Kapitel 1,3
Ein dumpfer Laut lässt sie sofort anhalten. Vorsichtig beginnt sie mit der freien Hand vor sich zu tasten, fühlt etwas Weiches, Warmes. Klamotten, die eine Person bekleiden. Sie will gerade ansetzen, zu fragen, ob die Person Hilfe braucht, da erkennen ihre Finger, dass der Mensch ihr zugewandt steht.
„Hi, da bist du ja", sagt Marc, nimmt ihre auf seiner Brust erstarrte Hand und schiebt sie zurück. „Na, na, so gut kennen wir uns dann doch nicht."
Tiffany wägt ab, ob sie ihn anschreien, ihm mit dem Stock eins überziehen, oder ihn die Treppe runterstoßen und es wie einen Unfall aussehen lassen soll. Sie entscheidet sich für Konfrontation. „Geht's dir noch gut?", faucht sie.
„Ach, danke der Nachfrage, ja sehr gut, schönes Wetter, viel Schnee, gute Gesellschaft-" Tiffany muss an sich halten, nicht ihre anderen Optionen zu wählen. Sie hört eine Tür zuschlagen, dann das charakteristische hin und her Streifen eines Blindenstocks. Gleich wird jemand die Treppe erreichen, die blockiert und gefährlich ist. „Lauf runter", zischt sie, vor Wut zittert das Klacken. Unten angekommen schreit sie ihn an: „Was zum Teufel machst du?" Sie schwört sich, dass sie ihm, wenn er jetzt derartiges erwidert wie ,gerade nichts und du?', eine Ohrfeige gibt.
Er schweigt. Glück gehabt, denkt sie, fährt fort: „Wie lang arbeitest du schon hier, hä? Scheinbar nicht lang genug, um zu checken, dass man in einer Schule für Blinde nicht unbedingt mitten auf der Stufe steht-", sie muss kurz atmen „und die ganze Treppe stillschweigend blockiert. Weißt du eigentlich wie unfassbar gefährlich das ist? Außerdem läufst du niemals auf der linken Seite, niemals!"
Er sagt nichts. „Sag mal, bist du überhaupt noch anwesend?"
„Ich hatte das Gefühl, dass du mich schlägst, wenn ich etwas antworte."
Innerlich muss sie lachen, äußerlich bleibt sie wütend -hoffentlich. „Wenigstens das funktioniert bei dir richtig." Er lacht, ein bisschen nervös, findet sie.
Dann meint er: „Also, noch mal zum Mitschreiben für die ohne Gehirn: Auf der Treppe nicht stehenbleiben und falls doch, wenigstens laut-" Sie unterbricht ihn: „Einfach gar nicht stehenbleiben"
„Okay nicht auf der Treppe stehenbleiben, auch nicht laut, und niemals auf der linken Seite gehen oder stehenbleiben, auch nicht laut."
„Korrekt. Seltsam, dass ein Typ ohne Gehirn das kapiert hat"
„Zwar ohne Gehirn, dafür aber mit Augen." „Hey, Augen hab' ich auch."
„Und nebenbei -sogar sehr schöne. Allerdings übertreffen sie deine Haare nicht" Sie winkt ab. „Spar' dir sowas, kann ich echt nicht beurteilen." Endlich fällt Tiffany ein: „Was willst du eigentlich?"
„Naja, dachte, wir sehen uns. Jetzt haben wir uns gesehen." „Mhhm. Und weiter?" „Machst du nächstes Wochenende, sagen wir Samstag, schon was?" „Weiß nicht, sollte ich das besser?" „Nein." Er steckt ihr einen Zettel zu. „Meine Handynummer, falls sich was ändert. Bis dann.", sie hört weggehende, knirschenden Schneeschritte. Vorsichtig gleitet sie mit dem Finger über den Zettel. Er hat die Zahlen in Blindenschrift transferiert. Tiff lächelt.
Die Kälte beginnt an ihr zu nagen, sie beeilt sich schnell zu dem Treffpunkt mit ihrem Mobilitätstrainer.
Erst dann fällt ihr auf, dass sie Isa bereits zugesagt hat.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro