05 | Han Solo.
┊┊ Stanfour - Hearts without a home ┊┊
Durchfallauge starrt über meine Schulter und ich sehe wieder hinter mich. Es ist Blauauge, der sich nun hinter mir aufgebaut hat und ihn wütend anfunkelt.
"Und du bist?", knurrt Duchfallauge wütend und verliert dabei einige Liter Spucke, die sich auf dem Boden verteilen. Mh, lecker. Danke, aber geduscht habe ich heute eigentlich schon.
"Ein Mann mit Anstand", erwidert Blauauge, schiebt mich sanft aber bestimmt zur Seite, sodass er vor mir steht. Er verschränkt die Arme und ich sehe seine Muskeln tanzen. Der dürfte seine Muskeln auch für mich alleine tanzen lassen.
"Kennst du sie? Oder warum führst du dich hier so auf?" Durchfallauges Spucke verteilt sich weiterhin auf dem Boden, als er spricht. Er versucht angsteinflößend zu gucken. Aber er versagt auf ganzer Linie. Irgendwie ist es ja schon fast süß, wie er es versucht. Wie ein Kind, das einem Angst machen will. Okay, wobei. Ein Kind macht einem schon Angst, wenn es so guckt. Vor allem nachts.
"Sagt derjenige, der unser Geschlecht mit seiner Existenz gerade gehörig in den Dreck zieht."
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und starre auf Blauauges Rücken. Okay, er spricht schön. Schöner als Durchfallauge auf jeden Fall. Warum sind kluge Männer nur immer gleich so viel heißer? Und sein Rücken ist eindeutig heiß. Heißer als heiß. Was ist eigentlich heißer als heiß? Verdammt. Du denkst zu viel.
"Pass auf was du sagst, Alter." Durchfallauge rückt näher und steht mit seinen Schuhen nun in seiner Spuckepfütze. Ja, da gehörst du hin.
"Warum? Kannst du dich verbal nicht duellieren? Wir können das hier auch gerne anders klären." Blauauges Hände werden zu Fäusten und seine Arme spannen sich an, als ihm jemand eine Hand auf die Schulter legt.
"Daniel, lass gut sein."
Blauauge sieht kurz zur Seite, auf den Schrank neben ihm. Durchfallauge sieht nun hektisch zwischen Blauauge und Schrank hin und her. Er atmet schnell und aufgeregt, wie ein Fisch an Land. Vielleicht ist er ja auch ein Fisch. Aber selbst das wäre eine Beleidigung für die Fische.
"Ihr seid doch scheiße", schreit der Durchfall und rempelt uns zur Seite. Irritiert starre ich kurz auf die Stelle, die nun leer ist, und werfe dann Blauauge einen Blick zu.
"Danke", sage ich leise und fühle mich neben seinem Schrankfreund und ihm plötzlich ziemlich klein. Ich füge hinzu: "Den hätte ich aber auch alleine fertig gemacht."
Die beiden grinsen und werfen sich einen kurzen Blick zu. Der Schrank kratzt sich kurz am Kopf. Nach einem kurzen Nicken verschwindet Schrank und lässt uns alleine.
"Darf ich dir ein Bier ausgeben - oder was auch immer du so trinkst? So als Dank?" Ich bin ja so nett. Wow.
"Ich trinke heute nichts Alkoholisches. Aber eine Cola, wenn du möchtest."
"Wie brav", sage ich grinsend. Albern, Hannah. Sehr albern. Du bist einfach peinlich. Aber doch ein bisschen lustig.
"Nur heute", entgegnet er und grinst zurück.
Ich bestelle die Cola und starre kurz auf das abblätternde Holz der Theke. Toll, worüber reden wir jetzt? Jetzt steht er hier und fühlt sich verpflichtet, bei mir zu stehen. Schwachsinn, Hannah. Er soll froh sein, dass er überhaupt neben dir stehen darf.
Er mustert mich von der Seite und ich erwidere seinen Blick, woraufhin er seinen Kopf schief legt. Fragend und abwartend sehe ich ihn an.
"Daniel."
"Hannah. Aber mein Spitzname ist - meistens - Han." Ich deute auf mich und komme mir vor wie bei Tarzan und Jane.
"Han? Wie Han Solo?"
"Wer ist solo?"
Entgeistert sieht er mich an und ich würde ihm seine Verwirrung am liebsten aus dem Gesicht streichen.
"Han Solo? Star Wars?"
"Wer war's?"
Seine Kinnlade fällt auf den Boden und ich kann mir das Lachen nicht mehr verkneifen.
"War nur ein Scherz."
"Ich hätte dir ansonsten gleich die Cola ins Gesicht geschüttet."
Jetzt sind es meine Gesichtszüge die entgleisen.
Er zwinkert. "War nur ein Scherz."
Als ich etwas entgegen möchte, sehe ich Ida auf uns zusteuern. Zwei Sekunden später steht sie nach Atem ringend vor mir. Hat sie so viel getanzt oder was ist los?
"Han, ich muss nach Hause. Mama hat mich angerufen, ein kleiner Notfall. Max bringt mich nach Hause. Willst du mit oder fährst du dann später alleine?" Ein Notfall. So so. Ich sehe zwischen ihr und Max, der einige Meter entfernt steht, hin und her.
Ich sehe Daniel an, der die tanzende Menge betrachtet. Bevor ich großartig darüber nachdenken kann, hat sich mein Mund schon selbstständig gemacht.
"Ich bleibe." Ich drücke ihr den Chip für ihre Jacke in die Hand.
Ida wirft einen Blick zu Daniel, der der nun ein Lächeln auf den Lippen hat, und grinst mich wissend an. Sie drückt mich kurz an sich und flüstert mir ins Ohr: "Gut. Viel ... Spaß. Lass' es krachen, Hantan." Hantan. Dein Ernst?
Ich winke ihr zum Abschied und sehe ihr hinterher, als sie mit Max durch die Tanzmasse verschwindet.
Okay, Entscheide, Hannah. Willst du mit ihm mit? Also, falls er dich überhaupt mitnehmen möchte. Gott, du bist so bescheuert. Entscheide dich, soll er deine Narben sehen oder nicht?
"Alles gut, Han Solo?" Daniels Stimme holt mich wieder zurück.
"Äh ja. Klar. Klar wie Kloßbrühe." Man möchte meinen, du bist der deutschen Sprache nicht mehr mächtig.
"Gut. Trinken wir jetzt endlich?"
Ich lache. Toll, Hannah. Jetzt vertreibst du ihn mit deinem Nilpferdlachen.
Daniel legt den Kopf schief und ein Lächeln stiehlt sich auf sein Gesicht, während er mir zuprostet.
"Was ist?", frage ich verwirrt und angespannt, weil ich schon ahne, was für ein Kommentar kommt.
"Ich mag dein Lachen", entgegnet er und schmunzelt. Was?
Ich verschlucke mich an meinem Gin Tonic und bekomme kaum Luft. Ja, super. Nilpferdlachen und ein Röcheln wie ein Dementor. Harry Potter, ich komme!
"Deines ist auch nicht schlecht." Wow, Hannah. Flirten kannst du. Nicht.
"Ich weiß", sagt er nur und sieht mich über den Rand seines Glases an. Ich schüttle meinen Kopf. Seine Augen sind wie Magneten und ich kann nicht aufhören, zu starren. Er übt diese gewisse Anziehung aus, der ich mich einfach nicht wehren kann. Wäre es sehr dreist, wenn ich ihn frage, ob wir verschwinden?
"Wollen wir verschwinden?" Verdammt, Hannah. Denk doch einfach einmal darüber nach, bevor du deinen Mund aufmachst! Er ist bestimmt ein Mörder, der dich jetzt verschleppt. Und seine Sturmaugen und sein Goldlächeln sind nur seine Masche, möglichst viele Opfer anzulocken. Verdammte Axt.
