18.
Als ich am nächsten Tag aufwache, brummt mir der Kopf. Ich muss sofort an Jasper denken.
Seit unserem Streit haben wir nicht mehr miteinander geredet. Ich bin immer noch wütend und verärgert, versuche Jasper aber für heute gänzlich aus meinem Kopf zu verbannen. Dieser Idiot verdient es doch gar nicht, dass man an ihn denkt.
Es ist warm draußen, also entscheide ich mich für ein knappes Kleid mit schwarzer Spitze und einem Paar schwarzer High Heels. Obwohl ich mich sonst nie sehr auffällig schminke, trage ich heute sogar dunklen Lippenstift und schwarzen Lidschatten auf. Ich weiß nicht einmal wieso mir plötzlich nach einem Stilwechsel ist. Der schwarze Fedora-Hut, den ich mir aufsetze, sieht zwar ein bisschen albern aus, aber ich habe ja nicht wirklich eine andere Wahl. Irgendwie muss ich die Hörner ja bedecken. Aber wenn ich den schwarzen Mantel dazu trage, dann sehe ich wie eine mysteriöse Karriere-Frau aus.
Ich mache mich langsam auf den Weg nach unten. Unten sitzt Maria schon abwartend mit einem Gesichtsausdruck, der mir schon sagt, dass sie ärgerlich bist. ,,Immer kommst du so spät nach Hause.", meckert sie leise und ich streiche ihr nur beruhigend am Arm. ,,Es tut mir leid. Ich bin ein ganz, ganz schlechtes Kind."
Ich küsse ihr zum Abschied auf die Wange und mache mich auf den Weg zu Finn. Es ist sonnig draußen und ich genieße die sanfte Brise, die mir ins Gesicht weht.
In meinem Kopf stelle ich mir genau vor, wie unsere nächste Begegnung ablaufen wird.
Ich werde die ganze Zeit total cool und souverän sein und er total eingeschüchtert von meinem Sex Appeal.
Bestimmt verknallt er sich dann auch total in mich, aber ich lehne ihn dann ab.
Er ist sowieso viel zu verklemmt. Auch, wenn das irgendwie süß ist.
Worauf ich wirklich gespannt bin, ist der Magie-Unterricht, den er mir angeboten hat.
Ich stelle mir das schon ein bisschen wie in Harry Potter vor. Mit Kesseln und magischen Zutaten, fliegenden Besen und allen möglichen Krimskrams.
Als ich vor dem Café stehen bleibe, fällt mir auf, dass niemand drinnen ist.
Ich luge suchend in die Seitengasse, und da steht Finn, mit zwei Müllsäcken in der Hand.
,,Hey!", rufe ich lächelnd und mache ein paar Schritte auf ihn zu. Genau in dem Moment, in dem er sich zu mir dreht, knicke ich um.
Der Boden wird mir unter den Füßen weggezogen.
Ich reibe mir jammernd die schmerzenden Stellen.
Man, wie peinlich. Dabei wollte ich doch cool wirken.
Peinlich berührt senke ich den Blick, sehe aus dem Augenwinkel aber trotzdem wie Finn die Müllsäcke fallen lässt und schnell zu mir hastet. Er kniet sich zu meinen Füßen hin und sieht mich besorgt an.
,,Alles gut?", fragt er sanft.
,,Kannst du deinen Fuß bewegen?"
Er streift mir vorsichtig den Schuh ab. Ich schlucke nervös, als er anfängt meinen Knöchel abzutasten.
Seine Hände sind warm und weich.
Er dreht meinen Fuß sanft nach rechts und links. Dabei zieht es ganz unangenehm im Fuß und ich muss den Mund verziehen.
,,Tut das weh?"
Ich nicke verlegen den Kopf. Er sieht mich mit warmen Augen an. Er ist wirklich süß, denke ich mir.
Noch nie hat sich jemand auf diese Art und Weise um mich gekümmert.
Ehe ich mich versehe, steht er auf, kniet sich zu mir runter und hebt mich mühelos auf, um mich in seinen Armen ins Café zu tragen.
,,Oh.", verdattert starre ich ihn an. Gott, er ist so verdammt stark. Liegt das an seinem Training oder an seinen übernatürlichen Kräften?
,,Damit du den Fuß nicht überanspruchst.", sagt er, als wäre es selbstverständlich mich ins Café hineinzutragen. Er riecht unglaublich gut.
Nach frisch gemahlenem Kaffee und gebrannten Mandeln. Ich lehne mich mit dem Kopf an seine warme Brust. Wie wäre es wohl mit Finn in einer festen Beziehung zu sein?
Er ist sehr viel sensibler und feinfühliger als Jasper.
Ich habe das Gefühl, er wäre bestimmt total romantisch. Ich kann mir so gut vorstellen, wie er mich ins Bett trägt, nachdem ich auf dem Sofa eingeschlafen bin. Wie er mir seine Jacke gibt, wenn ich friere und wie er mir spontan Blumen und altmodische Liebesbriefe schenkt.
Innerlich würde ich am Liebsten wohlig seufzen.
Er ist so gutaussehend und fürsorglich-
Und bei mir drehen die Hormone aus. Gott, ist das peinlich.
Ich beiße mir beschämt auf die Unterlippe, als er mich langsam auf einem roten Sessel absetzt.
Er trägt einen Hocker von einem anderen Tisch her, damit ich die Füße hochlegen kann.
Danach hastet er zur Küche, um mir einen Eisbeutel zu holen. Noch nie hat sich jemand so um mich gekümmert. Ich versuche mir ein Grinsen zu verkneifen. Ich fühle mich fast schon wie eine Prinzessin. Er setzt sich auf einem Stuhl zu meinem Fußende hin, und hält mir den Eisbeutel an den Knöchel, während er mit mir redet.
