Prolog - Ich bekomme eine neue Mitbewohnerin
Yumi
Ich zog die Vorhänge auf um die Sonne herein zu lassen. Es war noch früh am Morgen, die Sonne war gerade erst aufgegangen. Ein perfekter Tag zum Fischen, wie ich fand. Ich zog mir meine Robe über, band meine Haare zusammen und ging dann nach draußen an die Küste. Mein Boot hatte ich zuvor an einem Holzpfahl angebunden. Ich gähnte ausgiebig, ich wusste, das würde ein langweiliger Tag werden. Fischen war nie sonderlich spannend. Erstmal fuhr ich raus aufs Meer, die meisten Fischschwärme befanden sich weit draußen. Die dunklen Wolken, die von Norden aufzogen, ignorierte ich einfach. Ich brauchte ja trotzdem was zu essen. Ich segelte immer weiter hinaus, bald sah ich schon kein Land mehr. Nur noch vereinzelte Eisschollen trieben herum. Langsam wurden die Wellen höher, ich warf dennoch meine Angel aus. Irgendwann nahm der Wind zu, es fing an zu regnen und zu schneien und mein kleines Holzboot geriet ordentlich ins Wanken. Ich wollte das Segel einholen, doch plötzlich erfasste mich eine Welle, mein Boot kippte und ich fiel rückwärts ins eiskalte Wasser. Die Wellen schlugen über mir zusammen. Verzweifelt versuchte ich, mich zurück auf mein Boot zu ziehen, aber ich rutschte immer wieder ab. Das nasse Holz war zu glatt. Das Eiswasser des Südpols schränkte meine Bewegung immer mehr ein. Krampfhaft versuchte ich mich überhaupt über Wasser zu halten. Aber die Wellen drückten mich immer wieder nach unten, die Strömung riss mich mit. Noch einmal versuchte ich Luft zu holen, ich stieß mir meinen Kopf an einer Scholle und mir wurde schwarz vor Augen.
Mein Kopf dröhnte und ich rang hustend nach Luft. Aber ich war am Leben, wie auch immer ich das geschafft hatte. Ich rappelte mich auf und sah mich um. Überall Eis. Egal wo ich hinsah, ich konnte nur Eis sehen. Und das Wasser. Ich musste angespült worden sein. Ich wrang meine Robe aus, richtete meine Frisur und ging dann Richtung Sonne. Würde schon der richtige Weg sein. Nachdem ich schon eine Weile gelaufen war, schien die Sonne auf die Spitze eines riesigen Eisbergs. Beim genaueren Betrachten erkannte ich einen seltsamen Schatten, der sich im Eisberg zu befinden schien. Ich beschloss mir das Ganze aus der Nähe anzusehen. Mühsam stieg ich den Berg hinauf. Im Eis schien sich tatsächlich etwas zu befinden. Von hier oben konnte ich sogar zwei Schatten entdecken. Einen großen und einen kleinen. Vielleicht tote Tiere oder sowas. Verrückt. Ein dicker Riss zog sich durchs Eis. Ich hatte das Gefühl, ich musste nur noch dagegen schlagen und dann würde sich die gesamte Bergspitze spalten. Und ich war dumm genug um genau das zu tun. Ich trat einen Schritt zurück, holte aus und trat mit meinem Fuß genau auf den Riss. Erstmal passierte nichts. Dann ein Knacken. Weitere Risse bildeten sich. Ich trat noch einmal. Eine Eisschicht platzte ab und gab einen