30 - Falsche Tränen
Jetzt steht Alisea da und starrt mit Tränen in den Augen zur Tür. Wie konnte ich mich nur so irren in ihr? Dieses Drecksstück widert mich an. So sehr, dass ich sie jetzt am liebsten packen und in eine Zelle stecken würde. Ich kann sie nicht mehr sehen!
Sie blamiert mich vor meinem Quartiermeister und das ohne mit der Wimper zu zucken! Jetzt geht sie auch noch in die Knie und fängt an zu weinen. So eine materialistische Schlampe ist sie also! Und ich Trottel hatte angefangen so viel mehr in ihr gesehen. Ich frage mich gerade ernsthaft, warum. „Ich hoffe, du erstickst an deinen falschen Tränen!"
„Lass mich in Ruhe!" Sie drückt eine Hand gegen ihren Mund, fängt aber trotzdem an zu weinen, wie ein kleines Kind.
Ich fange an zu lachen, aber nur um sie danach anzufahren: „DU hast hier überhaupt nichts zu bestimmen! Du hast mir gerade genug Ärger gemacht und mir reicht es jetzt!"
Kurz überlege ich mir, was ich jetzt mit ihr mache. Bringe ich sie einfach runter in eine Zelle, damit ich meine Ruhe habe oder knebel ich sie, wenn sie mir noch weiter auf den Sack geht? Nein, fürs Erste werde ich sie wieder an den Haken hängen. So kann sie wenigstens nicht abhauen, während ich schlafe. Dann kann ich sie immer noch knebeln, wenn sie Mucken macht.
Also nehme ich das Seil, was auf dem Boden liegt und packe sie grob am Arm, um sie aufzurichten.
Die kleine Kratzbürste versucht nicht mal sich loszureißen, aber ich packe sie trotzdem fester, während ihr Geheule anschwillt und sie anfängt zu jammern. „Nein ...!"
Ich drücke schon ihre Arme zusammen und wickle das Seil um ihre Handgelenke. Nochmal lasse ich mich nicht von ihr schlagen, auch wenn ihre kläglichen Versuche nicht weh tun. Sie braucht von mir jetzt sicher kein Mitleid zu erwarten. Sie ist eindeutig zu weit gegangen! „So habe ich mich noch nie von einem Weib behandeln lassen und du fängst damit heute sicher nicht an!"
„Es ist mein Schmuck! Ich will nicht, dass er verkauft wird!" Sie denkt nur an den doofen Schmuck und lässt sich beinahe widerstandslos fesseln. Mir kommt es sogar so vor, als wenn sie es gar nicht wirklich mitbekommt. Oder ist es ihr egal?
„Soll ich dir jetzt noch danken, dass du so wertvollen Schmuck hast?" Ich packe sie und sie reißt die Augen weit auf, als sie plötzlich merkt, dass ich sie am Haken hinter meinem Schreibtisch aufhänge. Aber diesmal wende ich mich danach direkt von ihr ab und setze mich wieder. Ich muss noch mein Logbuch schreiben, bevor ich schlafen gehe.
Sie weint weiter und ich überlege, ob ich sie nicht doch besser in eine Zelle sperre, damit ich meine Ruhe habe. So kann ich mich doch nicht konzentrieren! Sie jammert schon wieder. „Er gehörte meiner Mutter..."
Ich knurre auf. „Ja ich habe verstanden, deine Mutter wird sich sicher im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, dass er uns Piraten reicher macht. Halt doch einfach mal dein verdammtes Maul, sonst knebel ich dich!"
„Es das Einzige, was ich von ihr noch hatte! Mein Vater hat die anderen Sachen alle verbrannt...!" Ihr Schluchzen wird allerdings leiser.
Wenigstens kann sie leise heulen.
Heute habe ich einiges aufzuschreiben und endlich ist sie ruhig. Als ich fertig bin, muss ich gähnen und schaue hinter mich. Sie hängt da und hat die Augen geschlossen. „Schläfst du oder tust du nur so?" Ich warte auf eine Reaktion und keuche nach einer Weile genervt auf.
Wie konnte sie so schnell da einschlafen? Normal ist das nicht. Sie muss ziemlich müde gewesen sein. Ich habe sie extra so hingehängt, dass ihre Zehen kaum den Boden berühren, damit sie nicht noch auf die Idee kommt mich zu treten.
Ich ziehe den Stuhl lautstark zurück und stehe auf. Aber auch jetzt zeigt sie keine Reaktion. Sie schläft wohl wirklich schon. Ich betrachte sie noch kurz, aber gehe dann in Richtung meines Bettes.
