Siebtes Kapitel
Hitze breitet sich aus. Orangene Flammen züngeln und versengen das Stroh um mich herum. Ich kann meine Umgebung nur vage ausmachen, meine Sicht verschwimmt. Alles dreht sich und meine Lunge fühlt sich an wie zugeschnürt. Dichter Rauch umwölkt meinen ausgelaugten Körper, hüllt alles ein. Ich huste, doch nur ein klägliches Röcheln dringt aus meiner Kehle.
»Chloe!« Dumpf nehme ich das schrille Wiehern wahr. Die Stimme kenne ich irgendwoher. Mein Gehirn arbeitet langsam und hinter meinen Schläfen spüre ich schmerzhaftes pochen.
»Cassandra«, hauche ich schwach, versuche erbärmlich meine brennende Mähne zu löschen.
Da spüre ich wie mich jemand mir festem Griff an der Schulter packt und über den, mit glühender Asche unerzogenen, Boden schleift. Schlaff lasse ich es mit mir geschehen.
Tanzende Sternchen tauchen vor meinem Sichtfeld auf und der Hintergrund färbt sich schwarz. Mein Bewusstsein schwindet von Sekunde zu Sekunde mehr. Wie in Zeitlupe erblicke ich schreiende Pferde, Blaulicht und Feuer, dann werde ich endgültig ohnmächtig.
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Weißes, gleißendes Licht blendet meine müden Augen, als ich sie aufschlage. Ich kann noch immer kaum etwas erkennen. Mein Schädel brummt unangenehm. Bei jedem Atemzug fährt ein stechender Schmerz durch meine Brust, was mich zusammenzucken lässt. Mein ganzer Körper fühlt sich heiß und verletzt an.
»W-Wo bin ich?«, wiehere ich leise. Ich kann mich nur Schemenhaft an den Vortag erinnern. Langsam habe ich mich an die Helligkeit gewöhnt. Um mich herum kann ich einen, bis auf ein paar Betten leeren, Raum erkennen. In dem Bett neben mir liegt ein etwas älterer, grauer Hengst, der an etliche Kabel angeschlossen ist und nur noch ganz flach atmet.
Bin ich etwa in einem Krankenhaus? Aber warum? Was ist passiert? Ich kann mich nur noch an das Treffen mit Flash erinnern. Doch was habe ich danach gemacht? Wieso bin ich hier?
»John!« Schluchzend stürmt plötzlich eine zerzauste Friesenstute herein, die ich nicht kenne. Sie beugt sich über den grauen Hengst und drückt ihr Gesicht in seinen Hals. Es muss wirklich schlimm um ihn stehen.
Auf ein Mal fliegt die Tür ein weiteres Mal auf und Danny kommt mit, auf dem glatten Boden schlitternden, Hufen vor mir zum Stehen.
»Himmel sei Dank bist du aufgewacht«, seufzt er mit einem erleichterten Lächeln und drückt seine Stirn auf meine.
»Was ist passiert, Danny?«, frage ich mit immer noch etwas verwirrter Miene.
»Du bist auf dem Heuboden eingeschlafen, ein Blitz ist eingeschlagen und es hat angefangen zu brennen. Cassandra hat sich nur mühevoll da raus zerren können. Du bist nochmal mit einer mittelschweren Rauchvergiftung und Verbrennungen zweiten Grades davongekommen. Es wird wohl eine Weile dauern, bis das Fell wieder vollständig nachgewachsen ist.«
Ich schaue an mir herunter. Tatsächlich finde ich einige rote Brandflecken auf meinem Körper vor. Allerdings scheint zumindest mein Gesicht und der Großteil meiner Mähne unversehrt geblieben zu sein. Nur ein paar Strähnen in der Nähe des Wiederrists stehen verkohlt in alle Richtungen ab.
»Wie geht es dir und den anderen?« Mit besorgter Miene mustere ich meinen Bruder, kann jedoch keine Verletzungen an ihm entdecken.
»Alle sind wohl auf«, beschwichtigt er mich. »Die Wiederaufbauarbeiten der Scheune laufen auch bereits. Wir können froh sein, dass nicht noch mehr angebrannt ist.«
Erleichtert nicke ich. »Das ist gut. Wann kann ich wieder nach Hause?«
»Morgen schon. Aber nur, wenn du im Bett bleibst und dich auskurierst.«
»Und wer übernimmt so lange meine Gruppe?«, harke ich enttäuscht nach.
»Ich.« Stolz schwillt ihm die Brust. »Lumina wird das sicher gefallen«, fügt er noch hinzu.
