13 | Netflix & Chill.
┊┊Gym Class Heroes: Stereo Hearts ft. Adam Levine┊┊
Wir sitzen im Auto, in eigenartiges Schweigen gehüllt. Die Stille erdrückt mich regelrecht. Der Duft der Pizza ist inzwischen vollkommen verflogen und es riecht nach unausgesprochenen Worten. Ob er meinen Angstschweiß riechen kann? Nilpferde riechen bestimmt total streng und komisch und überhaupt nicht anziehend. Essen riecht anziehend. Oh ja. Und Daniel riecht auch anziehend. Ich mag sein Parfum. Oder ist es sein After Shave? Was ist überhaupt der Unterschied zwischen Parfum und After Shave bei Männern? Ich finde es toll, wenn sie gut riechen. Hach ja.
"Ich muss dich das jetzt fragen, auch wenn du das vielleicht nicht beantworten willst. Aber ... warum bist du abgehauen, ohne 'Tschüss' zu sagen, Hannah?" Daniel legt seine Hände auf das Lenkrad und tippt darauf rum. Das Geräusch macht mich wahnsinnig. Fragend und abwartend sieht er mich an.
"Ähm." Sehr kluge Aussage, Hannah. Wirklich. Sehr klug.
"Ja?" Er zieht die Augenbrauen hoch.
"Mir ist ... äh ... eingefallen, dass mein Herd noch an war. Nämlich."
Daniel grinst und schüttelt den Kopf.
Ich seufze. "Na gut. Irgendwie habe ich Panik bekommen, als ich realisiert habe, dass ich neben dir eingeschlafen bin. Das ist mir schon länger nicht mehr passiert." Ich wische über das Armaturenbrett und habe irgendwie Schwierigkeiten ihn anzusehen.
"Okay. Okay. Ich dachte, ich hätte die Krätze. Du hättest es vielleicht auch einfach sagen können. Du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen, Han Solo." Er zwinkert mich an.
"Ja, das stimmt wohl." Ich beiße mir auf die Lippe und betrachte unser Haus. "Also ... danke für's nach Hause bringen, Daniel."
Ich greife nach der Türklinke.
"Hannah." Seine Stimme ist lediglich ein Flüstern.
"Ja?" Ich sehe ihn abwartend an.
"Kann ich deine Handynummer haben?" Ein schüchternes Lächeln stiehlt sich auf sein Gesicht.
Was ist, wenn er damit Mist baut und sie jemandem verkauft oder so? Aber irgendwie weiß ich, dass er das nicht tun würde. Also sage ich: "Ausnahmsweise." Hoffentlich bereust du das nicht.
Daniel lacht, drückt mir sein Handy in die Hand und ich gebe meine Nummer ein. Kurz überlege ich, wie ich mich einspeichere und entscheide mich schließlich für Han Solo. Sein Lachen füllt das Auto und hüllt mich ein. Ich schnalle mich ab und steige aus, als mir einfällt, dass ich den Pizzakarton im Auto vergessen habe. In der Zeit, in der ich mir den Karton schnappe, ist Daniel ausgesteigen und um das Auto gelaufen. Kurz nachdem ich die Autotür geschlossen habe, wird die Hausstür aufgerissen und mein wütender Vater steht im Türrahmen. Ich schlucke.
"Hannah Lorena! Was zum Teufel fällt dir ein? Wozu gebe ich dir Hausarrest, wenn du dich in der Nacht dann doch wieder davonstiehlst? Haben Regeln für dich denn überhaupt keine Bedeutung mehr? Komm sofort ins Haus, Hannah, ehe ich mich komplett vergesse! Jetzt!" Papas Stimme bebt vor Wut und ich werfe einen kurzen Blick auf Daniel.
Ehe ich überhaupt irgendetwas sagen kann, ist Daniel einen Schritt vorgetreten und streckt meinem Vater nun die Hand hin. Gespannt beobachte ich die Szene, die sich vor meinen Augen abspielt. Ich brauche Popcorn. Irgendwie hätte ich gerne Popcorn.
"Daniel Roth, Sir. Ich bin ein Freund Ihrer Tochter und habe ihr Pizza vorbeigebracht." Seine Stimme ist fest und zittert nicht - im Gegensatz zu meinen Händen, die den Karton so sehr umgreifen, dass er davon Dellen bekommt.
