6. Kapitel
Das Licht der aufgehenden Sonne sickerte durch das Gewirr der Weißdornäste, in dem sich der Kriegerbau des BlattClans befand und weckte Rankensee. Sie gähnte und kämpfte sich aus ihrem Nest, das sie vor dem Schlafengehen mit zusätzlichem Moos ausgestattet hatte. Allmählich wurden die Nächte kälter und kündigten so die herannahende Blattleere an. Der Bau war angefüllt von den Gerüchen und dem leisen Schnarchen ihrer Clangefährten. Einzig und allein Eagles Nest war bereits leer. Vorsichtig tappte Rankensee um Orion herum und wich Beerenflecks Schweif aus, um keinen der Krieger zu wecken, stolperte dann jedoch über Borkensprungs Pfote. Der Krieger zuckte zusammen und brummte ein paar unverständliche Worte, bevor seine Atmung wieder ruhig und gleichmäßig wurde. Er schläft noch, stellte Rankensee erleichtert fest. Aber es ist so eng unter diesem winzigen Weißdorn! Im NachtClan hätten wir zwei dieser Baue benötigt, um alle Krieger darin unterbringen zu können.
Vorsichtig duckte sie sich unter den dornenbesetzten Zweigen hindurch ins Freie und entdeckte Eagle neben seiner Tochter Jade beim Frischbeutehaufen. Eine Fuchslänge hinter ihnen ragte die Mauer eines Zweibeinernestes auf, das jedoch ganz anders aussah als die, die Rankensee vom Zweibeinerort nahe dem NachtClan-Territorium kannte. Anstelle von rotem Stein waren die Wände aus einem harten, gewellten Material erbaut, von dem die Farbe abblätterte und so dem Rost Platz machte. Bäume wuchsen überall, sogar direkt im Eingang des Nestes und in seinem Inneren wucherten Gräser durch Risse im Boden. Die Zweibeiner schienen diesen Ort schon seit Blattwechseln aufgegeben zu haben. Dennoch hatte es Monde gedauert, bis Rankensee sich an den Gedanken gewöhnt hatte, dass sich ihr neues Lager gerade hier befinden sollte. Dass sie bis ans Ende ihres Lebens gerade hier schlafen und sich mit ihren Clangefährten die Zunge geben sollte. Dass dies nun ihr Zuhause sein sollte. Auch jetzt fühlte sie sich noch manchmal unwohl, wenn der Schatten des Zweibeinernestes auf das Lager fiel. Doch den BlattClan-Katzen, die zuvor als Streunerbande zusammengelebt hatten, schien es hier zu gefallen. Sie hatten schon immer näher bei den Zweibeinern gelebt als die Clans. So war es nicht weiter verwunderlich, dass das Loch in der Wand des Zweibeinernestes, durch das man vom Lager aus hinein gelangen konnte, noch von keiner Katze gestopft worden war.
Von diesem Punkt aus hatten die BlattClan-Katzen einen Lagerwall aus Stöckern und Brombeeren errichtet, der nun gemeinsam mit der Zweibeinernestwand die Baue vor Angreifern schützte.
»Rankensee!« Eagle hatte die Kätzin am Eingang des Kriegerbaus entdeckt und winkte sie zu sich herüber. »Möchtest du dich einer Grenzpatrouille anschließen?«
»Natürlich!«, miaute Rankensee.
»Dann komm zu uns, wir wollen noch etwas fressen, bevor wir los gehen.« Eagle suchte sich eine Wühlmaus vom Frischbeutehaufen und wandte sich dann an seine Tochter. »Jade, wenn du auch mitkommen möchtest, solltest du deinem Mentor Bescheid sagen.«
Die Schülerin nickte und sprang dann in Richtung Kriegerbau davon. Unterdessen wählte Rankensee einen Sperling und ließ sich zum Fressen neben dem zweiten Anführer nieder. Gerade schlang sie den letzten Bissen hinunter, als sich ihr schwerfällige Schritte näherten. Birkensee kam von der Kinderstube zu den Kriegern hinüber, nahm sich das fetteste Beutestück, eine Taube, vom Haufen und setzte sich zu Rankensee. Ihr Bauch wölbte sich über ihren ungeborenen Jungen und Rankensee fragte sich unwillkürlich, wann sie wohl zur Welt kommen würden.
