpfter, weniger aufgeheizt. Die Atmosphäre kehrte zu einer entspannten Normalität zurück, und Emilia atmete erleichtert auf.
Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, und sie richtete ihren Blick wieder auf Alex. „Danke,“ sagte sie leise, ihre Stimme voller Dankbarkeit, auch wenn sie selbst nicht genau wusste, wofür.
Während sie kurz in Gedanken versank, überlegte sie, ob sie nachfragen sollte. Doch da war auch eine leise Unsicherheit – die Angst, Antworten zu bekommen, auf die sie noch nicht vorbereitet war. Mit einem letzten, verwirrten Blick auf Alex entschied sie, das Thema ruhen zu lassen. Manches Geheimnis durfte noch verborgen bleiben.
Alex wirkte wie immer entspannt, sein Lächeln ruhig, als er Emilia ansah. „Was meinst du? Sollen wir uns langsam auf den Weg machen? Es gibt noch einiges zu sehen.“
Nach einem dankbaren Lächeln von Emilia für das Essen und die gemeinsame Zeit verließen sie das Restaurant und traten wieder in die belebten Straßen von Lantaris. Die Marktgassen waren erfüllt von Stimmen, exotischen Düften und dem geschäftigen Treiben der Händler. Dämonen verschiedenster Rassen flanierten durch die Straßen, und die Atmosphäre war voller Energie und Leben.
Die Sonne begann langsam hinter den Dächern der Stadt zu versinken, und ein warmes Zwielicht legte sich über die Marktstraßen. Das Licht der Laternen und Kerzen an den Ständen schimmerte nun deutlich heller, und die ersten Schatten der Abenddämmerung krochen über die Pflastersteine.
„Es wird spät,“ bemerkte Alex leise und lenkte Emilia sanft in Richtung des Gasthauses Flüsterhain. „Wir sollten uns vor Einbruch der Nacht zurückziehen.“
Emilia nickte, doch gerade als sie sich abwenden wollte, fiel ihr Blick auf einen Stand am Rand des Marktplatzes. Händler tummelten sich dort, und auf einem großen Holztisch lagen farbenfrohe Kräuter, kleine Phiolen und ungewöhnliche Tinkturen ausgebreitet. Die beiden änderten kurzentschlossen ihre Richtung und schlenderten zu den Auslagen.
Alex und Emilia betrachteten die Waren aufmerksam. Die Vielfalt reichte von exotischen Gewürzen bis zu seltenen Kräutern, und Emilia konnte nicht anders, als sich von den leuchtenden Farben und interessanten Formen der Zutaten faszinieren zu lassen.
„Wenn du dieses Kraut mit Feuermohn kombinierst,“ erklärte Alex, während er auf ein Bündel getrockneter Blätter deutete, „bekommst du eine wärmende Salbe. Besonders hilfreich gegen Muskelverspannungen.“
Emilia nickte aufmerksam, während sie die Kräuter sorgfältig auswählte und einpackte. Sie fühlte sich wohl in Alex’ Gegenwart, als hätten sie diesen Austausch schon unzählige Male erlebt. Seine ruhige Stimme und die Art, wie er seine Erfahrungen teilte, gaben ihr ein Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit.
Nachdem sie ihre Einkäufe abgeschlossen hatten, warf Emilia einen letzten Blick über den Marktplatz. Ihre Augen blieben an einem besonders auffälligen Stand hängen, der sie mit seinen leuchtenden Farben und funkelnden Auslagen magisch anzog. Kunstvoll gewebte Stoffe, meisterhaft gefertigte Metallarbeiten und ein großer, polierter Stein, der im Licht der Laternen schimmerte, zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich.
„Was ist das für ein Stand?“ murmelte sie leise, während sie unwillkürlich einen Schritt näher trat. Ein seltsames Kribbeln durchlief sie, als ob die Energie des Ortes sie erfasste.
Alex war ihr wortlos gefolgt, stellte sich neben sie und ließ seinen Blick über die Szene schweifen. Sein Ausdruck blieb ruhig, doch Emilia spürte die Wachsamkeit in seiner Haltung. „Das ist der Handelszweig,“ erklärte er schließlich. „Ein Verband reisender Händler. Sie sind selten so zahlreich und vielfältig an einem Ort zu sehen.“
Die Szene wirkte auf Emilia wie ein kleines Wunder. Sie hatte schon viel von den Handelszweigen gehört, aber sie so nah und lebendig vor sich zu sehen, erfüllte sie mit Staunen.
