Kapitel 19
Als sie das Zimmer wieder verlassen haben, setzt sich ihre Mutter auf Tiffs Bett. „Du schaffst das", flüstert sie und küsst ihre Finger. Eine Krankenschwester bringt ihr die ersten immunsuppressiven Medikamente. Sie setzten die Funktion ihres Immunsystems herab, damit es das transplantierte Organ nicht abstößt. Als die glatten Tabletten endlich durch ihren Hals gerutscht sind, legt sie sich zurück. „Sind Sie bereit?", fragt die Krankenschwester, eine Frau mit herber Stimme, aber, wie Tiff glaubt, einem weichen Herzen. Warum will das jeder wissen? Am liebsten würde sie zurückfragen, ob sie bereit wäre, sich die Augen aus dem Kopf operieren zu lassen, um andere Augen hineinverpflanzt zu bekommen, mit dem Risiko, sie würden abgestoßen werden. Und all den anderen Komplikationen, über die Tiff jetzt besser Bescheid weiß, als ihr lieb ist. Ja, mit all den Problemen, die auftreten können, auch nach der OP.
Aber gleichzeitig mit der Möglichkeit, das verlorengegangene Licht wieder anzuzünden. Tiff glaubt, dass man niemals für so eine Chance bereit ist. Niemals zu hundert Prozent, aber vielleicht knapp davor. Die Krankenschwester wartet immer noch auf eine Antwort, also nickt Tiff, so ruckartig, dass ihr Nacken leise knackt.
Sie fühlt sich wie eine Maschine, die auf Standby umgeschaltet wurde. Zwar noch fähig zu atmen, aber nicht mehr, flüssige Bewegungen zu vollführen. Alles energiesparend und am absoluten Minimum. Vielleicht will sie sich selbst davor schützen, zu viel nachzudenken.
Die Schwester löst die Räder ihres Bettes. „Ich würde Sie jetzt in den OP bringen", meint sie freundlich. Tiff spürt die harte Matratze in ihrem Rücken, legt die bebenden Hände neben ihren Körper. Zwingt sie, gegen das Laken zu drücken, damit sie ruhig scheinen.
Ihre Mutter küsst sie auf die Stirn, die geflüsterten Worte verfangen sich in ihren Haaren, sie werden sie begleiten und wärmen.
Dann setzt sich die Krankenschwester in Bewegung, mit ihr die Matratze und mit ihr Tiffany. Die quietschenden Räder gleiten über glatten Boden. Sie hört die Schritte der Schwester, von Türen gedämpfte Gespräche und ihr eigenes ängstliches Atmen. Immer wieder biegen sie ab, in verwinkelte Gänge und Tiff versucht, sich den Weg zurück zu merken, will sich ablenken. Sie scheitert, das Krankenhaus ist ein steriles Labyrinth.
Plötzlich piepst irgendetwas, Türen gehen zischend auf. „Alles in Ordnung?", die Schwester wartet nicht auf eine Antwort, „Wir sind im Vorraum angekommen, ab hier übernimmt Sie das Team. Machen Sie sich keine Sorgen. Das Spenderorgan ist in wunderbarer Verfassung." Die Schwester begibt sich nach draußen. „Hallo Tiffany, geht es Ihnen gut?", erkundigt sich eine männliche Stimme. Ihr Kopf bewegt sich von oben nach unten. „Ich werde Ihnen jetzt eine Haube überstreifen, für Ihre Haare. In Ordnung?" Wieder nickt sie. Behandschuhte Hände streichen ihre widerspenstigen Haare unter Plastik.
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