Freitag, 16. Dezember - Kapitel 20
Völlig überdreht war Violetta an diesem Nachmittag durch das ganze Haus gesaust. Ihr Kater vom vergangenen Tag war zur Gänze verschwunden und sie konnte es kaum noch erwarten, dass der Abend endlich kam. Heute würde die große Weihnachtsfeier des Studios stattfinden und das Mädchen freute sich schon seit Wochen unheimlich darauf. Die Feier würde in der Karaoke-Bar stattfinden, die sie auch sonst für alle größeren Veranstaltungen mieteten und es versprach ein riesiger Spaß zu werden.
Alle Schüler hatten den ganzen Vormittag damit verbracht die Karaoke-Bar weihnachtlich zu dekorieren. Schlussendlich hatten sie eine gute Mischung gefunden, die sofort ins Auge fiel aber nicht zu kitschig oder grell war. Die Musikauswahl hatten sie während den letzten Wochen gemeinsam getroffen und sie war, wie Vilu fand, einfach großartig. Es gab sowohl langsame Lieder zu denen man als Paar tanzen konnte als auch schnellere. Außerdem hatte Maxi eine Menge Weihnachtssongs darunter gemischt sodass ganz klar war zu welchem Anlass sie sich alle trafen.
León würde sie leider nicht von zu Hause abholen kommen um mit ihr auf das Fest zu gehen denn Angie und auch Germán würden ebenfalls zu der Veranstaltung kommen. Vilus Vater hatte daher sofort beschlossen, dass er sie mitnehmen würde um auch wirklich verhindern zu können, dass sie einen Moment alleine mit León hatte. Ihre Tante würde wie alle anderen Lehrer als Aufsichtsperson auf der Feier fungieren und da Germán das Studio vor einiger Zeit gekauft hatte, hatte er sich als Besitzer ebenfalls zur Aufsicht einteilen lassen.
Zwar hatte ihr Vater versprochen, dass er Violetta nicht den ganzen Abend mit Argusaugen bewachen würde doch das Mädchen konnte und wollte das nicht so recht glauben. Vielleicht würde die Anwesenheit ihrer Tante verhindern, dass Germán ihr auf Schritt und Tritt hinterherlief aber sie kannte ihren Papá einfach zu gut. Am besten wäre es wohl wenn Vilu noch einmal in Ruhe mit der jungen Frau sprach, dass diese ihren Vater in Schach halten sollte. Das Mädchen wollte diesen Abend zusammen mit ihrem Freund genießen können und dabei nicht von ihrem Vater verfolgt werden.
„Angie!", flötete Violetta und zog den Namen ihrer Tante künstlich in die Länge als sie diese endlich gefunden hatte. Wobei sie eigentlich nicht wirklich gesucht hatte da sie in ihrem Zimmer auf dem Bett saß. Die junge Frau hatte so eben ihr eigenes Schlafzimmer verlassen und ging gerade an der offenstehenden Tür ihrer Nichte vorbei als das Mädchen sie rief. Bei Violettas Stimme hielt sie an und trat ein. „Was willst du, Vilu?", erkundigte sich Angie ohne Umschweife da sie die in die Länge gezogene Betonung ihres Namens bereits zu gut kannte.
Grinsend klopfte das Mädchen neben sich auf ihr Bett um ihrer Tante zu signalisieren, dass sie sich setzen sollte. Offensichtlich war der Wunsch ihrer Nichte nicht einfach mit ja und nein zu erfüllen also verwarf die junge Frau ihren Plan sich einen weiteren Kaffee zu machen und nahm stattdessen gegenüber von Violetta Platz. „Was, Vilu?", wiederholte sie ihre Frage mit einem leisen Seufzen. „Also eigentlich will ich eine Menge zum Beispiel einen Hund, gute Noten in Mathematik und...", fing das Mädchen an.
„Wie wäre es wenn du dich erst einmal auf das Wesentliche beschränkst?", schlug die junge Frau kopfschüttelnd vor und verdrehte dabei ihre blauen Augen. Dieses Verhalten hatte das Mädchen ganz bestimmt von ihrem Vater geerbt. „Das Wesentliche? Okay! Bist du schon schwanger?", erkundigte sich Vilu breit grinsend und stellte dabei zufrieden fest, dass sich die Wangen ihrer Tante sofort dunkelrot verfärbten. Es war so einfach die junge Frau verlegen zu machen und langsam aber doch fand das Mädchen wirklich Gefallen daran.