Emilias Herz schlug schneller, ein freudiges Kribbeln durchlief sie. „Lass uns kurz bleiben," sagte sie leise, ohne den Blick von den Waren abzuwenden.
Am Stand fiel ihr eine kräftige, klein gewachsene Frau mit geflochtenen Zöpfen auf, die mit lebhafter Miene neben einem Stapel glänzender Metalle stand. Die Zwergin musterte Emilia neugierig, aber freundlich.
„Na, junge Dame, neugierig auf unser kleines Spektakel?" fragte sie mit einem Augenzwinkern und stemmte die Hände in die Hüften.
Emilia nickte und lächelte schüchtern. „Ja, tatsächlich! Was genau macht ihr hier?"
Die Zwergin lachte herzlich, ihre Zöpfe schwangen dabei hin und her. „Nenn mich Maura," stellte sie sich vor und klopfte sich stolz auf die Brust. „Wir sind die Handelszweige – eine bunte Truppe aus Händlern und Handwerkern. Von Kräuterkundigen bis zu den besten Klingenformern der Gegend!" Sie deutete auf die ausgestellten Waren.
„Unser Stand hier ist etwas Besonderes," fuhr Maura fort. „Wir verkaufen nicht nur Waren, sondern werben auch für unser Netzwerk und suchen neue Händler. Das Fest in Lantaris ist ideal, um Kontakte zu knüpfen."
Emilia lauschte fasziniert. „Ihr sucht also mehr Händler für eure Gruppe?"
„Genau!" bestätigte Maura und nickte energisch. „Je größer unser Netzwerk, desto weiter reicht unser Ruf und desto spannender werden unsere Möglichkeiten. Für die Händler hier ist das eine echte Chance."
Während Emilia gebannt zuhörte, spürte sie plötzlich eine vertraute Präsenz hinter sich. Eine sanfte Gänsehaut überlief sie, gefolgt von einem warmen Gefühl der Vertrautheit. Noch bevor sie sich umdrehte, erhaschte sie ein rotes Schimmern aus dem Augenwinkel – diese Haare kannte sie.
„Na, wenn das nicht meine kleine Reisende ist!" erklang eine vertraute Stimme mit einem Schmunzeln.
Emilia drehte sich um, und ihre Augen leuchteten vor Freude. „Annette!" rief sie überrascht und trat ohne Zögern auf die Dämonin zu. Die beiden schlossen sich in eine herzliche Umarmung, die Emilia ein Gefühl von Geborgenheit schenkte.
„Was für ein Zufall, dich hier zu sehen!" sagte Emilia, als sie sich lösten, ihre Augen noch immer strahlend.
Annette lachte, ihre feurig roten Locken schüttelnd. „Kein Zufall, meine Liebe. Wir sind wegen des Festes hier – perfekt, um Kontakte zu knüpfen und die Handelszweige auszubauen." Mit einem Nicken deutete sie auf zwei vertraute Gestalten, die in der Nähe schwer beladene Kisten trugen.
„Schau mal, Grit und Roy sind auch hier."
Emilia winkte den beiden fröhlich zu. Roy erwiderte das mit einem knappen Nicken, während Grit ihr zuzwinkerte, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte.
„Es ist schön, euch alle wiederzusehen," sagte Emilia herzlich. „Habt ihr viel zu tun?"
Annette legte ihr die Hand auf die Schulter und lächelte. „Oh, jede Menge, aber für dich nehmen wir uns immer Zeit. Bleib ein bisschen und erzähl, wie es dir ergangen ist."
„Mir geht es gut," erwiderte Emilia, ihre Stimme voller Freude. „Aber die ganze Geschichte würde länger dauern. Vielleicht sollten wir uns etwas zu essen holen und in Ruhe reden."
Annette lachte und nickte. „Gute Idee, aber heute Abend bin ich schon verplant. Wie wäre es morgen zum Mittagessen? Dann kannst du mir alles erzählen."
„Sehr gern!" antwortete Emilia begeistert.
Annette ließ ihren Blick hinter Emilia schweifen und hob eine Augenbraue. „Und wen hast du da als Beschützer? Der Vampir – gehört er zu dir?"
Ihr Blick ruhte amüsiert auf Alex, der ruhig im Hintergrund stand.
