Kapitel 12,3
Die letzte Schulwoche hat sich gezogen, ein ausgeleiertes Gummiband, das jetzt endlich gerissen ist. Kurz vor Schulschluss haben sie auch noch die Bioklausur zurückbekommen, sie fühlt mit den Fingern, es sind zwei Erhöhungen, die eine Diagonale von links oben nach rechts unten formen. Aus der Blindenschrift übersetzt sind es fünf Notenpunkte, also eine vier minus.
Aber das kann ihre gute Laune nicht mehr trüben. Sie läuft mit Lux zur Bushaltestelle, und es kommt ihr vor, als hätten sie ihre Rollen getauscht. Tiff freudig, mit beflügeltem Gang, alle Kommandos singend und Lux fokussiert, den Schwanz balancierend nach oben gestreckt, jedes Geräusch registrierend.
Im Bus gleicht sie die Geschwindigkeit und das Ruckeln mit den Füßen aus. Sie surft auf der Straße. Eine Dachluke ist geöffnet und Fahrtwind kämmt ihre Haare. Ob es so ähnlich ist, auf einer Welle zu reiten? Sie wünschte, sie könnte es herausfinden.
Nachdem sie nach Hause geschwebt ist, isst sie Mittag und auch Lux bekommt eine Stärkung. Sie verabschiedet sich von ihrer Mutter, der gepackte Koffer steht am Fuß der Treppe. Es sind nur vier Tage und trotzdem kommt es ihr vor, als würden sie eine Weltreise machen. Einmal um die Welt und zurück. Sie wird den Kurzurlaub genießen, mit all ihren Sinnen, einsaugen und speichern. Wie eine Solarzelle die Sonnenenergie. Es ist nicht mehr viel Zeit, bevor Marc mit seinem Motorrad und Dennis mit Isa im kleinen Fiat anbrausen werden. Marc hatte so lange diskutiert, bis sie ihm eingestanden hatten, dass er auf dem Weg zum Meer „den salzigen Wind" spüren darf und nicht „im beengenden Auto" ersticken muss. Schließlich hatten sie sich geeinigt, dass Marc und Tiff Motorrad fahren und die beiden anderen mit dem Auto Lux und ihr Gepäck chauffieren würden.
Es klingelt. Tiff springt auf, als wäre sie eine Puppe, deren Spieler einen Faden zu plötzlich gezogen hat. „Passt auf euch auf und gute Fahrt!", wehmütig streicht ihre Mutter zuerst Tiff über den Kopf, dann Lux. Tiffany greift den Koffer, in dem, unter anderem, auch das Führhundgeschirr verstaut ist, jetzt soll Lux sich bequem hinlegen können. Tiff ruft seinen Namen, brav trottet der Hund an, legt sich in seine Transportbox und sie schiebt den Riegel zu. Dann reißt sie die Tür auf, Isa fällt ihr um den Hals, Marc küsst sie und Dennis umarmt sie. „Wir sind komplett!", jauchzt Isa, begrüßt schnell Tiffs Mutter und rennt los, in Richtung laufender Motor, sie folgt ihr.
Die Jungs werfen ihr Gepäck in den Kofferraum, allerdings geht die Tür nicht mehr zu, also legen sie es auf die Rückbank. „Lux kommt sowieso auf meinen Schoß", meint Isa. „Verreisen wir wirklich nur vier Tage?", fragt Dennis belustigt, denkt wahrscheinlich an das übervolle Auto. „Ich wünschte es wären mehr", ruft Isa und gibt ihm einen Schmatzer.
„Bereit?", Marc lächelt sie an, „Dann schlag ein!" Sie trifft, und der Handschlag mit Marc ist ein Versprechen, das sie sich geben. Wunderschöne vier Tage, ohne Kummer und Streit.
„Schwing' dich drauf!"
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