Für ein paar Sekunden herrschte ein für Angie ausgesprochen peinliches Schweigen zwischen ihnen während Vilu ihren Triumph grinsend genoss doch dann entschied sich das Mädchen ihre Tante aus dieser Situation zu erlösen: „Okay, Schluss mit Lustig. Ich habe wirklich eine wichtige Bitte an dich. Also eigentlich sind es ja mehrere aber eine liegt mir ganz besonders am Herzen und du bist die einzige Person auf dieser ganzen weiten Welt die mir dabei helfen kann." Erleichtert von dem Themenwechsel schnappte die junge Frau schnell nach Luft bevor sie fragte: „Was soll ich mit deinem Vater machen?"
Wieder huschte ein breites Grinsen über das Gesicht ihrer Nichte und das freche Funkeln in ihren schokoladebraunen Augen machte nur zu deutlich welche Antwort ihr gerade auf der Zunge lag. Allerdings sprach Violetta sie nicht aus als sie den mahnenden Blick ihrer Tante wahrnahm. Normalerweise würde sie das nicht aufhalten aber sie wollte immerhin etwas von Angie also sollte sie die junge Frau nicht allzu sehr verärgern. Schade eigentlich! Die Antwort wäre auf jeden Fall passend gewesen so viel stand fest.
„Heute ist doch die Weihnachtsfeier", sagte sie stattdessen und strich sich eine dunkelbraune Haarsträhne aus dem Gesicht: „Du weißt doch, dass ich mich riesig darauf gefreut habe und dass ich diesen Abend unbedingt mit León verbringen möchte." Ohne ein Wort zu sagen nickte Angie bestätigend. Sie hatte bereits eine Ahnung worauf ihre Nichte hinaus wollte aber das Mädchen sollte sein Anliegen in Ruhe aussprechen können. „Papá und du, ihr werdet auch auf der Feier sein. Oder wird er vielleicht doch zu Hause bleiben weil er noch krank ist?"
Der hoffnungsvolle Tonfall von Vilus Stimme ließ Angie schmunzeln. Natürlich wünschte sich ihre Nichte nicht, dass ihr Vater krank war sie wollte einfach nur in Ruhe Zeit mit ihrem Freund verbringen und die junge Frau musste zugeben, dass das einfacher war wenn Germán sich nicht am selben Ort befand. „Nein, dein Vater fühlt sich schon viel besser und er hat sich gerade extra noch einmal hingelegt damit er heute Abend fit ist", erwiderte Angie und musste damit den Hoffnungsschimmer ihrer Nichte im Keim ersticken.
Der Versuch des Mädchens Freude über diese Nachricht vorzuspielen scheiterte kläglich: „Toll, das heißt Papá wird auch dort sein." Ein leises Lachen entwich der jungen Frau als sie den düsteren Gesichtsausdruck ihrer Nichte sah. „Ach, Vilu, dein Papá wird dir schon nicht den ganzen Abend auf den Fersen sein", warf sie lächelnd ein und griff nach der Hand ihrer Nichte. Nun war es an der Neunzehnjährigen aufzulachen und ihr Gegenüber dabei ungläubig anzusehen. Das hatte Angie jetzt nicht wirklich gesagt oder? „Wir reden aber schon von dem gleichen Germán Castillo oder?"
Kichernd drückte Angie die Hand des Mädchens: „Ja, wir sprechen von dem gleichen Germán Castillo." „Okay, dann frage ich mich wie du annehmen kannst, dass er mir nicht den ganzen Abend folgen wird! Du weißt doch wie er ist! Er wird León und mich für keine Sekunde aus den Augen lassen! Ich werde heute Abend weder Punsch trinken noch meinen Freund küssen können denn Papá wird die ganze Zeit da sein und mich beobachten!"
Frustriert ließ sich das Mädchen rückwärts in die Kissen fallen und drückte sich eines davon auf ihr Gesicht. „Ich glaube ich will doch nicht zu der Feier", nuschelte sie durch den Stoff mit einer weinerlichen Stimme, die Angie sonst nur von ihrer kleinen Tochter kannte. Immer noch lachend krabbelte sie auf ihre Nichte zu und zog ihr das Kissen vom Gesicht. „Ich bin doch auch noch da", stellte sie fest und ließ sich neben dem Mädchen auf das Bett fallen.