Emilia strahlte und zog Alex ohne zu zögern ein Stück näher. „Das ist Alex! Er ist ein großartiger Freund!" Ihr Gesicht leuchtete vor Wärme und Freude.
Alex, leicht überrascht von Emilias Begeisterung, neigte höflich den Kopf und erwiderte Annettes Blick mit einem leichten Lächeln. Annette beobachtete die beiden aufmerksam, und ein Funkeln lag in ihren Augen. „Freut mich, dich kennenzulernen, Alex," sagte sie mit einer sanften Stimme und reichte ihm die Hand. „Jemand wie du scheint genau die richtige Gesellschaft für Emilia zu sein."
Alex nahm ihre Hand und schüttelte sie mit einem respektvollen Nicken. „Das Vergnügen ist ganz meinerseits."
Emilia konnte ihre Freude kaum verbergen und lächelte Annette dankbar an. „Dann morgen zum Mittagessen?" fragte sie hoffnungsvoll.
„Aber natürlich," zwinkerte Annette. „Ich freu mich darauf, euch beide besser kennenzulernen."
Während sie die Verabredung besprachen, traten Roy und Grit dazu. Grit hob grüßend die Hand. „Na, wenn das nicht unsere kleine Reisende ist!" sagte sie mit funkelnden Augen.
Emilia strahlte. „Wie schön, euch beide auch wiederzusehen! Morgen seid ihr natürlich auch eingeladen – wir treffen uns zum Mittagessen!"
Roy nickte. „Das lassen wir uns nicht entgehen," fügte er mit einem freundlichen Lächeln hinzu.
Annette grinste und legte eine Hand auf Mauras Schulter. „Und unser neuestes Mitglied hier, Maura, hast du ja offenbar schon kennengelernt."
Maura lächelte überrascht. „Oh, wirklich? Wo seid ihr euch begegnet?"
Alex warf Emilia einen fragenden Blick zu, und sie erklärte mit einem freudigen Lächeln: „Ich war auf dem Weg nach Lunaris, als ich Annettes Truppe begegnet bin. Sie haben mich ein Stück mitgenommen, und wir sind eine Weile zusammen gereist."
„Reisegefährten also," kommentierte Alex mit einem Hauch von Anerkennung. „Scheint, als hätten sie dir schon auf deinem Weg zur Seite gestanden."
Emilia nickte, und die warme Vertrautheit der Gruppe ließ die Vorfreude auf das morgige Treffen wachsen.
~~~
Die Marktstraßen von Lantaris leerten sich langsam, und die warmen Lichter der Laternen hüllten die Stadt in ein goldenes Schimmern. Emilia und Alex gingen schweigend nebeneinander, während der kühle Abendwind sanft durch ihre Haare strich.
„Ein wirklich unerwartetes Wiedersehen," sagte Emilia leise, den Blick auf die ersten Sterne gerichtet, die am Himmel funkelten. „Ich hätte nie gedacht, Annette und die anderen so bald wiederzutreffen."
Alex nickte, ein leises Lächeln auf seinen Lippen. „Es hat dich wirklich gefreut, sie zu sehen, nicht wahr?"
Emilia erwiderte das Lächeln, ihre Augen leuchteten. „Ja, sie waren wie eine erste Familie außerhalb meines Tals. Sie haben mich damals ohne Zögern mitgenommen. Es fühlt sich gut an, alte Freunde wiederzutreffen, die einen Teil der Reise geteilt haben."
Alex schwieg kurz, bevor er in einem nachdenklichen Ton meinte: „Es scheint, als würdest du immer mehr Dämonen um dich scharen, die sich um dich kümmern."
„Vielleicht," antwortete Emilia sanft. „Aber das heißt nicht, dass ich nicht offen für neue Begegnungen bin." Sie hielt inne, bevor sie mit einem schüchternen Lächeln weitersprach: „Ehrlich gesagt hätte ich nie gedacht, jemanden wie dich zu treffen – jemanden, der mir so viel beibringt und trotzdem ein guter Freund ist."
Alex' Lächeln vertiefte sich, und ein Hauch von Stolz lag in seinem Blick. „Die Welt steckt voller Überraschungen."
Als sie das Gasthaus Flüsterhain erreichten und die vertrauten Türen durchschritten, umfing sie ein Gefühl der Ruhe. Drinnen fanden sie einen kleinen Tisch in einer ruhigen Ecke. Der Raum war erfüllt vom sanften Murmeln der Gäste und dem beruhigenden Knistern des Kamins.
