33 | Eskalation im Schreibwarengeschäft
┊┊BANNERS - Someone To You┊┊
"Musst du wirklich schon gehen?" Jedes meiner Wörter wird unterbrochen, weil Daniel mich zwischen den Worten küsst.
Wir stehen im Türrahmen der Haustür und verabschieden uns. Seit einer halben Stunde. Die Schmetterlinge in meinem Bauch halten sich an ihm fest und wollen ihn wieder ins Haus zerren. Nicht, dass ich das nicht auch möchte, aber früher oder später wird das Ganze hier unschön enden. Spätestens wenn Papa uns so sieht.
"Ja, das muss er. Wenn ihr so weitermacht, rufen die Nachbarn die Polizei. Hier wohnen Kinder, Herrgott!" Papas Stimme lässt uns auseinanderspringen. Ich springe so energisch von Daniel weg, dass ich mit dem Kopf gegen den Türrahmen knalle, was wieder absolut typisch ist.
Papa lacht und auch Daniel kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dieser Verräter. Sein schiefes Grinsen lässt meine Knie schwach werden und ich schlage mir innerlich auf den Kopf. Hannah, was ist nur los mit dir?
Daniel gibt mir einen weiteren Kuss. "Bis bald, Hannah. Schlaf gut."
"Gute Nacht, Daniel", sage ich leise.
"Ja, gute Nacht, Daniel", ruft Papa und lässt mich ein weiteres Mal zusammenzucken.
Ich sehe ihm nach, wie er in sein Auto steigt und mir noch einmal zum Abschied winkt.
"Hannah, Hannah, Hannah." Ich drehe mich um und sehe Papa mit einem Grinsen den Kopf schütteln.
Verlegen beiße ich mir auf die Unterlippe. Er hätte mich nicht so sehen dürfen. "Was denn, liebster Papa auf der ganzen Welt?", frage ich gespielt unschuldig.
Sein Grinsen wird noch breiter, auch wenn ich dachte, dass das nicht mehr geht. Doch entgegen aller Erwartungen schweigt er nur und geht wieder in unser Haus. Schnaubend schließe ich die Tür.
"Lass mich nicht so stehen, Papa. Warum grinst du jetzt so?" Ich stemme die Hände in die Hüfte und blockiere ihm den Weg. Er zieht seine Augenbrauen hoch und grinst noch immer.
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich mal so sehen würde", sagt er nur und will sich an mir vorbeischieben. Aber nicht mit mir!
"Wie meinst du das? Dass du mich wie siehst?", möchte ich wissen.
"Verliebt."
Nun gelingt es ihm, sich an mir vorbeizuschieben. Stumm bleibe ich im Flur stehen und lehne mich an die Wand. Die armen Wände, die uns Menschen immer wieder stützen müssen - und wer stützt sie?
Ich bin wirklich in Daniel verliebt. Heissapopeia! Wo soll das nur hinführen? Ich werde ihm das Herz brechen - und nicht nur ihm. Auch mein Herz wird brechen. Dieser beschissene Deal. Dieser beschissene Nils. Ich könnte ihm den Hals umdrehen. Oder wie Stefan und Damon ihm das Herz aus der Brust reißen. Wie kann man nur einem anderen Menschen so etwas antun? Was habe ich ihm denn nur getan, dass er mir das antut? Und was zur Hölle sieht Felix in ihm, dass er sich zu ihm hingezogen fühlt? Genervt schlage ich mit dem Kopf gegen die Wand, um den Gedankensturm in meinem Kopf zu beschwichtigen. All das sind Dinge, die ich jetzt nicht ändern kann. Ich werde mich morgen darum kümmern. Oder wann anders. Wann anders klingt gut. Jetzt ist es Zeit für mein Bett. Ich höre es schon rufen. Fast so laut wie unsere Nachbarin wenn sie wieder im Garten herumschleicht.
Mein letzten Gedanken vor dem Einschlafen sind voller dummer Schmetterlinge und Daniels Küssen. Ich glaube, es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich mit einem bescheuerten Lächeln auf den Lippen einschlafe.
Ida und ich stehen im Schreibwarenladen, der erstaunlich leer dafür ist, dass es hier alles gibt, was das Schreiberherz begehrt. Viele Notizbücher, Sticker, Washi Tape, Stempel, Stifte - einfach alles. Glücklich sehen wir uns um. Ich betrachte kurz den Aussteller mit Stempeln, als Ida mich zu den Notizbüchern zieht.
