Sechstes Kapitel
Ungeduldig sitze ich im »Lumina's« und warte auf Flash. Das Café ist wirklich schön. Kleine, runde Tische stehen herum und bunte Girlanden hängen an den Wänden. Farblich ist alles in eher helleren Tönen gehalten, was eine freundliche Atmosphäre zu Folge hat.
»Wo bleibt der nur?« Grummelnd schaue ich auf meine silberne Uhr. »Schon viertel nach vier!«
Vielleicht hat Danny es ja doch nicht geschafft seinen Zimmergenossen von dem Treffen zu überzeugen. Aber er hat mir heute morgen versichert, dass die Verabredung steht. Womöglich ist Flash ja was dazwischengekommen. Abschätzig schnaubend fixiere ich die hübsche Glastür des Lokals. Was fällt diesem Hengst ein mich hier schmoren zu lassen?
Genau in diesem Moment schwingt die Tür auf und der Schwarzbraune kommt herein. Er wirkt etwas abgehetzt und schaut sich suchend um. Als ich ihn so sehe kommt mir die Galle hoch. Ich empfinde einiges für ihn, aber Liebe ist es nicht. Eher das komplette Gegenteil. Doch woher der Hass gegen ihn kommt, kann ich mir nicht erklären.
Ein lautes: »Hier bin ich du Trottel!« kann ich mir nicht verkneifen.
Flash fährt zu mir herum und glotzt mich aus irgendeinem Grund komplett verwirrt an. »C-Chloe, was machst du denn hier? Wo ist Cassandra?«, stammelt er überfordert.
»Cassandra?!« Ich springe wütend auf und marschiere mit angelegten Ohren und geblähten Nüstern auf ihn zu. »Warum sollte Cassandra hier sein?«, frage ich forschend.
Er schaut verdutzt drein. »Danny hat doch gesagt, dass sie sich hier mit mir treffen will. Er meinte, dass sie mir etwas wichtiges mitzuteilen hat.«
Ich stutze. »Danny hat dir das erzählt?« Ungläubig schaue ich ihn an.
»Ja.« Flash nickt heftig. Er tänzelt auf seinen weißen Beinen nervös hin und her. Dem zierlichen Vollblüter ist meine Anwesenheit sichtlich unangenehm.
Ich ziehe die Augenbraue hoch. Danny hat aber tief in die Trickkiste greifen müssen, um mir dieses sogenannte »Date« zu besorgen.
»Wo ist denn nun Cassandra?«, harkt der noch immer vor mir Stehende nach.
»Die hat dich wohl versetzt«, behaupte ich mit einem triumphierenden Blick. »Die Kleine hängt scheinbar lieber mit anderen Hengsten ab«, lege ich noch eine Schippe drauf.
Flash beginnt mich aus dem Café zu schieben. Er will wohl nicht von allen Pferden hier angestarrt werden.
»Wieso sollte Cassandra mit Hengsten abhängen?«, fragt er, als wäre es das Ungewöhnlichste auf der Welt, dass Stuten in unserem Alter etwas Derartiges tun.
»Was weiß denn ich? Mit dir hat sie sich ja auch getroffen!« Langsam wird es mich echt zu bunt. Alles muss man ihm aus den Nüstern ziehen.
»Mit mir?« Ungläubig blinzelnd steuert er eine Parkbank an und lässt sich darauf fallen.
Ich baue mich vor ihm auf. »Mit wem denn sonst? Ich hab euch doch gesehen, auf dem Heuboden!«
Er reißt erstaunt die Augen auf und schaut mich daraus böse an. »Erstens hatte das rein gar nichts zu bedeuten und zweitens geht es dich absolut nichts an, mit wem ich mich warum auf dem Heuboden treffe!«
»Seid ihr also nicht zusammen?«, frage ich in scharfem Tonfall.
Ungläubig schaut Flash zu mir hoch. »Ich bin ihr Cousin!«
»Was?!« Perplex starre ich ihn an. Dann waren er und Cassandra nie zusammen gewesen und haben nur so einen enge Bindung, weil sie verwandt sind! Wie Danny und ich! Wie aus dem Nichts ist meine Wut auf den Schwarzbraunen mit der blitzförmigen Blesse verflogen. Eine ungewöhnliche Leichtigkeit erfüllt mich und mein heftig pochendes Herz beginnt Glückshormone durch meine Blutbahnen zu pumpen.