Mit einem Mal hörte Vilu auf einen Schmollmund zu machen und drehte den Kopf um ihre Tante hoffnungsvoll ansehen zu können. „Kannst du Papá von mir fernhalten? Den ganzen Abend?", erkundigte sie sich und ihre Augen fingen wieder an zu strahlen. Bei dem Blick, den ihr das Mädchen zu warf, konnte Angie sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Natürlich kann ich das. Dafür bin ich doch da oder etwa nicht?", konterte die junge Frau und strich Violetta eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Du bist die aller, allerbeste Tante der Welt!", quietschte das Mädchen und rollte sich auf ihre Tante: „Danke, danke, danke!" So fest sie konnte drückte sie die junge Frau an sich und hauchte ihr einen Kuss nach dem anderen auf die Wange. „Wie schön wäre es wenn du das auch von mir denken würdest wenn ich dir nicht gerade versprochen habe dir etwas Zeit alleine mit deinem Freund zu erkämpfen?", wollte Angie wissen und tat so als wäre sie ehrlich gekränkt.
Sofort kuschelte sich Vilu enger an ihre Tante. „Du bist immer die beste Tante der Welt", stellte das Mädchen bestimmt klar und legte dabei den Kopf auf der Schulter der jungen Frau ab. Ein Grinsen schlich sich auf ihre Lippen. „Allerdings beantwortest du nie meine Fragen", grummelte sie gespielt enttäuscht. „Welche Fragen denn?", erkundigte sich Angie und legte dabei einen Arm um ihre Nichte um sie noch näher zu ziehen. Sie konnte das freche Grinsen fast schon hören obwohl Vilu ihre Stimme beim Sprechen verstellt hatte. „Ob du schon schwanger bist?", wiederholte das Mädchen ihre Frage und legte eine Hand auf die Stelle auf Angies Bauch wo sich ein Baby befinden würde.
Der Tag verging schneller als es Angie lieb war. Violetta hatte sie irgendwann wieder gehen lassen und die junge Frau hatte den Rest des Nachmittags mit ihrer kleinen Tochter verbracht. Sie hatten miteinander gespielt und gezeichnet aber in erster Linie hatten sie sehr viel gekuschelt. Lilly hätte ihre Mutter am liebsten gar nicht mehr losgelassen denn der Gedanke, dass alle bis auf Olga und sie an diesem Abend ausgehen würden, missfiel ihr.
So kam es auch, dass das kleine Mädchen nun hinter ihrer Schwester und ihrer Mutter am Rand der Badewanne im großen Bad saß und den beiden zusah wie sie sich fertig machten. Während Violetta nur noch in Unterwäsche vor dem Spiegel stand und wie eine Verrückte auf und ab hüpfte während die junge Frau versuchte ihre glatten Haare mit dem Lockenstab zu bearbeiten war Angie immer noch in Jogginghose und T-Shirt gekleidet.
Neugierig versuchte das kleine Mädchen zu erkennen weshalb ihre große Schwester so aufgeregt war doch sie verstand es einfach nicht. Es war doch nur eine Feier mit den Leuten aus dem Studio. Violetta sah alle ihre Freunde jeden Tag. Was war also so besonders daran sie heute ein zweites Mal zu sehen? Doch bevor Lilly diese Frage laut aussprechen konnte wurde sie von ihrer Mutter unterbrochen: „Vilu, wenn du kein Brandzeichen an deinem Ohr oder deinem Hals haben möchtest dann halte endlich still damit ich in Ruhe arbeiten kann."
Warum hantierte ihre Mutter überhaupt mit diesem komischen Gerät? Was sollte das machen? Wieso wickelte sie Violettas Haarsträhnen darum? „Mommy, was machst du?", erkundigte sich Lilly neugierig und legte den Kopf leicht zur Seite sodass sie besser zusehen konnte. Lächelnd warf Angie ihrer Tochter einen kurzen Blick zu bevor sie sich wieder auf die Haare ihrer Nichte konzentrierte. „Ich mache deiner Schwester gerade Locken."
Verwirrt zog Lillian ihre Augenbrauen zusammen. Locken machen? Das konnte man? „Warum?", hakte das kleine Mädchen nach und rutschte vom Rand der Badewanne um näher zu kommen. Sie musste sich das genauer ansehen. „Angie macht das weil ich heute zur Weihnachtsfeier gerne Locken haben möchte", erwiderte Vilu an Stelle ihrer Tante. „Warum?" „Weil ich Locken hübsch finde", antwortete Violetta und musterte ihre kleine Schwester durch den Spiegel. Angie befand sich mit dem Lockenstab gerade sehr nahe an ihrem Ohr also würde sie sich nun lieber nicht bewegen. „Warum?"