Ich ziehe die Augenbraue hoch. »Hast du Fortschritte mit ihr gemacht?«
Sofort senkt er verlegen den Kopf. »Wir haben uns ein paar mal verabredet...«
»Und, wie läufts?« Grinsend stupse ich ihn an.
»Nun ja... Eigentlich recht gut. Ich glaube sie stet auf mich.«
Plötzlich klingelt das Handy des Buckskins und er zieht es nüsternrümpfend hervor.
»Hallo?«
Gespannt spitze ich die Ohren. Gedämpft höre ich auf der anderen Seite der Leitung: »Geht es ihr gut?«
»Ja, Cassandra. Alles ist in Ordnung«, antwortet Danny der Stimme. Bei dem Namen »Cassandra« schnappe ich aufgeregt nach Luft. Sie macht sich Sorgen um mich!
Da fällt mir alles wieder ein, was vor dem Brand passiert ist: Flash hat mir bei unserem »Date« erzählt, dass es ihr nicht gut geht, weil sie unglücklich verliebt ist. Ich wollte daraufhin unbedingt wissen, wer es ist, doch ihr Cousin hat nicht mit der Sprache rausgerückt. Also bin ich niedergeschlagen auf den Heuboden gekrochen und dort eingepennt.
»Wer kann es nur sein?«, frage ich mich mit grübelnd schief gelegtem Köpf.
»Was?« Danny schaut mich verwirrt an. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich es laut ausgesprochen habe.
»Cassandras Crush«, erkläre ich, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt sich über solche Dinge Gedanken zu machen.
»Wie kommst du denn jetzt darauf?« Er wackelt noch immer irritiert mit den Ohren.
»Weil... Ähm... Flash hat mir davon erzählt...«, stottere ich etwas verlegen. Irgendwie ist es mir peinlich, dass ich mich tatsächlich in eine Stute verliebt habe. Selbst vor meinem Bruder. Ich glaube, ich muss mich erst noch an meine neu entdeckte Orientierung gewöhnen.
»Vielleicht ja ich!« Scherzend wirft er seine Mähne zurück und versucht sexy zu gucken. Dabei sieht er zwar eher aus wie ein gestrandeter Pottwal, aber der gute Wille zählt.
»Das wage ich zu bezweifeln«, lache ich. Jedoch geht es direkt in einen krächzenden Hustenanfall über. Blöde Rauchvergiftung. Wahrscheinlich werde ich dank ihr nie mehr richtig atmen können.
Leicht besorgt tätschelt Danny meinen Rücken, bis sich meine Lunge wieder einigermaßen beruhigt hat.
»Ich glaube ich sollte langsam mal wieder zurück fahren. Das Programm mit den Fohlen geht gleich weiter«, seufzt er mit einem Blick auf die Uhr. »Morgen holt dich dann wahrscheinlich irgendjemand ab.«
Ich nicke und verabschiede mich mit einer Umhalsung. »Bis dann.«
»Tschau.« Schweifwedelnd verlässt er den Raum. Dabei muss er sich an einer Horde Ärzten vorbei schlängeln, die offenbar zu dem, noch immer ächzenden, grauen Hengst neben mir, wollen. Die fremde Friesenstute macht ihnen jammernd Platz und läuft mit Tränen in den Augen in meine Richtung.
»Er wird sterben!« Wiehert sie mir so emotional zu, dass ich mir auch bereits das Wasser über das Gesicht laufen spüre.
»Was ist mit ihm?«, frage ich nach, um sie ein wenig abzulenken.
»Er hat das Mittel einfach getrunken. Ich habe ihm gesagt, dass es noch nicht ganz ausgereift ist, aber wir hatten keine Testpersonen mehr«, kommen nur zusammenhangslose Worte aus ihrem Maul.
In diesem Moment läuft einer der Ärzte auf uns zu. Ein weißer Hengst mit trauriger Miene. »Es tut mir so schrecklich leid Mrs Winters. Die Reanimation ist fehlgeschlagen. Seine inneren Organe waren von der Säure schon zu stark beschädigt.«
Schreiend rennt die Stute zu ihrem Gefährten und Ströme von Tränen ergießen sich über sein graues Fell.
»Es muss schrecklich sein ein Pferd zu verlieren, das einem so wichtig ist.« Mit leerem Blick beobachte ich das Schauspiel.
Selbst nachts lässt mich das grausame Bild der kreischenden Stute und dem ächzenden »John Winters« nicht los und mein Körper zuckt im Traum qualvoll hin und her. Ich hoffe, dass mir etwas ähnliches niemals passieren wird.
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