Perplex schüttelt Papa ihm die Hand und mustert mich, mit der Pizzaschachtel in der Hand. "So so", sagt er nur und zieht seine Augenbrauen hoch.
"Ja, ich hab sie schon aufgegessen. Sie war sehr lecker, Papa. Guck", sage ich hektisch und reiße den Karton auf. Ich kann Papas Blick nicht deuten, also versuche ich mich an meinem unschuldigsten Lächeln und klimpere mit den Wimpern. Wie bescheuert das aussehen muss.
"Gut, ich muss dann auch wieder fahren." Daniel tritt neben mich und sieht mich kurz an.
"Danke für die Pizza und so", entgegne ich leise.
"Ich warte im Haus auf dich, Hannah. Daniel, war schön, dich kennenzulernen."
"Gleichfalls, Sir."
"Und hör' bitte auf, mich 'Sir' zu nennen. 'Gott' reicht." Sein leises Lachen verstummt, als er hinter der Haustür verschwindet, die er anlehnt.
Grinsend schüttle ich den Kopf und wende mich Daniel zu. "Sorry, mein Papa ist immer etwas pseudolustig. Ich lache eigentlich nur, damit sein Selbstwertgefühl nicht in den Keller geht. Aber er selbst hält sich für die lustigste Person auf der ganzen Welt."
Daniel erwidert mein Grinsen und schüttelt den Kopf. "Mein Papa war auch immer so."
"War?", frage ich, ehe ich mich und meine Neugier zurückhalten kann.
Sein Gesicht wird nur ein bisschen von der Straßenlaterne vor unserem Haus beschienen, dennoch erkenne ich den Schatten, der über sein Gesicht huscht. Ups, Hannah. Dein vorlautes Mundwerk. Wie immer.
"Ja, war. Gut, Hannah. Ich fahr jetzt. Schlaf gut."
"Entschuldige. Ich bin manchmal einfach viel zu neugierig. Komm gut nach Hause. Schreibst du, wenn du angekommen bist?" Nervös beiße ich auf meiner Unterlippe und tippe mit den Fingernägeln auf dem Karton herum. Bitte sei nicht sauer. Verdammt, warum ist es mir so wichtig, dass er nicht sauer ist? Grummelnd fahre ich mir durch die Haare.
"Alles gut. Und ja, mache ich." Er zwinkert und dreht sich um. Ehe er in das Auto steigt, winkt er mir noch einmal kurz zu. Ich warte, bis ich die Rücklichter seines Autos nicht mehr sehen kann und gehe in das Haus.
Papa sitzt im Wohnzimmer auf unserer beigen Couch und klammert sich an ein Buch. Die Uhr über ihm zeigt mir, dass es bereits nach Mitternacht ist. Als Papa meine Schritte hört, legt er 'Die Bibel nach Biff' auf die Seite und sieht mich an.
"Woher kennst du diesen jungen Mann?" Papa legt den Kopf etwas schief und wartet.
"Aus der Disco, letzte Woche", antworte ich leise. Als wäre meine Stimme unter einer Glocke gefangen.
"Warst du bei ihm, als du erst am nächsten Morgen nach Hause gekommen bist?" Kurz mischt sich etwas Vorwurfsvolles in seine Stimme. Wahrheit oder Lüge? Wahrheit oder Lüge?
"Ja, Papa." Ich setze mich neben ihn auf die Couch und mustere den Teppich.
"Magst du ihn?" Er sieht mich von der Seite an.
"Ich weiß es nicht. Ich kenne ihn kaum."
"Pass auf dein Herz auf, Hannah. Vesprich mir das. Ja?"
Eine Wärme aus Zuneigung erfüllt mich und ich lehne meinen Kopf auf Papas Schulter.
"Ja, Papa. Versprochen." Wenn du nur wüsstest, wie sehr ich auf mein Herz aufpasse. Ich lasse nur Pizza in mein Herz. Und Ida. Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange und begebe mich in das Badezimmer. Müde und gleichzeitig wahnsinnig aufgewühlt lasse ich mich in mein Bett fallen. Bevor ich einschlafe, werfe ich noch einen Blick auf mein Handy, um zu sehen, ob Daniel sich bei mir gemeldet hat. Hat er. Nachdem ich seine Nummer eingespeichert habe, antworte ich ihm.