Während Emilia einen Schluck aus ihrem Becher nahm, bemerkte sie, wie Alex sie mit einem schelmischen Lächeln betrachtete, was ihr Herz einen Moment schneller schlagen ließ.
„Was ist?“ fragte Emilia neugierig.
Alex hob eine Augenbraue, als würde er seine Antwort sorgfältig abwägen. „Du hast mich heute als 'guten Freund' bezeichnet – bei Annette," stellte er schließlich fest, sein Tonfall ruhig, aber mit einem Hauch von Neckerei.
Emilia lächelte und nickte. „Ja, weil du inzwischen ein wirklich guter Freund für mich geworden bist."
Alex' Lippen verzogen sich zu einem kleinen Grinsen, und er lehnte sich entspannt zurück, die Arme vor der Brust verschränkt. „Ein 'guter Freund', hm?" wiederholte er, das Wort absichtlich betont. Seine Augen funkelten amüsiert. „Ich hätte gedacht, ich wäre inzwischen etwas mehr."
Emilia spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. „W-was meinst du damit?“ fragte sie zögerlich und suchte in seinem Gesicht nach einer Erklärung.
Alex zuckte leicht mit den Schultern und bewahrte einen unschuldigen Gesichtsausdruck. „Na ja," begann er beiläufig, „wir teilen uns inzwischen sogar ein Bett..."
„Das ist nur, weil die Gasthäuser oft überfüllt sind!" protestierte Emilia, ihre Stimme etwas lauter, als sie es beabsichtigt hatte. Ihre Röte verstärkte sich, und sie wandte den Blick verlegen ab.
„Natürlich," erwiderte Alex mit einem leisen Lachen, das von seiner Amüsiertheit zeugte. „Ich wollte dich nur ein bisschen aufziehen."
Emilia atmete erleichtert auf, obwohl ihre Wangen noch immer glühten. „Du bist unmöglich," murmelte sie und schüttelte den Kopf, konnte sich jedoch ein leichtes Lächeln nicht verkneifen.
Alex grinste weiter verschmitzt. „Aber genau das macht doch einen guten Freund aus, oder?"
Emilia schüttelte den Kopf, immer noch verlegen, aber sein Lachen war ansteckend. Trotz ihrer Verwirrung spürte sie ein warmes Gefühl der Vertrautheit, das tief in ihrer Brust aufstieg.
Später, als sie sich auf ihr Zimmer zurückgezogen hatten und die Nacht im Flüsterhain still wurde, ließ Emilia sich erschöpft auf das weiche Bett sinken. Der Raum war in sanfte Dunkelheit getaucht, nur durch einen schwachen Schimmer erhellt, der durch das Fenster fiel. Gedämpfte Geräusche aus dem Gasthaus drangen zu ihr, ein beruhigendes Murmeln, das sie entspannt innehalten ließ.
Der Tag hatte mehr Überraschungen gebracht, als sie erwartet hatte. Das Wiedersehen mit Annette und ihrer Gruppe war unerwartet, aber voller Freude gewesen. Der Gedanke an diese Begegnung erfüllte sie mit leiser Dankbarkeit. Ihre Reise war oft voller Ungewissheit, doch solche Momente erinnerten sie daran, wie wichtig die Verbindungen waren, die sie auf ihrem Weg knüpfte. Jede Begegnung, so kurz sie auch sein mochte, schien ihr mehr Halt zu geben.
Alex... Der Gedanke an ihn ließ ihr Herz unwillkürlich schneller schlagen. Seit er an ihrer Seite war, fühlte sie sich weniger verloren. Er war mehr als nur ein Begleiter – er war jemand, der sie herausforderte, beschützte und mit seiner ruhigen Stärke ein Gefühl von Sicherheit vermittelte. Doch gleichzeitig war er ein Rätsel, das sie nicht aufhören konnte, zu enträtseln.
Ein sanftes Lächeln huschte über ihre Lippen, während sie sich tiefer in die Decke kuschelte. Die Wärme der neuen Verbindungen, die sie geknüpft hatte, und die Aussicht auf die morgige Verabredung mit Annette und den anderen erfüllten sie mit einer unerwarteten Geborgenheit.
Mit diesen Gedanken schloss Emilia die Augen, das Gefühl von Hoffnung und Entschlossenheit wie eine sanfte Umarmung um sich, bereit, mutig dem entgegenzutreten, was der nächste Tag bringen würde.
___
Am nächsten Morgen weckten Emilia das geschäftige Treiben und der Duft frischer Backwaren. Sie zog sich schnell an, das Kribbeln der Vorfreude in der Brust.
„Bereit fürs Fest?" fragte Alex mit einem leichten Schmunzeln, als sie ihn unten traf.
„Auf jeden Fall!" antwortete sie und zog ihn in die lebhaften Straßen.
Die Stadt war erfüllt von Farben, Stimmen und Düften. Händler priesen funkelnde Schmuckstücke, exotische Stoffe und magische Tränke an, während Kinder lachten und Schausteller Kunststücke vorführten.
An einem Stand mit tanzenden Lichtern unter einer Glasglocke blieb Emilia stehen. „Schau mal, Alex! Das ist wunderschön."
Alex lächelte. „Du scheinst hier richtig aufzublühen."
Mit leuchtenden Augen wandte Emilia sich einem Kräuterstand zu, die fremden Düfte ließen sie von Abenteuern träumen.
„Ein gutes Auge für Besonderes," meinte Alex.
„Vielleicht," lachte sie, „aber das hier ist einfach zauberhaft!"
...
Als sie weiter über das Fest schlenderten, bemerkten Emilia und Alex eine kleine Dämonenmenge, die sich um eine abgesperrte Fläche versammelt hatte. Ein Aushang in der Nähe des Standes zog sofort Emilias Aufmerksamkeit auf sich:
„Team-Wettbewerb: Testet eure Geschicklichkeit, Schnelligkeit und Zusammenarbeit!"
„Das klingt spannend!" rief Emilia begeistert und sah zu Alex hinüber. „Wollen wir es versuchen?"
Alex zog eine Augenbraue hoch, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken. „Du willst also gegen Fremde antreten, ohne zu wissen, was uns erwartet?"
„Genau das macht es doch spannend!" entgegnete Emilia mit einem Grinsen. Sie schob ihn spielerisch in Richtung der Anmeldung, und bald darauf fanden sie sich als offizielles Team wieder - bereit, gegen eine andere Gruppe anzutreten.
Der Wettbewerb bestand aus verschiedenen Stationen, die Geschicklichkeit, Schnelligkeit und Zusammenarbeit erforderten. Ihr erstes Duell war gegen ein Geschwisterpaar - eine flinke Elfe und ihren kräftigen Minotaurus-Bruder, die entschlossen wirkten und bereits siegesgewiss lächelten.
Erste Herausforderung: Das Hindernis-Labyrinth
Die Teilnehmer mussten ein mit magischen Fallen und Hindernissen gespicktes Labyrinth durchqueren. Emilia und Alex schauten sich kurz an und nickten, ein stilles Verständnis zwischen ihnen. Alex übernahm die Führung und lotste Emilia sicher durch die verwinkelten Wege. Die Fallen erforderten präzises Timing und schnelle Reaktionen, und immer wieder schob Alex Emilia aus dem Weg, wenn eine Falle zuschnappte.
Mit einem letzten Sprung erreichten sie das Ende des Labyrinths und blickten zurück - die Geschwister waren nur ein paar Schritte hinter ihnen.
Zweite Herausforderung: Magisches Zielwerfen
An der nächsten Station standen magische Scheiben in der Luft, die sich bewegten und immer wieder verschwanden. Die Teams mussten kleine, leuchtende Kugeln auf die Scheiben werfen und dabei möglichst viele Treffer erzielen. Emilia stellte sich mit konzentrierter Miene an die Wurflinie und griff nach den Kugeln. Alex nickte ihr zu, und sie begannen, die Kugeln mit präzisen Bewegungen zu werfen.
Als die letzte Kugel in die Mitte der Scheibe traf, hatten Emilia und Alex einen knappen Vorsprung erzielt. Das Publikum klatschte begeistert, während Emilia und Alex einander triumphierend zulächelten.
Letzte Herausforderung: Der Balancepfad
Die letzte Herausforderung erforderte von beiden, gemeinsam einen schmalen, schwankenden Pfad zu überqueren, der über ein flaches Wasserbecken gespannt war. Die Bretter unter ihren Füßen wankten bedrohlich, und Emilia musste sich an Alex festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Schritt für Schritt tasteten sie sich voran, und Alex hielt Emilia sicher an der Hand, um ihr Stabilität zu geben.