»Moon sagt, es dauert nicht mehr lange«, schnurrte Birkensee, die Rankensees Blick offenbar bemerkt hatte. »Es kann jederzeit soweit sein.«
Gerade wollte Rankensee etwas antworten, als eine plötzliche Bewegung ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Auf der gegenüberliegenden Seite des Lagers erbebte der Kriegerbau, als Borkensprung seinen Kopf hinaus streckte, sein Fell sich an einem der Weißdornäste verhakte und er sich umständlich davon losriss.
»Jetzt stell dich nicht so an!«, miaute Jade, während sie ihn vor sich her aus dem Bau schob. Allerdings klang sie eher amüsiert als wütend.
Verschlafen stolperte Borkensprung zum Frischbeutehaufen, wandte sich an Eagle und murmelte: »Grenzpatrouille? Jetzt?«
Eagle nickte. »Wir warten noch kurz, bis du ganz wach bist.
Neben Rankensee schüttelte Birkensee den Kopf, ihre Augen funkelten belustigt. »Mein Bruder hat es schon immer gehasst, so früh aus dem Nest gescheucht zu werden.«
Nachdem auch Jade und Borkensprung gefressen hatten, machte sich die Patrouille auf den Weg. Rankensee war die erste, die durch die Lücke im Brombeerwall aus dem Lager trat und wäre fast mit Blattstern zusammengestoßen. Ihre Halbschwester trug eine Elster im Maul und hatte sie anscheinend gerade auf den Frischbeutehaufen bringen wollen.
»Jagd- oder Grenzpatrouille?« Blattstern war wegen der Federn in ihrem Maul kaum zu verstehen.
»Grenzpatrouille«, antwortete Eagle ihr.
Blattstern legte ihre Elster auf dem Boden ab. »Lass mich noch schnell diese Beute ins Lager bringen, dann werde ich mich deiner Patrouille ebenfalls anschließen. Ihr könnt auch schon voraus gehen, wenn ihr mir sagt, wohin wir zuerst gehen, ich hole euch schon wieder ein.«
»Ich denke, wir kontrollieren zuerst die NachtClan-Grenze und das Gebiet, das wir uns von ihnen erkämpft haben, bevor wir Richtung FederClan weiter gehen. Vielleicht könnten wir am Ende noch bei der Steinlichtung jagen, falls wir beide hier nicht gebraucht werden«, antwortete Eagle ihr.
Wir werden also mal wieder das gesamte Territorium umrunden. Rankensee erinnerte sich noch gut an ihre Zeit im NachtClan, dort hatte Sichelblatt immer zwei Grenzpatrouillen zugleich losgeschickt. Doch der BlattClan hatte weniger Krieger und ein kleineres Territorium, sodass eine Patrouille genügen musste.
»Nein, für eine Jagd sollte genügend Zeit sein«, schnurrte Blattstern kopfschüttelnd. »Du bist der Zweiter Anführer einer Gruppe von Kriegern und nicht die Mutter hilfloser Junge. Sie werden auch eine Weile ohne uns beide zurechtkommen.«
***
Ein kalter Wind rauschte in den Bäumen über den Köpfen der BlattClan-Katzen und ließ Rankensee zittern. Gerade hatte auch noch Regen eingesetzt, der inzwischen so dicht fiel, dass Rankensees Pelz ihr nass am Körper klebte. Dennoch atmete sie erleichtert auf, als sie die NachtClan-Grenze hinter sich ließen und in Richtung FederClan aufbrachen. Erst jetzt ließ sich die Erinnerung an die Grenzpatrouille, auf der sie und Borkensprung dem NachtClan-Heilerschüler Mückenpfote den Schachtelhalm geschenkt hatten, langsam abschütteln. Mohnregens Drohung, der NachtClan würde das gestohlene Territorium zurückerobern, war ihr die ganze Zeit über im Kopf herum gespukt.