Daniel: Ich bin gut heimgekommen. Schlaf gut, Han Solo. ;)
Hannah: Danke für's Bescheid geben. Schlaf du auch gut, Dantan. :3
Den Sonntag verbringe ich in meinem Bett, mit meinem Laptop auf dem Schoß, Schokolade neben mir und Netflix als Programm. Hannah, wir machen 'Netflix & Chill'. Kann man das auch alleine machen? Ich schaue gerade die zehnte Folge Supernatural und himmle Dean an, als mein Handy klingelt. Wer unterbricht mich beim Deangucken? Gespannt greife ich nach meinem Handy. Es ist Ida. Endlich. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.
"Hey Brunhilde, was geht?"
Ida verschluckt sich und ich höre ihr die erste Zeit einfach nur beim Husten zu.
"Soll ich auflegen und du rufst nochmal an, wenn du dich beruhigt hast? Dann kann ich die Zeit nutzen, um Dean weiteranzuschmachten." Ich kann ein Lachen kaum unterdrücken. Unterdrück' dein Nilpferdlachen, Hannah. Ida schlachtet dich ansonsten. Vielleicht stopft sie dich dann auch aus und stellt dich ins Naturkundemuseum.
"Sehr lustig, Hannah", entgegnet sie röchelnd. "Ich bin gleich fertig."
"Du bist gleich fertig? Das ist wie, wenn man sagt, dass man gleich fertig gespielt hat. Woher weiß man, dass man bald fertig ist mit Husten? Woher weiß man, dass man bald fertig ist mit Spielen? Woher weiß man das?"
"Hannah." Idas Stimme ermahnt mich und ich stoppe meine Wortkotze.
"Sorry, Häschen. Also, wie geht es dir?" Ich schnappe mir meine Schokolade und beiße in den Riegel.
"Schmatz nicht so laut, ich ertrage das Geräusch nicht, Frollein."
"Ich liebe dich auch, Idaleinchen. Was für eine Laus ist dir über die Leber gelaufen?" Ich lege den Riegel zurück auf die Bettdecke und fahre die bunten Blumen meiner Bettwäsche nach.
"Hannah, ich glaube, das mit Max und mir wird nichts. Irgendwie zieht er sich so zurück. Vielleicht ... vielleicht sollte ich mich deiner Pizza-Philosophie anschließen."
"Schatz, nein. Ich bin mir sicher, dass Max dich mag. Nur weil die Liebe bei mir schreiend davonläuft, heißt das ja nicht, dass das bei dir auch so sein muss, okay?"
"Aber er meldet sich nicht mehr." Ida seufzt.
"Okay. Das ist scheiße. Aber wenn du Kontakt mit ihm willst, dann schreib ihm. Woher soll er wissen, dass du mit ihm schreiben möchtest? Soll er das riechen?"
"Aber er ist dran mit antworten", entgegnet sie aufgebracht und ich sehe ihre fuchtelnden Hände direkt vor mir.
"Ja, schön. Schreib ihm. Jetzt", murre ich sie an.
"Na gut. Bleibst du kurz dran?", fragt sie leise.
"Aber sicher, Mrs. Kicher."
Ida lacht und ich höre, wie sie auf ihrem Handy herumtippt. "Gut, abgeschickt. Wie steht es mit dir und Blauauge?"
Kurz blitzt sein Blau vor meinem inneren Auge auf und auf mein Gesicht stiehlt sich ein leises Lächeln.
"Du lächelst", platzt sie heraus. Verdammt. Hat sie Kameras in meinem Zimmer installiert oder woher weiß sie das?
"Nö", antworte ich nur.
"Du lügst." Sie kichert.
"Du nervst", maule ich.
"Ich weiß, Hantan. Aber genau deswegen liebst du mich doch so unendlich."
Ich seufze. "Also gut. Ich habe ja meinen Schlüssel bei ihm vergessen und ihn gestern Abend geholt. Daniel hat mich nach Hause gebracht und wir haben Nummern ausgetauscht. Aber ich weiß nicht, was das ist. Du kennst ja meinen Kodex. Und daran wird sich sicherlich nichts ändern."
"Auch keine blauen Augen? Bist du dir da sicher, Hannah?"
"Natürlich", sage ich stur.
Das Problem ist nur - so sicher bin ich mir inzwischen gar nicht mehr.
Damned, Janet.
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