Arm frei. Einen menschlichen. Erschrocken wich ich zurück. Wieso befand sich ein Mensch in diesem Eisberg? Was genau war der große Schatten? Wollte ich das überhaupt noch herausfinden? Ich starrte noch einmal die menschliche Hand an. Bis die Finger anfingen zu zucken. Ich presste meine eigene Hand auf meinen Mund um nicht laut loszuschreien. Wie war das möglich?! Weshalb war die Person noch am Leben?! Trotzdem fackelte ich nicht lang, ich zog mein Katana und fing an die Eisschichten aufzubrechen. "Halt durch, ich hol dich da raus." Ich hatte es fast geschafft. Ich zog das junge Mädchen vorsichtig aus dem Eis und legte sie auf dem Boden ab. Dann kümmerte ich mich um den zweiten Schatten. War das ein Hund?! Ein echt großer. Auch den zog ich aus dem Eis. Plötzlich fühlte ich ein Stechen in meinem Rücken. Erschrocken drehte ich mich um. Das Mädchen stand direkt hinter mir. Mit Wurfmessern in der Hand. "Geh von IceAge weg!" IceAge?! Der Hund? Ich wich einem weiteren Messer aus. "Sag mal bist du bescheuert?! Ich hab dich und deinen Hund gerettet." Ich zog mir das Messer aus dem Rücken und warf es ihr vor die Füße. Fragend sah sie mich an. "Mein Name ist Yumi. Ich komme definitiv in Frieden." Ich hob beide Hände. Vorsichtig ging die Fremde an mir vorbei. Zu ihrem riesigen Husky IceAge. Mein Blut lief derzeit meinen Rücken runter. Vielen Dank auch. IceAge schlabberte ihr Gesicht ab. "Ähm entschuldige bitte. Aber ich hätte da auch noch ein paar Fragen an dich.", Meldete ich mich zu Wort. Sie kraulte ihrem Husky den Kopf und kicherte. Mich hatte sie wohl einfach nicht gehört. Ihre dunkelbraunen Haare hatte sie in zwei lockere Zöpfe gebunden, die ihr über die Schulter hingen. Durch den rechten Zopf zog sich eine hellblaue Strähne, als hätte die Farbe für diese Haare nicht mehr gereicht. "Entschuldigung! Hey!" Endlich drehte sie sich zu mir um. "Wieso warst du da drin eingefroren? Wer bist du?" "Ich war im Eis? Ehrlich?" "Gütige Götter, wie kannst du das nicht wissen?!" Eine Weile lang starrten wir uns nur an. Sie kratzte sich am Hinterkopf. "Ich hab keine Ahnung. Wie komm ich hier her?" Ich schüttelte den Kopf. "Weißt du wenigstens wer du bist?" "Aber natürlich. Ich bin Aoi." Na wenigstens etwas. Sie sah sich um. "Wo genau sind wir hier?" Ich seufzte. "Das weiß ich auch nicht." "Oh okay. Ich dachte zumindest du hast Ahnung.", sagte Aoi. Ich zuckte mit den Schultern. "Ich bin ja auch gerade erst aufgewacht." Sie legte den Kopf schief. "Wurdest du auch eingefroren?" "Nein, ich war nur zu dumm zum Fischen." "Ahh."
"Ja also mein Boot wurde höchst wahrscheinlich zerstört. Wir müssen also erst Mal zu Fuß laufen.", erklärte ich. "Oder wir nehmen IceAge." Fragend sah ich sie an. "Sie kann über Wasser laufen. Sie ist ein Wassergeist." Ein Wassergeist?! Dieser Husky?! "Komm, steig auf, Yumi!" Mühsam kletterte ich auf den riesigen Hund.