Doch heute war es an der NachtClan-Grenze ruhig geblieben. Sie hatten die Geruchsmarkierungen erneuert, keine Spur von Eindringlingen gefunden und waren von Kornwind, der eine NachtClan-Grenzpatrouille anführte, freundlich begrüßt worden. Aber wer wusste schon, wie lange das noch so blieb? Wie lange die beiden Clans noch den Frieden bewahren würden?
»Rankensee?« Eagle hatte sich zu ihr umgedreht.
Auf einmal bemerkte die junge Kriegerin, wie weit sie hinter den anderen zurückgefallen war und schloss eilig zu dem Zweiten Anführer auf.
»Glaubst du, dass der NachtClan uns angreifen wird, um sein Territorium zurückzubekommen?«, fragte sie ihn.
»Ich weiß es nicht. Wir werden vorsichtig sein und abwarten müssen, was geschieht.« Kurz schwieg der Zweite Anführer und musterte Rankensee. »Du hast Angst, oder?«, fragte er dann. »Wegen dem, was Mohnregen vor einigen Sonnenaufgängen gesagt hat.«
»Ja, habe ich«, gab Rankensee zu. Sie hatte ihren Clangefährten von der Drohung erzählt, doch Blattstern hatte lediglich versucht, Rankensee zu beruhigen und schien die Warnung schon bald vollkommen vergessen zu haben.
»Du wirst schon sehen«, miaute Eagle, »am Ende wird alles gut werden. Unsere Kriegerahnen wachen über uns und sollte es zu einem Kampf kommen, wird das Gesetz der Krieger das Schlimmste verhindern. Im Moment können wir nichts anderes tun, als auf das Beste zu hoffen und uns auf unsere Patrouille zu konzentrieren.«
Rankensee nickte und richtete ihren Blick wieder nach vorn, wo Jade und Borkensprung nebeneinander an der Grenze entlang trabten und Blattstern eine der Duftmarkierungen erneuerte.
Plötzlich blieb Jade wie erstarrt stehen. »Da ist eine Katze irgendwo jenseits der Grenze! Ich kann sie hören.«
Auch Borkensprung verharrte mitten in seiner Bewegung, spitzte die Ohren und nickte dann zustimmend. In diesem Moment bemerkte Rankensee ebenfalls ein leises Knacken, das sich anhörte, als sei eine Katze auf einen Zweig getreten. Durch die kahlen Zweige eines Strauches hindurch war ein getigerter Pelz zu sehen. Der Kater, der dort auf der anderen Seite der Geruchsmarkierungen stand, blickte sie aus seinen gelben Augen direkt an.
»Ist das ein NachtClan-Kater?«, fragte Borkensprung. »Ich glaube, ich habe ihn schon einmal an der Grenze gesehen.«
»Das ist Wolfspfote«, miaute die Blattstern.
Oder wie auch immer sein Kriegername lautet, stimmte Rankensee ihr zu. Ihren ehemaligen Baugefährten hatte sie natürlich sofort erkannt. Aber Hagelsturm und Klippenfall sind nirgendwo zu sehen. Ist er etwa allein unterwegs?
Eilig sprang sie dem NachtClan-Krieger entgegen. Bitte, SternenClan, mach, dass es Klippenfall und Hagelsturm gut geht. Sie sollten doch mit ihm zusammen reisen.
