
Kapitel 5
Tsung brachte mich zu einem kleinen Hafen. Die Boote, die an den Stegen angebunden waren, waren alt. Sehr alt.
„Und diese Boote kommen sicher über das Meer?“, konnte ich mir nicht verkneifen. Tsung begann zu grinsen und konnte sich ein Lachen gerade noch verkneifen. Aber er antwortete nicht. Keine Antwort? Nö, ich bekam keine. Stattdessen ging er zielstrebig zu einem kleinen, alten, sehr kleinen Boot.
„Nami!“, rief er.
„Tsung.“ Wieder war es das einzige Wort was ich verstand, als der Rest in Chinesisch unterging. Geduldig stand ich abseits und lauschte den unbekannten Worten. Die Beiden schienen sich schon lange zu kennen und sich auch gut zu verstehen, denn sie grinsten und lachten während sie sich unterhielten. Tsung drehte sich schließlich um und winkte mich zu sich. Ich ging langsam auf die beiden zu, sah Nami vorsichtig an und wagte es nicht etwas zu sagen. Wieso ich auf einmal so auf den Mund gefallen war, wusste ich nicht.
„Vorhin warst du auch nicht so scheu. Was ist los?“, fragte mich Tsung belustigt. Ich zuckte mir den Schultern. Er wand sich wieder Nam zu. Ich verstand meinen Namen und sah Nami forschend an. Auch er musterte mich, wand sich wieder zu Tsung um und die beiden begannen zu diskutieren. Nach einiger Zeit nickte Nami, wenn auch zögerlich. Tsung neigte seinen Kopf vor seinem Freund und wand sich wieder mir zu.
„Nami hat zugestimmt, dich nach Korea zu fahren.“ Ich neigte den Kopf schief. Es hörte sich an als fehlte etwas.
„Aber?“
„Ich muss mitfahren, sagt er. er kann kein Englisch und du kein Chinesisch, was ein Problem werden könnte.“
„Gut. Wann fahren wir?“
Tsung begann zu grinsen: „Wir fahren, sobald ich meine Sachen geholt habe.“ Empört schnaubte ich auf.
„Das ist unfair. Immerhin habe ich nicht mehr als meinen Rucksack.“
„Nicht meine Schuld.“ Nami schien das ganze neugierig verfolgt haben und hatte anscheinend von meiner Reaktion, nämlich empört nach Luft zu schnappen wie ein Fisch auf dem Trockenen, ablesen können, wegen was wir diskutierten. Er lachte auf und sagte etwas zu Tsung. Nun war es an ihm, empört zu sein. Ich sah ihn fragend an.
„Er sagte, wenn du den Weg von Österreich hier her geschafft hast werde ich den Weg nach Korea auch ohne irgendetwas anderes schaffen können.“
Das brachte mich zum Grinsen: „Wo er Recht hat, hat er recht.“
„Komm du vorlautes Ding. Wir sehen lieber zu das wir dich so schnell wie möglich loswerden.“ Er schob mich Richtung Boot.
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Wir saßen vorne auf Deck und genossen den Fahrtwind. Ich hatte meine Augen geschlossen und lauschte den Wellen die an das Boot schlugen.
„Kannst du singen?“, fragte Tsung mich plötzlich.
Ich machte überrascht meine Augen auf: „Was?“
„Ob du singen kannst.“
„Ahm ich denke es geht?“
„Weißt du auch ob du singen kannst?“
„Ich glaube jeder kann singen. So gut wie jeder.“
Dabei dachte ich an meinen Vater der bei uns zu Hause ein striktes Singverbot hatte. Stille die nur vom Kreischen der Möwen unterbrochen wurde. Ich legte mich auf den Rücken und betrachtete den Himmel.
„Kannst du tanzen?“ Ich setzte mich wieder auf.
„Wieso fragst du das?“
Tsung zuckte mit den Schultern: „Schon mal was von Kpop gehört?“ Ich legte den Kopf schief und überlegte.
„Ich denke ich habe schon mal was davon gehört. Das sind meistens Boybands oder?“, fragte ich zögerlich.
Tsung nickte zustimmend: „Nicht nur Boygroups, sondern auch Girlgroups.“ Ich nickte und wagte es aus irgendeinem Grund nicht ihm in die Augen zu sehen.
„Singst du was für mich?“ Ich musste grinsen. Das erste Lied was mir einfiel war eine Ballade. So gut es ging sang ich das Lied, welches von der Sehnsucht nach den Bergen handelte. Als ich fertig war spürte ich ein schmerzliches Ziehen in meiner Brust.