Die Geschwister waren ihnen dicht auf den Fersen, doch mit einem letzten, mutigen Sprung erreichten Emilia und Alex das Ende des Pfades - einen Wimpernschlag vor ihren Gegnern.
Die Menge brach in Jubel aus, und der Schiedsrichter trat mit einem strahlenden Lächeln auf sie zu. „Das war knapp, aber der Sieg geht an euch!"
Emilia strahlte über das ganze Gesicht und wandte sich an Alex. „Wir haben es geschafft!" rief sie glücklich und fiel ihm spontan in die Arme. Alex lächelte und legte kurz den Arm um sie, bevor er sich räusperte.
„Also, für jemanden, der spontan antritt, hast du das ziemlich gut gemacht," sagte er mit einem leichten Grinsen.
Emilia lachte, immer noch euphorisch. „Ich konnte mich eben auf meinen guten Freund verlassen."
Nach dem Jubel des Publikums und dem herzlichen Händeschütteln des Schiedsrichters trat eine Frau mit einem sanften Lächeln auf Emilia und Alex zu. In ihren Händen hielt sie eine kleine, mit Samt ausgelegte Schatulle, die sie ihnen feierlich überreichte.
„Als Sieger dieses Wettbewerbs erhaltet ihr eine ganz besondere Belohnung," begann die Frau und öffnete die Schatulle. Darin lagen zwei filigrane Armreifen, die perfekt zueinander passten - einer trug einen kleinen Anhänger in Form eines Halbmonds, der andere einen Stern. Beide schimmerten in einem zarten Licht.
„Diese Bindungsarmreife sind ein Symbol für Zusammenhalt und Stärke," erklärte die Frau mit einem warmen Blick. „Tragt sie, wenn ihr möchtet, denn sie reagieren aufeinander und leuchten, wenn ihr euch nahe seid oder in schwierigen Momenten gegenseitigen Schutz und Halt benötigt. Man sagt, sie seien ein Segen für Vertrauen und Verbundenheit."
Emilia errötete und schaute verlegen zu Alex, der die Armreife mit einem amüsierten Lächeln musterte. „Ein Segen für Vertrauen, hm?" murmelte er, als er einen der Armreife in die Hand nahm.
„Ja..." stimmte Emilia leise zu und nahm den anderen Armreif. Ihre Finger streichelten sanft über das filigrane Symbol des Halbmondes, das wie von Magie leicht aufleuchtete.
Die Frau schloss die Schatulle und lächelte zufrieden. „Möge euch der Segen der Armreife auf eurem Weg begleiten."
Alex legte den Armreif an und hielt dabei kurz Emilias Blick fest. „Scheint, als wären wir jetzt offiziell ein Team," sagte er mit einem schmunzelnden Unterton, der sie wieder leicht erröten ließ.
Emilia legte ihren Armreif an, und beide spürten ein sanftes, warmes Leuchten. „Ein Team," wiederholte sie lächelnd, und für einen kurzen Moment schien alles um sie herum unwichtig - nur die Wärme des Augenblicks zählte.
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Wie verabredet, begaben sich Emilia und Alex zur Terrasse des „Sonnenblicks", einem gemütlichen Lokal am Rand des Festplatzes, dessen Name von der warmen, einladenden Atmosphäre und dem weiten Ausblick über die Marktstraßen inspiriert war. Die Tische waren mit bunten Blumen dekoriert, und die Sonne warf goldene Lichtflecken über die Holzplanken der Terrasse. Annette, Grit, Roy und Maura warteten bereits und winkten ihnen zu, als sie näherkamen. Die Gruppe wieder vollständig zu sehen, erfüllte Emilias Herz – auch wenn Cyrus als nur damaliger Reise-Begleiter nach Lunaris seiner eigenen Wege gegangen war. Mit Maura als neuem Mitglied fühlte sich die Gemeinschaft lebendig und gab Emilia ein wohliges Gefühl von Geborgenheit.
Nachdem sie sich begrüßt und hingesetzt hatten, begannen sie entspannt zu plaudern und Geschichten auszutauschen. Annette erzählte von ihren Reisen und den verschiedenen Festen, die sie bereits besucht hatten, während Grit einige Anekdoten über ihre Abenteuer als Formwandlerin einwarf, die die Runde zum Lachen brachten. Roy sprach ruhig über seine Reisen und die Herausforderungen, die er als Feuerdämon meistern musste.