»Wolfspfote!«, rief sie ihm zu. »Wo sind deine Clangefährten?«
»Geht dich nichts an!«, fauchte er. »Du gehörst nicht mehr zu uns, oder hast du das vergessen? Außerdem heiße ich nun Wolfsfeuer.«
»Ein schöner Name.« Blattstern trat neben Rankensee. »Würdest du mir verraten, wie du es geschafft hast, deine Kriegerprüfung zu bestehen, obwohl du nicht mit den beiden jüngsten Kriegern deines Clans unterwegs bist, wie du es solltest?«
»Du bist genauso eine Verräterin wie Rankensee!«, knurrte Wolfsfeuer und Rankensee dachte schon, er würde sich auch noch weigern, der Anführerin zu antworten. Doch dann fuhr er fort: »Unsere Wege haben sich erst bei Sonnenaufgang getrennt. Ich denke, sobald die Sonne am Horizont versinkt, sollten auch sie hier ankommen. Wir sind also nicht lange getrennt gewandert und ich muss jetzt auch weiter. Es ist wichtig.«
Einen Moment noch funkelte Wolfsfeuer die BlattClan-Katzen aus seinen gelben Augen wütend an, dann wandte er sich ab und stapfte in Richtung seines Territoriums davon.
Weder Wind noch Regen ließen nach, während die BlattClan-Katzen ihre Patrouille an der FederClan-Grenze fortsetzten. Inzwischen wünschte sich Rankensee nur noch in ihren warmen Bau zurück. Blattstern schien es nicht besser zu gehen. Sie war stehen geblieben und versuchte sich die Nässe aus dem Pelz zu schütteln, was jedoch nicht so recht klappte, weil es noch immer auf sie hinab regnete.
Mit einem Blick zu den dunkelgrauen Wolken am Himmel beschloss sie: »Jade, Eagle, ihr geht einmal quer durchs Territorium zur NachtClan-Grenze, dorthin, wo wir die Grenzpatrouille begonnen haben und kommt Rankensee, Borkensprung und mir dann entgegen. Dadurch sollten wir schneller fertig werden. Falls das Wetter heute noch besser wird, können wir die Jagd auf später verschieben.«
»In Ordnung«, stimmte Eagle zu. »So machen wir es.«
Der Zweite Anführer und seine Tochter wirbelten herum und sprinteten durch den Wald davon.
Während sie an der Grenze entlang weiter gingen, kam es Rankensee immer sinnloser vor, überhaupt noch zu patrouillieren. Heute würde bestimmt niemand unerlaubt die Grenze übertreten, denn keine andere Katze konnte so verrückt sein, bei diesem Unwetter eine Pfote aus ihrem Bau zu setzen.
***
»Wo bleibt Blattstern so lange?« Ein wenig später hatten sich Borkensprung und Rankensee unter einer Tanne versteckt, dem einzigen Baum in der Nähe, der noch grün war. Alle anderen Bäume hatten längst ihre Blätter abgeworfen. Doch als sie dort auf Blattstern warteten, begann das Wasser sich auch einen Weg durch die Tannennadeln zu suchen und auf die beiden Krieger herabzutropfen.
»Sie sollte sich besser beeilen«, knurrte Borkensprung und spähte unter den Zweigen der Tanne hindurch zu einem Gewirr von Brombeerranken an der Grenze. »Ich will nicht länger als unbedingt nötig im Regen hocken!«
Auf der anderen Seite des Brombeergebüsches war Blattstern eben stehengeblieben, um eine Duftmarkierung zu erneuern, während Borkensprung und Rankensee weiter gelaufen waren. Eigentlich hätte sie schon längst wieder zu den beiden Kriegern aufschließen sollen...
»Sie müsste jeden Moment kommen«, miaute Rankensee und begann ebenfalls den Blick durch ihre Umgebung schweifen zu lassen. »Aber wir warten schon recht lange. Glaubst du, ihr ist etwas zugestoßen?«
Langsam begann sie sich Sorgen um ihre Halbschwester zu machen.
»Nein.« Borkensprung schüttelte den Kopf. »Das hätten wir doch gehört. Sie hätte um Hilfe gerufen, wenn sie welche gebraucht hätte.«
Unrecht hat er nicht, überlegte Rankensee. Dennoch hielt sie es für besser, nach Blattstern zu sehen. Es konnte doch sein, dass sie in den Dornen der Brombeerranken festhing.
