146 - Überrumpelt
Nachdem Lestat weg ist, ziehe ich die Bettwäsche ab und werfe sie in den Eimer, den ich extra geholt habe. Den ganzen Tag bin ich damit beschäftigt, die Wäsche zu waschen, da Lestat in den letzten Tagen viel geschwitzt hat. Die großen Tücher hänge ich über die Möbel und lasse etwas Platz am Schreibtisch frei, um weiter das Logbuch abzuschreiben.
Während Lestat krank war, konnte ich viel daran arbeiten, sodass es schon fast zur Hälfte fertig ist. Ich hatte gehofft, dass ich schneller bin. Vermutlich wird er heute Abend wieder in seinem Logbuch schreiben wollen. Oder besser gesagt, auf einem losen Zettel.
Am späten Nachmittag räume ich die Schreibsachen weg, da die Tücher mittlerweile trocken sind. Also beziehe ich das Bett neu und lasse mich anschließend erschöpft auf die Chaiselongue fallen, auf der ich die letzten Tage geschlafen habe. Sehr zum Undank meines Rückens, der mich nun täglich daran erinnert, dass dieses kurze Sofa nun mal kein Bett ist.
Mein Blick fällt auf den Weinkrug und ich schenke mir noch etwas davon ein, während ich aus dem Fenster schaue. Es wird bald anfangen zu dämmern. Unglaublich, wie schnell die Tage derzeit vergehen.
Die Tür geht plötzlich auf, aber es ist nicht Lestat der hereinkommt, sondern Ote. Er schaut sich um. „Oh, ich dachte Lestat wäre schon da." Er macht aber die Tür dennoch von innen zu und kommt rein. „Was solls, dann warte ich eben. Wie geht es dir?" Er setzt sich auf den Stuhl vor Lestats Schreibtisch.
Ich schaue etwas irritiert zur Tür und dann zu Ote. Haben die beiden sich hier verabredet, um zu reden? Aber wo soll ich dann hingehen? Zudem verwirrt mich die Frage von Ote ein wenig. Wahrscheinlich will er sich nur die Zeit vertreiben, bis Lestat da ist. „Es war ein wenig langweilig die letzten Tage, aber eigentlich sollte ich mich darüber nicht beschweren." Besser Langeweile, als jetzt in einem Harem zu sein. Das hier ist tausend Mal besser. „Außerdem schnarcht Lestat nicht mal ansatzweise so laut wie du."
Otes Mundwinkel gehen nach oben. „Wenigstens hast du deinen Biss nicht verloren, das finde ich gut. Kein Wunder, dass Lestat dich so mag." Er setzt sich etwas bequemer auf den Stuhl und schaut zu mir herüber. „Lestat hat mir davon erzählt, was ihr vorhabt. Ich würde aber gerne wissen, wie du dazu stehst. Lestat ist wie ein Bruder für mich und ich werde ihn nicht ins offene Messer laufen lassen."
„Was wir vorhaben..." Ich nage kurz an meiner Unterlippe und bin mir nicht sicher, was Lestat erzählt hat. Das mit der Hochzeit kanner sicherlich nicht erwähnt haben. Aber wie viel weiß Ote über den Grafen Roux? „Es waren bisher nur ein paar Ideen, kein fester Plan, denke ich. Es ging vorrangig darum, dem Grafen ans Bein zupissen." Von Pepin weiß ich, dass Lestat wohl mit Ote über Roux redet. Aber ich sollte mich trotzdem bedeckt halten, das bin ich Lestat schuldig. Und ich erinnere mich nur zu gut, was passiert ist, als ich das letzte Mal mit Ote über den Grafen sprach.
Ote legt die Stirn in Falten und verschränkt die Arme vor der Brust. „Nur ein eine grobe Idee?Lestat sagte, dass er dich heiraten wird und du meinst, es ist nur eine grobe Idee? Also hast du dir noch gar keine Gedanken darum gemacht?"
