Mittwoch, 7. Dezember - Kapitel 10
Obwohl der Unterricht schon lange zu Ende war und die Schüler das Studio nun bereits alle verlassen hatten war Angie an diesem Abend noch immer in der Arbeit. Warum sollte sie das auch nicht sein? Violetta hatte ihr gegen Mittag angeboten, dass sie Lillian abholen und Angie einen freien Nachmitttag haben könnte wenn sie das wollte. Dankend hatte die junge Frau das Angebot angenommen und beschlossen noch ihre restlichen Tests auszuwerten bevor sie sich auf den Weg nach Hause machte.
Diese Arbeit hatte jedoch weit länger gedauert als sie anfangs angenommen hatte denn mittlerweile war sie völlig alleine im Studio. Pablo und Brenda waren vor knapp eineinhalb Stunden als letzter nach Hause gegangen und Angie hatte sich bereit erklärt das Studio abzuschließen wenn sie fertig war. Nun war es kurz vor acht und sie hatte sich endlich durch den ganzen Stoß gearbeitet.
Zögerlich warf sie einen Blick auf ihr Handy, das die ganze Zeit über neben ihr auf dem Tisch gelegen hatte. Natürlich hatte sich noch immer nichts getan. Keine Nachricht, kein Anruf. Germán hatte sich noch immer nicht gemeldet. Langsam aber doch bekam Angie Sorge, dass er das vielleicht gar nicht wollte. War er etwa wütend auf sie? Hatte sie etwas falsch gemacht und es nicht bemerkt? Strafte er sie deshalb gerade mit Schweigen?
Seufzend steckte sie das Telefon in ihre Tasche und nahm den ganzen Stapel mit korrigierten Tests. Es war an der Zeit, dass sie nach Hause kam. Angie verstaute die Zettel in ihrem Fach im Regal an der Wand und griff sich ihre schwarze Daunenjacke die vereinsamt auf den Haken hinter der Tür des Lehrerzimmers hing. Alles würde besser sein wenn sie zu Hause war und ihre Tochter in den Arm nehmen konnte. Falls Lilly schon schlief würde sie sich eben einfach dazulegen.
Als sie sich die Jacke übergezogen und ihren weißen Schal um den Hals gewickelt hatte griff sie nach ihrer Tasche und machte sich auf den Weg in Richtung Ausgang. Während sie ging schaltete sie der Reihe nach alle noch brennenden Lichter aus bis sie sich beim Haupteingang wiederfand. Alles was sie jetzt noch tun musste war ihren Schlüssel zu finden dann konnte sie auch schon gehen.
Jedoch stellte sich dieses Unterfangen wieder einmal als schwieriger heraus als sie zu Beginn angenommen hatte. Wo zur Hölle war ihr Schlüssel? Wie wild wühlte die junge Frau in ihrer Handtasche und stieß dabei auf einen Babyschnuller, den ihre Tochter nun wirklich nicht mehr brauchte, doch von dem gesuchten Gegenstand fehlte jede Spur. Ganz toll! Jetzt musste sie wirklich bei Pablo anrufen und ihn bitten, dass er noch einmal vorbeikam um abzuschließen.
„Suchst du vielleicht den hier?" Beinahe schon panisch fuhr Angie herum und starrte ihren Schwager aus weit aufgerissenen Augen an. Konnte er sich vielleicht noch leiser anschleichen? Ihr Herz raste so schnell, dass sie dachte es würde ihr aus der Brust springen oder sie könnte vor Schreck einen Herzinfarkt bekommen. „Germán!", stieß sie atemlos hervor und presste ihre Hände auf die Stelle an der sich ihr Herz befand.
Verlegen grinste Germán sie an: „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken." Als sie sich von ihrem ersten Schock erholt hatte riss ihm Angie den Schlüssel aus der Hand und wandte sich von ihm ab um das Studio abzuschließen. Nun war es an Germán überrascht zu sein. Mit dieser Reaktion hatte er wirklich nicht gerechnet. Freute sie sich etwa gar nicht ihn zu sehen?
„Angie?", erkundigte er sich vorsichtig und griff nach ihrer freien Hand. Bei seiner Berührung fuhr die junge Frau so schnell wieder zu ihm herum, dass Germán kurz erschrocken zusammenzuckte. „Denkst du, dass das jetzt wiedergutmacht, dass du einfach mal so von der Bildfläche verschwunden bist? Du hättest dich melden können! Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!", fauchte sie ihn an und wollte sich dann wieder zur Tür umdrehen.