»Ich gehe trotzdem noch einmal zu ihr zurück«, verkündete sie.
Die Tanne erbebte, als Rankensee darunter hervor kroch. Wassertropfen stoben von den Nadeln in alle Richtungen, doch das machte im Vergleich zu dem strömenden Regen kaum noch etwas aus. Innerhalb weniger Herzschläge war Rankensees Pelz wieder ganz nass. Nur von Borkensprung unter der Tanne höre sie einen erschrockenen Aufschrei, als das Wasser auch auf ihn herab tropfte.
Schlamm sog sich in ihren Pelz, während Rankensee durch eine der großflächigen Pfützen watete, die der Regen inzwischen überall geschaffen hatte. Von den offenen Wiesen des FederClan-Territoriums wehte der Sturm, wütete immer wilder an der Grenze zum BlattClan-Wald. Blätter und kleine Zweige wehten umher, verfingen sich in Rankensees Pelz und sie begann sich zu fragen, wie lange es dauern würde, ihr Fell wieder in Ordnung zu bringen. Mit vor Regen und Wind zusammengekniffenen Augen kam sie schließlich bei den Brombeeren an, tappte um sie herum und erstarrte vor Schreck.
Auf einmal schien alles nebensächlich. Das Unwetter, das um sie herum tobte, die Gedanken, die sie an ihren Pelz verschwendet hatte, oder Borkensprung, der noch immer unter dieser Tanne auf sie warten musste. Rankensee hatte nur noch Augen für die Katze, die Blattstern gegenüber jenseits der Grenze im FederClan-Territorium saß.
Das kann doch überhaupt nicht sein!, dachte die junge Kriegerin schockiert. Warum ist sie hier?!
Rankensee hatte gedacht, sie würde die Kätzin nie wiedersehen. Sie hatte sogar gehofft, ihr nie mehr über den Weg laufen zu müssen.
Aber nun war sie hier. Offensichtlich. Diesen flammenfarbenden Pelz hätte Rankensee überall wiedererkannt!
Blattstern saß mit dem Rücken zu Rankensee und zischte der Flammfarbenden etwas zu. Doch durch das Prasseln der Regentropfen hörte Rankensee nur ein paar Wortfetzten heraus. »Wolfsfeuer«, miaute die Anführerin leise. »Kriegername...« »...die anderen beiden.... zurückgeblieben...«
Sie spricht mit ihr über Wolfsfeuers Ernennung zum Krieger wie mit einer alten Freundin. Nicht wie mit der Feindin, die sie ist!, stellte Rankensee entsetzt fest. Hat sie etwa noch nicht begriffen, wem sie da gegenübersteht?
Entschlossen trat Rankensee auf Blattstern zu, um sie zu warnen. Um ihr zu sagen, dass die Kätzin mit dem roten Fall Flamme war. Eine Kätzin aus dem Stamm der düsteren Wolken, die eigentlich weit weg in den Bergen sein sollte. Eine Kätzin, die ihren Gefährten und ihr Junges im Stich gelassen hatte. Die Kätzin, die Rankensees Bruder Sam getötet hatte!
»Hallo Rankensee«, begrüßte die Anführerin sie und drehte sich dann zu der Kriegerin um. »Sicher wartet ihr schon auf mich.«
Kein Wort kam Rankensee über die Lippen. Ja, sie hatten auf Blattstern gewartet, aber das war nun nicht mehr wichtig. Einen Moment lang wusste sie nicht recht, was sie tun sollte, dann aber Überwog die Wut auf Flamme.
