Wie viele Stufen? Sie nennt die Zahl im Kopf, teilt sie durch zwei und beginnt mit dem rechten Bein. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, ist sie schließlich oben angekommen. Sie steht vor der Tür, ballt die Hand langsam zur Faust, biegt jeden Finger einzeln um. Dann hebt sie den Arm, nimmt Schwung, will gerade gegen die Tür klopfen...

Marc reißt die Tür auf, ihre Hand schlägt ihm mitten ins Gesicht. 

„Aua!", er hält sich die Nase, blinzelt kräftig und meint dann: „Das hab' ich wohl verdient" Sie versucht sich zu fassen und ihren Gesichtsausdruck in ihre Macht zu bringen. Sie sieht wahrscheinlich aus wie Munchs „Der Schrei", die Wangen vor Schreck eingefallen, die Augen aufgerissen -wie immer ins Leere blickend- und die Nasenlöcher gebläht wie ein Pferd. 

Mit großer Mühe klappt sie den Mund zu, aber die Nüstern bleiben, flattern bei jedem Ein- und Ausatmen. Egal, um Schönheit geht es gerade nicht. Soll er sie doch mit dem Herzen sehen. Also fällt sie mit der Tür ins Haus.

„Hast du HIV?", vielleicht fällt sie nicht nur mit der Tür, vielleicht reitet sie auf einem wütenden Stier hinein, in den Händen eine Bombe. Kurz bleibt es still. Marc ist wohl genauso fassungslos, wie sie selbst. Sie muss kurz an ihren Mund greifen, um zu prüfen, ob sie das wirklich gefragt hat.

„Was???", seine Stimme ist wie eine Welle, zuerst brausend, dann bricht sie, dann überschlägt sie sich einmal, dann ein zweites Mal. Und das alles in einem Wort, in drei Buchstaben und in mindestens genauso vielen Fragezeichen dahinter.