"Die hier sind bestens geeignet", quiekt sie und drückt mir ein schwarzes Notizbuch in die Hand, auf dessen Cover 'Leuchtturm1917' steht. Interessiert betrachte ich es.
"Was bedeutet 'Dotted'?", erkundige ich mich.
"Dass die Seiten nicht leer sind, sondern sich Punkte darauf befinden. Die sind - meines Erachtens - für die Gestaltung von Layouts einfach sehr wichtig", erklärt Ida mir und greift nach einem pinken Leuchtturm-Buch.
Die verschiedenen Farben sprechen mich persönlich zwar an, aber wenn es um einen Kalender geht, möchte ich es so schlicht wie möglich halten. Deswegen bin ich mit einem schwarzen Buch sehr zufrieden.
"Zeigst du mir dann Layouts? Ich höre zum ersten Mal von so Dingen wie 'Bullet Journal'. Und ich habe absolut keine Ahnung, wie man das gestaltet oder was man da macht."
"Aber natürlich zeige ich dir das. Nachdem du mir von dem Abend mit Daniel erzählst." Ida grinst und verschwindet zwischen den Regalen.
"Da gibt es nichts zu erzählen", flüstere ich und sehe sie mahnend an.
Ida lacht. "Glaub ich nicht. Schon allein bei der Erwähnung seines Namens glitzern deine Augen verräterisch und deine Wangen werden rot."
"Werden sie gar nicht!", quietsche ich und halte mir das Notizbuch vor mein Gesicht.
Sie zieht mir das Buch aus den Händen. "Du magst ihn, oder?" Neugierig sieht sie mich an.
Ich seufze. Ergeben nicke ich und widme mich den Stiften hinter Idas Rücken. "Ja", sage ich schlicht und betrachte interessiert einen Kugelschreiber.
Auch den nimmt Ida mir aus der Hand, dreht mich zu sich um und sucht meinen Blick. "Hannah. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist in ihn verliebt."
Mein Gesichtsausdruck muss wohl Bände sprechen, denn Ida quietscht laut durch den Laden. "Oh mein Gott! Oh mein Gott! Du bist in ihn verliebt?" Sie schüttelt mich wie einen Milkshake oder wie eines dieser ekelhaften Proteinpulvershakedinger.
"Ida!", ermahne ich sie.
"Sag schon. Jetzt sag es, ich will es hören!" Sie springt inzwischen wie ein Flummi durch den Gang und ich bin sehr froh, dass wir alleine in dem Laden sind.
"Wir haben uns geküsst, okay? Und er ist toll. Und er hat das alles nicht verdien-", ich unterbreche mich. Ida weiß ja gar nichts von dem dummen Deal.
"Was hat er nicht verdient? Wenn du jetzt wieder damit anfängst, dass du nicht gut genug für ihn bist und er was Besseres verdient hast, dann schwöre ich dir beim Bullet-Journal-Gott, dass ich dich mit diesem Kugelschreiber erdolche!" Ihre Augen funkeln wütend und ich trete einen Schritt nach hinten.
"Okay, ja, ich bin schon still."
"Nein, du bist jetzt nicht still. Du erzählst mir jetzt alles ausführlich, verdammt!"
Also erzähle ich. Denn Ida, mit einem Stift in der Hand und der ausgesprochenen Drohung, sollte man nicht unterschätzen. Ich würde ihr zutrauen, dass sie ihre Drohung umsetzt.
Einige Stunden später sitzen wir, bewaffnet mit unseren Notizbüchern, Stiften, Washi Tape und Stickern im Café. All unsere gekauften Utensilien liegen vor uns verstreut auf dem Tisch. Nachdenklich trinke ich einen Schluck von meinem Cappuccino und betrachte Idas Layout. Sie malt Kästchen in die sie die einzelnen Wochentage schreiben wird, wie sie mir erklärt hat. Und um die Kästchen herum sollen grüne Farnblätter sein. Da ich die Kombination aus Weiß und Grün sehr mag, bin ich ein bisschen neidisch, weil ihr Werk aussieht wie ein Kunstwerk. Ich dagegen sitze noch immer vor weißem Papier und starre vor mich hin.
"Vielleicht machst du auch so Felder für die Wochentage? Und wie wäre es mit einem Platz für eine To do-Liste?" Ida schnappt sich ihr Handy und zeigt mir ein Bild von einem Bullet Journal.