Da durchfährt es mich wie ein Blitz: Ich habe mich tatsächlich verliebt! Aber nicht in Flash oder irgendeinen anderen Hengst. Nein. In das wunderbarste Pferd, dass je einen Huf auf diese Erde gesetzt hat: Cassandra.
Jetzt ergibt alles Sinn: Das schmerzvolle Gefühl, als ich sie mit ihrem Cousin auf dem Heuboden gesehen habe, mein Zusammenbruch im Eröffnungskreis und auch die nicht endenden Gedanken, die sich stets um die Friesenstute drehen. Liebe. Das ist wahrhaftig das allererste Mal, dass ich sie wirklich in allen Fasern meines Körpers empfinde. Nie zuvor wurde ich von solch einer heftigen Welle an Emotionen überrollt.
»Alles okay bei dir?«, reißt mich Flash aus meinem Chaos der Erkenntnis.
Ich spüre heiße Tränen über mein Gesicht rollen. Tränen der Freude. »Ja, ich bin gerade nur so unendlich glücklich«, hauche ich verträumt.
»Worüber?« Mit schief gelegtem Kopf blickt er mich an. Er hat ein ähnlich geheimnisvolles Schimmern wie Cassandra in den Augen.
»Dass du und Cassandra doch nicht zusammen seid«, sage ich ohne zu überlegen und beiße mir sogleich erschrocken auf die Lippen. Das hätte ich ihm nicht erzählen sollen.
Meine Wangen laufen knallrot an. »Wieso trefft ihr euch überhaupt so häufig?«, wechsle ich schnell das Thema.
»Ach weißt du,« Er seufzt. »In letzter Zeit ist Cass etwas durch den Wind...«
Meine Scham ist verflogen. Besorgt schaue ich ihn an. »Inwiefern?«
»Nun ja... Ich soll es eigentlich niemandem sagen, aber ich denke ich kann dir vertrauen...«
Heftig nicke ich und spitze die Ohren.
»Sie hat sich verliebt.« Es ist ihm anzusehen, wie schwer es ihm fällt das auszusprechen.
Für den Bruchteil einer Sekunde setzt mein Herz aus. Was wenn sie genauso empfindet wie ich? Doch dann holt mich die Realität wieder ein. Wer verliebt sich schon in Chloe? Bis jetzt jedenfalls noch niemand. Nichtmal ein Hengst.
»In wen denn?!«, rutscht es mir aufgeregt heraus.
»Das werde ich dir lieber nicht verraten.« Verschwörerisch zwinkernd steht er von seiner Bank auf und schreitet davon, mich vor dem Café zurücklassend.
Völlig fertig schaue ich ihm nach. Warum hat er mir so merkwürdig zugezwinkert?
Mein Herz klopft immer noch wie wild in meiner Brust. Langsam mache auch ich mich auf den Rückweg zum Hof. Die ganze Zeit kann ich an nichts anderes als Cassandra denken. Wie hat Flash sie nochmal vorhin genannt? Cass. Gefällt mir.
Als ich mich durch das Hoftor bewege, steuere ich unterbewusst die Scheune an. Wie in Trance klettere ich die Leiter zum Heuboden hinauf. Von meiner Höhenangst ist nichts zu spüren. Ich atme in tiefen Zügen den frischen Wiesenduft des Heus ein. Insgeheim hoffe ich die Friedenstute hier oben zu treffen.
Mit taumelnden Schritten schleppe ich mich in Richtung der großen Öffnung vorne an der Scheune und lasse mich in das weiche Stroh sinken.
Ich muss einfach wissen in wen Cassandra verliebt ist, koste es was es wolle. Und wenn ich dabei draufgehe, ich muss es erfahren. Egal wie. Auch wenn mein Leben dann vermutlich zerstört sein wird, weil sie meine Liebe niemals erwidern kann. Wer kann es nur sein?
In diesem Moment fallen meine Augen zu. Schwärze umhüllt mich in ihrer tiefen Dunkelheit. Es ist keine faszinierende, warme Dunkelheit, wie die in »ihren« Augen, sondern bedrohliche, kalte Dunkelheit. Als würde ein Sturm aufziehen, der uns alle vernichten wird...
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