Doch diesmal hielt Germán sie auf. Mit einem Ruck zog er sie an der Hüfte näher zu sich und legte seine Lippen ohne Vorwarnung auf ihre. Sofort spannte sich Angie an. Wie sehr hatte sie dieses Gefühl doch vermisst? Aber sie wollte auch nicht einfach nachgeben. Germán hatte Mist gebaut und sollte das jetzt auch zu spüren bekommen. Obwohl es ihr schon wirklich schwer fiel nicht in dem Moment nachzugeben in dem seine Zunge gegen ihre Unterlippe tippte.
Ihrem Schwager fiel ihr plötzlicher Widerstand gegen den Kuss natürlich auf aber er wusste auch, dass Angie bereits mit sich selbst rang ob sie nicht doch erwidern sollte. Daher beschloss Germán einfach weiter zu machen. Fordernd bewegte er seinen Mund auf ihrem und zog sie noch näher zu sich während sich eine seiner Hände in ihren Nacken legte um zu verhindern, dass sie sich einfach so lösen konnte.
Frustriert seufzte Angie in den Kuss und änderte dann ihre Taktik. Warum sollte sie sich auch selbst bestrafen wenn nur er den Fehler gemacht hatte? Als hätte sich ein Schalter in ihrem Kopf umgelegt fing sie an den Kuss zu erwidern und Germán die Führung streitig zu machen. Für eine Sekunde gelang es ihr sogar doch dann hatte sich ihr Schwager von seinem anfänglichen Schock erholt und vertiefte den Kuss nur noch weiter.
Als sie sich einige Minuten später wieder voneinander lösten atmeten beide schwer. Bevor Angie dazu kam wieder wütend zu werden strich ihr Germán zärtlich über die Wange. „Es tut mir leid, dass ich nicht Bescheid gesagt habe. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen um mich machst." Seine schokoladebraunen Augen sahen die junge Frau dabei so aufrichtig an, dass sie nicht verhindern konnte, dass ihr verräterisches Herz einen Schlag aussetzte.
Gleichzeitig schob ihr Stolz ihren Gefühlen aber einen Riegel vor. „Denkst du, dass das jetzt alles klärt? Du kommst hier vorbei, küsst mich einmal und alles ist wieder gut?", erkundigte sie sich immer noch sauer und verschränkte die Arme vor der Brust. Erneut schlich sich ein verlegenes Lächeln auf seine Lippen. „Nein, ich komme her, küsse dich, wir verbringen den ganzen Abend miteinander und dann ist alles wieder gut", verbesserte Germán sie.
Bei seinem flehenden Blick konnte Angie sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. „Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht, Germán", stellte sie leise fest. Sofort zog ihr Schwager sie wieder näher zu sich und nahm sie fest in den Arm. Für eine Sekunde zögerte die junge Frau noch dann schlang sie die Arme um ihn und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. „Entschuldige, Angie", wisperte er direkt an ihrem Ohr und hauchte ihr einen federleichten Kuss ins Haar.
Widerwillig löste Germán sich wieder von ihr als Angie ihn sanft ein Stück von sich schob. Dabei fiel sein Blick jedoch auf einen Schatten der sich direkt über ihren Köpfen abzeichnete. „Angie?", erkundigte er sich grinsend. „Ja, Germán?" „Wer hat hier im Studio Mistelzweige aufgehängt?", wollte Germán mit einem noch breiteren Grinsen auf den Lippen wissen.
Während sie leicht die Augen verdrehte erwiderte Angie: „Das waren León und Diego. Seit die beiden befreundet sind hecken sie einen Blödsinn nach dem anderen aus. Ich musste ihnen den ganzen Tag über ausweichen. Wenn du mich fragst war ich die Einzige, die sie nicht erwischt haben. Sogar Pablo und Gregorio haben sie dran bekommen. Allerdings glaube ich, dass diese Szene sie genauso verstört hat wie mich."
Bei dem Gedanken daran, dass sich die beiden Lehrer, die prinzipiell immer am Streiten waren, einen Kuss hatten geben müssen fing Germán an schallend zu lachen. Erst als er sich wieder ein wenig beruhigt hatte hakte er nach: „Du bist ihnen also entkommen?" Erleichtert nickte die junge Frau und wollte sich wieder einmal umdrehen um das Studio abzuschließen doch Germán hielt sie erneut auf. „Sieh mal nach oben, Angie."
Verwirrt folgte sie dem Befehl und legte den Kopf in den Nacken. Verdammt! „Du hast keine Chance! Irgendwann erwische ich dich auch noch!", wiederholten sich Leóns Worte in Angies Kopf. „Ein Mistelzweig", stellte sie verlegen fest und sah ihren Schwager wieder direkt an. Immer noch hatte Germán ein breites Grinsen auf den Lippen und zog Angie wieder zu sich. „Genau und du kennst doch die Regel, oder Angie?"
