Drittes Kapitel
Ächzend und schwitzend hieve ich eine weitere Gabel Mist auf die rostige Schubkarre, die Siggy mir gegeben hat.
»Lektion eins: Ausmisten!«, brüllt er durch den Stall und beobachtet unsere Arbeit, während er mit geschwellter Brust hin und her stolziert und mit kritischem Blick unsere Arbeit beobachtet.
Samanta hat es nicht einmal geschafft auch nur einen Haufen der Schafsköttel zu entfernen und steht immer noch quengelnd davor: »Ich will das nicht machen! Das stinkt!«
Auch wenn ich ihr in letzterer Ansicht zustimme, finde ich ihr Verhalten übertrieben. Die eingebildete Stute wird mir von Minute zu Minute unsympathischer. Mit gerümpften Nüstern und schmerzendem Rücken schicke ich ein genervtes Stöhnen zu ihr hinüber, was sie empört aufwiehern lässt. Mit einem verärgerten Schnauben lässt sie ihre Mistgabel fallen und fährt damit fort, unnötig herumzustehen.
Cassandra neben mir hat auch bereits Stroh in der Mähne und Schweißperlen auf der Stirn, hat aber im Gegensatz zu uns noch kein Wort der Klage verloren. Wenn ich es mir recht überlege, hat sie generell noch nicht viel gesagt. Die einzige Reaktion, die sie zeigt, ist ein stechender Blick ihrer tiefen, dunklen Augen. Sie ist ein Mysterium, das selbst für mich als Psychologin schwer zu durchschauen ist. Bei anderen Pferden fällt es mir für gewöhnlich eher leicht, mir eine Meinung über deren Verhalten und Leben zu bilden, aber Cassandra macht es mir durch ihre verschlossene und zugleich undurchdringbare Art ziemlich schwer. Sie scheint alle Reize aus ihrer Umwelt einfach abzublocken und auf eine völlig eigene Weise zu existieren.
Ich blicke zu ihr auf und es scheint, als würde sie jede meiner Bewegungen verfolgen. Ein kalter Schauer läuft meine Wirbelsäule hinab. Diese Stute macht mir in gewisser Weise Angst. Doch sie hat auch irgendetwas an sich, was mich fasziniert. Ich kann nicht sagen was es ist. Ob ihr geheimnisvolles Auftreten, ihr verschlossenes Wesen oder einfach nur dieses Schimmern in ihren Augen. Sie hat etwas an sich, was tief in mein Herz eindringt und es nichtmehr loslässt...
»Chloe!«, reißt Siggy mich unvermittelt aus meinen Gedanken. »Nicht nur im Mist herumstochern! Ihn aufsammeln sollst du!«
»Tut m-mir leid. Ich w-war gerade abwesend«, stammle ich überrumpelt und widme mich schnell wieder der Mistgabel.
»Soso...«, murmelt der Palomino abwesend und trabt schon wieder in Richtung der Scheune davon, wo sich die Hengsten befinden. Diese sollen dort gerade Heu abladen. Ein Knochenjob, wie ich von Diana weiß. Der arme Danny. Wahrscheinlich sitzt er schon jetzt irgendwo in einem Eck, weil er nicht mehr kann und Flash lacht ihn aus. Ich muss grinsen. Der sportlichste ist mein Bruder ja nicht gerade.
Schwerfällig schiebe ich meine mittlerweile volle Schubkarre durch den Hinterausgang nach draußen. Jetzt kommt die Herausforderung des Tages: Der Misthaufen. Schluckend bewege ich mich auf den riesigen Hügel zu, der sich an der Rückwand der Stallungen erhebt. Fliegen surren um ihn herum und die brennende Vormittagssonne macht es auch nicht weniger anstrengend. Langsam nähere ich mich dem Giganten. Der Gestank umwölkt mich und ich muss ein Würgen unterdrücken. So schnell ich kann bringe ich die Schubkarre in eine krumme Seitenlage, sodass die Schafsköttel an den Rand des Misthaufens plumpsen. Puh.
Erleichtert trotte ich wieder zurück zu Samanta und Cassandra. Die Friesenstute hat ihr Abteil des Stalles mittlerweile auch fertig gesäubert und übernimmt nun auch noch ohne zu murren das der, noch immer streikenden, Scheckstute. Augenverdrehend lege auch ich Huf an, nicht ohne Samanta einen leicht wütenden Blick zuzuwerfen. Doch das scheint sie garnicht zu interessieren. Stattdessen beginnt sie nun auch noch ihre Mähne einzuflechten und uns dabei bei der Arbeit zuzusehen.
Bereits nach kurzer Zeit ist tatsächlich der ganze Schafstall ausgemistet. Geschafft lehne ich mich an eine der hölzernen Abtrennwände und senke überhitzt den Kopf. Auch Cassandra lässt sich auf einen Strohballen neben mir fallen. Samanta dagegen stolziert stocksteif davon. Ich höre sie gerade noch ein verärgertes »Mir reicht's, ich geh' duschen!« schnauben, ehe sie um die Ecke biegt. Dabei hat sie nichtmal annähernd irgendetwas produktives geleistet.
»Nicht mal ein Wort des Dankes«, murre ich entnervt. Diese Zicke macht mich echt fertig.
»Manche Pferde sind eben in der Hinsicht einfach nicht zu gebrauchen.«
Erstaunt schaue ich Cassandra an. Hat sie gerade wirklich mit mir gesprochen?! Als wäre nichts gewesen, stochert sie in dem Strohballen herum.