"Da ist es!", brüllte ich gegen den Wind. "Los, IceAge!" Die Hündin rannte über das Wasser als würde sie über Erde laufen. "Die kleine Holzhütte da?" "Ja." Wir hielten direkt vor meiner Haustür. Neugierig sah Aoi sich um. Dann stieg sie elegant von IceAge und beäugte den Schneemann in meinem Vorgarten. Ich hatte Langeweile, okay?! Ich stieß die Tür auf, sie klemmte so wie immer. Aoi stiefelte als erste in meine Hütte. "Das sieht hier alles so gemütlich aus.", staunte sie. Dann rieb sie sich ihre nackten Arme. "Aber ganz schön kalt hier." Sie hatte nur eine kurze, rote Robe an. Dazu eine gelbe Hose. "Soll ich dir was zum Anziehen leihen?" Ihre graublauen Augen strahlten. "Oh ja bitte. Ich will auch sowas cooles mit Pelz!" Ich lächelte. "Dann komm mal mit." Aoi folgte mir die Holztreppe nach oben in mein Schlafzimmer. Fasziniert sah sie sich auch hier um. Ich wühlte derzeit in meinem Kleiderschrank. "Kannst du dich noch daran erinnern, was passiert ist, bevor du eingefroren wurdest?", fragte ich so ganz nebenbei. "Ich war gerade mit dem Boot draußen. IceAge hat mir die Fische zusammengetrieben. Ich geriet in eine Strömung und dann - dann weiß ich auch nicht mehr." Ich warf ihr eine von meinen langen grauen Roben mit Pelzkragen zu. "Bedeutet das, du warst auch zu dumm zum Fischen?" Kopfschüttelnd sah sie mich an. "Irgendwie schon, ja." Ich seufzte. "Und wo genau kommst du her?" "Vom östlichen Lufttempel." Die Stiefel, die ich gerade für sie herausgeholt hatte, rutschten mir aus den Händen. "Aber das kann nicht sein! Die Lufttempel gibt es nicht mehr." Ihre Augen wurden ganz groß. "Wieso gibt es die Lufttempel nicht mehr? Ich komme doch von da! Ich wohne da!" Ich kratzte mich am Hinterkopf. "Wie ist das möglich? Hmm... Aoi, wann wurdest du geboren?"
"Am ersten Mai 9834 Jahre nach Wan." Was? "Wer oder was ist Wan?" Erschrocken sah Aoi mich an. "Na der erste Avatar? Klingelt da was bei dir?" Das half mir so gar nicht weiter. Ich mein, woher soll ich denn wissen, wann Avatar Wan geboren wurde?! "Ich bin verwirrt. Jeder kennt diese Zeiteinteilung! Wann bist du denn geboren?!" "82 nach Zosins Komet." Aoi warf die Arme in die Luft. "Der Komet? Nach dem berechnest du jetzt die Zeit?" Ich nickte. "So machen das alle. Schon seit fast hundert Jahren!" "Nee.", Sie schüttelte den Kopf. "Das wüsste ich doch. Außerdem ist das mit dem Kometen noch gar nicht so lang her. Als ich aufs Meer hinausfuhr, war der Komet gerade erst im Anflug." Langsam bekam ich Kopfschmerzen. Das wurde mir hier zu viel. "Du willst mich doch verarschen! Der Komet rauschte vor 99 Jahren an der Erde vorbei, du kannst nicht schon davor gelebt haben." "Quatsch. Doch nicht 99 Jahre!" "Ja doch! Ich bin mir ganz sicher. Zur gleichen Zeit begann der Krieg!" "Der Krieg hat schon begonnen?! Stimmt es wirklich, dass die Lufttempel zerstört wurden?" Abwarten sah sie mich an. Sie verarschte mich nicht. Diese Besorgnis konnte niemand vortäuschen. Aber könnte es wirklich sein, dass Aoi so lange im Eis war? 99 Jahre? "Es tut mir leid Aoi. Die Luftnomaden wurden vollständig ausgerottet." Sie ließ sich auf mein Bett fallen. "Es tut mir leid, Aoi." Ich setzte mich neben sie und legte einen Arm um ihre Schultern. "Wo soll ich denn jetzt hin?", fragte sie und pulte an meiner Bettdecke. "Also wenn du nichts dagegen hast, ich hab genug Platz." "Du würdest mich bei dir wohnen lassen? Im Ernst?"
Und so bekam ich eine Mitbewohnerin, wer Aoi aber wirklich war, sollte ich erst viel viel später erfahren...
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