Die junge Frau konnte nicht verhindern, dass ihr ein kleines Lachen entwich. Das war definitiv ihre kleine Tochter. Lillian liebte es warum zu fragen. „Weil du und deine Mommy immer so hübsch aussehen mit den Locken", antwortete Violetta mit einem Lächeln auf den Lippen. „Warum?", wiederholte Lilly ihre Frage und trat noch einen Schritt näher. Bevor Violetta jedoch antworten konnte warf Lillian auch schon eine weitere Frage ein: „Darf ich Vilu auch Locken machen?"
Mit einem leichten Kopfschütteln drehte Angie die nächste dunkelbraune Strähne um den Lockenstab dann antwortete sie: „Nein, Babygirl. Der Lockenstab ist sehr heiß und ich möchte nicht, dass du dich verbrennst. Wenn du etwas älter bist kannst du das einmal ausprobieren." Frustriert seufzte Lilly und tappte wieder zurück zur Badewanne. Wenn sie nicht helfen durfte war das hier ganz schön langweilig doch da kam ihr auch schon die nächste Frage in den Sinn: „Kann man Haare auch klatt machen?"
Gelangweilt saß Germán im Wohnzimmer auf dem Sofa. Er war bereits fix und fertig angezogen und könnte jederzeit aufbrechen nur von seinen Frauen fehlte jede Spur. Es war heute das erste Mal seit mehreren Tagen, dass er nicht mehr seinen Pyjama anhatte sondern wieder einen seiner Anzüge trug da dies dem Dresscode der Veranstaltung entsprach. Normalerweise störte es ihn nicht ein Hemd und das Sakko anzuhaben doch jetzt gerade fühlte es sich merkwürdig an. Vielleicht sollte er doch lieber zu Hause bleiben?
Nein! Das war nun wirklich keine Option für ihn! Immerhin musste er doch auf seine Tochter aufpassen! Wie auf Kommando konnte er plötzlich Schritte auf der Treppe hören. Ohne aufzusehen wusste Germán, dass es sich dabei um Lillian handeln musste und doch gab er die Hoffnung nicht auf, dass seine Schwägerin und Violetta gleich darauf folgen würden. Wenn die beiden nicht bald fertig waren würden sie zu spät zu der Weihnachtsfeier kommen.
„Papá, sau!", quietschte Lilly begeistert und sprang die letzte Stufe hinunter bevor sie direkt auf ihren Vater zu raste. Überrascht von der Aufregung seiner kleinen Tochter sah Germán ihr entgegen und konnte sofort erkennen weshalb sie es so eilig hatte zu ihm zu kommen. „Sau! Meine Haare sind jetzt klatt!", stellte Lillian begeistert fest und kletterte direkt neben ihm auf die Bank bevor sie für ihn posierte sodass er sie genauer betrachten konnte.
Tatsächlich! Seine kleine, vierjährige Tochter hatte geglättete Haare. Er musste zugeben, dass es merkwürdig aussah da er sie sonst nur mit ihren wilden Locken kannte und diese bezaubernd fand. Natürlich sah sie auch jetzt unglaublich niedlich aus doch es war einfach anders. „Du siehst richtig toll aus, Lil." Mit einem Lächeln zog er das kleine Mädchen auf seinen Schoß und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. „Und wie sehen wir aus?", erkundigte sich Violettas Stimme direkt hinter ihm.
Ohne, dass er es bemerkt hatte waren seine ältere Tochter und Angie ebenfalls ins Wohnzimmer gekommen. Beide sahen toll aus in ihren Kleidern und mit den wunderschönen Frisuren, die sie sich gegenseitig gemacht hatten. Seine Tochter sah fast aus wie Maria als diese in Violettas Alter gewesen war wenn Vilu nicht sogar noch schöner war. Er würde heute Abend bestimmt eine Menge zu tun haben um sicherzustellen, dass León seine Finger bei sich behielt. Allerdings war Germán sich auch sicher, dass seine Tochter bereits einen Plan haben musste um ihn loszuwerden sonst würde sie nicht so entspannt aussehen.
Sein Blick wanderte weiter und blieb sofort an seiner Schwägerin hängen. Angie sah umwerfend aus. Ihr hellblaues Kleid reichte gerade einmal bis zu ihrem Knie und betonte ihre ohnehin schon schlanke Figur. Ihr warmes Lächeln verzauberte ihn sofort. Vielleicht würde er León an diesem Abend doch in Frieden lassen solange sich dieser benahm denn seine Schwägerin zog mindestens genauso viele männliche Blicke auf sich wie seine Tochter und das löste in Germán schon hier und jetzt Eifersucht aus. Violetta war schon erwachsen, das war es was Angie ihm immer wieder einzureden versuchte. Also würde er Vilu für einen Abend erwachsen sein lassen und sich auf seine eigene Freundin konzentrieren!
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