„Schon mal über eine Kariere nachgedacht?“, fragte Tsung und sah mir geradewegs in meine Augen. Ich begann zu lachen, doch verstummte als ich seinen ernsten Blick sah.
„Du machst Witze.“ Er schüttelte den Kopf.
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Das sanfte Schaukeln des Bootes weckte mich, zwei Tage nachdem Tsung mir die Idee mit einer Kpopband in den Kopf gesetzt hatte. Ich stand gähnend auf und musste feststellen, dass ich nicht mehr so ein Morgenmuffel war wie zuvor. Ich stand viel leichter auf und war auch nicht mehr so gereizt wie früher.
„Guten Morgen“, sagte ich gut gelaunt auf Chinesisch (ich hatte einige Phrasen während den zwei Tagen dazu gelernt auch auf Koreanisch).
„Gut geschlafen?“, begrüßte mich Tsung freundlich. Ich nickte und nahm dankend die dampfenden Tasse Tee in die Hand.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass die jemanden nehmen würden, der nur Zumba gemacht hat?“ fing ich wieder einmal mit dem Thema an.
Tsung lachte auf: „Da hab ich dir wieder Flausen in Kopf gesetzt hm?“ Ich nickte und nippte vorsichtig am Tee, wobei ich mir meine Lippen verbrannte.
„Ich würde sagen wenn du Koreanisch ein wenig besser beherrscht, ich meine so gut, dass dich jeder versteht, könntest du doch einmal fragen. Kostet ja nichts oder?“, antwortete Tsung.
„Aber ich bin nicht Sprachenbegabt. Ich kann nach sechs Jahre nicht einmal richtig Italienisch“, brummte ich.
Er sah mich überrascht an: „Wie es scheint hast du aber keine Probleme mit Chinesisch. Und Koreanisch kannst du auch schon ein wenig.“ Tsung zwinkerte mir zu.
„Jetzt tu nicht so, ich habe schon das ein oder andere Schimpfwort auch Koreanisch gehört“, schmunzelte er. Uh verdammt. Ich hatte mir angewöhnt asiatische Ausdrücke in meine Alltagssprache einzubringen.
„Kann gut sein.“ Er neigte grinsend den Kopf und trank von seinem Tee. Kurz darauf waren wir auf Deck und genossen die Sonne.
„Also…“ Tsung lachte auf. Er begann mir die Sprache zu erklären und ich hörte ihn aufmerksam zu. Alle meine Lehrer wären froh gewesen, wenn ich in ihren Stunden auch so aufmerksam gewesen wäre. Tja koreanisch war interessanter. Immer wieder fragte er nach ob ich alles verstanden hatte, sagte mir Wörter und prüfte kurz darauf ob ich sie noch wusste. Koreanisch lernte ich schneller als italienisch. Ob das wohl daran lag, dass mir Koreanisch gefiel?
Vermutlich. Gelegentlich bestand Tsung darauf eine Pause zu machen um meinem Gehirn ein wenig zu helfen. Als wir am Abend beim Essen saßen, schaffte ich es sogar auf seine Fragen zu antworten.
„Siehst du? Und du sagtest noch, dass dir Sprachen nicht liegen“, sagte Tsung gutgelaunt.
„Ich wünschte nur in der Schule wäre es mir so leicht gefallen.“
„Na hör mal. In der Schule hast du höchstsens eine Stunde am Tag. Wir haben heute fast den ganzen Tag durch gelernt.“
„Stimmt auch wieder. Mich wundert es das mein Kopf noch nicht in Rauch aufgegangen ist.“
„Hast anscheinend einen Dickschädel.“
Ich nickte breit grinsend. Jap, den hatte ich schon seit ich ein kleines Kind war. Immerhin war mein Sternzeichen Widder. Widdergeborene waren immer schon eine der stursten. Hieß es angeblich.
„Und wie soll ich es anstellen, dass man mich überhaupt vorsprechen lässt? Also vorsingen, oder was immer man da machen muss“, fragte ich ihn.
„Gute Frage.“ Ich sah ihn erwartungsvoll an doch er sprach nicht weiter.
Die Türe ging auf und Nami kam herein. Er sagte etwas zu Tsung und verschwand dann wieder.
„Er sagt das wir vermutlich noch drei bis vier Tage brauchen werden, da er vom Kurs abgekommen ist.“ Ich nickte nur.
„Wir bekommen das schon irgendwie hin, versprochen“, sagte Tsung aufmunternd.
„Jinjja?“, fragte ich ihn.
„Wirklich. Und die drei, vier Tage die wir länger brauchen können wir dein Koreanisch verbessern.“ Ich neigte dankend den Kopf.
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