In aller Ruhe ziehe ich mir die Stiefel aus und höre plötzlich ein leises Schluchzen.
Ist sie also doch noch wach? Doch dann höre ich nichts mehr.
Verdammt ... ich kann sie doch nicht jetzt die ganze Nacht da hängen lassen! Nicht, dass sie sich noch einen Arm auskugelt und an Wert verliert. So stehe ich doch wieder auf und gehe zurück zu ihr. Ich kann ja die Tür abschließen. Langsam nehme ich sie vom Haken und sie sinkt in meine Arme.
Wenn sie schläft, sieht sie so unschuldig aus. Wieder komme ich nicht umhin, sie zu betrachten und könnte mir deshalb selbst in den Arsch beißen. Was hat die Kleine nur ...? Sie ist doch nur eine widerliche, materialistische Baronesse!
Sie schlägt kurz die Augen auf, schläft aber sofort wieder ein. „Mama ...", murmelt sie leise.
Ich hebe sie hoch, sodass sie auf meinen Armen liegt und schaue zu meinem Bett. Warum denke ich schon wieder darüber nach, sie zu mir zu legen? Nein, ich werde sie aufs Sofa bringen.
„ ... vermisse dich ..." Sie legt eine Hand an mein Hemd und drückt ihr Gesicht gegen meine Brust.
Wen vermisst sie? Spricht sie gerade von ihrer Mutter? Träumt sie?
Langsam bringe ich sie zum Sofa. Ich kann nicht sagen, dass es mich kalt lässt, dass sie sich gerade so an mich schmiegt. Trotzdem lege ich sie vorsichtig ab. Aber genau in dem Moment klammert sie sich an mich und schlingt ihre Arme um meinen Hals. „Geh nicht!"
Ja, sie träumt ganz bestimmt. Also packe ich ihre Handgelenke und löse mich aus dieser Umklammerung. Davon wird sie wach, denn sie setzt sich auf und will die Hände aus meinem Griff befreien.
Langsam richte ich mich auf. „Ich werde die Tür abschließen. Komm also nicht auf dumme Ideen!" Ich wende mich von Alisea ab und gehe zur Tür.
„Meine Mutter starb, als ich zwölf Jahre alt war. Sie lag zwei Tage in den Wehen und der lang ersehnte Sohn war eine Totgeburt..."
Ich drehe den Schlüssel langsam im Schloss herum.
„Mein Vater schickte die Ärzte fort und meine Mutter starb wenige Stunden später. Und nach nicht mal zwei Wochen war ihr Zimmer leer. Nur die Schatulle mit dem Schmuck stand auf der Frisierkommode."
Schweigend bleibe ich an der Tür stehen. Warum erzählt sie mir das?
„Ich schlich mich in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren immer wieder in ihr Zimmer, holte ein Schmuckstück heraus und roch daran. Aber der Geruch vom Parfüm schwand. So, wie auch die Erinnerungen langsam verblassen."
Ich drehe mich nach Alisea um, aber sie hat sich mittlerweile auf das Sofa gelegt und wendet mir den Rücken zu.
„Ich wollte nie heiraten, aber wenn ich es schon muss, dann sollte mein Ehemann sich um mich kümmern. So, wie es Nouel tun würde. Dafür würde ich sogar ein Leben in Armut führen."
Obwohl sie es nicht sehen kann, schüttle ich den Kopf. „Du hast überhaupt keine Ahnung, wie es ist, ein Leben in Armut zu führen, aber sprichst davon. Du hast da keine Wachen, die dich schützen. Dein Mann wäre dein einziger Schutz. Deine dämlichen Schmuckstücke, müsstest du verkaufen, um überhaupt etwas zum Fressen zu haben. Und was willst du deinen Kindern bitte bieten?"
Ich gehe wieder zu meinem Bett. Dort ziehe ich mich aus und lege mich hin. Alisea hat wirklich keine Vorstellung, wovon sie da spricht. Als ob sie dieser Schönling überhaupt versorgen hätte können und dazu noch schützen. Sie lebt in einer Traumwelt!
Natürlich erwidert sie darauf nichts und ich lege den Schlüssel unter mein Kopfkissen. Obwohl ich nicht glaube, dass sie so dumm ist und den Schlüssel suchen wird. Und wenn doch, dann werde ich sie einfach erneut fesseln und dieses mal die ganze Nacht am Haken hängen lassen!
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