"Han Solo, du hast es aber eilig." Er grinst und leert sein Glas.
"Sorry. Mein Mund ist manchmal einfach schneller als mein Hirn."
Daniel mustert mich von oben bis unten und scheint zu überlegen. Hallo? Überlege nicht so lange. So ein tolles Angebot wie mich bekommst du nicht mehr so schnell. Meine Damen und Herren, heute, nur für Sie! Han Solo, im Angebot!
Ich muss lachen, ob meiner bescheuerten Gedanken. Das wiederrum veranlasst Daniel zu grinsen und ich wünsche mir gerade nichts anderes, als mit ihm zu verschwinden. Was nicht unbedingt bedeutet, dass ich mit ihm im Bett landen möchte. Aber es wäre ein netter Nebeneffekt.
"Und was möchtest du machen, wenn wir hier gehen?" Neugierig sieht er mich an.
"Äh. Reden. Und so." Ich trinke meinen Gin Tonic aus und stelle das leere Glas auf den Tresen.
"Und so. So so."
Unter seinem Blick werde ich nervös. Und das hasse ich. Warum, verdammt nochmal, hat er so einen Einfluss auf mich? Konzentriere dich, Hannah. Du musst drüber stehen. Du schaffst das. Du bist eine starke, unabhängige Frau.
Eine Frau, die Männer nicht so sehr hasst, dass sie komplett auf sie verzichten könnte. Ach verdammt. Er ist so anziehend. Und auch ein bisschen ausziehend. Aber er sagt nichts. Warum sagt er nichts? Dann gehe ich halt wieder. Okay.
"Naja, wenn du nicht möchtest, dann verschwinde ich wieder auf die Tanzfläche. Adios Amigo!"
Ich drehe mich um und möchte an ihm vorbei, doch seine Hand, die sich sanft - aber bestimmt - um mein Handgelenk legt, hält mich davon ab. Er hat schöne Hände. Sie sind groß, ein bisschen rau, aber warm - und sie sehen stark aus.
"Ich könnte ein Mörder sein." Wie schön. Das macht mir jetzt keine Angst oder wie?
"Tja, dann habe ich Pech gehabt."
Er lacht. "Du bist faszinierend."
"Warte mal, bis du den Rest von mir kennst." Oh Gott, Hannah. Das hast du jetzt nicht gesagt, oder? Am liebsten würde ich mir die Hand ins Gesicht schlagen und im Boden versinken. Flirten kannst du heute einfach nicht.
Aber statt mich auszulachen, sieht er mich nur an und entgegnet: "Ich kann es kaum erwarten."
Ich lehne an der Wand und warte auf Daniel, der unsere Jacken abholt. Ist das klug, wenn du das jetzt machst? Du musst morgen zu Felix und dieses dumme Referat machen. Aber da ich nie übernachte, ist das machbar. Möglicherweise muss ich dann ein bisschen länger wach bleiben. Aber das bekommst du schon hin. Du bist ja jung. Felix wird sich vermutlich nicht so freuen.
"Hier bin ich wieder." Daniels Stimme ist angenehm tief und rau.
Als ich ihm die Jacke abnehmen möchte, hält er sie mir so hin, dass ich hineinschlüpfen kann. Oh, ein Gentleman. Dabei steht er schließlich so dicht hinter mir, dass ich seinen warmen Atem am Hals spüren kann. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut und muss mich zurückhalten, nicht laut aufzuseufzen. Ich drehe mich um und wir stehen uns plötzlich nahe. Sehr nahe. Sein Blick springt von meinen Augen zu meinen Lippen. Ich möchte ihn küssen. Mir ist plötzlich so heiß.
"Lass uns von hier verschwinden, Han. Ich möchte hier raus."
Er hält mir die Tür auf, durch die ich aufgeregt trete. Und zusammen verschwinden wir in der Nacht.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro