Montag, 5. Dezember - Kapitel 6
Am nächsten Morgen war es zur Abwechslung einmal der Wecker der Angie und Germán aus ihrem Schlaf riss. Aber nicht nur das war an diesem Tag anders. Die junge Frau musste ihrem Schwager gar nicht mit der Androhung von Gewalt aus dem Bett zerren sondern Germán stand ganz von alleine auf. Es war eine willkommene Abwechslung zu Angies üblicher Routine jeden Morgen und so fand sie sich schon zehn Minuten früher als sonst in der Küche wieder wo sie darauf wartete, dass ihr Freund mit der gemeinsamen Tochter herunter kam.
„Morgen", nuschelte eine verschlafene Violetta, die gerade in den Raum geschlurft war, während sie sich wie in Zeitlupe auf einen der Küchenhocker fallen ließ. „Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich dir", flötete Angie zurück und drehte sich dabei zur Theke um für ihre Nichte Kaffee zu kochen. Bei der viel zu guten Laune ihrer Tante hob das Mädchen langsam den Kopf von der Kücheninsel und musterte die junge Frau von oben bis unten. „Hattet ihr etwa schon wieder Sex?", erkundigte sie sich schließlich während sie die Tasse mit dem dampfenden Inhalt entgegennahm.
Verwirrt sah Angie ihre Nichte an. Wie kam Violetta denn jetzt darauf? Durfte sie nicht ausnahmsweise einmal gut aufgelegt sein? Sie freute sich doch bloß, dass Germán sich an diesem Morgen ausnahmsweise einmal nicht wie ein Kleinkind verhielt. Es war bloß schön einmal einen zweiten Erwachsenen im Haus zu haben. „Nein, wir hatten keinen Sex, Violetta", beantwortete die junge Frau die Frage ihrer Nichte mit einem leichten Kopfschütteln und fügte in Gedanken ein stummes „leider" hinzu.
Violetta schien davon jedoch noch nicht ganz überzeugt zu sein denn sie hob skeptisch eine Augenbraue. „Warum bist du dann so schrecklich gut gelaunt? Das ist kaum auszuhalten so früh am Morgen", hakte die Neunzehnjährige weiter nach und nippte dabei genießerisch an ihrem Kaffee. Eigentlich war ihr dieses Zeug immer zu bitter gewesen aber mittlerweile trank sie beinahe so viel davon wie ihre Tante. Wenn sie schon dabei war, warum antwortete ihr die junge Frau denn eigentlich nicht mehr?
Die Antwort war jedoch sehr schnell gefunden als Vilu dem Blick ihrer Tante durch den Raum folgte und sie dieser direkt zu dem einzigen Mann im Haus führte, der soeben mit Lillian am Arm die Küche betreten hatte. Natürlich war Angie wieder einmal dabei Germán anzuschmachten. Man sollte meinen, dass sich ihre Tante irgendwann an ihm satt gesehen hatte doch wann immer Violettas Vater den Raum betrat bekam die junge Frau noch größere, glänzende Augen. Wenn Angie nicht aufpasste würde sie noch zu sabbern anfangen, stellte Vilu innerlich grinsend fest.
Gleichzeitig war der Neunzehnjährigen jedoch auch mehr als bewusst, dass sie gar nicht so anders war als die Frau ihr gegenüber. Natürlich starrte sie nicht ihren Vater an aber wann immer León in der Nähe war nahm sie einzig und alleine ihn wahr. Es war als gäbe es ein magisches Band zwischen ihnen geflochten aus Liebe und Musik. Also sollte sich das Mädchen davor hüten Angie für ihr Verhalten zu verurteilen denn sie war nicht besser wenn es um ihren festen Freund ging.
Während Violetta noch immer tief in Gedanken versunken war hatte Germán längst die Küche durchquert und stand nun mit dem kleinen Mädchen am Arm direkt vor seiner Schwägerin. Lilly umklammerte wie immer ihren Stoff-Husky mit einer Hand während ihr Kopf auf der starken Schulter ihres Vaters ruhte. Wach zu werden war heute einfach viel zu anstrengend. „Ich glaube Lilly hat etwas erhöhte Temperatur", stellte Germán leise fest und strich dem kleinen Mädchen die blonden Locken aus dem Gesicht. Sofort stellte Angie ihre Tasse ab und nahm ihm die gemeinsame Tochter vom Arm.
Lilly hob kurz den Kopf und sah ihre Mutter aus halb geöffneten Augen an bevor sie die Arme um Angies Hals legte. „Wirst du krank, Babygirl?", fragte die junge Frau und legte ihrer Tochter vorsichtig eine Hand auf die Stirn. Tatsächlich! Germán schien Recht zu haben. Die Stirn des kleinen Mädchens fühlte sich ungewöhnlich warm an. Obwohl Angie leise sprach wimmerte Lillian beim Klang ihrer Stimme und drückte ihr Gesicht weiter in die blonden Locken die ihrer Mutter über die Schulter fielen.
Spätestens bei dieser Reaktion war die unausgesprochene Frage für die junge Frau geklärt. „Der Kindergarten fällt für dich heute auf jeden Fall aus, meine Kleine. Du wirst mit deinem Papá zu Hause bleiben", beschloss Angie leise und strich Lilly dabei behutsam über den Rücken. Überrascht sah Germán zu seiner Schwägerin auf. Er sollte mit ihrer Tochter zu Hause bleiben? Hatte er da nicht auch noch ein gewisses Mitspracherecht? „Angie, ich kann heute nicht zu Hause bleiben", warf er daher zögerlich ein.
Nun war es an Angie ihren Schwager aus großen Augen anzusehen. „Was soll das heißen? Warum kannst du nicht zu Hause bleiben? Du kannst doch genauso gut auch von hier arbeiten", hakte sie bestimmend nach und ließ dabei keinen Zweifel, dass sie ein nein nicht ohne weiteres akzeptieren würde. „Kannst du nicht zu Hause bleiben?", konterte Germán sofort. „Ich habe heute eine wichtige Präsentation der ersten Klasse da kann ich nicht fehlen", antwortete Angie und wiegte Lillian, die bei den lauten Stimmen ihrer Eltern wieder zu wimmern angefangen hatte, langsam hin und her.
Die Art und Weise wie sich ihre Erziehungsberechtigten gerade gegenseitig aus zusammengekniffenen Augen anfunkelten als würden sie jeden Moment eines ihrer Schreiduelle starten blieb natürlich auch Violetta nicht verborgen. Daher dauerte es nicht lange bis die Neunzehnjährige beschloss einzugreifen. Mit einem leisen Seufzen rutschte sie von ihrem Hocker und trat um die Kücheninsel herum auf ihre Familie zu. „Na komm, Lil. Ich gehe mal mit dir hoch und wir ziehen uns an", schlug Violetta hilfsbereit vor und nahm Angie kurzerhand die Kleine ab.
Kaum, dass die beiden Kinder den Raum verlassen hatte folgte auch schon der Streit, den die Neunzehnjährig bereits vorhergesehen hatte. „Kann Pablo nicht diese Präsentation für dich übernehmen? Er versteht das bestimmt", wollte Germán wissen und verschränkte dabei die Arme vor der Brust. Bevor sie antwortete griff Angie nach ihrem mittlerweile kalten Kaffee und nahm einen kräftigen Schluck. „Nein, Germán! Es ist meine erste Klasse und meine Präsentation! Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich bin Lehrerin! Pablo wird bestimmt nicht bewerten woran ich seit über einem Monat mit meinen Schülern arbeite!", fauchte die junge Frau ihrem Freund entgegen.
„Ich kann aber auch nicht zu Hause bleiben. Heute ist ein wirklich wichtiges Meeting. Dieses Projekt läuft nun schon sehr lange und ich würde es heute gerne beenden", konterte Germán weitaus ruhiger als es seine Schwägerin war. Gleichzeitig konnte er jedoch erkennen, dass Angie mit jeder verstreichenden Sekunde immer wütender wurde. Zum Teil konnte er sie auch verstehen doch das änderte nichts an der Tatsache, dass er an diesem Tag unter keinen Umständen zu Hause bleiben konnte und würde.