Während Emilia gebannt lauschte, beugte sich Maura zu ihr und lächelte sie vertraut an. „Sag mal, Amy, hast du dir schon überlegt, wie lange du mit uns auf Reisen gehen willst?"
Emilia blinzelte verwirrt und starrte Maura an. „Amy?" fragte sie überrascht und sah kurz zu Alex, der amüsiert die Augenbraue hob.
Grit lachte und legte Maura eine Hand auf die Schulter. Sie unterstrich ihre Worte mit einer ansehnlichen Verwandlung. Bei uns Zwergen ist es üblich, den Leuten, die wir mögen, einen Spitznamen zu geben," erklärte sie mit einem verschmitzten Grinsen. „Also gewöhn dich lieber daran."
Emilia fühlte, wie ihre Wangen leicht erröteten, doch ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus. „Oh... das freut mich," sagte sie und lächelte verlegen. „Ich habe noch nie einen Spitznamen bekommen."
Maura nickte zufrieden. „Na also, Amy! Dann ist das doch der erste."
Annette schmunzelte und fügte hinzu: „Nun, du hast dir diese Ehre verdient. Es ist nicht leicht, in Mauras Herz zu gelangen."
Emilia strahlte und fühlte sich in der Gruppe wohler als je zuvor. Die Gespräche gingen weiter, und zwischen Lachen und Geschichten entstand ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, das sie fast an Familie erinnerte.
...
Alex grinste und lehnte sich zurück. „Amy, hm?" Er ließ den Namen genießerisch über die Lippen rollen und zwinkerte Emilia zu, die ihn mit einem schelmischen Blick bedachte.
„Ich finde, das passt," fügte er hinzu und ließ ein amüsiertes Lächeln aufblitzen. Emilia spürte die Wärme in ihren Wangen, während Maura sie stolz ansah.
Nach einer Weile sprach Maura erneut. „Weißt du, Amy, wir wollten dich eigentlich fragen, ob du nicht mit uns weiterreisen willst. Eversum ist unser nächstes Ziel, mit einpaar Geschäftlichen Zwischenstopps in Origin. Auch ein Vampir in der Truppe bringt ein gewisses Maß an Sicherheit mit sich." Sie zwinkerte Alex zu. „Außerdem wissen wir, dass du auch einiges drauf hast."
Emilia und Alex warfen sich einen kurzen Blick zu, beide tief in Gedanken versunken. Schließlich schüttelte Emilia leicht den Kopf. „Vielen Dank für das Angebot, das ist wirklich lieb von euch. Aber..." Sie zögerte einen Moment, bevor sie fortfuhr. „Wir haben bereits unsere eigenen Pläne und ein Tempo, das für uns passt. Ich denke, es wäre nicht gut, wenn wir unsere Ziele mit euren vermischen. Wir müssen diesen Weg allein gehen."
Annette nickte verständnisvoll. „Das verstehe ich. Jeder hat seinen eigenen Weg - und seinen eigenen Rhythmus."
„Aber falls wir uns in Eversum sehen," fügte Grit hinzu, „dann müssen wir unbedingt wieder zusammen feiern!"
Emilia lächelte dankbar, und für einen Moment herrschte eine warme, stille Übereinkunft zwischen ihnen allen. Es war klar, dass sich ihre Wege irgendwann wieder kreuzen würden - nur vielleicht nicht sofort.
Nach dem Abschied von Annette und ihrer Gruppe schlenderten Emilia und Alex weiter über das Fest. Die Marktstraßen füllten sich langsam, als die Sonne tiefer sank, und das goldene Licht verlieh den Ständen eine fast magische Ausstrahlung. Am Rande des Platzes entdeckten sie einen Stand, der fast im Schatten verborgen lag. Dicke, schwarze Tücher umrahmten den Eingang, und nur eine flackernde Laterne beleuchtete die Waren.
„Schau mal, Alex," flüsterte Emilia, fasziniert von der geheimnisvollen Atmosphäre des Standes. Die Gestalt hinter dem Stand wirkte, als wäre sie aus einer anderen Zeit gefallen, in eine schlichte Robe gehüllt, die das Gesicht unter einer Kapuze verbarg. Nur die schimmernden Augen blitzten unter der Kapuze hervor und beobachteten sie aufmerksam.