Oh! Hat Lestat wirklich erzählt, dass er mich heiraten will? Dabei dachte ich, darüber sei das letzte Wort noch nicht gesprochen! Die Information überfordert mich gerade total, aber ich versuche, sachlich zu bleiben. „Naja, besser ihn ehelichen, als jemand anderen. Und besser, als seinen Vater zu heiraten allemal! Wenn ich nur daran denke, was sein Vater ihm angetan hat und dass mein Kind später Ähnliches durchmachen muss...Nein!" All die Peitschenhiebe, die er als Knabe ertragen musste. Und dann noch die Lüge, dass seine Mutter tot sei! Schrecklich! Dagegen ist das, was mein Vater mir antat, wahrhaft lächerlich. „Lestat ist kein Monster, sondern sein Vater ist eins!"
Ote fixiert mich nachdenklich und öffnet wieder den Mund, doch dann geht die Tür hinter ihm auf und er schaut zu Lestat. „Du bist ja schon hier. Enrico hat mich aufgehalten. Er wollte sich unbedingt die Wunde noch ansehen." Lestat schaut zwischen Ote und mir hin und her. „Habt ihr schon ohne mich angefangen zu reden?"
„Nur ein wenig", entgegnet Ote. „Pepin ist ja auch noch-"
Die Tür geht erneut auf und Pepin kommt herein. Er hat ein breites Grinsen im Gesicht. „Ich bin pünktlich, nicht wahr? Lestat war ja kurz vor mir."
Etwas irritiert sehe ich zu Lestat, der offensichtlich mit den beiden Männern sprechen wollte. Aber warum ausgerechnet hier? Wegen dem, was Ote angedeutet hat?
Pepin kommt auf mich zu und setzt sich neben mich auf die Chaiselongue. „Stört es dich, wenn ich hier sitze?"
Ich schaue etwas verwundert zu ihm herüber, allerdings ist es Lestat, der ihm einen bösen Blick zuwirft, weswegen Pepin nur noch breiter grinst. „Keine Angst, ich fass' deine Verlobte schon nicht an."
Verlobte?! Ich kann nicht glauben, was ich da höre und fühle mich völlig übergangen. Aber was soll ich schon von einem Mann erwarten? Als Frau habe ich nun mal kein Mitspracherecht, was die Wahl meines Ehemannes angeht.
„Will ich hoffen." Mit den Worten setzt sich Lestat auf den Schreibtisch. „Ich wollte mit euch bereden, wie wir jetzt weiter machen. Es geht uns alle etwas an."
Also nimmt Lestat das wirklich ernst, wenn er schon mit Ote und Pepin darüber gesprochen hat. Und die Tatsache, dass ich immerhin bei dem Gespräch dabei sein darf, sollte mich doch positiv stimmen, nicht wahr?
Ote lehnt sich etwas zurück. „Es gibt einen noch größeren Plan, außer die Hochzeit?" Dabei wirft er mir nur einen kurzen Seitenblick zu und schaut danach wieder zu Lestat, der direkt antwortet: „Die Hochzeit ist wohl das Erste, was wir hinter uns bringen sollten und erst danach ist es sinnvoll, mit meinem Vater in Kontakt zu treten. Es kann natürlich sein, dass er sich dann nicht darauf einlässt mich anzuerkennen, weil er viel zu viel Angst vor mir und meiner Rache hat."
Lestat schaut zu mir und fügt hinzu: „Das Risiko besteht. Wobei ich glaube, dass seine Geldgier überwiegt."
Ich denke vielmehr, dass es Lestats Geldgier ist. Deswegen will er erst die Hochzeit hinter sich bringen. Aber vielleicht kann ich Ote und Pepin von meiner Idee überzeugen. „Zudem ist da noch der Gedanke, dass wir einen Priester bestechen, der eine Heiratsurkunde von seinen Eltern ausstellt. Damit wäre Lestat der legitime Sohn und Erbe von Roux."
Pepin runzelt die Stirn. „Das wäre eine Hochzeit gewesen, von der aber niemand etwas mitbekommen hätte, was sehr unwahrscheinlich ist im Adel. Ich weiß nicht, ob er sich mit so etwas erpressen lässt, aber man könnte das parallel auch versuchen, sollte er sich auf euren Plan, ihn mit eurer Hochzeit zu überraschen, nicht einlassen."