Angie schien seine Situation allerdings nicht wahrhaben zu wollen. „Schön! Wenn du nicht zu Hause bleiben kannst um für deine Tochter da zu sein wenn sie krank ist dann muss Lillian wohl oder übel mit mir ins Studio fahren! Vielen Dank für deine wundervolle Unterstützung, Germán! Ich hoffe sehr für dich, dass es dein Auftrag wert ist! Aber das ist mit deiner Arbeit ja immer so! Vielleicht solltest du dir einmal darüber Gedanken machen wie lange ich das hier noch mitmachen werde! Wir stecken in dieser Sache gemeinsam drinnen! Aber wenn du das nicht bald in deinen verdammten Sturkopf bekommst dann hoffe ich für dich, dass deine Arbeit dich genauso glücklich machen kann wie deine Familie denn dann bin ich vielleicht nicht mehr hier!", warf ihm die junge Frau an den Kopf, drückte ihm schließlich ihre leere Kaffeetasse in die Hand bevor sie auf dem Absatz kehrt machte und aus der Küche stürmte.
Im Studio angekommen steuerte Angie direkt auf das Lehrerzimmer zu. Sie musste ein ausgesprochen merkwürdiges Bild abgeben wie sie ihre schlafende, kleine Tochter in ihrer knallpinken Winterjacke auf dem Arm balancierte und versuchte zu verhindern, dass ihr dabei ihre Tasche von der Schulter rutschte. Erleichtert nickte sie einem Schüler zu der ihr freundlicherweise die Türe zum Lehrerzimmer öffnete sodass sie nicht noch weiter in Schwierigkeiten kam.
„Wie siehst du denn aus?", erkundigte sich Pablo lächelnd als er Angie durch die Tür kommen sah und eilte sofort herbei um ihr zu helfen. Dankbar erwiderte die junge Frau sein Lächeln als er ihr die Tasche abnahm und ihr anschließend dabei half ihre Jacke loszuwerden. „Lilly ist krank", stellte Angie mit einem leisen Seufzen fest als würde das ihr gesamtes Auftreten erklären. Auch Brenda stand mittlerweile direkt neben der jungen Frau und fing vorsichtig an das kleine Mädchen aus ihrer dicken Winterjacke zu befreien ohne, dass sie Lilly weiter von Angie lösen musste.
Bei der Aussage der jungen Frau sah Pablo sie fragend an: „Warum hast du nicht angerufen? Du hättest natürlich frei bekommen. Oder Germán hätte auf Lilly aufpassen können." Genervt verdrehte Angie die Augen und ließ sich mit ihrer Tochter auf einem der freien Stühle nieder. „Frag nicht warum Germán nicht auf sie achtet", brummte sie immer noch sauer auf ihren Schwager. „Angie, was tust du denn überhaupt hier? Fahr doch wieder nach Hause", warf nun auch die andere Frau ein und lächelte sie mitfühlend an.
Mit einem weiteren Seufzen schüttelte Angie den Kopf: „Ich habe in der zweiten Stunde eine Präsentation. Es ist das erste Mal, dass die neue Klasse selbst Songs geschrieben hat und diese vortragen muss. Das kann ich doch nicht einfach ausfallen lassen." Lächelnd schüttelten die beiden anderen die Köpfe. So war Angie nun einmal. Wenn sie einen Auftrag gab dann tat sie alles um diesen auch bis zum Ende mit zu betreuen. „Dann bleib wenigstens jetzt hier und lass mich deine erste Stunde übernehmen. Brenda und ich würden mit der Band der Jungs ein paar Aufnahmen machen aber das kann sie bestimmt auch alleine machen", schlug Pablo vor und wurde von seiner Freundin sofort durch ein Nicken bestätigt.
Dankbar lächelte die junge Frau ihre Freunde an. Sie hatte zwar schon zuvor gewusst, dass sie sich auf die beiden verlassen konnte doch ihre Hilfe bedeutete ihr immer wieder aufs Neue sehr viel. „Das wäre wirklich toll", gab sie schließlich nach und rückte Lilly ein Stück zurecht sodass ihr ihre Tochter nicht die Lunge zusammendrückte. Das kleine Mädchen schlief immer noch tief und fest auf ihrem Schoß. „Mach dir darüber keine Gedanken", tat Pablo ihr Dankeschön mit einem Lächeln ab und verließ zusammen mit Brenda das Lehrerzimmer.
Nun war Angie wieder alleine mit ihrer Tochter und lehnte sich ein Stück auf ihrem Sessel zurück. Im Lehrerzimmer herrschte eine angenehme Stille die nur von den leisen Atemzügen von Lilly durchbrochen wurde. Zärtlich strich Angie die wirren blonden Locken aus dem Gesicht ihrer Kleinen und sah mit einem Lächeln zu ihr hinunter. Lillian hatte sich in den letzten vier Jahren so unglaublich verändert. Aus dem kleinen, unschuldigen Bündel, das ihr die Hebamme am Tag der Geburt in die Arme gelegt hatte, war eine wirkliche Persönlichkeit geworden. Während sie schweigend zusah wie ihre Tochter friedlich schlief schweiften Angies Gedanken zurück zu der gestrigen Unterhaltung mit Germán.