,,Es ist ein bisschen angeschwollen, aber in ein paar Stunden wird's schon wieder gehen.", meint er tröstend und ich muss lächeln.
,,Hey, gib mir deine Hand.", sage ich, während ich ihm meine Hand entgegen strecke. Ohne zu Zögern nimmt er sie und sieht mich abwartend an. Süß.
,,Danke, dass du mich reingetragen hast. Und danke fürs Eis.", ich drücke sanft seine Hand und streiche mit dem Daumen über seinen Handrücken, ehe ich sie wieder loslasse.
,,Wieso hast du eigentlich nie Kunden?", frage ich neugierig. Er lacht verlegen.
,,Ich habe eigentlich ziemlich viele Kunden. Aber die kommen eher abends und früh am Morgen her.", erzählt er, während er sich nachdenklich am Kinn kratzt. ,,Die Senioren, die kommen ganz früh am Morgen. Die unterhalten sich gerne bei Kaffee und Fruchttörtchen."
In manchen Momenten, da sehe ich den Engel in ihm aufblitzen. Er hat diese behutsame Art, diese beruhigende Aura. Da ist manchmal dieser Blick in seinen warmen, braunen Augen, der so verdammt unschuldig und friedfertig ist.
Manchmal denke ich mir, dass er noch nie im Leben so etwas wie Hass oder Neid empfunden hat.
Ich finde seine Unschuld anziehend. Als wäre er eine unberührte Insel in einem Meer voller Boshaftigkeit.
,,Und nachts? Wer kommt da?", frage ich neugierig, während ich mich tiefer in den Sessel sinken lasse. ,,Alleinerziehende Mütter mit schlaflosen Babys. Wir sitzen oft die ganze Nacht wach und spielen Poker.", während er redet, fällt ihm eine braune Strähne ins Gesicht, die er sich hinters Ohr streicht. ,,Die trinken Unmengen an Kaffee. Ohne die hätte ich den Laden schon längst schließen müssen."
Wie niedlich. Ich kann mir wirklich gut vorstellen, wie er mit einer Runde Muttis Karten spielt oder sich mit Senioren über das Wetter unterhält.
Das Sonnenlicht strahlt mittlerweile ins Café hinein und Strahlen wandern durch den Raum, über die gemütlichen Sessel und kleinen Holztische hinweg.
Ich schaue auf meine Füße herab.
Den Fuß mit dem geschwollenen Knöchel habe ich noch immer hochgelegt, auf dem Hocker.
Den anderen Fuß habe ich auf dem Boden.
,,Wo ist eigentlich mein Schuh?", frage ich zögerlich.
,,Ich hole ihn dir.", antwortet er prompt und steht auf. Ich greife nach meinem Handy um zu sehen, ob mir jemand geschrieben hat. Mit jeder verstrichenen Stunde warte ich auf eine Entschuldigung von Jasper, aber es kommt nichts. Zwischen uns herrscht Funkstille, seit wir uns im Krankenzimmer gestritten hatten. Allein, wenn ich daran denke, fängt mein Blut an zu kochen. Das ist so unfair! Ich habe mich schützend vor ihn gestellt, ihm Blut aus dem Gesicht gewischt und was tut er? Er schnauzt mich wütend an. Tolle Freundschaft ist das.
Genau in dem Moment, als ich das Handy deprimiert weglege, kommt Finn mit dem Schuh zurück.
Aber irgendetwas stimmt nicht. Die Ruhe in seinem Gesichtsausdruck ist wie weggeblasen. Er sieht mich besorgt an.
,,Ist etwas?", frage ich irritiert. Er setzt sich hin und drückt mir den Schuh in die Hand.
,,Guck dir die Sohle an.", sagt er leise, während er sich auf dem Stuhl neben mir hinsetzt und nachdenklich in die Luft starrt. Verwirrt leiste ich der Anweisung folge.
In der Sohle wurde etwas grob eingeritzt. Ein Kreis mit seltsamen Strichen und Formen.
Woher kommt das denn? Als ich sie gekauft hatte, waren sie brandneu. Und mir ist das vorher auch noch nie aufgefallen.
,,Das ist eine Rune."
Finn legt den Kopf nachdenklich schief, wobei im ein paar Strähnen ins Gesicht fallen.
An der Art und Weise, wie er nervös mit den Händen an seiner Schürze fummelt und wie er verloren in die Luft starrt, erkenne ich, dass etwas Ernstes los ist.
Bei seinem besorgten Blick kriege ich ein mulmiges Gefühl im Magen.
,,Diese Rune wurde vor langer Zeit von einer Organisation benutzt, um übernatürliche Wesen zu schwächen. Um sie dann zu töten."
Dann hebt er den Kopf und sieht mich an.
Seine braunen Augen funkeln ernst.
,,Aber diese Organisation ist schon seit Jahrhunderten tot. Ich weiß nicht, wer das getan haben könnte."
Finns Worte hatten mich so gefesselt, dass ich gar nicht merkte, wie er mit dem Stuhl näher zu mir rutschte und mir beruhigend die Hand auf die Schulter legte.
,,Ich weiß, wer das war.", meinte ich nach einigen Momenten unangenehmer Stille und sprach den Namen aus, der mir sofort in den Sinn kam.
,,Maggie Quispe."
Ich gratuliere mir innerlich zu meinem Glück.
Eine verrückte Jägerin sitzt mir im Nacken und ich weiß nicht einmal, wie sie aussieht.
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Frage des Autors:
Wen mögt ihr eigentlich mehr? Finn oder Jasper?
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