„Willkommen, Wanderer," raunte die Gestalt mit einer tiefen, sanften Stimme. „Sucht ihr etwas Besonderes, etwas... aus vergangenen Tagen?"
Emilia spürte ein Kribbeln und nickte, ohne den Blick von den ausgelegten Gegenständen abzuwenden. „Vielleicht," antwortete sie leise und ließ die Augen über die alten Amulette, seltsamen Werkzeuge und Bücher schweifen.
Ihr Blick blieb an einem kleinen, kunstvoll verzierten Taschenspiegel hängen. Das silberne Gehäuse war mit feinen Mustern überzogen, die an Spiralen und Blätter erinnerten, und das Glas selbst schimmerte leicht im Licht der Laterne, als wäre eine verborgene Welt darin eingekapselt.
„Das hier... was ist das?" fragte Emilia, während sie den Spiegel vorsichtig in die Hand nahm. Der Spiegel war angenehm kühl und wirkte seltsam vertraut, als würde er zu ihr gehören.
Der Verkäufer neigte den Kopf leicht und lächelte. „Dieser Spiegel ist mehr als ein gewöhnliches Schmuckstück. Er zeigt nicht nur das Äußere, sondern spiegelt auch das Verborgene - vergangene Erinnerungen, alte Verbindungen und all jene Dinge, die sich tief in der Seele verbergen. Ein Blick hinein könnte dir zeigen, was du suchst - oder was du zu vergessen versuchst."
Emilia sah Alex an, der das Objekt ebenfalls aufmerksam betrachtete. „Und was verlangt Ihr dafür?" fragte Alex ruhig.
Die Gestalt schüttelte leicht den Kopf. „Dieser Spiegel findet seinen Träger, und wenn er zu ihr spricht, ist das genug für mich." Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte seine Lippen. „Nimm ihn, junge Wanderin. Er wird dir Orte und Dämonen zeigen, die dich weiterführen sollen."
Emilia sah auf den Spiegel in ihrer Hand, und ein Gefühl der Vertrautheit durchströmte sie. Es war, als hätte sie ihn schon einmal besessen, als würde er eine verborgene Erinnerung wecken, die irgendwo tief in ihr schlummerte. „Ich danke euch," flüsterte sie, und die Gestalt nickte zufrieden.
Als sie den Kopf hob, bemerkte sie, dass der Stand in den Schatten zu verschwinden schien - der Verkäufer war fast lautlos in der Dunkelheit verschwunden, und es schien fast so, als wäre er nie dort gewesen.
Mit Einbruch der Dunkelheit tauchten die bunten Lichter des Festes die Straßen von Lantaris in ein lebendiges Leuchten. Emilia und Alex suchten eine kleine Anhöhe auf, von der aus sie das Treiben überblicken konnten. Die Vorfreude auf das Feuerwerk lag spürbar in der Luft, und Emilias Augen leuchteten erwartungsvoll.
„Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein Feuerwerk gesehen habe," sagte sie leise, während sie den Blick in die Ferne richtete.
„Dann wird es wohl wieder Zeit," antwortete Alex mit einem leichten Lächeln, kurz bevor die erste Rakete in den Himmel stieg und in einem Regen aus Licht explodierte.
Emilia hielt den Atem an, fasziniert von den Farben, die die Nacht erhellten. Unbewusst griff sie nach Alex’ Hand, als ein leiser Hauch von Magie in der Luft zu liegen schien. Für einen Moment war es, als wäre die Welt um sie herum stehen geblieben.
„Wunderschön," flüsterte sie, während ihr Gesicht vom Lichtschein des Feuerwerks erhellt wurde. Sie sah zu Alex, der ihren Blick erwiderte, seine Augen ruhig und voller Wärme. Ein stilles Einverständnis schien zwischen ihnen zu liegen.
Die letzten Explosionen ließen den Himmel in leuchtenden Farben erstrahlen, bevor die Stille des Abends zurückkehrte. Emilias Herz fühlte sich erfüllt, und der Moment schien sich in ihre Erinnerung einzubrennen.
„Lass uns morgen einfach sehen, wohin uns der Tag führt," sagte Alex leise und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter.
„Ja," erwiderte Emilia mit einem sanften Lächeln. Die Wärme seiner Nähe und die Magie des Abends ließen sie ahnen, dass ihre Reise noch viele unerwartete Wendungen bereithalten würde.
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