Violetta hatte die beiden mit Lillians Wunsch nach einer kleinen Schwester oder einem kleinen Bruder, der definitiv auf dem Mist der Älteren gewachsen war, wirklich kalt erwischt. Zwar hatte ihr Schwager gesagt, dass Angie sich darüber nicht den Kopf zerbrechen sollte und dass sie noch Zeit hätten um diese Entscheidung gemeinsam zu treffen doch die junge Frau konnte einfach nicht anders als nun darüber nachzudenken. Wollte sie noch ein Kind? Wollte sie wirklich noch einmal von vorne anfangen?
Obwohl ihr alle mehr als einmal gesagt hatten, dass sie nicht mehr ins Studio kommen sollte weil sie schon längst im Mutterschutz war fand sich Angie am Tag der diesjährigen Aufnahmeprüfungen erneut im Lehrerzimmer wieder. Pablo und Gregorio diskutierten gerade auf ihre übliche Art und Weise lautstark über irgendein Thema, das sie nicht mitbekommen hatte, während die junge Frau ihnen lächelnd dabei zusah. Die Tatsache, dass sie sich fühlte wie ein Walross ignorierte Angie geflissentlich da sie schon in einer Woche den Geburtstermin ihrer Tochter hatte.
„Können wir jetzt endlich gehen?", erkundigte sie sich bei den beiden Männern und stellte ihre mittlerweile leere Tasse auf dem Tisch ab. Irgendwie fühlte sie sich heute nicht so wohl wie in den letzten Tagen. „Ja, lasst uns gehen", stimmte Pablo zu und ließ Gregorio einfach stehen was diesem natürlich nicht gefiel. Zusammen mit Brenda steuerte der Schulleiter auf die Tür des Lehrerzimmers zu. Angie wollte sich gerade auf machen um ihnen zu folgen als sich das merkwürdige Gefühl, das sie nun schon den ganzen Tag begleitete, auf einmal völlig veränderte.
Mit einem leisen Keuchen hielt sie sich mit einer Hand an der Lehne eines Sessels fest und presste die andere auf ihren Bauch. Die drei anderen schienen sie gar nicht weiter zu bemerken, da Pablo und Gregorio wieder angefangen hatten zu diskutieren. Noch einmal hatte Angie das Gefühl als würden sich sämtliche Muskeln in ihrem Köper ruckartig anspannen. Okay, das war ganz und gar nicht normal geschweige denn gut. „Leute", stöhnte sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
Sofort drehte sich Brenda mit fragendem Blick zu ihr um und als sie Angies angespannten Gesichtsausdruck sah hielt sie auch die beiden Männer davon ab weiter zu gehen. „Angie, ist alles in Ordnung?", erkundigte sich nun auch Pablo mit besorgtem Blick und eilte zurück zu seiner besten Freundin. Stumm schüttelte die junge Frau den Kopf und presste dann hervor: „Ich glaube ich habe Wehen." Nach einer kurzen Pause fügte sie noch panisch hinzu: „Und meine Fruchtblase ist gerade geplatzt!"
Wenn sie heute an diesen Tag zurückdachte konnte sie nur darüber nur lachen. Pablo und Gregorio waren mit dieser Situation völlig überfordert gewesen und hatten sie nur entgeistert angestarrt bis schließlich Brenda das Kommando übernommen hatte. Sie hatte Vilu aus dem Unterricht holen lassen, Germán verständigt und war schließlich bei Angie geblieben bis ihr Schwager endlich im Krankenhaus eingetroffen war. Spätestens seit diesem Moment hatte sich zwischen den beiden Frauen eine tiefe Freundschaft entwickelt und Angie war der anderen immer noch dankbar für ihre Fürsorge. Ohne Brenda hätte sie ihre Tochter vermutlich hier im Studio bekommen oder hätte irgendwann völlig die Nerven weggeworfen.