Bevor sie auch nur die Gelegenheit hatte ihm zu antworten hatte er auch schon seine Lippen auf ihren Mund gepresst und küsste sie wieder. Diesmal zögerte Angie jedoch keinen Moment und erwiderte die sanfte Verbindung genauso gefühlvoll. Ihre Herz schlug kräftig Purzelbäume und die Schmetterlinge, die sie nun schon so lange nicht mehr gefühlt hatten, waren plötzlich wieder da als wäre das hier ihr erster Kuss.
Atemlos lösten sich die beiden voneinander und Germán lächelte seine Schwägerin liebevoll an. „Ich will nicht, dass du denkst, dass ich meine Arbeit jemals an erste Stelle stellen würde. Dieser Platz ist nur für dich reserviert. Für dich und meine beiden Töchter. Als Vilu mich angerufen hat und mir sagte, dass du wütend bist habe ich zwei Meetings für diesen Abend abgesagt. Ich gehöre also ganz dir wenn du das willst."
Für einen Moment legte die junge Frau den Kopf zur Seite und musterte ihren Schwager. Eigentlich hatte er es verdient, dass sie ihn nun ein wenig zappeln ließ bevor sie zustimmte. „Tut mir leid, Germán. Ich habe heute Abend aber schon etwas vor", warf sie daher ein und wandte sich nun endgültig ab um das Studio abzuschließen. Da er von ihren Worten völlig überrumpelt war hinderte Germán sie diesmal auch nicht daran. „Was hast, hast du vor?", stammelte er stattdessen.
Langsamer als nötig verriegelte Angie die Tür und wandte sich dann fast schon in Zeitlupe wieder zu ihm um. „Ich werde nach Hause gehen und meine Tochter ins Bett bringen", stellte die junge Frau klar und ließ ihren Schlüssel in die Tasche gleiten. „Vilu macht das", konterte Germán nun wieder etwas mutiger: „Du hast also Zeit mit mir auszugehen." „Habe ich das?", hakte Angie nach und hob eine Augenbraue. „Ja, hast du und wenn nicht dann entführe ich dich eben!", stellte Germán klar und warf sich die protestierende junge Frau kurzerhand über die Schulter.
Seit Germán sie abgeholt hatte war nun schon über eine Stunde vergangen. Ihr Freund hatte die junge Frau trotz ihres Protests vom Studio weggetragen und erst wieder hinuntergelassen als sie ihm versprach, dass sie den ganzen Abend mit ihm verbringen würde. Nun schlenderten die beiden Hand in Hand durch die winterlich beleuchtete Stadt und wenn sie ehrlich mit sich selbst war dann hatte Angie mittlerweile völlig die Orientierung verloren.
Germán hingegen schien ganz genau zu wissen wohin er sie führte denn wann immer sie ihn fragte meinte er nur, dass sie es schon sehen würde wenn sie dort waren. Da er wusste wie ungerne sie die Kontrolle völlig abgab war es für ihn ein großes Wunder, dass Angie ihn nicht alle fünf Minuten erneut fragte sondern es auf alle fünfzehn beschränkte.
Als plötzlich die Lichter eines Adventmarkts direkt vor ihnen in Sichtweite kamen sah die junge Frau ihren Schwager überrascht an. „Ist das dein Ernst?", erkundigte sie sich neugierig und starrte ihn aus ihren großen, blauen Augen an. Sie wusste, dass Germán diese Märkte nicht ausstehen konnte. Für seinen Geschmack waren dort immer zu viele Menschen und zu wenig Platz.
Umso größer war Angies Freude als er ihr lächelnd zu nickte. Sie liebte es im Gegensatz zu ihm auf Adventmärkte zu gehen. Die Farben und die Gerüche waren einmalig. Aufgeregt wie ein kleines Kind hüpfte die junge Frau neben ihrem Schwager auf und ab. Ihre fast schon übertriebene Reaktion beseitigte sämtliche Zweifel, dass das hier vielleicht die falsche Idee gewesen sein könnte.
Geduldig folgte Germán daraufhin stundenlang seiner Freundin von Stand zu Stand und redete ihr mit großer Mühe aus, dass sie bei jedem zweiten etwas kaufen musste. Es war unschwer zu erkennen, dass Angie mehr Freude an den verschiedenen Läden hatte als er doch wann immer sie sich mit glänzenden Augen zu ihm umdrehte rang sich der große Mann ein Lächeln ab und als sie ihm zum gefühlten einhundertsten Mal fragte ob sie nicht doch etwas kaufen durfte küsste er sie einfach um sie von ihrer Kaufsucht, die sich nur auf Adventmärkten zu zeigen schien, abzulenken.