Da mir nichts anderes einfällt, zeichne ich das Bild - mit einigen Änderungen - ab, so gut es geht.
"Das wollte ich schon lange mal mit dir machen, Han." Ida sieht mich mit einem Lächeln an.
"Was genau?", erkundige ich mich und sehe wieder auf meinen Kalender, dessen Wochenlayout endlich Form annimmt.
"In einem Café sitzen und ein gemeinsames Hobby entwickeln. Wir könnten das, zum Beispiel, ja auch jeden Sonntag machen und die kommende Woche zusammen planen und gestalten, wenn du magst?" Sie trinkt einen Schluck von ihrem Kakao und streicht sich eine Strähne ihres Haares hinter die Ohren.
Ich nicke. "Ja, sehr gerne, Ida. Dann haben wir auf jeden Fall einen Tag in der Woche an dem wir uns regelmäßig sehen."
"Das klingt gut." Sie hält mir ihre Tasse entgegen und ich stoße mit meinem Cappuccino an, um unseren Deal zu besiegeln. "Und weißt du, was noch gut klingt?" Interessiert betrachtet sie jetzt wieder ihren Kalender.
Sie hat wieder Quatsch im Kopf, das sehe ich allein an der Art, wie ihr Mund zittert, ehe sie mit den Worten herausplatzt.
"Ein Date zu viert. Mit Max und Daniel. Die beiden freunden sich immer mehr an, da wäre es doch eine super Idee, wenn wir was zu viert machen. Was sagst du? Antworte!" Sie rammt mir ihren Ellbogen in die Seite.
"Mensch, Ida! Fast hätte ich meine Wochenübersicht verkackt und nur, weil du Pute mir deinen spitzen, knochigen Ellbogen in die Seiter rammen musst." Wütend sehe ich sie an. Doch sie sieht so schuldig aus, dass meine Wut sofort wieder verfliegt und ich sie beschwichtigend ansehe. "Ein Date zu viert? Wie in so einem kitschigen Hollywoodstreifen?"
"Ja, das wird bestimmt toll. Und die beiden verstehen sich ja gut, nicht wahr? Dann können wir auch mal zu viert in den Urlaub. Und Ausflüge machen. Und ins Kino. Und - oh mein Gott, das ist so großartig, dass wir gleichzeitig eine Beziehung haben und sich unsere Freunde verstehen und ich freu mich so, das ist alles so aufregend. Daniel ist ein echt guter Mensch, wie mir scheint und das hast du echt verdient. Ich freu mich so sehr für dich, Hannah. Du bist meine beste Freundin und ich liebe dich und ich habe dir einfach so sehr jemanden gewünscht, der dich auch so sehr liebt und das mit Daniel? Mensch, das könnte was Großes werden. Er sieht dich immer so an. Wie Stefan und Damon Elena immer angesehen haben. Ich -"
"Ida", unterbreche ich sie und drücke ihr meine Hand auf den Mund. Du weißt nicht, was ich weiß, Ida. Denn wüsste sie es, dann würde sie all das nicht sagen. Dann würde sie mich wütend ansehen und mir die Krätze an den Hals wünschen. Oder die Pest. Oder Nils. Ich habe Daniel nicht verdient.
Um meine Traurigkeit zu verstecken trinke ich einen weiteren Schluck Cappuccino, verstecke mich hinter meinen Haaren und male ganz konzentriert an meinem Layout weiter.
"Hannah?" Ida streicht mir die Haare hinter mein Ohr. "Bitte sag nicht, dass du dir jetzt wieder einredest, nicht gut genug für ihn zu sein. Denn das bist du, Hannah. So sehr. Ich sehe, wie er dich ansieht, und du bist ihm wichtig. Ich weiß das. Und wenn jemand jemanden wie Daniel verdient hat, dann du, Hannah. Und wage es nicht, etwas anderes zu behaupten." Streng sieht sie mich an und streichelt mit ihrem Daumen über meinen Handrücken.
Und bevor ich es aufhalten kann, passiert es. Wortkotze. "Ich hab' Scheiße gebaut, Ida."
Erschrocken sieht Ida mich an. Doch ehe sie großartig darauf reagieren kann, werden wir von einer altbekannten Stimme unterbrochen.
"Na, Ladies, alles fit im Schritt?"
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