~ Der Schmerz der Liebe III ~
Lucia strahlte ihre Mutter aus blauen Säuglingsaugen an und lachte vergnügt auf. Glockenhell hallte der fröhliche Laut durch das Zimmer, vollkommen rein und unverbraucht, zauberte er ein seliges Lächeln auf die spröden Lippen der Frau. Zurückgedrängt vom Licht ihres Lebens verzogen sich für einen Moment sogar die grauen Wolken, welche das Herz der Sterbenden fest umfangen gehalten hatten.
„Du bist der gesamte Gewinn meines Lebens", flüsterte Beorid mit rauer Stimme und streichelte dem Säugling mit bebenden Fingern über den langsam dichter werdenden Flaum auf dem Kopf. Zahnlos grinste die Kleine ihrer Mutter mit strahlenden Augen an, nicht begreifend, dass dies ein endgültiger Abschied sein würde.
„Und du bist sicher, dass er vertrauenswürdig und seiner Aufgabe gewachsen ist?", hakte Eleya zum wiederholten Male nach, als wolle sie mit ihrer Frage das Gegenteil suggerieren.
Beorid nickte nachdrücklich, auch wenn Zweifel sie noch immer plagten, schließlich gedachte sie diesem Freund das Wertvollste anzuvertrauen, was sie besaß. Das dichte Wolkenmeer schloss sich wieder vollends um Beorids Herz, erstickte jegliche Freude. Das Licht ihres Lebens würde sie verlassen...
Ehe sich die Tränen bahnbrechen konnten, wollte die junge Heilerin ihrer besten Freundin das kostbare Bündel wieder in die Arme legen. Doch die kleine Lucia hatte ihre winzige Faust um den Finger ihrer Mutter geschlungen, als wüsste sie was nun geschah und würde sich mit all der Kraft ihres kleinen Körpers festzuhalten versuchen.
So sehr Beorid sich auch vorgenommen hatte, nicht zu weinen, während ihre Tochter noch im Raum war, brachte diese Geste sie doch an die Grenzen des Erträglichen. Aufschluchzend zog die Mutter ihre Tochter wieder in die Arme, drückte sie zärtlich an ihre Brust.
Wie sollte sie dieses unschuldige Wesen weggeben? Fedogart war ein sanfter Mann, aber war er auch fähig sich über Tage, wenn nicht gar Wochen um einen Säugling zu kümmern? Die Kleine würde auf der viel zu langen Reise sterben! Und selbst wenn sie es schaffte, würde ihre letzte Bitte überhaupt Gehör finden oder setzte sie ihr Kind unnützerweise dieser Gefahr aus, nur damit es in Ithilien in ein ebenso überfülltes Waisenhaus abgeschoben werden wurde?
Ihre Ängste drohten die junge Mutter zu übermannen, schnürten ihr die Kehle zu, in der die mühsam zurückgehaltenen Tränen brannten. Beorids Herz flatterte in einem Anflug von Panik, schlug so kräftig wie lange nicht mehr. Ein verzweifelter Versuch, sie mit der notwendigen Kraft zu versehen, die es bedurfte, ihr Kind vor allen Gefahren dieser Welt zu beschützen. Oh, wie sehr liebte sie Lucia!
Und aus ebendiesem Grund, musste sie ihre Tochter weggeben, gleichwohl es den mühsam zusammengehaltenen Rest ihrer Seele in unendlich viele Scherben zerbersten ließ.
Unter Aufbringung all ihrer Willensstärke lockerte Beorid den Griff um das kostbare Bündel und blickte ihrer Tochter ein allerletztes Mal in das pausbackige Gesichtchen. Stumme Tränen benetzten ihre Wange als sie dem Säugling einen Abschiedskuss auf die Stirn hauchte.
Fröhlich quickte das Kind auf und der unschuldige Laut brannte sich wie loderndes Feuer in Beorids Herz. Heiß hüllten die brüllenden Flammen dieses ein, ließen es zuerst schmelzen und dann zu Asche verglühen. Die kleine Lucia hielt all dies für ein lustiges Spiel, ihre Mutter hingegen starb innerlich als Eleya das Kind aus ihren kraftlosen Armen hob.
Die Freundin sagte noch etwas zu Beorid, doch die Worte drangen nicht mehr durch das Wolkenmeer zu ihr. Ihr Blick haftete an den ausgestreckten kleinen Händchen, dem Einzigen, was von ihrer Tochter über den Rand der hellen Laken noch zu sehen war. Dann wandte die andere Frau sich ab, brachte die kostbarste aller Frachten in unerreichbare Ferne.
Mit dem dumpfen Schlag der Endgültigkeit fiel die Tür hinter den Beiden ins Schloss. Lucia war fort und würde nie zurückkehren. Beorids Blick blieb dennoch an dem zerkratzten Holz hängen, bis die Müdigkeit ihre geschwollenen Augenlider niederkämpfte. Ein steter Tränenstrom floss über das bleiche Gesicht, während ein leises Wimmern die rissigen Lippen der Frau erbeben ließ.
Ihre Tochter war fort. Das Licht ihres Lebens würde nicht mehr für sie strahlen, doch sie hatte mit aller Kraft dafür gesorgt, dass es nicht erlosch.
Vor ihrem Fenster starb der Tag und Beorids Herz mit ihm. Für sie würde es keinen Morgen geben.
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