Allerdings konnte sie nicht leugnen, dass sie immer noch leicht das Gesicht verzog wenn sie an die fürchterlichen Schmerzen dachte, die sie während den Wehen gehabt hatte. Dieses Gefühl war mit keinem anderen zu vergleichen gewesen doch in dem Moment als Lillys erster Schrei das Dröhnen in Angies Ohren übertönte hatte war der ganze Schmerz von ihr abgefallen. Es war unglaublich gewesen ihre Tochter das erste Mal zu sehen und sie nach den neun Monaten endlich im Arm zu halten. Dieser Moment war jede Nacht in der sie sich übergeben hatte und die Stunden, in denen sie in den Wehen gelegen hatten, mehr als wert gewesen.
Während sie langsam weitere Kreise auf Lillians Rücken zeichnete fielen der jungen Frau noch viel mehr Augenblicke ein, die das alles ausglichen. Bestimmt würde das auch bei ihrem zweiten Kind nicht anders sein. Sie würde sich ebenso darauf freuen und danach die Zeit mit ihm oder ihr genießen. Außerdem war sie nie alleine in dieser Situation gewesen. Germán war immer da und unterstützte sie. Auch wenn sie sich an diesem Morgen gestritten hatten änderte sich an dieser Tatsache überhaupt nichts.
Müde trottete Angie zurück in das gemeinsame Schlafzimmer. Unter ihren blauen Augen lagen dunkle Schatten durch den ständigen Schlafmangel. Ihre blonden Locken waren zu einem unordentlichen Dutt zusammengefasst, der aber im Laufe des Tages immer lockerer geworden war und aus dem sich nun schon vereinzelt Strähnen gelöst hatten. Auf ihrem lockeren T-Shirt prangte ein großer Spuckfleck und sie hatte das Gefühl in der nächsten Minute vor Erschöpfung formlos zusammenzubrechen.
Kaum war die Schlafzimmertüre hinter ihr ins Schloss gefallen fand sie sich auch schon Auge in Auge mit ihrem Schwager wieder. „Angie, du brauchst eine Pause", stellte er vorsichtig fest und strich ihr eine lose Strähne hinter ihr Ohr. Bei seiner besorgten Stimme brachen bei der jungen Frau alle Dämme. Mit einem lauten Schluchzen fing sie an haltlos zu weinen und warf sich in Germáns Arme. „Ich kann das nicht. Ich bin eine schreckliche Mutter. Lilly ist so toll aber ich kann nicht mehr", schniefte sie an seinem Hemd.
Für einen Moment zögerte ihr Schwager doch dann schlang er fest die Arme um sie. „Du bist eine wundervolle Mutter und es ist ganz normal, dass du so fertig bist. Du lässt mich und Vilu ja auch kaum helfen obwohl wir das liebend gerne tun würden", versuchte Germán seine Freundin zu trösten und hielt sie dabei weiter im Arm. Allerdings war das noch lange nicht alles was die junge Frau zurzeit belastete. „Außerdem bin ich hässlich. Ich sehe aus wie eine Vogelscheuche und habe überall Babyspucke", schluchzte sie weiter.
Diese Aussage entlockte ihrem Schwager nur ein herzhaftes Lachen bevor er sich ein Stück von ihr löste um ihr besser in die Augen sehen zu können. „Du bist immer noch wunderschön, Angie", versicherte er ihr und wischte dabei zärtlich eine Träne von ihrer Wange. Stumm schüttelte die junge Frau ihren Kopf. Das war sie ganz bestimmt nicht. Sie sah einfach nur furchtbar aus. „Angie, sieh mich an", bat Germán liebevoll und half schlussendlich leicht nach indem er ihr Kinn anhob sodass sie ihn ansehen musste: „Du bist wunderschön und eine tolle Mutter. Ich liebe dich mit und ohne Babyspucke im Gesicht."
Ein kleines Lächeln schlich sich bei dem Gedanken an diesen Moment auf Angies Lippen. Germán hatte ihr mit diesen Worten mehr Kraft gegeben als ihm vielleicht bewusst gewesen war. Plötzlich hatte die junge Frau ein fürchterlich schlechtes Gewissen auf Grund der Dinge die sie ihm an diesem Morgen an den Kopf geworfen hatte. Wie hatte sie nur andeuten können, dass sie ihn verlassen würde wenn er seine Arbeit an erste Stelle stellte? Sie würde ihn niemals verlassen! Das würde ihr mindestens genauso wehtun wie ihm und es würde Lillian verletzen. Niemals könnte sie ihnen so etwas antun!
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