»... Wo du Recht hast...« Auf unerklärliche Weise macht mich ihre Gegenwart nervös. Sie ist so unberechenbar. Mal stumm wie ein Fisch und mal redet sie mit solch einer Gelassenheit und Sicherheit, wie sie kein Zweiter zu besitzen scheint.
Nun erhebt sich die Rappstute wieder. Ihre Schulter streift dabei wie zufällig meinen Hals und ihre schwarz schimmernden Augen bohren sich in die Meinen. Die Berührung jagt Stromschläge durch meinen Körper und lässt mich zusammenzucken.
Als der Blickkontakt abbricht und sie mit wehender Mähne davoneilt, bin ich wie benommen.
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»Morgen treffen die Fohlen ein. Bis dahin gibt es noch viel vorzubereiten!« Siggy schreitet vor uns fünf Mitarbeitern auf und ab.
Wir haben es uns hinter der Scheune neben dem Garten gemütlich gemacht um uns bei einer kühlen Zitronenlimonade von Diana alles über die Tätigkeiten des Fohlen- und Jugendzentrums erklären zu lassen.
»Jedes Jahr bieten wir ein Freizeitprogramm an, bei dem die Fohlen eine Woche in Dreier- bis Fünfergruppen in den Hütten neben dem Haus wohnen. Morgen beginnt solch eine Woche. Je einer von euch wird eine der Gruppe leiten und mit ihr das geplante Programm durchführen. Diesmal mit dem Thema: Wald- und Wiesenabenteuer.«
Interessiert spitze ich die Ohren. Gruppenleitung. Auch mal interessant. Ich freue mich schon richtig, mit motivierten jungen Pferden zusammenarbeiten zu dürfen.
»Flash, du wirst Gruppe eins anleiten, Samanta Gruppe zwei, Cassandra Gruppe drei und Chloe Gruppe vier.« Einen Moment lang sieht er mich durchdringend aus seinen graublauen Augen an, doch dann wendet er sich wieder ab und spricht weiter. »Ich gebe euch gleich Unterlagen, mit denen ihr euch darauf vorbereiten könnt und erkläre euch alles nochmal etwas genauer.«
Ich schnappe aufgeregt nach Luft. Einen Tag hier und schon Leitung einer Fohlengruppe. Das kann ja heiter werden.
»Und was ist mit mir?« Danny hebt verwirrt den Kopf. Er fühlt sich wohl vergessen, da alle von uns eine Gruppe bekommen haben, nur er nicht. Auch die anderen werfen verwirrte Blicke um sich.
Siggy macht eine beschwichtigende Geste. »Keine Sorge. Du wirst zusammen mit Diana für die Küche und den Verbandskasten zuständig sein.«
Mein Bruder lächelt erleichtert. »Hört sich cool an!« Kochen war schon immer eine seiner Leidenschaften gewesen. Da muss er sich wenigstens nicht so viel bewegen.
Mit einem zwinkern wirft Siggy seinen flachsfarbenen Schopf zurück. »Gut, dann geh du am besten jetzt zu Diana. Sie wird dir Weiteres mitteilen.«
Vorfreudig schnaubend galoppiert der Buckskin in Richtung des Wohnhauses davon. Daraufhin dreht sich der Hofbesitzer wieder zu uns um. Er zieht einen Stapel fliederfarben eingebundener Mappen hervor und teilt jedem von uns Verbliebenen eine davon aus. »Hier steht alles drin, was ihr mit den Fohlen machen werdet und noch ein paar Zusatzinformationen über Wald und Co. Ich würde sagen nach dem Mittagessen habt ihr ein oder zwei Stunden Zeit, um euch das durchzulesen und dann putzen wie die Hütten und Außenwaschräume.«
Zustimmendes Raunen kommt von unserer Seite und er winkt uns mit einer Kopfbewegung ihm zu folgen.
Im trotz der Mittagshitze kühlen Haus angelangt, steigt mir der verführerische Duft des Eintopfs in die Nase. Danny und Diana sind bereits dabei, die bunte Pampe auf unsere Teller auszugeben.
»Na Chefkoch?«, witzle ich, was mir einen genervten, aber gleichzeitig stolzen Blick meines Bruders einbringt.
Nach dem köstlich bäuerlichen Mittagessen verschwinde ich nach oben in mein Zimmer. Cassandra hat sich wohl irgendwo draußen verkrochen, denn sie ist nicht hier.
Ich lege Siggys Mappe offen auf mein Bett und lese mir, während ich meinen Schrank, den Schreibtisch und ein Regal aufbaue, immer mal wieder einige der prägnanten Stichpunkte durch. So kann ich ganz einfach die Einrichtung des Raumes und das Lernen verbinden. Irgendwie erinnert mich das an meine Unizeit.
»Vielfalt in Wald und Wiese...«, murmle ich vor mich hin und räume dabei einige Bücher in das Regal ein. Das alles sind ganz neue Themen für mich. Bisher war ich schließlich nicht wirklich in der Natur unterwegs. Schon irgendwie traurig. Aber dafür ist es umso schöner, endlich hier auf dem Land zu leben und zu arbeiten. Ich freue mich schon tierisch auf die Zusammenarbeit mit den Fohlen. Mal sehen, ob ich tatsächlich für die Gruppenleitung geeignet bin. Grinsend stecke ich eines der Psychologiebücher in eine der hintersten Ecken des Regals. Vielleicht sollte ich mir in Zukunft ein paar Landwirtschaftsratgeber zulegen.
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