Ote schaut in unsere Richtung und wirkt mürrisch. „Ich denke eher, dass Alisea kalte Füße bekommt und eh nicht den Mut hat, das hier durchzuziehen." Jetzt schaut er mich direkt an. „Deshalb hast du das mit der Heiratsurkunde doch vorgeschlagen, oder? Damit du raus bist!"
Kalte Füße...! Als ob! Ich habe schonPiraten ermordet! Allerdings geht es hier gerade um meine Zukunft! „Ja, natürlich. Roux ist sein Vater und ich habe zudem meine Gründe, nicht zu heiraten." Ich knete nervös meine Finger und versuche, ruhig zu bleiben. Es stört mich einfach, dass Lestat diese Sache mit Ote und Pepin besprechen will. Das ist doch nur eine Sache zwischen mir und Lestat! „Aber es ist eine Notwendigkeit, nicht wahr? Ich heirate Lestat, er bekommt sein Erbe und alles, was ihm seit seiner Geburt zusteht. Und darüber hinaus noch seine Rache. Danach kann er wieder mit euch segeln."
Alle Augen sind auf mich gerichtet und es herrscht plötzlich eine schreckliche Stille, bis sie Pepin mit einem Lachen bricht. „Ich habe dir doch gesagt, dass sie sicher nix dagegen hat, wenn du ab und zu mit uns segelst!"
„Eine Notwendigkeit", wiederholt Lestat. „Hmm... ja, so kann man es auch nennen."
Es kommt mir fast so vor, als ob ihn meine Worte getroffen hätten, so wie er mich ansieht, dabei sieht er dieses Arrangement doch auch bloß als ein Geschäft!
Ich schlucke schwer und schaue zu Pepin, um nicht weiter zu Lestat sehen zu müssen. Zudem ist da ja noch die Sache mit der gefälschten Hochzeit von Lestats Eltern. „Zudem wäre die Hochzeit seiner Eltern natürlich nicht öffentlich gewesen, immerhin war sie viele Jahre lang seine Mätresse. Der König würde allerdings diese Ehe anerkennen."
Lestat verschränkt die Arme. „Vielleicht sollten wir es einfach lassen und Alisea wieder zurück zu ihrem Vater bringen. Dann kann ich damit abschließen und wir sehen uns nie wieder."
Pepin schnauft und haut sich auf den Oberschenkel. „Du bist einfach nur eingeschnappt und das steht einem gestandenen Piraten wie dir nicht! Außerdem hast du doch auch die Gerüchte gehört, was Marchand seinen Männern befohlen hat!"
Lestat verzieht wütend das Gesicht und motzt Pepin an. „Bin ich nicht! Es geht überhaupt nicht darum."
„Oh doch! Du hast doch nicht erwartet, dass sie dir um den Hals fällt und dein Eheweib werden will, nach all dem was du ihr hier angetan hast. Dazu musst du dich schon ein bisschen mehr anstrengen, mein Freund!"
Ich presse die Lippen zusammen und sehe zu Lestat. Mittlerweile dachte ich wirklich, er kennt mich. Wenigstens ein wenig. Ich hatte gehofft, er respektiert meine Wünsche. Lestat hat mir ja nicht einmal einen richtigen Antrag gemacht und meint, es sei trotzdem alles offiziell! „Es ist nicht nur das, was Pepin sagt. Es steht alles in diesem Brief." Tränen steigen in meine Augen und ich wende schnell den Blick ab. „Ich dachte nur, wir bekommen auf diese Weise alle, was wir uns wünschen."
„Welchen Brief meinst du? Und was?", fragt Lestat begriffsstutzig.
„Mein Brief, Lestat! Du hast ihn doch gelesen, hast du gesagt. Du hast gelesen, warum-" Ich breche ab, denn ich frage mich gerade, ob er denn die Kernbotschaft von meinem Brief gelesen hat. Nun, gelesen hat er es wohl, aber offensichtlich nicht verstanden. „Das Versprechen, das ich meiner Mutter gab!" Ich will einen Mann heiraten, der mich liebt. Aber Lestat will mich nur benutzen, um an seine Rache zu kommen. Das hier ist für ihn doch auch nur eine Notwendigkeit und sein Gerede über Liebe war wirklich nur, weil er im Fieberwahn lag!
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