„Wofür war der denn jetzt?", erkundigte sich Angie überrascht als sie sich wieder voneinander lösten und Germán sie langsam von dem Verkaufsstand mit knallbuntem Weihnachtsbaumschmuck wegzog. „Der war einfach nur dafür, dass du nicht mehr böse auf mich bist", erwiderte er grinsend und schlang die Arme um ihre Taille. Zu seiner großen Erleichterung schienen sie das andere Ende des Markts erreicht zu haben sodass sie nun beinahe schon im Park standen.
Angie kicherte leise über seine Aussage und schlang die Arme um seinen Hals. „Nachdem du dich mit dem Adventmarkt gerade selbst bestraft hast muss ich das nicht mehr tun", stellte sie grinsend fest und sah ihm dabei tief in die Augen. Sofort erwiderte Germán ihr Lächeln. „So schlimm war es gar nicht. Allerdings habe ich mir kurz überlegt dich an die Leine zu nehmen. Du bist ständig in der Menschenmenge verschwunden und ich hatte ein wenig Angst, dass ich morgen Früh plötzlich arm sein könnte."
Für seine scherzhafte Aussage boxte Angie ihrem Freund kräftig gegen die Brust. „Ich habe doch gar nichts gekauft!", entgegnete sie entrüstet. Lachend zog Germán sie näher zu sich: „Nur weil ich es verhindern konnte!" Bevor die junge Frau jedoch eine Gelegenheit hatte diese Aussage weiter zu kommentieren hatte er auch schon seine Lippen leidenschaftlich auf ihre gepresst.
Ohne zu zögern erwiderte Angie den Kuss und schlang dabei die Arme um seinen Hals. Sämtlicher Groll, den sie noch heute Morgen gegen ihren Schwager gehegt hatte, war verflogen. Vorsichtig tippte sie mit ihrer Zunge gegen seine Lippen und Germán ließ nur zu gerne zu, dass sie den Kuss weiter vertiefte. Auch ihm hatten ihre Berührungen die letzten Tage mehr als gefehlt.
Noch während ihre Zungen zärtlich miteinander spielten landete plötzlich etwas Kaltes auf Angies Wange. Überrascht löste sie sich aus dem Kuss. „Hast du das gespürt?", erkundigte sie sich verwirrt und sah sich suchend um. „Das einzige, was ich gespürt habe war, dass du mir gerade fast in die Zunge gebissen hättest. Könntest du vielleicht etwas zärtlicher mit mir umgehen?", konterte Germán scherzhaft und zwickte sie dabei leicht durch die dicke Jacke hindurch in die Seite.
„Blödmann", brummte Angie und gab ihm einen kleinen Stoß sodass er von ihr ablassen musste. Sie hatte sich ganz deutlich eingebildet etwas gespürt zu haben. Aber was? Oder war es tatsächlich nur das gewesen? Einbildung? Enttäuscht seufzte sie auf und sah wieder ihren Schwager an. „Ich dachte, dass es zu schneien anfangen würde", klärte sie ihn über ihr merkwürdiges Verhalten auf.
Lächelnd legte Germán einen Arm um ihre Hüfte und setzte sich mit ihr wieder in Bewegung. „Ich weiß, dass du völlig verrückt nach Schnee bist aber es ist noch viel zu warm", stellte er leise fest und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Enttäuscht nickte Angie und rückte ein Stück näher zu ihm auf. „Ist dir kalt?", erkundigte er sich besorgt und hielt noch einmal an. „Etwas", gestand Angie und grinste ihn an: „Wollen wir nach Hause gehen und uns aufwärmen?"
Ihr gespielt unschuldiger Blick bei dieser Frage konnte Germán nicht täuschen und so war es nicht verwunderlich, dass sich ein freches Grinsen auf seine Lippen legte. „Ich nehme einmal stark an, dass ich dich aufwärmen soll während du es dir bequem machst und es genießt?", hakte er nach und kam seiner Schwägerin dabei wieder näher. Mit einem vielsagenden Blick schlang Angie die Arme um seinen Hals: „Da liegst du ganz richtig, Germán, denn immerhin warst du es der die letzten Tage Mist gebaut hat und nicht ich."
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So meine Lieben! Ich muss euch leider mitteilen, dass es genau jetzt Mitternacht bei ihnen ist und ihr wisst was das bedeutet ^^
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