»Blattstern!«, miaute sie. »Die Katze, mit der du sprichst ist Flamme! Sie hat Sam in dem Kampf gegen die Streunerbande ermordet.«
»Ich bin dieser Kätzin noch nie zuvor begegnet, woher soll ich wissen, wer sie ist?«, verteidigte sich Blattstern. »Aber in dem Fall ist sie natürlich ein Feind unseres Clans und wir...«
Ein leises Maunzen unterbrach Blattstern. »Flamme? Ist das wahr, was Rankensee erzählt?«
Oh nein! Rankensee, die die Stimme sofort erkannt hatte, zuckte zusammen. Die Gerüche von Eagle, Borkensprung und Jade wehten zu ihr hinüber, noch bevor Rankensee den Rest ihrer Patrouille entdeckte. Sie mussten gerade erst wieder bei ihnen angekommen sein. Hätten sie nicht ein kleines bisschen später auftauchen können?
Voller Mitleid blickte Rankensee zu Eagle und Jade hinüber. Immer hatte der zweite Anführer sich darum bemüht, dass seine Tochter eine gute, positive Erinnerung an ihre Mutter behielt, anstatt unter der Wahrheit zu leiden. Auch wenn Rankensee Flamme ihre Taten niemals verzeihen würde, hatte sie Eagles Entscheidung stets respektiert. Für Jade musste dieser Moment schrecklich sein. Rankensee konnte sich gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn jemand ihr erzählen würde, ihre Mutter würde eine Mörderin sein.
Wütend peitschte Jade mit dem Schweif und sah dabei zwischen ihren Eltern hin und her. »Ist es die Wahrheit?«, wiederholte sie.
»Nein, also das alles habe ich nur behauptet, weil...« Rankensee wollte Jade beruhigen, wusste jedoch nicht, was sie sagen sollte.
»Warum, hm? Warum hast du das gesagt, wenn es nicht genau so gewesen ist?«, fauchte Jade. Ihre Augen blitzten vor Wut, ihr Fell war gesträubt und sie zerfetzte das nasse Moos unter ihren Pfoten wie den Pelz eines räudigen Fuchses in einem Kampf auf Leben und Tod. Betretenes Schweigen herrschte unter den Katzen, nur das Rauschen des Windes und das Trommeln des Regens auf dem Boden war zu hören.
»Hast du mich etwa schon wieder angelogen, Eagle?«, knurrte Jade.
Eagle blickte auf seine Pfoten. »Ich habe nur versucht, dich zu schützen...«
»Jade.« Flamme sah ihrer Tochter direkt in die Augen. »Es stimmt. Vor deiner Geburt war ich eine Katze aus dem Stamm des eilenden Wassers. Ich habe euch verraten. Dich und Eagle. Ich habe die Streunerbande ausspioniert, um dem Stamm zu helfen, euch zu besiegen. Und ich habe auch... Sam getötet. Meinem Stamm wollte ich immer treu sein, um jeden Preis, so wie du deinem Clan treu bist. Jetzt weiß ich, dass auch Treue zur Familie wichtig ist. Das alles war ein großer Fehler, den jedoch niemand hier ungeschehen machen kann.«
Verwundert beobachtete Rankensee, wie Jade die Krallen wieder einzog und ihr Fell sich glättete. Sollte sie nun nicht erst recht wütend werden?
»Du hättest mich nicht anlügen dürfen, Eagle«, stellte Jade klar und die Kälte in ihrer Stimme war viel schlimmer als jedes noch so bedrohliche Knurren. »Hätte ich nicht das Recht darauf gehabt, das alles zu erfahren?«
Dann wandte sie sich an ihre Mutter. »Und du... Nun, ich werde dich nie mehr meine Mutter nennen. Das hättest du nicht verdient. Aber eines muss ich dir lassen: Du bist die einzige, die mir zutraut, die Wahrheit zu ertragen. Ich bin kein Junges mehr. Ich muss nicht in ein Moospolster verpackt werden, das alles Schlechte auf der Welt von mir abhält, damit ich in irgendeiner naiven Traumwelt leben kann.«
Damit wirbelte sie herum und stolzierte in Richtung BlattClan-Lager davon.
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